Lubjanka

Gebäude in Moskau, Geheimdienstzentrale
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Die Lubjanka (russisch Лубянка) war ein Moskauer Versicherungsgebäude. Von 1920 bis 1991 war er das Hauptquartier, das zentrale Gefängnis und das Archiv des sowjetischen Geheimdienstes in Moskau. Heute beherbergt die Lubjanka den russischen Geheimdienst FSB. Das gelbe Backsteingebäude steht am Lubjanskaja Ploschtschad Nr. 2 gegenüber der Metrostation Lubjanka (früher Dserschinskaja).

Geheimdienstapparat

Das Gebäude wurde vor dem Ersten Weltkrieg als Verwaltungsgebäude der Allgemeinen Russischen Versicherungsgesellschaft erbaut. Nach der Oktoberrevolution wurde es von Geheimdienstgründer Felix Dserschinski für seine Zentrale beschlagnahmt. Alle seine Nachfolger und ihr Apparat residierten ebenfalls dort. Die Geheimdienstchefs Nikolai Jeschow und Lawrenti Berija organisierten von ihrem Büro in der dritten Etage der Lubjanka aus die Stalinschen Säuberungen und die Ärzteverschwörung gegen die russisch-jüdische Elite. 1972 wurde dem Geheimdienst das Haus zu klein und die Abteilung für Auslandsaufklärung zog in einen Neubau in Jasenewo im Südosten Moskaus. Das Rechenzentrum des FSB wurde in den 1990er Jahren in einem Gebäude unmittelbar neben der Lubjanka eingerichtet.

Nach der Auflösung des KGB wurde die Lubjanka das Hauptquartier der russischen Grenztruppen und beherbergte ein Direktorat des neuen Geheimdienstes FSB. Unter Leitung von FSB-Chef Wladimir Putin wurde die Lubjanka 1998 reorganisiert. Er errichtete den Geheimdienstmitarbeitern eine eigene russisch-orthodoxe Kapelle nahe dem Gebäude.

Gefängnis

 
Der Schriftsteller Isaak Babel in der Lubjanka, 1939

Die Lubjanka verfügt über ausgedehnte Zellentrakte für politische Gefangene. In den Kellerräumen wurden seit 1920 mehrere hunderttausend Menschen verhört und gefoltert. Es war üblich, sie Tag und Nacht nicht schlafen zu lassen. Im Verhör wurden sie beleidigt, verprügelt und mit weiteren Folterungen bedroht. Wer sich weigerte das Gewünschte auszusagen, wurde im Kerker in enge, einschnürende Handschellen gelegt.

Viele Gefangene begingen Selbstmord oder wurden nach Prozessen ohne Verteidiger in den Kellern der Lubjanka erschossen oder gehängt. Oft wurde auch ohne Prozess exekutiert: Als 1941 die Besetzung Moskaus durch die deutsche Wehrmacht drohte, wurden der KPD-Mitbegründer Hugo Eberlein und rund 300 inhaftierte, hochrangige sowjetische Offiziere in der Lubjanka erschossen, weil es an Transportmitteln für die Evakuierung des Gefängnisses fehlte. Die Keller dämpften alle Geräusche.

Das Gefängnis in der Lubjanka blieb nach 1991 in Betrieb.

Archiv

In der Lubjanka lagert das für die Öffentlichkeit verschlossene Archiv des sowjetischen Geheimdienstes. In großen Tresoren werden Karteien mit den Namen von 50 bis 55 Millionen Opfern des Geheimdienstes aufbewahrt. Große Teile der Bestände sollen jedoch nicht mehr existieren: Beim Vormarsch der deutschen Wehrmacht auf Moskau sollen im Oktober 1941 die Unterlagen der WeTscheKa-GPU-NKWD in der Lubjanka verbrannt worden sein. Das Archiv des MGB-MWD soll 1953 ebenfalls vernichtet worden sein. Unversehrt blieb die Bibliothek, die in der Sowjetunion streng verbotene Literatur bereithielt. Alexander Solschenizyn fand dort Bücher von John Dos Passos, Sergei Jessenin und Boris Pasternak.

1984 wurde in dem Gebäude ein Geheimdienst-Museum, eingerichtet, das die Heldentaten der Auslandsaufklärung dokumentiert.

Auf dem Platz vor dem Gebäude stand bis August 1991 ein Denkmal für den Geheimdienstgründer Dserschinski. Es wurde dann unter dem Jubel der Bevölkerung entfernt. Im Oktober 1990 errichtete die Menschenrechtsorganisation Memorial in Sichtweite der Lubjanka ein Denkmal für die Opfer des Stalinismus.

Politische Gefangene in der Lubjanka

  • Wladyslaw Anders, polnischer General (1939)
  • Isaak Babel, russischer Schriftsteller (1939)
  • Salomon Bregman, stellvertretender Minister der RSSFR (1952)
  • Margarete Buber-Neumann, Ehefrau des KPD-Politbüromitglieds Heinz Neumann (1938)
  • Wladimir Bukowski, russischer Dissident (1963)
  • Walter Diettbender, deutscher Komintern-Sekretär
  • N.N. Krestinski, Sekretär des Zentralkomitees und Politbüromitglied der KPdSU
  • Vilmos Langfelder, Chauffeur Raoul Wallenbergs (1945)
  • Walter Linse, deutscher Jurist (1953)
  • Georg Lukács, ungarischer Literaturkritiker und Philosoph (1941)
  • Kreszentia („Zenzi“) Mühsam, Witwe des Dichters Erich Mühsam
  • Carola Neher, deutsche Schauspielerin (1936)
  • Heinz Neumann, Politbüromitglied der KPD (1937)
  • Karl Radek, Sekretär der Dritten Internationale (1937)
  • Eddie Rosner, deutscher Bandleader und Jazztrompeter (1946)
  • Alexander Solschenizyn, russischer Schriftsteller (1945)
  • Lina Stern, Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften (1952)
  • Leopold Trepper, Chef der Roten Kapelle (1945)

Politische Exekutionen in der Lubjanka

Literatur

  • Die Tscheka: Russische Hilferufe an das Weltgewissen. Dietz Nachf./Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1922
  • Aleksander Jakovlev (Hrsg.): Lubjanka: organy VCK-OGPU-NKVD-NKGB-MGB-MVD-KGB. Moskva 2003
  • V.N. Chaustov, V.P. Naumov, N.S. Plotnikova (Hrsg.): Lubjanka: Stalin i VCK-GPU-OGPU-NKVD, janvar' 1922 - dekabr' 1936. Mezdunarodnyj fond "Demokratija", Moskva 2003
  • V.N. Chaustov, V.P. Naumov, N.S. Plotnikova (Hrsg.): Lubljanka: Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, 1937-1938. Mezdunarodnyj fond "Demokratija", Moskva 2004
  • Reinhard Müller: Menschenfalle Moskau: Exil und stalinistische Verfolgung. Hamburg 2001, ISBN 3-930908-71-9
  • Reinhard Müller: Georg Lukács in der Lubjanka. Moskau 1999