Inhalt (Polynom)

größter gemeinsamer Teiler der Koeffizienten eines Polynoms
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Als Inhalt (engl. content) eines Polynoms bezeichnet man die Zahl, durch die man ein Polynom aus dem Quotientenkörper eines Ringes dividieren muss, sodass der größte gemeinsame Teiler seiner Koeffizienten eine Einheit im Ring ist. Die Abhängigkeit vom Ring ist dabei essenziell.

Seine Anwendung hat dieser Begriff im Satz von Gauß. Dieser stellt den Inhalt eines Produktes von zwei Polynomen in Bezug zum Inhalt seiner Faktoren. Dieses Resultat ist theoretisch sehr interessant, da man damit nachweisen kann, dass Polynomringe in endlich vielen Variablen über faktoriellen Ringen insbesondere über Körpern faktoriell sind. Praktisch kann man den Satz auch nutzen um Einschränkungen von rationalen Nullstellen eines Polynoms mit ganzen Koeffizienten zu erhalten (Insbesondere lassen sich die Kandidaten für rationale Nullstellen auf endlich viele reduzieren). Dies kann bei der Faktorisierung von Polynomen nützlich sein.

Definition

für einen faktoriellen Ring

Sei   ein Polynom mit Koeffizienten aus einem beliebigen faktoriellen Ring  . Dann ist   der Inhalt von   und wird im Folgenden mit   bezeichnet, wobei in der Literatur teilweise auch die englische Bezeichnung   verwendet wird. Der Inhalt ist bis auf eine Einheit eindeutig bestimmt. Weiter ist festgelegt.

 

Weiter ergibt sich mit dieser Definition eine sinnlose Beschränkung im Lemma von Gauß auf Polynome aus dem Ring.

für den Quotientenkörper über einem faktoriellen Ring

Es sei   ein faktorieller Ring und   der Quotientenkörper. Die Elemente des Quotientenkörpers kann man mit Hilfe der Primelemente wie folgt schreiben.

 

Die auftretenden Exponenten sind eindeutig bestimmt und man kann definieren

 

Damit lässt sich nun die Ordnung für ein Polynom mit Koeffizienten aus dem Körper   bestimmen.

 

Weiter lässt sich nun der Inhalt definieren über

 

Dabei sei   eine maximale Menge paarweise nicht assoziierter Primelemente aus   und   eine beliebige Einheit. Zur Vollständigkeit gilt noch

 

Wie im Falle eines Quotientenkörpers ist der Inhalt bis auf Assoziiertheit eindeutig bestimmt. Es ist klar, dass die beiden Definitionen für Polynome über dem Ring gleich sind.

Beispiel

Beispiel 1 (Zur 1. Definition):

Der Inhalt von   als Polynom mit Koeffizienten aus   ist

 

oder auch  . Fassen wir   dagegen als Polynom mit Koeffizienten aus   auf, so erhalten wir

 

oder jede andere rationale Zahl außer der Null.


Beispiel 2 (Zur 2. Definition):

Der Inhalt von   als Polynom mit Koeffizienten aus   als Quotientenkörper von   ist

 

oder auch  . Fassen wir   benutzt man dagegen  , so erhalten wir

 

oder jede andere rationale Zahl außer der Null.


Unterschiede machen die beiden Definitionen für Polynome mit Koeffizienten aus   nicht, wie man aber auch an den Definitionen erkennt.

Falls klar ist, aus welchem Ring die Koeffizienten von   stammen, schreiben wir einfach  .

Bemerkungen

Polynome, deren Inhalt eine Einheit ist heißen primitiv. Mit   wird der primitive Anteil (engl. primitive part) bezeichnet.

Ein Polynom mit Koeffizienten aus dem Quotientenkörper von einem faktoriellen Ring ist genau dann aus dem Polynomring über dem faktoriellen Ring, wenn der Inhalt im Ring selbst liegt.

Lemma von Gauß

Inhalt

Es sei   ein faktorieller Ring und   sein Quotientenkörper, dann gilt für  

 ,

insbesondere ist das Produkt zweier primitiver Polynome wieder primitiv.

Korollare

Als „Lemma von Gauß“ werden oft auch die vier folgenden Korollare aus dieser Aussage bezeichnet:

  • Der Polynomring   über einem faktoriellen Ring   ist faktoriell.
  • Wenn ein nicht-konstantes Polynom (in einer Variablen) über einem faktoriellen Ring irreduzibel ist, dann ist es auch über seinem Quotientenkörper irreduzibel.
  • Wenn ein normiertes Polynom eine Nullstelle im Quotientenkörper hat, dann liegt diese bereits im Ring selbst.
  • Das Produkt zweier normierter Polynome   mit rationalen Koeffizienten hat nur dann ganzzahlige Koeffizienten, wenn bereits die Koeffizienten von   und   ganzzahlig sind.

Weitere Korollare sind:

  • Ist ein Polynom aus dem Ring gegeben, so kann jede Nullstelle im Quotientenkörper der Art als Bruch dargestellt werden, dass der Nenner ein Teiler des höchsten Koeffizienten und der Zähler ein Teiler des absolut Gliedes ist.
  • Die Primelemente in dem Polynomring   über einem faktoriellen Ring   sind genau die Primelemente des Ringes zusammen mit den primitiven Primelementen des Polynomringes   über dem Quotientenkörper   von  .
  • Ist   ein faktorieller Ring, dann ist der Polynomring in endlich vielen Variablen   faktoriell.
  • Ist   ein Körper, dann ist der Polynomring in endlich vielen Variablen   faktoriell, aber für   kein Hauptidealring, aber noch noethersch.

Beweisidee

Zuerst überzeugt man sich, dass dies für   gilt. Man kann also annehmen, dass   primitiv (also  ) sind und muss somit nur diesen Spezialfall des Satzes zeigen . Man erkennt auch leicht, dass

 

Dann ist der Satz aber trivial, denn   und damit   ist ein Integritätsbereich, weil   ein Primideal ist.

Zum ersten Korollar:

Man beweist, dass alle Primelemente des Ringes und alle primitiven Primelemente von   prim in   sind. Wenn man den Fakt ausnutzt, dass   als Euklidischer Ring faktoriell ist, kann man jedes Element aus   als Produkt dieser Primelemente schreiben (dies musste man zeigen). Die anderen Korollare benötigen keine Beweisidee. Man muss einfach die Aussagen direkt nachweisen.

Historisch

Gauß selbst zeigt in den Disquisitiones Arithmeticae (art. 42) die Variante:

  • Das Produkt zweier normierter Polynome   mit rationalen Koeffizienten hat nur dann ganzzahlige Koeffizienten, wenn bereits die Koeffizienten von   und   ganzzahlig sind.

Anwendung

  •   ist nicht durch   teilbar in  , denn der Inhalt von   ist 1 und von   3.
  •   hat keine rationalen Nullstellen, denn die einzig möglichen rationalen Nullstellen wären nach Gauß   und  .
  •   ist irreduzibel als Polynom in  , denn es hat Grad 3 und keine rationale Nullstellen (Mit Gauß muss man nur endlich viele überprüfen).
  •   ist als Polynom in   zu faktorisieren. Dabei nimmt man zuerst folgende triviale Faktorisierungen vor (primitiv machen und   mit maximaler Potenz ausklammern!):
 
Und damit hat das verbleibende Polynom die möglichen rationalen Nullstellen nach Gauß
 
Durch Einsetzen erkennt man, dass nur   und   die rationalen Nullstellen sind. Und durch Polynomdivision ergibt sich
 

Literatur