Als Sorbisches Siedlungsgebiet wird im Allgemeinen jener Raum im Osten Sachsens und Süden Brandenburgs bezeichnet, in welchem das westslawische Volk der Sorben (in Brandenburg auch als Wenden bezeichnet) seit etwa dem 8. Jahrhundert siedelt. Dieses Gebiet ist in den vergangenen Jahrhunderten in Folge von Assimilation und Germanisierung beständig geschrumpft. Zudem ist das Bekenntnis zum sorbischen Volk nach Bundes- und Landesgesetzen frei und darf nicht nachgeprüft werden, z.B. durch Volkszählungen. Daher gibt es sehr verschiedene Ansätze zur Abgrenzung.

Offiziell anerkanntes Siedlungsgebiet
Das offiziell anerkannte, sogenannte „angestammte Siedlungsgebiet“ ist in Landesgesetzen bzw. -verordnungen der Länder Sachsen und Brandenburg definiert. In Sachsen ist das Gebiet durch das Gesetz über die Rechte der Sorben im Freistaat Sachsen (kurz Sächsisches Sorbengesetz) dauerhaft festgelegt. Die Grenzziehung basiert zum Großteil noch auf den Statistiken Arnošt Mukas aus den 1880er Jahren, so dass sich gerade im östlichen Teil (Landkreis Görlitz) Orte innerhalb des Siedlungsgebietes befinden, in denen die sorbische Sprache im Alltag de facto kaum noch präsent ist. Diese Praxis entspricht dem Anspruch, das Siedlungsgebiet bewahren und schützen zu wollen.
Im Gegensatz dazu fordert das brandenburgische Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) von jenen Gemeinden, die sich zum Siedlungsgebiet gehörig fühlen, den Nachweis einer „kontinuierlichen sprachlichen und kulturellen sorbischen (wendischen) Tradition bis zur Gegenwart“. Diese Regelung wird von sorbischen Vertretern und Minderheitenrechtlern unter anderem deswegen kritisiert, weil sie 1. das Wohlwollen der Gemeinde, also den politischen Willen zur Förderung des Sorbischen, voraussetzen und sich 2. der Nachweis v.a. einer kontinuierlichen sprachlichen Tradition aufgrund der in der Vergangenheit in Preußen sehr viel strikter durchgeführten Germanisierung und Unterdrückung der Sorben/Wenden in vielen Fällen schwierig gestaltet.
Theoretisch sollten sich die Gemeinden des Siedlungsgebietes im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Förderung und Entwicklung sorbischer Sprache und Kultur, insbesondere die Präsenz des Sorbischen in der Öffentlichkeit, z.B. durch zweisprachige Beschilderung von Straßen und öffentlichen Gebäuden oder zweisprachige Webseiten einsetzen. Außerdem sind zweisprachige Ortsschilder und Wegweiser vorgeschrieben. In der Praxis werden diese Vorgaben abgesehen vom Kernsiedlungsgebiet (sh. unten) nicht konsequent umgesetzt.
Das Gebiet umfasst derzeit folgende Gemeinden und Gemeindeteile:
- in Sachsen
- Landkreis Bautzen (29 von 63 Gemeinden): Bautzen, Burkau (nur Neuhof), Crostwitz, Doberschau-Gaußig (außer Cossern und Naundorf), Elsterheide, Elstra (nur Kriepitz), Göda, Großdubrau, Großpostwitz (außer Eulowitz), Guttau, Hochkirch (außer Breitendorf), Hoyerswerda, Kamenz (Deutschbaselitz, Jesau, Kamenz, Thonberg, Wiesa), Königswartha, Kubschütz, Lohsa, Malschwitz, Nebelschütz, Neschwitz, Obergurig, Oßling (nur Milstrich), Panschwitz-Kuckau, Puschwitz, Räckelwitz, Radibor, Ralbitz-Rosenthal, Spreetal, Weißenberg und Wittichenau
- Landkreis Görlitz (13 von 59 Gemeinden): Bad Muskau, Boxberg/O.L., Gablenz, Groß Düben, Hohendubrau, Krauschwitz, Kreba-Neudorf, Mücka, Rietschen, Schleife, Trebendorf, Weißkeißel und Weißwasser/Oberlausitz[1]
- in Brandenburg
- Stadt Cottbus
- Landkreis Spree-Neiße (22 von 30 Gemeinden): Burg (Spreewald), Briesen, Dissen-Striesow, Drachhausen, Drebkau, Drehnow, Felixsee (Ortsteil Bloischdorf), Forst (Ortsteil Horno), Guhrow, Heinersbrück, Hornow-Wadelsdorf, Jänschwalde, Kolkwitz, Peitz, Schmogrow-Fehrow, Spremberg, Tauer, Teichland, Turnow-Preilack, Welzow (Ortsteil Proschim), Werben und Wiesengrund (Ortsteil Mattendorf)
- Landkreis Dahme-Spreewald (3 von 37 Gemeinden): Byhleguhre-Byhlen, Neu Zauche und Straupitz
- Landkreis Oberspreewald-Lausitz (2 von 25 Gemeinden): Lübbenau, Vetschau[2]
Historisches Siedlungsgebiet
Je nachdem, welche historischen westslawischen Völker man zur sorbischen Gruppe zählt und welches Jahrhundert man betrachtet, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, das historische Siedlungsgebiet zu beschreiben. Bekannt ist, dass sich Martin Luther im frühen 16. Jahrhundert abwertend über die sorbische Bevölkerung in den Dörfern rund um Wittenberg äußerte. Ein weiterer Anhaltspunkt sind Sprachverbote in einzelnen Städten, so z.B. 1327 in Leipzig, 1377 in Altenburg, Zwickau und Chemnitz, welche die Existenz des sorbischen in diesen Orten bezeugen. Im Nordosten grenzte das Gebiet nahtlos an das Siedlungsgebiet der Polen (bei Guben und Sorau).
Die ersten systematischen Untersuchungen über die Größe des sorbischen Siedlungsgebietes wurden im 19. Jahrhundert von Jan Arnošt Smoler (1843) und detaillierter von Arnošt Muka (1884/85) durchgeführt. Während Smolers Interesse vor allem auf der Sammlung von Folklore lag, durchwanderte Muka die Dörfer der Ober- und Niederlausitz, um sich über den Stand der Sprache in den einzelnen Orten zu informieren. Neben einer detaillierten Statistik liegen auch umfangreiche Berichte von Gesprächen mit den Einwohnern der besuchten Orte vor. Insgesamt kam Muka auf eine Zahl von etwa 166.000 Sorben; gleichzeitig beschrieb er jedoch auch die rasante Germanisierung von sorbischen Orten besonders in der Niederlausitz.
Kernsiedlungsgebiet
Als sorbisches „Kernland“ wird heute meist jenes Gebiet gesehen, in dem die sorbische Sprache Alltagssprache und fest in der Öffentlichkeit verankert ist. Das ist in der Oberlausitz das vorwiegend katholische Dreieck zwischen den Städten Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda, im engeren Sinne die fünf Gemeinden am Klosterwasser sowie die Gemeinde Radibor und Teile der Gemeinden Göda, Neschwitz und der Stadt Wittichenau. In der Niederlausitz ließe sich der Begriff am ehesten auf die Spreewaldgemeinden und Peitz anwenden. Allerdings ist die niedersorbische Sprache im Alltag weit weniger präsent.
Literatur
- Peter Kunze: Die Sorben/Wenden in der Niederlausitz. Domowina-Verlag, 2000. ISBN 3-7420-1668-7
- Gertraud Eva Schrage: Die Oberlausitz bis zum Jahr 1346. In: Joachim Bahlke (Hg.): Geschichte der Oberlausitz. Leipzig 2001, S. 55–97.
- Arnošt Muka: Statistika łužiskich Serbow [Statistik der Lausitzer Sorben]. Selbstverlag, Budyšin 1884–1886; 5. Auflage unter dem Titel Serbski zemjepisny słowničk. Budyšin 1927; Neudruck: Domowina-Verlag, Bautzen 1979