Kampf der Kulturen

Buch von Samuel Phillips Huntington
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In seinem Buch Kampf der Kulturen (Clash of Civilizations) stellt der US-amerikanische Politikwiseeschaftler Samuel P. Huntington die These auf, dass die Weltpolitik des 21. Jahrhunderts nicht von Auseinandersetzungen politischer, ideologischer oder wirtschaftlicher Natur, sondern von Konflikten zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise bestimmt sein wird.

Kernaussagen Huntingtons

Der Faktor Kultur wird in der internationalen Politik massiv an Bedeutung gewinnen.

Im Wesentlichen führt Huntington folgende Gründe für diesen Bedeutungsgewinn an:

Eine identitätsstiftende Polarisierung der Ideologien wie in der Zeit des kalten Krieges ist nicht mehr da. Menschen suchen Identität (wieder) in ihrer Kultur. Infolgedessen findet tendenziell ein Rückbezug auf Herkunft, Religion, Sprache, Sitten und Gebräuche, Werte und traditionelle Institutionen statt.

  • Distinktivitätstheoretischer Ansatz

Menschen grenzen sich gegenüber anderen Individuen ab und stabilisieren ihre eigene Identität (u.a.) über eine Definition wie sie nicht sind. Huntington diagnostiziert auf der Mikroebene eine durch Globalisierungsprozesse intensivere Auseinandersetzung mit dem „Anders sein”, die nach seiner Ansicht dazu führt, dass Menschen sich vermehrt über Distinktivität identifizieren. Auf der Makroebene führen seiner Meinung nach Globalisierungsprozesse zu einer selektiven Adaption und Assimilation. Ziel von Assimilation und Adaption ist es, die eigene Kulturseele zu stärken. Kulturfremdes, das nicht nützlich zu sein scheint, wird ignoriert oder abqualifiziert.

Einteilung der Welt in Kulturkreise

Kulturkreise sind nach Huntington dynamisch, ohne scharfe Grenzen, und entwickeln sich weiter. Trotzdem unternimmt er den Versuch, Kulturkreise zu definieren. Jeder Kulturkreis hat einen Kernstaat bzw. einen potentiellen Kernstaat. Kernstaaten sind die Machtzentren der Kulturen.

Kulturkreise und Kernstaaten

  • Sinisch - China
  • Japanisch - Japan isoliert
  • Hinduistisch - Indien
  • Islamisch - potentielle: Saudi Arabien(heilige Stätten), Pakistan (Atombombe), Iran
  • Slawisch-Orthodox - Russland
  • Westlich - USA (bzw. europäische Kernstaaten: Frankreich, England, Deutschland)
  • Lateinamerikanisch?
    Die Existenz eines lateinamerikanischen Kulturkreises stellt H. in Frage. Er sieht jedoch zwei Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung dieser Region: 1. eine Ausbildung eines eigenständigen Kulturkreises; 2. Anbindung an den westlichen Kulturkreis.
  • Afrikanisch?
    (ohne die nordafrikanischen islamischen Regionen und den Nahen Osten).
    Die Existenz eines (einheitlichen) afrikanischen Kulturkreises bezweifelt H. ebenfalls. Jedoch sieht er die Möglichkeit der Entwicklung eines eigenständigen afrikanischen Kulturkreises mit dem potentiellen Kernstaat Südafrika.

Relativer Machtverlust des Westens

Der Westen verliert an relativer Macht (u.a. durch Bevölkerungswachstum des Islams und das Wirtschaftswachstum Ostasiens). Außerdem ist der Universalitätsanspruch westlicher Werte (inklusive Menschenrechte ) und das Gleichsetzen von Modernisierung und Verwestlichung nach Huntingtons Meinung falsch, gefährlich und unmoralisch. Er fordert eine Neuordnung der Politik, die einer multipolaren, multikulturellen Welt gerecht wird. Unterschiede sollten akzeptiert und Gemeinsamkeiten gesucht werden. Der Minimalkonsens der Moral sei die – conditio humana. Verständnis und Kooperation sollten Priorität haben. Konkret nennt er die Umstrukturierung des UN-Sicherheitsrates (Ständige Sitze an die Kernstaaten der Kulturkreise) und eine neue "balance of power" die der Logik des Kalten Kriegs folgt (Kernstaaten sollen Atomwaffen besitzen – auf diese Weise könne die Macht im eigenen Kulturkreis gesichert werden und eventuell internationale Stabilität erreicht werden. Die Verbreitung von ABC-Waffen ließe sich auf diese Weise eindämmen oder verhindern).

(Neue) Konflikttypen nach Huntington

Transitionskriege

Kriege, die kennzeichnend sind für einen Übergang in eine neue Ära

Afghanistan 1979 – 1989 Ein nach Huntington nur scheinbar ein typischer Konflikt des kalten Krieges. Die UdSSR versuchte (u.a.) einen Satellitenstaat zu gewinnen und die USA unterstützte, der Reagan-Doktrin folgend, finanziell den bewaffneten Widerstand gegen das kommunistische Regime. Jedoch stellten Saudi Arabien und andere islamische Länder noch höhere Summen zur Verfügung. Zusätzlich kamen circa 25 000 Kriegsfreiwillige, die trotz der finanziellen Unterstützung der USA eine antiwestliche Haltung hatten, aus den islamischen Ländern. Kämpfer, Ausbildungslager und logistische Einrichtungen blieben zurück und bildeten eine Art Basis für eine islamistische internationale Terrorbewegung.

2. Golfkrieg 1990 Saddam Hussein verletzte die Unantastbarkeit der Grenzen/ die Besetzung Kuwaits Arabisch-islamische Regierungen waren geteilter Meinung. Einige beteiligten sich an der Koalition mit den USA gegen Hussein, andere verurteilten die US – Intervention. Die vorherrschende Meinung der Bevölkerung in den islamischen Ländern war jedoch, dass der Einmarsch Husseins falsch gewesen, die US-Intervention jedoch noch ein größerer Fehler gewesen sei. Die Anrufungen Gottes des amerikanischen Präsidenten Bush (Senior) verstärkten die ebenfalls verbreitete Meinung, es handele sich um einen Religionskrieg. Nach Huntingtons Ansicht handelte es sich um den ersten um Ressourcen geführten Krieg zwischen Kulturkreisen.

Bruchlinienkonflikte

Kriege zwischen Gemeinschaften, Gruppen und Nationen unterschiedlicher Kulturkreise bezeichnet Huntington als Bruchlinienkriege. In Bruchlinienkonflikten bekommen die Primärbeteiligten Unterstützung von ihren kulturellen Verwandten.

Ehemaliges JugoslawienBalkan-Konflikt: Beginn 1991 Die kulturellen Gemeinschaftsidentitäten waren in Jugoslawien zurzeit des kalten Krieges nicht stark ausgeprägt. Menschen unterschiedlicher Kulturkreise lebten friedlich zusammen. Kirchen und Moscheen wurden selten aufgesucht. Huntington sieht eine wesentliche Ursache des Konfliktes im Zusammenbruch der übergreifenden jugoslawischen Identität. Dieser Umstand führte seiner Meinung nach dazu, dass die religiöse Identität an Bedeutung gewann und dass eine – für Bruchlinienkriege typische - Dynamik von Aktion - Reaktion, Druck und Gegendruck, die kulturellen Identitäten verfestigte und fokussierte. Die Primärbeteiligten bekamen Hilfe von ihren kulturellen Verwandten. Eine Ausnahme war die Unterstützung der Bosnier durch die USA.

Bruchlinienkonflikte kochen nach Huntingtons Ansicht von unten nach oben hoch und Bruchlinienfrieden sickert von oben nach unten. Entsprechend können Primärparteien den Konflikt alleine nicht verhindern. Eine Verhinderung oder Deeskalation hängt von den Verhandlungen der Kernstaaten der großen Kulturkreise ab.

Kernstaatenkonflikte

Zwei oder mehrere Kernstaaten der großen Kulturkreise führen Krieg untereinander. Dieser Konflikttyp birgt die Gefahr eines dritten Weltkrieges. Eine weitere Quelle der Gefahr sieht Huntington in der Einmischung eines Kernstaates einer Kultur in den Konflikt innerhalb eines anderen Kulturkreises.

==Kritik== + - Huntingtons Ansatz wird von der Friedensforschung kritisch gesehen, der er zu einer Rechtfertigung von Kriegen des Westens gegen die islamische Welt genutzt werden kann.

Literatur

  • Huntington, Samuel P.: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. Simon & Schuster, 1998, ISBN 0-684-84441-9

Zur Kritik:

  • Gazi Caglar: Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen. Der Westen gegen den Rest der Welt. Eine Replik auf Samuel P. Huntingtons Kampf der Kulturen. Münster 2002, ISBN 3-89771-414-0

Zur Kritik: