Misteln sind auf und in ausdauernden Pflanzen – ganz überwiegend Gehölzen – parasitierende Grünpflanzen. Es werden weltweit etwas über 1.330 Mistel-Arten unterschieden. Der Lebensformtyp Mistel ist offenbar zumindest zweimal unabhänging voneinander entstanden. Daraus ergibt sich: Während Misteln früher in einer einzigen Pflanzenfamilie zusammengefasst wurden, werden sie neuerdings zumindest in die beiden Familien Riemenblumengewächse (Loranthaceae) mit ihren rund 900 Arten und Mistelgewächse (Viscaceae) unterschieden. Die Viscaceae umfassen ungefähr 400 Arten. Von diesen kommen in Afrika knapp 50 Arten vor; an Misteln aus der Familie Loranthaceae werden dort dagegen rund 240 Arten unterschieden.
Mistel | ||||||||||||||||
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![]() Blühende Mistel in der Eifel | ||||||||||||||||
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In Europa kommen nur eine Handvoll Arten vor. Die bekannteste davon ist "unsere" Weißbeerige Mistel (Viscum album): engl.: mistletoe; frz.: le gui; ital.: il vischio. Sie kommt, mit mehreren Unterarten, fast in ganz Europa vor, so von Süd-Italien bis Südschweden; außerdem durch das gemäßigte Eurasien bis hin nach Japan.
Beschreibung
Unsere Weißbeerigen Misteln (Viscum album) sind ausdauernde, immergrüne und weitgehend kugelig wachsende Halbschmarotzer von bis zu einem Meter Durchmesser. Ihre Blütezeit dauert von Februar bis Mai. Die gelb-grünen eingeschlechtigen Blüten sind dabei knäuelig angeordnet und eher unscheinbar. Die Früchte sind runde weiße Scheinbeeren. Sie enthalten jeweils nur einen einzigen Samen mit allerdings 1 bis 4 grünen Embryonen in einem ebenfalls grünen Nährgewebe. Die Samen der Laubholz-Mistel sind sehr oft 2-embryonig: vergl. sorgfältige Illustration von 1885 in Wikimedia Commons, oben Mitte + links! Der Samenkern ist in ein zäh-klebriges Fruchtfleisch eingebettet. Diese eigenartig zäh-klebrige bis -schleimige Umhüllung des Samenkerns ermöglicht die für die allermeisten Mistelarten typische Ausbreitung ("Verdauungsverbreitung") durch Vögel. Die europäischen Weißbeerigen Misteln wachsen sowohl auf Laub- als auch auf Nadelbäumen bis in Höhen von rund 1200 m über NN.
Unterarten
Je nach Wirtsbaum-Bindung werden innerhalb der Art Viscum album drei Unterarten unterschieden:
- Laubholz-Mistel (Viscum album ssp. album; synonym Viscum album) - auf Pappeln, Weiden, Apfelbäumen, Birken, Robinien, Linden, Ahornbäumen, amerik. Rot-Eiche, amerik. Schwarznuß, amerik. Eschen unter anderem, nicht aber z.B. auf Rot-Buche, dt. Eichen, Kirsch- und Pflaumenbäumen, Walnußbaum, Platanen oder Magnolien.
- Tannen-Mistel (Viscum album ssp. abietis; synonym Viscum abietes) - auf Weißtannen
- Kiefern-Mistel (Viscum album ssp. austriacum; synonym Viscum laxum) - auf Kiefern
- Vergleiche auch:
- Eichenmistel = Riemenblume (Loranthus europaeus)
- Zwergmistel (Viscum minimum) - Vollparasit/Endophyt im Inneren einiger kakteenähnlichen Wolfsmilch-Arten in Südafrika, mit roten Beeren.
- Zwergmisteln im eigentlichen Sinne sind die blattlosen, unscheinbaren, aber forstlich z.T. sehr schädlichen Arten der Viscaceae-Gattung Arceuthobium. Diese parasitieren nur in Nadelgehölzen. Sie sind über die ganze Nordhemisphäre verbreitet. Sie schleudern ihre Samen mit extremem Wasserdruck bis zu zwanzig Meter weit, ein im Pflanzenreich äußerst seltener Ausbreitungsmechanismus (Canadian Journal of Botany, Bd. 82, S. 1566). Besonders artenreich treten sie in Nordamerika auf. In Europa kommt aus dieser etwas über 30 Arten umfassenden Gattung nur die sehr unauffällige Wacholdermistel vor, z.B. in Südfrankreich.
Giftigkeit
Alle Pflanzenteile außer den Beeren enthalten angeblich giftige, basische Polypeptidgemische. Die Giftstärke sei angeblich wirtsabhängig, am größten bei Ahornbewohnern und auf Linden, am geringsten bei Pflanzen von Apfelbäumen. Fütterungs- und Selbstversuche erwiesen keine Giftigkeit. Durch Stürme heruntergebrochene oder beim Bäumefällen gewonnene Mistel-Buschen werden vom Wild gern gefressen und sollten insbesondere während des winterlichen Frischfuttermangels unbedingt an Rinder, Schafe, Ziegen oder Pferde verfüttert werden! Auch Hauskaninchen ("Stallhasen") fressen meist gern das Mistellaub. Weshalb auch sollte eine meist ganz unzugängliche Pflanze den Aufwand betreiben, in ihrem Sekundärstoffwechsel Gifte herzustellen? Anders als Bodenpflanzen (wie z.B. Fingerhut), haben die Misteln derlei nicht nötig.
Nutzung
Aus den Beeren der Eichenmistel wurde früher ein zäher Leim hergestellt, mit dem Ruten bestrichen wurden, die so dem Vogelfang dienten. Von dem lateinischen Wort viscum für Mistel leitet sich der Begriff Viskosität ab, das Fruchtfleisch der Mistel ist also namenprägend für eine zähe Flüssigkeit geworden.
Des weiteren wurde die Mistel medizinisch als Heilpflanze verwendet. 2003 wurde sie zur Heilpflanze des Jahres gekürt. Genutzt wurden dabei vor allem Blätter und junge Zweige, die als Wirkstoffe Aminosäuren, Saponine, organische Säuren enthalten. Als Aufguss oder Tinktur fanden entsprechende Essenzen Verwendung mit angeblich blutdrucksenkender und krampflösender Wirkung. Auch gegen Arteriosklerose wurden Mistelpräparate eingesetzt. Besonders bekannt ist die medizinische Verwendung im Rahmen der Mistel-Therapie in der Anthroposophisch erweiterten Medizin. In der wissenschaftlichen Medizin sind Mistelpräparate inzwischen allerdings "wegen erwiesener Unwirksamkeit" obsolet.
Naturschutz
Das Pflücken wildwachsender Misteln ist in Deutschland aus Naturschutzgründen weitgehend untersagt. Wegen der neuerdings auffälligen Expansion aller unserer drei einheimischen Mistel-"Rassen" (Tannen-, Kiefern- und vor allem Laubholz-Mistel) sollte das Pflücken, Herunterschlagen oder Absägen von Mistel-"Buschen" allerdings möglichst bald freigegeben werden. In der Schweiz besteht sogar eine gesetzliche, strafbewehrte Verpflichtung zum Bekämpfen der Misteln in Apfelbaum-Kulturen, die ursprünglich auch in weiten Teilen Deutschlands bis Anfang der 70er Jahre bestanden hatte.
Kultur
Insbesondere in nordischen Ländern ist bis heute der Brauch verbreitet, zur Wintersonnenwende Misteln auf unterschiedliche Art als symbolische Schutzgaranten und Glücksbringer zum Julfest zu nutzen.
Die alten Germanen glaubten, sie sei vom Himmel gefallen und betrachteten sie daher als heilig.
In der keltischen Mythologie gelten Misteln auch als Zauberpflanzen der Druiden.
In England und den USA werden zur Weihnachtszeit Mistelzweige aufgehängt. Die Frau, die um Weihnachten herum unter einem Mistelzweig steht, darf geküsst werden.
Literatur
- Maria Treben: Gesundheit aus der Apotheke Gottes. 104 Seiten (ISBN 3-85068-090-8)
- Karl von Tubeuf: Monographie der Mistel. 1923 (über 800 Seiten)
- Polhill & Wiens: Mistletoes of Africa. 1998
- Weber: Parasitismus von Blütenpflanzen. Darmstadt 1993 (Wiss. Buchgesellschaft)
- Calder & Bernhardt: The Biology of Mistletoes. 1983
- Press & Graves: Parasitic Plants. 1995 (Verl. Chapman & Hall)
- Unsere Misteln von Fritz Stopp 75 S. Westarp Wissenschaften 2002 ISBN 3894327146
- Thomas Göbel: Nuytsia floribunda und Viscum album (Verl. Freies Geistesleben 2004)
Weblinks
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- www.giftpflanzen.com - Die Mistel als Giftpflanze
- www.botanischer-garten.uni-erlangen.de - Die Mistel: Geschichte und Naturschutz
- halsbandsittiche.papageien.org - Mistel als Nahrung von Papageien und anderen Vögeln
- Mistelkraut-Monographie (Komission E, Bundesgesundheitsamt Berlin)
- Die Mistel als Zauberkraut