Neptunium(VI)-fluorid

flüchtige, radioaktive chemische Verbindung
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Strukturformel
Strukturformel von Neptuniumhexafluorid
Kristallsystem

orthorhombisch

Raumgruppe

Gitterparameter

a = 990,9 pm
b = 899,7 pm
c = 520,2 pm

Allgemeines
Name Neptunium(VI)-fluorid
Andere Namen

Neptuniumhexafluorid

Summenformel NpF6
Kurzbeschreibung

oranger, kristalliner Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 14521-05-2
Wikidata Q1977886
Eigenschaften
Molare Masse 351,04 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

54,4 °C[1]

Siedepunkt

55,18 °C[1]

Gefahren- und Sicherheitshinweise

Radioaktiv
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

{{{GHS-Piktogramme}}}

H- und P-Sätze H: {{{H}}}
EUH: {{{EUH}}}
P: {{{P}}}
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

−463 kcal·mol−1[1]

Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Neptunium(VI)-fluorid (NpF6), meistens Neptuniumhexafluorid genannt, ist ein oranger kristalliner Feststoff; es ist eine leicht flüchtige, radioaktive und korrosive Verbindung aus den Elementen Neptunium und Fluor. Zusammen mit Uranhexafluorid und Plutoniumhexafluorid gehört es zu den drei bisher bekannten Hexafluoriden der Actinoidenelemente, die diese besondere Eigenschaft der leichten Flüchtigkeit besitzen. Es spielt u. a. eine Rolle bei der Anreicherung von Neptunium und der Trennung von Uran bzw. Plutonium.

Darstellung

Neptuniumhexafluorid wurde erstmals im Jahre 1946 dargestellt. Eine gängige Methode ist die Umsetzung von Neptunium(III)-fluorid (NpF3)[3] oder Neptunium(IV)-fluorid (NpF4) in einem Fluorgasstrom bei 500 °C:[4]

 

Hergestellt wird Neptuniumhexafluorid z. B. auch durch Fluorierung von Neptuniumdioxid (NpO2) oder NpF4 mittels starker Fluorierungsreagenzien wie elementarem Fluor, Bromtrifluorid oder Brompentafluorid. Die Umsetzungsraten der Reaktion von NpF4 bei 350 °C haben die Reihenfolge: F2 (100 mol%) > BrF3 (6–13 mol%) > BrF5 (33–35 mol%). Die Fluorierung von NpO2 entweder mit BrF5 oder Fluor führt zur Zwischenverbindung NpF4. Die Fluorierung von NpO2 verläuft analog zu der von Plutoniumdioxid (PuO2), die beide das Tetrafluorid als Zwischenverbindung bilden, unterscheidet sich aber von der Fluorierung von Urandioxid (UO2), das als Zwischenverbindung Uranylfluorid (UO2F2) bildet.[5]

Neptuniumdioxid und -tetrafluorid werden in praktisch quantitativer Ausbeute durch Disauerstoffdifluorid (O2F2) zum flüchtigen Neptuniumhexafluorid umgewandelt, sowohl in Gas-Feststoff-Reaktionen bei moderaten Temperaturen als auch in flüssigem wasserfreien Fluorwasserstoff bei −78 °C. Neptunyl(VI)-fluorid (NpO2F2) wurde durch Raman-Spektroskopie als wesentliches Zwischenprodukt bei der Reaktion mit Neptuniumdioxid identifiziert. Eine direkte Reaktion von NpF4 mit flüssigem O2F2 führt zu einer heftigen Zersetzung des O2F2 mit geringer bis keiner Umsetzung zu NpF6. Diese Reaktionstemperaturen stehen in starkem Gegensatz zu den höheren Temperaturen (> 200 °C), die ansonsten zur Darstellung von NpF6 bei Verwendung von elementarem Fluor oder Halogenfluoriden benötigt werden.[6]

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Neptuniumhexafluorid bildet orange, orthorhombische, leicht hydrolysierbare Kristalle; unter Normaldruck (1.013 hPa) schmilzt es bei 54,4 °C und siedet bei 55,18 °C. Der Tripelpunkt liegt bei einer Temperatur von 55,10 °C bei einem Druck von 1010 hPa (758 Torr),[1] d. h. dass unterhalb dieses Drucks – der nur geringfügig unterhalb des Normaldrucks liegt – festes Neptuniumhexafluorid beim Erwärmen durch Sublimation direkt in den gasförmigen Zustand übergeht.

Das nicht salzartige Neptuniumhexafluorid kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem in der Raumgruppe Pnma mit den Gitterparametern a = 990,9 pm, b = 899,7 pm und c = 520,2 pm und vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[7] Die Molekular- und Kristallstrukturen von NpF6 entsprechen dem des UF6.[7] Im gasförmigen Zustand besteht es aus regulär oktaedrischen Molekülen mit einheitlicher Np–F-Bindungslänge von 198,1 pm.[8]

Chemische Eigenschaften

Neptuniumhexafluorid ist nicht brennbar, nicht explosiv und beständig gegen trockene Luft. Es kann unbegrenzt bei Raumtemperatur in Quarz- oder PYREX-Ampullen aufbewahrt werden, wenn sichergestellt ist, dass keine Spuren von Feuchtigkeit vorhanden sind, das Glas selbst von allen Gaseinschlüssen frei ist und das HF restlos entfernt wird.[4]

Es reagiert hingegen sehr heftig mit Wasser (beispielsweise Luftfeuchtigkeit), wobei das wasserlösliche Neptunyl(VI)-fluorid (NpO2F2) und Fluorwasserstoff (HF) entstehen.

 

Die Hydrolyse von Neptuniumhexafluorid in fast wasserfreier Fluorwasserstoff-Lösung führt zum Oxid-Fluorid NpOF4, welches die gleiche Struktur mit der trigonalen Form des UOF4 aufweist. NpOF4 wird durch Kryptondifluorid (KrF2) in wasserfreiem HF nicht zu Np(VII) oxidiert. Die Austauschreaktion zwischen NpF6 und Bortrichlorid (BCl3) führt zur Bildung von NpF4. NpF6 bildet mit Caesiumfluorid (CsF) bei 25 °C das CsNpF6; in Gegenwart von Chlortrifluorid (ClF3) als Lösungsmittel und bei tieferen Temperaturen gibt es Anzeichen für eine mögliche Bildung eines instabilen Np(VI)-Komplexes.[9]

Vergleich der Actinoidenhexafluoride

Uranhexafluorid (UF6) entsteht relativ zügig bei 300 °C aus Urantetrafluorid (UF4) und Fluor (F2), in gleicher Weise entsteht NpF6 bei 500 °C aus Neptuniumtetrafluorid (NpF4) und F2 und PuF6 bei 750 °C aus Plutoniumtetrafluorid (PuF4) und F2. Americiumhexafluorid (AmF6) kann unter diesen Bedingungen nicht dargestellt werden.[4] NpF6 und PuF6 sind lichtempfindlich und zersetzen sich zu den Tetrafluoriden und Fluor.[4]

Verwendung

Die direkte Fluorierung von pulverförmigen abgebrannten Brennelementen mit Fluor-Gas hat das Ziel, die flüchtigen Fluoride (hauptsächlich UF6, teilweise NpF6) von den nichtflüchtigen Vertretern (z. B. PuF4, AmF3, CmF3, und den Fluoriden der meisten Spaltprodukte) zu trennen. Damit soll ein Großteil der Uranverbindungen von Plutonium, minoren Actinoiden und Spaltprodukten getrennt werden.[10]

Sicherheitshinweise

Einstufungen nach der Gefahrstoffverordnung liegen nicht vor, weil diese nur die chemische Gefährlichkeit umfassen und eine völlig untergeordnete Rolle gegenüber den auf der Radioaktivität beruhenden Gefahren spielen. Auch Letzteres gilt nur, wenn es sich um eine dafür relevante Stoffmenge handelt.

Einzelnachweise

  1. a b c d e C. Keller: "Die Chemie des Neptuniums", in: Fortschr. chem. Forsch., 1969/70, 13/1, S. 1–124, hier: S. 71–75; Erste Seite.
  2. Die von der Radioaktivität ausgehenden Gefahren gehören nicht zu den einzustufenden Eigenschaften nach der GHS-Kennzeichnung.
  3. Sherman Fried, Norman Davidson: "The Preparation of Solid Neptunium Compounds", in: J. Am. Chem. Soc., 1948, 70 (11), S. 3539–3547; doi:10.1021/ja01191a003.
  4. a b c d John G. Malm, Bernard Weinstock, E. Eugene Weaver: "The Preparation and Properties of NpF6; a Comparison with PuF6", in: J. Phys. Chem., 1958, 62 (12), S. 1506–1508; doi:10.1021/j150570a009.
  5. L. E. Trevorrow, T. J. Gerding, M. J. Steindler: "The Fluorination of Neptunium(IV) fluoride and Neptunium(IV) oxide", in: Journal of Inorganic and Nuclear Chemistry, 1968, 30 (10), S. 2671–2677; doi:10.1016/0022-1902(68)80394-X.
  6. P. Gary Eller, Larned B. Asprey, Scott A. Kinkead, Basil I. Swanson, Richard J. Kissane: "Reactions of Dioxygen Difluoride with Neptunium Oxides and Fluorides", in: Journal of Alloys and Compounds, 1998, 269 (1–2), S. 63–66; doi:10.1016/S0925-8388(98)00005-X.
  7. a b Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 71, Transurane, Teil C, S. 108–114.
  8. Masao Kimura, Werner Schomaker, Darwin W. Smith, Bernard Weinstock: "Electron‐Diffraction Investigation of the Hexafluorides of Tungsten, Osmium, Iridium, Uranium, Neptunium, and Plutonium", in: J. Chem. Phys., 1968, 48 (8), S. 4001–4012; doi:10.1063/1.1669727.
  9. R. D. Peacock, Norman Edelstein: "Some Reactions of Neptunium Hexafluoride", in: Journal of Inorganic and Nuclear Chemistry, 1976, 38 (4), S. 771–773; doi:10.1016/0022-1902(76)80353-3.
  10. Jan Uhlíř, Martin Marečeka: "Fluoride Volatility Method for Reprocessing of LWR and FR Fuels", in: Journal of Fluorine Chemistry, 2009, 130 (1), S. 89–93; doi:10.1016/j.jfluchem.2008.07.002.

Literatur