Russe (Stadt)

Stadt an der Donau in Bulgarien
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. Juni 2010 um 21:16 Uhr durch Archidux (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Russe oder Rousse [ˈrusɛ] (bulgarisch Русе, früher Rustschuk) ist mit 169.000[1] Einwohnern die fünftgrößte Stadt in Bulgarien und die größte Stadt im Norden des Landes. Die Industriestadt stellt auch das kulturelle Zentrum Nordbulgariens dar. Bestimmend dafür sind ein Schauspiel- und ein Opernhaus, eine Kunstgalerie, ein Fernsehturm mit Aussichtsplattform sowie mehrere Hochschulen.

Russe (Русе)
Basisdaten
Staat: Bulgarien Bulgarien
Oblast: Russe
Einwohner: 169.000 (31. Dez. 2005)
Koordinaten: 43° 51′ N, 25° 58′ OKoordinaten: 43° 51′ 23″ N, 25° 58′ 14″ O
Höhe: 29 m
Postleitzahl: 7000
Telefonvorwahl: (+359) 082
Kfz-Kennzeichen: P
Verwaltung
Bürgermeister: Boschidar Jotow
Website: www.rousse.bg
Russe - Bulgarien - Nachbarorte: Giurgiu, Bjala, Swischtow, Lewski, Gorna Orjachowiza, Targowischte, Popowo, Rasgrad, Oltenia, Bukarest

Russe ist die Hauptstadt des Oblast Russe, Sitz der gleichnamigen Gemeinde Russe wie auch Grenzstadt zu Rumänien. Die ihr gegenüber am anderen Ufer der Donau liegende rumänische Grenzstadt ist Giurgiu. Mit Giurgiu ist Russe über die Giurgiu-Russe-Freundschaftsbrücke verbunden.

Die Stadt liegt an der Donau durchschnittlich 29 Meter über dem Meeresspiegel nahe der Mündung des Flusses Russenski Lom. Die Entfernung von Russe nach Bukarest beträgt 80 Kilometer, nach Sofia sind es 280 Kilometer.

Das Ensemble Stadtkern Russe wurde vom bulgarischen Staat wegen seiner geschichtlichen Bedeutung und architektonischen Gestalt mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.

Geschichte

Von der frühesten Besiedlung bis zum 19. Jahrhundert

Früheste Siedlungsspuren stammen bereits aus dem 5. Jahrtausend v. Chr.[2]. Die Römer gründeten hier Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. die Hafenstadt Sexaginta Prista (Stadt der 60 Schiffe). Sie hatte die Aufgabe, die Nordgrenze des Römischen Reiches gegen Überfälle der nördlich der Donau lebenden Völker zu schützen.

Die Stadt wird bis zum 5. Jahrhundert erwähnt, wobei der römische Name auf Pristis und später Pristapolis verändert wurde. Dann entstand südlich der heutigen Stadt Russe am Russenski Lom die Siedlung Tscherwen, die bis zu den Eroberungszügen der Osmanen existierte.

Feldzüge unter Michail Witjasul am Ende des 16. Jahrhunderts führten zur Zerstörung der Stadt in großen Teilen. Bei ihrem anschließenden Wiederaufbau unter osmanischer Herrschaft erhielt sie den Namen Rustschuk. Wegen ihrer strategisch wichtigen Lage an der Domau wurde sie zu einer Festung ausgebaut. Außerdem erlangte sie eine große wirtschaftliche Bedeutung.[2]

 
Blick über die Donau auf Russe,
Darstellung aus dem Jahr 1824

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Russe Zentrum der administrativen Region (Tuna-Vilayet) und Residenz des Midhat Pascha. Rustschuk entwickelte sich zu einem Handelszentrum mit starker Festung. Viele europäische Konsulate wurden eröffnet; Hotels, Schulen und eine Bibliothek entstanden.

Die Entwicklung der Stadt wurde durch die Donauschifffahrt und durch die am 7. November 1866 eröffnete erste Eisenbahnlinie des Landes, Russe-Warna, die erste Endstation des Orient-Express, gefördert. Bereits 1878, im Jahr der Befreiung von der osmanischen Herrschaft, zählte Russe über 26.000 Einwohner und war die größte Stadt im damaligen Fürstentum Bulgarien.

Zwanzigstes Jahrhundert bis zum Ende der Sozialistischen Zeit

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Territorium Süd-Dobrudscha an Rumänien verloren, damit schwächte sich die Wirtschaftskraft der Stadt Russe. Sie verlor viele Einwohner und war damit nur noch die drittgrößte Stadt nach Sofia und Warna. Große Produzenten verließen den Ort, ausländische Konsulate wurden bis auf das Russische geschlossen.

Im September 1940 kam die Süd-Dobrudscha nach Verhandlungen wieder zu Bulgarien, Russe wurde Verwaltungszentrum und es erfolgte ein erneutes Wirtschaftswachstum. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wandelten sich die Besitzverhältnisse, aus zahlreichen vorherigen Privatunternehmen wurden staatliche Fabriken. Chemiebetriebe wurden angesiedelt, die Lampenherstellung eingeführt, ein großer Handelshafen wurde gebaut. Die 1954 eingeweihte neue Giurgiu-Russe-Freundschaftsbrücke zwischen Russe und der rumänischen Stadt Giurgiu ist die einzige Verbindung zwischen Rumänien und Bulgarien und damit über die Donau hinweg, was die Transportwege enorm verbesserte. Russe wurde in den 1970er-Jahren wieder ein bedeutendes Verkehrs-, Handels-, Kultur- und Bildungszentrum.

In den frühen 1980er-Jahren führte der Bau eines großen Chemiekombinats in Giurgiu auf rumänischem Territorium zur dauerhaften Luftverschmutzung in Russe, wodurch bis 1992 15.000 Personen die Stadt verließen. Die ökonomische Krise der gesamten Länder des RGW wirkte sich besonders stark in Russe aus, die Industrieprodukte konnten nicht mehr verkauft werden, Spezialisten gingen weg, die Zahl der Arbeiter nahm ständig ab.

Russe gewinnt seine Bedeutung nach dem Fall des Kommunismus zurück

 
Rathaus von Russe

Die politischen Veränderungen in der Sowjetunion, in Polen und in der DDR bewirkten letztendlich auch einen demokratischen Wandel in Bulgarien und damit auch in Russe. Die Umweltverschmutzung konnte beseitigt werden, einige Industriebetriebe produzieren wieder, die Bevölkerungszahl stabilisierte sich bis zum Jahr 2000 auf rund 165.000. Schrittweise erlangte Russe seine Bedeutung als grundlegendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum in Nordbulgarien zurück. Die Mitgliedschaft in der EU führte zu neuen Investitionen und der Ansiedlung internationaler Handelsunternehmen. Seitdem auch Rumänien 2007 der EU beitrat, wurde Russe ein beliebtes Wochenendziel der Bukarester.

Anzahl Einwohner
Jahr 1878195919852000200520082009
Einwohner 26,00091.700[3]186,000ca. 165.000169,000166.991167.043

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Theater und Museen

Russe besitzt ein Schauspielhaus, ein staatliches Opernhaus, ein Puppentheater und eine Philharmonie für das Städtische Sinfonieorchester. Die Staatsoper Russe wird von Ivan Kiurkchiev geleitet, der früher selbst Sänger war und von Giuseppe di Stefano ausgebildet wurde. Er ist Gewinner des Caruso-Wettbewerbs. Von nationaler Bedeutung sind auch das Volkstheater Sawa Ognjanow und die Gemäldegalerie, Die Stadt beherbergt ein historisches Museum, ein naturwissenschaftliches Museum, ein Verkehrsmuseum (in einem früheren Bahnhofsgebäude)[4] und die städtische Kunstgalerie.

 
St. Peter

Kirchengebäude

  • St.-Peter-Kirche
  • St.-Paul-vom-Kreuz-Kathedrale
  • orthodoxe St.-Georg-Kirche
  • Katholische Eparchy
  • Armenische Kirche
  • evangelisch-methodistische Kirche
  • Synagoge
  • Seid-Pascha-Moschee

Bauwerke

 
Pantheon

Von den rund 200 architektonisch bedeutsamen Bauten sind die folgenden besonders hervorzuheben:[4]

  • das Finanzamt (Dorochodno sdanie), eingerichtet in einem historischen Theatergebäude,
  • der Sparkassenkomplex,
  • das Haus der Industrie- und Handelskammer,
  • das Haus der Seefahrt,
  • der Klub der Kulturschaffenden.

Die größte Gedenkstätte Russes ist das 1979 fertiggestellte Pantheon der Kämpfer der Wiedergeburt, dessen große vergoldete Kupel bei klarem Wetter weithin zu sehen ist. In ihm sind 453 namhafte Freiheitskämpfer bestattet.[2]

Beim neuen Bahnhof ist ein Festungstor aus der Türkenzeit sehenswert.

Der 204 Meter hohe Fernsehturm mit Aussichtsplattform ist das höchste Gebäude Bulgariens. Auffällig im Zentrum der Stadt sind die vielen schönen Häuser aus der Zeit des Barocks und der Renaissance. Die Stadt wird deswegen gern „Klein Wien“ genannt. - Erwähnenswert ist außerdem das Gerichtsgebäude.

Am Donauufer befindet sich das Hotel Riga, ein 22 Stockwerke hohes Hotel, das einen weiten Blick über die Stadt, die Donau, den Hafen bis nach Rumänien bietet.

Denkmäler

 
Freiheitsplatz
  • Freiheitsstatue mit Bulgarischen Löwen vor dem Postament, gegenüber dem Rathaus. Sie stammt aus der Werkstatt des italienischen Bildhauers Arnoldo Zocchi und ist dem New Yorker Original nachempfunden.
  • Denkmal für die Rote Armee (Aljoscha-Monument)
  • Denkmal für die im Serbisch-Bulgarischen Krieg 1885 Gefallenen des 5.-Donau-Infanterie-Regiments auf dem Alexander-Batenberg-Platz
  • Denkmal für Stefan Karadscha, einem Heerführer des Befreiungskampfes im 19. Jahrhundert
  • Denkmal für Angel Kantschew
  • Denkmal für Iwan Wedar

Veranstaltungen

  • Internationales klassisches Musikfestival (im März; seit 1961)[5]
  • BG MediaMarket Medienfestival (im Oktober)[6]
 
Typischer Wohnblock in der Innenstadt

Wirtschaft und Infrastruktur

Russe ist Industriestadt mit der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, mit Maschinenbau, Flussschiffbau und Textil- und Ledererzeugung. In der Umgebung der Stadt werden Zuckerrüben und Weintrauben angebaut. Seit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens in die EU nutzen rumänische Bürger den Preisunterschied für Konsumgüter und Dienstleistungen auf bulgarischer Seite: Tausende Rumänen kaufen in Russe zum Teil für den halben Preis ein und transportieren ganze Autoladungen ab.

Verkehr

Die Stadt besitzt den größten bulgarischen Donauhafen und ist ein Eisenbahn- und Straßenverkehrsknotenpunkt. Über die mit Hilfe der Sowjetunion aus eher strategischen Gründen anfangs der 1950er-Jahre erbaute kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke nach Giurgiu (Freundschaftsbrücke) wird ein großer Teil der Aus- und Einfuhrgüter Bulgariens transportiert. Viele Touristen und Pendler im kleinen Grenzverkehr benutzen die Brücke, beklagen sich jedoch darüber, dass auf beiden Seiten eine nicht unerheblicher Brückenmaut erhoben wird, wovon nur ein geringer Teil in die Erhaltung des altersschwachen Bauwerks investiert wird.

Bildung

Russe ist Standort einer Universität, sowie von Deutsch-, Englisch- und Europäischen Sprachengymnasien. Die große Bezirksbibliothek und die Musikschule gehören ebenfalls zum Bildungsangebot.

Umgebung

Nördlich von Russe, ungefähr sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, findet man die sogenannte "Brücke der Freundschaft" - die mit 2,8 Kilometer längste Stahlbrücke Europas. Sie besteht aus zwei Etagen - oben fahren Autos, unten die Eisenbahn. Gebaut wurde sie im Jahre 1954, restauriert 2003 mit Geldern der Europäischen Union.

Elf Kilometer östlich der Stadt liegt der Waldpark Lipnik mit Hotel, Gaststätte, zahlreichen Ferienheimen, Sportanlagen und einem Campingplatz.

Unweit der Stadt Russe, nahe Iwanowo, befindet sich der Naturpark Russenski Lom mit den zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Felskirchen von Iwanowo.

Söhne und Töchter der Stadt

Commons: Russe (Stadt) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. GRAO
  2. a b c Informationen auf 'Zone Bulgaria'; abgerufen am 23. Februar 2010
  3. Meyers Neues Lexikon, Bibliographisches Institut Leipzig, 1964, Band 7
  4. a b Sehenswürdigkeiten auf Zone Bulgaria; abgerufen am 23. Februar 2010
  5. March Music Days
  6. Bulgarian Europe