Unternehmertum

Prozess der Entwicklung, Gründung und Führung eines neuen Unternehmens
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Der Begriff Unternehmertum (Unternehmergeist) oder Entrepreneurship beschäftigt sich als wirtschaftswissenschaftliche Teildisziplin mit dem Gründungsgeschehen oder der Gründung von neuen Organisationen als Reaktion auf identifizierte Möglichkeiten und Gründerpersönlichkeiten. In der modernen Entrepreneurship-Literatur finden sich breitere Ansätze. Entrepreneurship ist mehr als Unternehmensgründung, es geht um die Identifizierung von (Markt-)Chancen, das Finden von (Geschäfts-)Ideen und deren Umsetzung, State of the Art ist der prozessorientierte Ansatz.

Allgemein

Für den Begriff Entrepreneurship oder Unternehmertum gibt es keine allgemein gebräuchliche Definition. In wissenschaftlichen Arbeiten überwiegt die Betrachtung der unternehmerischen Funktion im makroökonomischen Kontext. Allgemein anerkannte Modelle oder einheitliche Theorien existieren nicht.

Seit den Arbeiten Schumpeters (Beginn des 20. Jahrhunderts) werden die Rollen des Unternehmers und des Managers zunehmend strikt voneinander getrennt. Sie bedürfen auch aufgrund des unternehmerischen Involvements unterschiedlicher Betrachtungen. Im Rahmen der volkswirtschaftlichen Perspektive interessieren am Entrepreneurship insbesondere Gründungsdynamik und notwendige Rahmenbedingungen, während im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Forschung eher Unterschiede im Führungs- und Investitionsverhalten herausgearbeitet werden.

Vgl. Jacobsen, L. (2006): S. 35 wird Entrepreneursphip folgendermaßen definiert:

Entrepreneurship ist ein dynamischer Prozess, der sich durch:

  • das Erkennen und Ergreifen von Marktchancen
  • die Umsetzung dieser Möglichkeit in neuen Unternehmen
  • den koordinierten Einsatz von Ressourcen
  • das Streben nach Gewinnen
  • die kalkulierte Übernahme von Risiken

kennzeichnen lässt.

Geschichte

Das heutige Verständnis von Entrepreneurship gründet auf der Arbeit des Ökonomen Schumpeter. Für Schumpeter (1950) ist ein Unternehmer eine Person, die bereit und fähig ist, neue Ideen oder Erfindungen in erfolgreiche Innovationen umzusetzen. Der Unternehmer ist die Ursache von Veränderungen weg vom alten Gleichgewicht. Er ist nicht Erfinder, sondern Innovator, der neue Ideen aufgreift und durchsetzt, damit aktuelle Strukturen zerstört und neue schafft. So ist das Zerstören alter Strukturen verantwortlich für industrielle Dynamik und langfristiges Wirtschaftswachstum. Gegenüber Schumpeters Beitrag aus dem 20. Jahrhundert lässt die traditionelle Mikroökonomie in ihrem theoretischen Gerüst wenig Spielraum für Unternehmertum. Sie nimmt stattdessen an, dass die Ressourcen sich gegenseitig durch ein Preissystem finden.

Für Frank H. Knight (1967) und Peter Drucker (1970) bedeutet Unternehmertum, Risiken zu übernehmen. Das Verhalten des Unternehmers reflektiert eine Person, die bereit ist, für ihre Idee Karriere und finanzielle Absicherung aufs Spiel zu setzen und ein Risiko einzugehen; viel Zeit und Kapital für/in die Idee zu investieren. Eine andere Sichtweise von Entrepreneurship ist die Betrachtung des Prozesses vom Entdecken, Evaluieren und Ausnutzen von Möglichkeiten, die sich dann in Form von Unternehmensgründungen vergegenständlichen.

Bis zum Anfang der 1980er befassten sich Studien zum Unternehmertum fast ausschließlich mit dem männlichen Unternehmer; über weibliche Unternehmer war bis dahin wenig bekannt.[1] In den 1990ern nahm Wirtschaftsstatistiken zufolge der Umfang weiblichen Unternehmertums in den meisten entwickelten Staaten deutlich zu.[2]

Pinchot (1985) prägte den Begriff Intrapreneurship um unternehmerische Aktivitäten innerhalb einer Organisation zu beschreiben.

Unternehmerisches Handeln

Das unternehmerische Handeln besteht aus vier Komponenten:

  • Entdecken von Chancen: Ein Unternehmer muss in der Lage sein, systematische Geschäftsideen zu generieren, zu bewerten und auszuwählen, sowie persönliche Chancen wahrzunehmen und umzusetzen
  • Durchsetzen von Innovationen: Neue Geschäftsideen müssen entwickelt, in Modelle und Prototypen umgesetzt und schließlich vermarktet werden (auch Prozesse, Dienstleistungen, etc.).
  • Erschließung und Nutzung von Ressourcen: Der Unternehmer muss fähig sein, für ihn wichtige Ressourcen zu identifizieren, zu erschließen und für sich zu nutzen.
  • Tragen von Risiken: Der Unternehmer muss bereit sein, die Risiken für sein unternehmerisches Handeln zu übernehmen

Dazu gehören weiterhin, ein bestehendes Unternehmen am Leben zu erhalten (Krisen, Veränderungen - z.B. auch aufgrund der eigenen Innovationen, Konkurrenten), das Umfeld zu beobachten, fremde Geschäftsideen, ~modelle und ~prozesse zu beurteilen, diese, u.U. angepasst, gegebenenfalls zu übernehmen. Selbstverständlich bedeutet unternehmerisches Handeln auch, möglichst frühzeitig eigene Fehlentwicklungen zu erkennen und korrigieren oder beenden.

Insbesondere muss Verantwortung tragen Bestandteil unternehmerischen Handelns sein, sowohl der Gesellschaft gegenüber (Umweltschutz, juristische Belange, Nebenwirkungen auf das soziale und wirtschaftliche Umfeld), sowie für Mitarbeiter, sobald diese hinzukommen.

Charakteristika von Unternehmertum

Unternehmertum wird auch als Verhalten, Ausdruck der Persönlichkeit und als Einstellung gesehen.

  • Leistungsmotivation: Der Unternehmer hat eine Vision, die ihn begeistert. Die Vision ist die treibende Kraft für ein Unternehmen und der Unternehmer muss bereit sein, Aufgaben anzugehen und den Wunsch haben, eigene Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Hohe Leistungsmotivation ist eine notwendige Eigenschaft unternehmerischen Handelns.
  • Eigeninitiative und Unabhängigkeitsstreben: Der Unternehmer muss mit Ausdauer und Entschlossenheit Strategien entwickeln, um seine Vision selbst zu verwirklichen. Er strebt nach Selbstständigkeit sowie Unabhängigkeit und vertraut in die eigenen Fähigkeiten.
  • Realismus und Fähigkeit zur Zusammenarbeit: Der Unternehmer muss seine Grenzen genau kennen und in der Lage sein, mögliche Partner zu identifizieren oder gar aufzubauen. Insbesondere sollte er sein Umfeld genau kennen, um redundante Entwicklungen zu vermeiden.
  • Kreativität: Ein Unternehmer sollte ein schöpferisch denkender und entscheidungsfreudiger Mensch sein, der assoziativ in seinen Vorstellungen und lebhaft in seiner Phantasie ist.
  • Risikobereitschaft: Unternehmerische Aufgaben bieten Chancen und Risiken. Der Unternehmer muss diese abwägen und ein abschätzbares Risiko eingehen. Er bewertet Kosten, Markt- und Kundenbedürfnisse. Der Unternehmer trägt die Verantwortung, um seine Idee zum Erfolg zu führen.
  • Emotionale Stabilität, Durchsetzungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen: Ein Unternehmer muss fähig sein, Misserfolge schnell zu verarbeiten und in kritischen Situationen einen klaren Kopf zu behalten. Ebenfalls muss er kooperativ sein und Einfühlungsvermögen haben, um sich in z.B. Teammitglieder, Investoren oder Kunden hineinversetzen zu können und in Zusammenarbeit mit ihnen etwas zu erreichen.
  • Problemlösungsfähigkeit: Viele Aufgaben des Unternehmertums sind keine Routine-Aufgaben. Ein Unternehmer muss in der Lage sein in unbekanntem Feld zu operieren und Wege zu finden, handlungsfähig zu bleiben.

Literaturhinweise

  • Collrepp, Friedrich von: Handbuch der Existenzgründung, 5. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, 2005, ISBN 978-3791026282
  • De, D.: Entrepreneurship - Gründung und Wachstum von kleinen und mittleren Unternehmen, Pearson-Studium (Pearson-Education), Boston, San Francisco, Sydney, Madrid, Amsterdam, München 2005, ISBN 3-8273-7119-8
  • Fallgatter: Theorie des Entrepreneurship: Perspektiven zur Erforschung der Entstehung und Entwicklung junger Unternehmungen. Dt. Univ.-Verl, Wiesbaden 2002, ISBN 3-8244-9091-9
  • Faltin, Günter: Kopf schlägt Kapital, 7. Auflage, Hanser Verlag, 2010, ISBN 978-3446415645
  • Fueglistaller/Müller/Volery: Entrepreneurship. Modelle - Umsetzung - Perspektiven. Mit Fallbeispielen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. 1.Auflage. Gabler, Wiesbaden 2004, ISBN 3-409-12577-9
  • Lindner u.a.: Entrepreneur: Menschen, die Ideen umsetzen. Initiative für Teaching Entrepreneurship , Wien 2005, ISBN 3-200-00294-8
  • Merath, Stefan: Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer, 3. Auflage, GABAL-Verlag, 2008, ISBN 978-3897497931
  • Rosenstiel/Lang-von Wins (Hrsg.): Existenzgründung und Unternehmertum: Themen, Trends und Perspektiven. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1999, ISBN 3-7910-1315-7
  • Amtsblatt der EU: KOM(2005)548 endgültig 2005/0221(COD)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Attila Bruni,Silvia Gherardi,Barbara Poggio: Gender and entrepreneurship: an ethnographic approach, Routledge, 2005, und Digital Printing, 2006, ISBN 0-415-35228-2, S. 10
  2. Attila Bruni,Silvia Gherardi,Barbara Poggio: Gender and entrepreneurship: an ethnographic approach, Routledge, 2005, und Digital Printing, 2006, ISBN 0-415-35228-2, S. 12