Investiturstreit

Streit um die Stellung der geistlichen Macht zur weltlichen Macht, im frühen Hochmittelalter
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Als Investiturstreit wird hauptsächlich der von 1075 bis 1122 ausgetragene Kampf zwischen der päpstlichen und weltlichen Macht um die Ernennung (Investitur) von Bischöfen und Äbten bezeichnet. Der Streit begann mit dem Dictatus Papae von Papst Gregor VII. und endete im Heiligen Römischen Reich mit dem Wormser Konkordat im Jahr 1122.

Der Ausgangspunkt

Nach den Regeln der Eigenkirchen des Frühmittelalters wurden die Bischöfe in der Regel vom König ernannt und in ihr Amt eingesetzt (Investitur). Unter den Ottonen schuf sich der Kaiser auf diese Weise eine loyale Hausmacht der Kleriker, die auch weltliche Lehen bekamen (Reichskirche und Fürstbischöfe). Noch im Jahr 1046 wurden von der Synode von Sutri auf Wunsch Kaiser Heinrichs III. drei Päpste abgesetzt und Klemens II. als Papst eingesetzt. Man berief sich dabei auf das Ottonische Reichskirchensystem.

Im Rahmen der Kirchenreformen des 11. Jahrhunderts strebten die Päpste jedoch eine stärkere Stellung gegenüber den weltlichen Herrschern an und beanspruchten das Investiturrecht und das Recht der Wahl des Bischofs für sich. Unter Papst Gregor VII. eskalierte nach 1075 der Investiturstreit.

Siehe auch: Dictatus Papae.

Laieninvestitur als eine Form der Simonie

Die kirchliche Reformbewegung sah in der Simonie das Grundübel der Zeit, wobei der Begriff, mit dem ursprünglich die Vergabe geistlicher Gaben und Kirchenämter gegen Geld gemeint war, ausgedehnt wurde auf jede Einweisung eines Klerikers durch einen Laien in ein kirchliches Amt. „Kleriker dürfen auf keinen Fall von Laien Kirchenstellen annehmen, sei es für Geld, sei es umsonst“ wurde an vielen Synoden wiederholt gefordert.

Die Laieninvestitur, die Übertragung von Verfügungsgewalt über Dinge, wurde von den Reformkräften aus zwei Gründen mit der Simonie verglichen. Zum einen hatte der Ablauf der Investiturzeremonie mit der Lehnsverleihungszeremonie viel Ähnlichkeit, zum anderen gab es Parallelen zur Amtseinführung der Kleriker in den Niederkirchen, bei denen der Grundherr als Eigenkirchenherr tatsächlich die Einführung in das Amt vornahm.

Die Standpunkte einzelner Personen zur Laieninvestitur

Den prinzipiellen Unterschied zwischen den adeligen Eigenkirchenherren und dem König, das sacerdotum, wurde von Kirchenrechtlern seit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts immer wieder in Zweifel gezogen. Der 1025 gestorbene Bischof Burchard von Worms stellt das Kirchenrecht über das weltliche Recht, bezeichnet die Kaiser ebenso wie die Könige als Laien und verurteilt die Erhebung ins Bischofsamt mit der Unterstützung von Laien. Ebenso lehnte Wazzo von Lüttich es ab, dass Bischöfe dem König in den Fragen des Amtes Rechenschaft schuldig seien und sah die Treueverpflichtung nur noch in weltlichen Angelegenheiten als gegeben an.

Allerdings war man sich auch innerhalb der Reformpartei nicht einig, wie weit der Einfluss des Königs an der Bischofseinsetzung gehen dürfe. Die Vertreter einer extremeren Position, wie z.B. Humbert von Silva Candida, lehnten die Investitur durch weltliche Herrscher ab. In der Abhandlung „Adversus Simoniacos“ betrachtet Humbert auch Könige als Laien. Zusammen mit der Vorstellung, dass kein Mensch etwas von einem anderen umsonst bekommen könne - diese Idee wurde von Humbert im zweiten Buch von „Adversus Simoniacos“ entwickelt - folgt, dass die Verleihung von Kirchengut durch den König zumindest simonistische Tendenzen hat.

Neben der Nähe zur Simonie kritisierte Humbert den Einfluss, den die Könige auf die Vergabe von Bischofsstühlen hatten, auch grundsätzlich. Er berief sich dabei auf Papst Leo den Großen. Dieser hatte 458/59 in einem Responsum an Rusticus von Narbonne formuliert, dass keine vernünftige Überlegung es zulasse, „dass zu den Bischöfen auch Personen gerechnet würden, die weder von den Geistlichen gewählt noch von der Bevölkerung erbeten, noch von den Bischöfen ihrer Kirchenprovinz mit der Billigung des Metropoliten geweiht worden seien“.

Einen gemäßigteren Standpunkt nahm Petrus Damiani ein. Er kritisierte die Mitwirkung der weltlichen Kräfte an der Investitur nicht grundsätzlich. Ihm war nur wichtig, dass die Wahl und Ernennung des Bischofs nach kanonischen Recht ablief. Damiani konnte beide Punkte dadurch vereinigen, dass er die Übergabe von Ring und Stab nicht als Weihe betrachtete.

Der Verlauf

Die Ursache des Streits

Als Heinrich IV. im Jahr 1071 den erzbischöflichen Stuhl von Mailand durch einen von Papst Alexander II. exkommunizierten Erzbischof besetzen wollte, spitzte sich die Situation zu. Mailand war damals Heimat der radikalen Pataria unter dem Ritter Erlembald. Dieser setzte kurzerhand einen eigenen Erzbischof ein. Es begannen Verhandlungen zwischen dem Papst und Kaiser, bei denen einige Reichsbischöfe die Laieninvestitur durch den Kaiser unterstützten. Die Verhandlungen schlugen aber fehl. Als Erlembald 1075 ermordet wurde, setzte Heinrich IV. in mehreren Städten in Italien weitere Erzbischöfe ein.

Darauf fertigte Papst Gregor VII. den Dictatus Papae an, ermahnte Heinrich IV. mit harschen Worten und drohte ihm mit dem Kirchenbann. Weite Teile des deutschen Episkopats sahen in Gregors Bestrebungen zur Eindämmung der Simonie Nachteile und unterstützten deshalb den König.

Reichstag in Worms

 
Heinrich IV., 11. Jahrhundert

Im Januar 1076 versammelte sich Heinrich mit der Mehrzahl der Bischöfe zum Reichstag in Worms. Dort verfasste man einen Brief an Gregor VII. in dem er dem Papst befiehlt, sein Amt niederzulegen:

Heinrich nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Anordnung König, an Hildebrand, nicht mehr Papst, sondern falscher Mönch. [...] Du scheutest dich nicht nur nicht, die Lenker der heiligen Kirche, nämlich Erzbischöfe, Bischöfe und Priester, die doch Gesalbte des Herrn sind, anzutasten, nein, wie Knechte, die nicht wissen, was ihr Herr tut, zertratest du sie unter deinen Füßen und gewannst dir dabei die Zustimmung aus dem Munde des Pöbels. [...] Aber du hast unsere Demut für Furcht gehalten und dich daher nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben; du hast zu drohen gewagt, du würdest sie uns nehmen, als ob in deiner und nicht in Gottes Hand Königs- und Kaiserherrschaft lägen. [...] So steige du denn, der du durch diesen Fluch und das Urteil aller unserer Bischöfe und unser eigenes verdammt bist, herab, verlasse den apostolischen Stuhl, den du dir angemaßt hast. [...] Ich, Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab! (Q1)

Als Legitimationsgrundlage dieser Amtsenthebung führte man an, dass der Patricius das Recht habe, den Papst zu ernennen, oder zumindest seine Wahl zu bestätigen. Dies war durch Heinrich IV. nicht geschehen. Als weiterer Grund gab man an, dass sich Gregor gegen die Reichsrechte in Rom und Italien aufs schwerste vergriffen habe.

Synode 1076 in Rom

 
Papst Gregor VII.
11. Jhd.

Die Antwort von Gregor kam umgehend. Auf der Fastensynode von Rom predigte er:

„[...] Und es ist mir durch deine Gnade von Gott die Macht gegeben zu binden und zu lösen im Himmel und auf Erden. Hierauf fest vertrauend untersage ich, [...] dem Sohne des Kaisers Heinrich, der sich gegen deine Kirche in unerhörtem Stolze erhoben hat, die Herrschaft über das ganze Reich der Deutschen und über Italien, und ich löse alle Christen von den Banden des Eides, den sie ihm geschworen haben oder noch schwören werden, und ich verbiete, dass ihm jemand wie seinem König dient. [...] Denn mit Gebannten hat er verkehrt, meine Ermahnungen, die ich ihm, wofür du (heiliger Petrus) mein Zeuge bist, um seines Seelenheiles willen gesandt habe, hat er in den Wind geschlagen, und er hat sich von deiner Kirche getrennt, weil er sie zu spalten versucht hat, schlage ich ihm an deiner Statt mit dem Bande des Anathems.“ (Q2)

Die Absetzung Heinrichs begründete Gregor damit, dass Heinrich sich gegen die kirchlichen Hoheitsrechte aufgelehnt hat, somit kann Heinrich kein König mehr sein. Wer von Gott die Hoheit entzogen bekommt, verdient auch nicht mehr diese faktisch innezuhaben, damit werden alle Untertanen vom Treueid, den sie Heinrich geleistet haben, entbunden. Wegen des Umgang mit Exkommunizierten, den er trotz Mahnungen nicht aufgeben wollte, wurde er auch exkommuniziert. Dieser Bann betraf nicht den König, sondern den Christen Heinrich, da es einem Christen untersagt ist, mit Gebannten Umgang zu pflegen und sich der päpstlichen Autorität zu widersetzen.

Der Gang nach Canossa

Im Dezember 1076 brach Heinrich nach Italien auf. Gregor VII. wollte einer Begegnung mit Heinrich ausweichen und zog sich auf die Burg Canossa der Markgräfin Mathilde zurück. Heinrich erfährt dies, und will mit Hilfe der Markgräfin über ein Treffen verhandeln. Die Verhandlungen scheiterten. Am Festtag der Bekehrung des Heiligen Paulus zog Heinrich IV. im Büßergewand vor die Burg Canossa. Am 28. Januar 1077, also drei Tage später, löste der Papst Heinrich vom Kirchenbann.

Siehe auch: Gang nach Canossa

Die kriegerische Phase des Investiturstreits

Rudolf von Rheinfelden, der von Gregor unterstützte Gegenkönig, verlor in der Schlacht an der Elster gegen Heinrich IV. im Jahr 1080 die Schwurhand. Er starb wenige Tage später an seinen Verletzungen. Heinrich IV. zog nun gegen Rom und nahm die Ewige Stadt im Jahr 1084 ein. Heinrich ließ sich dort von Clemens III., einem von ihm selbst eingesetzten Gegenpapst, zum Kaiser krönen. Papst Gregor VII., der auf die Engelsburg geflüchtet war, erhielt Unterstützung von den in Süditalien herrschenden Normannen. Heinrich IV. musste sich nun zurückziehen, doch wurde Rom als verwüstete Stadt zurückgelassen. Der Unmut richtete sich nun gegen Gregor, der ins Exil nach Salerno flüchtete. Dort starb er am 25. Mai 1085.

Der Investiturstreit nach Papst Gregor VII.

Unter Urban II., der genau wie Gregor VII. als Reformpapst gilt, wuchs die Macht des Papstums wieder an. Die Kreuzzugspredigt im Jahr 1095 in Clermont die zum Ersten Kreuzzug führte, zeigt dies deutlich. Urbans Nachfolger Paschalis II. exkommunizierte Heinrich IV. ein weiteres Mal. Mit einer Wallfahrt nach Jerusalem wollte sich Heinrich IV. vom Bann lösen. Sein Sohn Heinrich V., der vom Papst unterstützt wurde, nahm daraufhin seinen Vater im Jahr 1105 gefangen. Heinrich IV. starb 1106 in Gefangenschaft.

In England (1105/07 im Konkordat von Westminster) und Frankreich (1107) kam es zu einer Einigung in Fragen der Investitur. Nur im Heiligen Römischen Reich schwelte der Konflikt weiter.

Im Jahr 1111 nahm König Heinrich V. Papst Paschalis II. gefangen. Der Papst wurde gezwungen, dem König das Investiturrecht zu übertragen und Heinrich zum Kaiser zu krönen. Der Papst schloß daraufhin am 11. April 1111 den Vertrag von Ponte Mammolo. Demnach habe die Wahl der Bischöfe und Äbte in Zukunft frei, aber mit Genehmigung des Königs zu erfolgen. Daran anschließend sollte dann die Investitur durch den König mit Ring und Stab erfolgen. Der Papst erklärte sich bereit, Heinrich zum Kaiser zu krönen (was am 13. April auch geschah). Im Gegenzug verpflichtete sich der König, die Gefangenen freizulassen und zur Treue und Gehorsam gegenüber dem Papst, allerdings nur, soweit dies im Einklang mit den Rechten des Reiches sei. Der Vertrag wurde sofort heftig kritisiert und von den Befürwortern der Kirchenreform abgelehnt.

Das Wormser Konkordat

Hauptartikel: Wormser Konkordat

Im Jahr 1119 trafen sich Papst Kalixt II. und Heinrich V. um eine Einigung herbeizuführen. Diese wurde schließlich 1122 mit dem Wormser Konkordat erzielt, welches seinen Ursprung unter anderem bei Ivo von Chartres hat. Kaiser Heinrich V. akzeptierte den Anspruch der Kirche auf das Recht der Investitur und verzichtete auf die Investitur mit Ring und Stab. Des Weiteren gewährte er jeder Kirche die Wahlfreiheit der Investitur. Im Gegenzug räumte Papst Kalixt II. ein, dass die Wahl der deutschen Bischöfe und Äbte in Gegenwart kaiserlicher Abgeordneten verhandelt, der Gewählte aber mit den Regalien, die mit seinem geistlichen Amt verbundenen waren, vom Kaiser durch das Zepter belehnt werden solle. Kaiser Lothar III. räumte zudem der Kirche das Recht ein, zuerst Ring und Stab zu verleihen, wodurch der Einfluss des Kaisers auf die Einsetzung von Bischöfen praktisch verloren ging. Dem Wormser Konkordat vergleichbare Vereinbarungen wurden 1208 mit Aragon, 1213 mit England und 1268 mit Frankreich geschlossen und ebenso später mit Schweden und Norwegen.

Der Investiturstreit war damit beigelegt, doch hatte das Kaisertum dadurch starke Einbußen erlitten. Die sakrale Aura des Kaisers war erschüttert und die bis dahin bestehende Einheit von Kaisertum und Papsttum aufgehoben. Dies sollte zur Neuorientierung der Idee des Kaisertums unter den Staufern führen, wobei die Problematik bis ins Spätmittelalter Bestand hatte.

Quellenverzeichnis

Literatur

Quellen

  • Franz-Josef Schmale: Quellen zum Investiturstreit, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2 Bde., Darmstadt 1978 ff.

Sekundärliteratur

  • Werner Goetz: Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, Stuttgart 2000, ISBN 3170138510
  • Wilfried Hartmann: Der Investiturstreit, München 1996, ISBN 3486562754
  • Johannes Laudage: Der Investiturstreit, Köln 1990, ISBN 341222488X