Das Alte Wasserkraftwerk Rheinfelden auf dem Gebiet der deutschen Stadt Rheinfelden (Baden) ist das älteste noch bestehende große Flusskraftwerk in Europa.[1] Es ging 1898 mit 20 Turbinensätzen und einer Leistung von 10 Megawatt in Betrieb und war damit seinerzeit zugleich das größte europäische Wasserkraftwerk. Im April 1894 erteilte der Kanton Aargau und im Mai 1898 das Großherzogtum Baden den damaligen Kraftwerksbetreibern Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) die notwendigen Konzessionen für eine Laufzeit von 90 Jahren. Heute wird das Kraftwerk von der Energiedienst Holding betrieben. Ein Wehr leitet einen Teil des Rheins in einen Seitenkanal, und von dort in das Maschinenhaus des Wasserkraftwerks. Eine Eisenbrücke für Radfahrer und Fußgänger verbindet das deutsche Ufer mit der gleichnamigen Schweizer Stadt Rheinfelden.

Beschreibung
Blick vom Schweizer Rheinufer auf das Maschinenhaus des alten Wasserkraftwerks am deutschen Ufer mit dem Eisensteg über den Fluss.
Im Vordergrund die Sicherheitsinsel des temporären Damms in der Rheinmitte, von dem aus das Flussbett im Zuge der Errichtung eines neuen Kraftwerks rund 800 Meter flussaufwärts des alten Kraftwerks vertieft wurde.
Im Hintergrund das Industriegebiet von Rheinfelden (Baden).
Der schmale, 150 Meter lange Baukörper des Maschinenhauses des Wasserkraftwerks besteht aus Stampfbeton, der mit gelblichem Haustein verkleidet ist. Bemerkenswert ist, dass der Bau im Gegensatz zu später errichteten Wasserkraftwerken nicht quer, sondern aus geologischen und baugeschichtlichen Gründen längs zur Flussrichtung steht. Mit der damaligen Bautechnik erschien das Risiko, dass ein Bau quer zum Fluss dem gewaltigen Wasserdruck besonders bei Hochwasser nicht standhalten könnte, noch zu groß. Die symmetrische Fassade gliedert sich in einen auskragenden Mittelteil und zwei Seitenflügel. Der Bau erinnert sehr stark an einen Palast. Derart symbolhaft und selbstbewusst die besondere Bedeutung pionierhafter Industriearchitektur herauszustreichen, war in der Zeit um 1900 verbreitet (man spricht geradezu von „Industrieschlössern“).
Die Brücke über den Rhein direkt neben dem Maschinenhaus war ursprünglich ausschließlich für Grenzgänger aus dem aargauischen Rheinfelden, die in den Industriebetrieben auf der badischen Seite arbeiteten, gedacht. Sie besteht aus Thomas-Stahl und ist engmaschig in Fachwerkart genietet. Die ausführende Firma Albert Buss & Cie. aus Basel verwendete dabei dieselbe Niettechnik, die zuvor schon Gustave Eiffel für seinem berühmten Turm in Paris eingesetzt hatte. Das Aussehen der Brücke wurde über die Jahre hinweg beibehalten. Sie hat eine Länge von 210 Metern, etwa in ihrer Mitte befindet sich an der Staatsgrenze Deutschland-Schweiz ein abschließbares Grenztor, das aber heutzutage rund um die Uhr offen ist. Die Fachwerkträger verlaufen parallelgurtig über drei Felder, sind im Fluss also auf zwei Betonpfeilern gelagert.[2]
Beim Bau des alten Kraftwerks standen vor allem technische Überlegungen im Zentrum. Auf die Belange der Natur wurde weniger Rücksicht genommen, behördlich vorgeschriebene Ausgleichsmaßnahmen für den Eingriff gab es damals noch nicht. Durch den Umstand, dass das Maschinenhaus am deutschen Ufer steht und nicht quer zum Rhein, wurde jedoch das ökologisch wertvolle „Gwild“, eine Felsformation im Flussbett, nicht berührt. Bereits bei der Erbauung um 1900 wurde am alten Kraftwerk ein Fischpass angelegt.[3]
Technische Daten
Altes Kraftwerk | Neues Kraftwerk | |
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Ausbauwassermenge | 600 m³/s | 1.500 m³/s |
Nettogefälle | 4,2–6,0 m | 6,0–9,1 m |
Installierte Leistung | 25,7 MW | 100 MW |
Turbinentypen | 8 Kaplan-, 6 Propeller- und 6 Francis-Turbinen |
4 doppelt regulierte Rohr-Turbinen |
Mittlere Jahresproduktion | 185 Mio. kWh | 600 Mio. kWh |
Geschichte
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Baustelle des alten Wasserkraftwerks Rheinfelden.
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Arbeiter auf der Kraftwerksbaustelle.
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Eine Kleinbahn war eine der wenigen beim Bau eingesetzten Maschinen.
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Einbau der Generatorturbinen ins Maschinenhaus
Erbaut wurde das Kraftwerk nach Plänen des Bauingenieurs Conradin Zschokke. Damit wurde Zschokke zum Pionier der Schweizer Wasserkraftwerke. Das Kraftwerk war auch zugleich das erste Niedrigwasserkraftwerk der Welt. Am Wasserkraftwerk bauten etwa 700 Arbeiter mit und errichteten einen rund 800 Meter langen Kanal parallel zum Rhein. Quer zum Fluss wurde ein etwa 360 Meter langes Stauwehr aufgeschüttet.[4] Der Bau des Kraftwerks begannen im November 1895 und waren im Juni 1899 vollständig abgeschlossen.[5]
Mit dem Bau des Kraftwerks siedelten sich im badischen Rheinfelden viele energieintensive Fabriken an wie die Aluminium- und Chemieindustrie. Auch im aargauischen Rheinfelden begann mit dem Kraftwerksbau die Industrialisierung. Während des Ersten Weltkrieges, am 16. Oktober 1916, entging das Kraftwerk knapp einem Anschlag. Drei französische Geheimagenten planten die Sprengung der Anlage; der Sprengkörper detonierte allerdings zu früh. Als Folge des Anschlages vereinbarten die Schweizer und badischen Militärbehörden ein geheimes Abkommen bezüglich der gemeinsamen Überwachung.[6]
Bereits im Jahr 1984 wollten der damalige Betreiber Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) und der Kanton Aargau ein neues Kraftwerk an der Stelle des ursprünglichen errichten. Durch die Liberalisierung des Strommarktes erschien der Neubau nicht mehr rentabel und wurde deswegen verschoben.[7] Im Dezember 1989 hatten der Schweizer Bundesrat und das Regierungspräsidium Freiburg über eine Verlängerung der Konzession um weitere 80 Jahre zu entscheiden. Diese wurde mit der Auflage bewilligt, dass ein neues Kraftwerk eine höhere Stromproduktion erzielen muss. Da dies mit dem alten Kraftwerk nicht mehr nennenswert möglich war, wird seit Sommer 2003 an einem neuen Wasserkraftwerk gebaut. Gemäß Baugenehmigung ist hierbei der Rückbau des alten Wasserkraftwerkes vorgesehen. Aufgrund der hohen geschichtlichen Bedeutung des Bauwerkes gibt es jedoch Bemühungen, den Abriss noch zu verhindern.
Technikgeschichtliche Bedeutung
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Im Maschinenhaus: Die Drehstromgeneratoren (um 1900).
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Die Gleichstromgeneratoren (um 1900).
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Schnitt- und Ansichtsdarstellung eines Drehstromgenerators für Rheinfelden (1886).
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Nahansicht eines Drehstromgenerators (um 1900).
Das Bauwerk samt seiner Technik gilt als von großer internationaler Bedeutung für die Geschichte der Elektrizitätsnutzung und der erneuerbaren Energien. Die Anlage ist die älteste noch bestehende große Wasserkraftanlage in Europa, zugleich ist sie das erste große Niederdruck-Wasserkraftwerk der Welt. Da das erste Großwasserkraftwerk der Welt, das Adams Powerhouse No. 1 in Niagara Falls/USA nicht mehr existiert, ist die Anlage in Rheinfelden seither das älteste noch bestehende Großwasserkraftwerk der Welt. Zwei der Maschinensätze (Turbinen und Generatoren sind direkt gekuppelt) arbeiten bereits seit über 100 Jahren. Beim Wasserkraftwerk Rheinfelden wurde erstmals in großtechnischem Maßstab Drehstrom (Dreiphasenwechselstrom) mit einer Frequenz von 50 Hz erzeugt, die heute fast weltweit Standard ist. Die Generatormontage in Rheinfelden wurde 1898 von Michail Doliwo‐Dobrowolsky persönlich überwacht. Das Kraftwerk Rheinfelden ist auch die Keimzelle des heutigen europäischen Stromverbundnetzes: 1905 wurden wegen einer Havarie im Kraftwerk Wangen an der Aare Stromlieferungen dorthin vorgenommen, ab 1906 gab es Gegenlieferungen zum Kraftwerk Rheinfelden, womit erstmals in Europa Leitungen zweier Kraftwerke in verschiedenen Versorgungsgebieten zusammengeschaltet wurden.
Geplanter Abbruch
Trotz dieser hohen technikgeschichtlichen Bedeutung ist nach dem Bau des neuen Kraftwerks der Abbruch des alten Maschinenhauses und des Eisenstegs vorgesehen. Der Kraftwerksbau hat zwar nach baden-württembergischem Denkmalschutzrecht durchaus die Eigenschaft eines Baudenkmals. Da aber das zum Ausgleich der Eingriffe durch den Neubau in den Naturhaushalt vorgesehene Fischaufstiegsgewässer nur an der Stelle des alten Kraftwerks zu verwirklichen ist und man im Genehmigungsverfahren noch nicht die Möglichkeit sah, dieses Umgehungsgewässer unter einem Teil des alten Maschinenhauses hindurchzuführen, wurde das Gebäude seinerzeit als nicht erhaltbar eingestuft. In der Konsequenz wurde es – entgegen einer fachlichen Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege[8] – vom Regierungspräsidium Freiburg nicht in das Denkmalbuch eingetragen, womit es nach § 12 des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes einen höheren Schutz als „normale Denkmale“ bekommen hätte.[9]
Trivia
In der Deutschlandversion des Spiels Monopoly ist das alte Kraftwerk eins der beiden Elektrizitätswerke.
Literatur
- Gitta Reinhardt-Fehrenbach: Unvermeidlicher Abbruch? Das Kraftwerk Rheinfelden. In: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (Hrsg.): Denkmalpflege in Baden-Württemberg – Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege, 21. Jg., H. 4, S.109–117, Stuttgart 1992.
- Gerhard Neidhöfer: Technikgeschichtliche Bedeutung des alten Kraftwerks Rheinfelden. In: Aargauer Heimatschutz (Hrsg.): Aargauer Heimatschutzpreis 2009: Verein IG Pro Steg beider Rheinfelden. Rheinfelden AG, 2010, S. 3–18 (mit weiteren Literaturangaben; online abrufbar: [1]).
- Wolfgang Bocks: Technische Revolution in Rheinfelden. Zur Geschichte der Rheinfelder Kraftwerksprojekte. In: Rheinfelder Neujahrsblätter, 51. Jg., Rheinfelden/Schweiz 1995, S. 8–31.
- ders.: Kraftübertragungswerke Rheinfelden – Das älteste Flusskraftwerk Europas. In: Geschichtsverein Markgräflerland (Hrsg.): Das Markgräflerland. Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur. H. 1/2007, S. 49–60.
- ders.: Perspektiven mit Strom. (Firmengeschichte zum 100-jährigen Bestehen des ersten europäischen Flusskraftwerkes der Kraftübertragungswerke Rheinfelden AG in Rheinfelden (Baden)). Hornberger Druck, Maulburg 1994.
- ders.: Das alte und neue Flusskraftwerk in Rheinfelden. In: Fricktalisch-Badische Vereinigung für Heimatkunde (Hrsg.): Vom Jura zum Schwarzwald. Blätter für Heimatkunde und Heimatschutz. 83. Jg., 2009, S. 113–121.
- Aus für die Generatoren der ersten Generation. Natur- vs. Denkmalschutz: In Rheinfelden/Baden soll das erste große Flusskraftwerk Europas abgerissen werden. In: Süddeutsche Zeitung, Feuilleton, 7. Dezember 2009.
Weblinks
- Commons: Altes Wasserkraftwerk Rheinfelden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Informationen zur Geschichte der Kraftübertragungswerke Rheinfelden und des Kraftwerks Rheinfelden
- Informationen der Bürgerinitiative IG Pro Steg zum Alten Wasserkraftwerk Rheinfelden
- Wolfgang Messner: Das Industriedenkmal im Rhein soll bleiben, Stuttgarter Zeitung, 13. Januar 2010
- Patrick Kunkel: Letzte Frist für den Strompalast, Neues Deutschland, 16. Februar 2010
- Bernward Janzing: Kraftwerk soll Kulturgut werden, die tageszeitung, 13. Januar 2008
- Thomas Knellwolf: Das Industriedenkmal soll weg, Tages-Anzeiger, 25. Mai 2010
- Katharina Prokopy: Wasserkraft in Rheinfelden (Film), SWR Fernsehen, Landesschau unterwegs, 22. Mai 2010
- Michael Loeckx, Udo Ludwig: Anstrengender Anstieg. Für ein neues Kraftwerk will Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus ein einzigartiges Industriedenkmal abreißen lassen. In: Der Spiegel, Ausgabe 21/2010 vom 22. Mai 2010, S. 39.
- Robert Neisen: Historisches Flusskraftwerk: Vor dem Reinfall, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Online-Ausgabe, 14. Juni 2010 (gedruckte Ausgabe: 12. Juni 2010)
Einzelnachweise
- ↑ http://www.udo-leuschner.de/energie-chronik/050710.htm
- ↑ Karl Gotsch: Brücken über den Hochrhein von Konstanz bis Basel
- ↑ Abbildung in: Bauhaus-Universität Weimar, Weiterbildendes Studium „Wasser und Umwelt“ (Hrsg.): Durchgängigkeit und Habitatmodellierung von Fließgewässern. Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, 1. Aufl., Weimar 2010, S. 44. ISBN 978-3-86068-413-9.
- ↑ Informationen zum Alten Kraftwerk Rheinfelden, Seite 2 (pdf)
- ↑ Staatsarchiv Aargau: Fotografien zum Kraftwerksbau
- ↑ Informationen zum Alten Kraftwerk Rheinfelden, Seite 4 (pdf)
- ↑ http://www.udo-leuschner.de/energie-chronik/981230.htm
- ↑ Altes Kraftwerk: Denkmalschützer erhöhen den Druck, Badische Zeitung, Ausgabe Rheinfelden, 26. Mai 2010.
- ↑ taz-Artikel: Kraftwerk soll Kulturgut werden
Koordinaten: 47° 33′ 55,1″ N, 7° 48′ 6,7″ O