NSU-Mordserie
Als Döner-Mordserie bzw. Mordserie "Bosporus" wird in deutschen Medien eine bundesweite Mordserie an vornehmlich türkischstämmigen Kleinunternehmern bezeichnet, die einen bis dahin beispiellosen polizeilichen Ermittlungsaufwand nach sich zog, aber bis heute unaufgeklärt blieb. Der erste Mord der Serie ereignete sich am 9. September 2000, der bislang letzte am 6. April 2006; insgesamt wurden neun Menschen getötet.
Tatumstände
Die Opfer, die immer mit der gleichen Tatwaffe, einer Ceska, getötet wurden, waren Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund, darunter sechs türkische Staatsangehörige, zwei türkischstämmige Deutsche, sowie ein Grieche. Abgesehen von der Tatwaffe und dem gemeinsamen Tätigkeits- wie Einwanderungshintergrund konnten weitere Zusammenhänge oder Querverbindungen zwischen den Opfern oder den Verbrechen durch die Sonderkommissionen der Polizei bislang nicht festgestellt werden. Die meisten Opfer hatten auch keinerlei Bezug zu kriminellen Machenschaften und es war in keinem der Fälle ein eindeutiges Motiv erkennbar. Auch eine Vorstellung des Falles in der Fernsehsendung Aktenzeichen XY … ungelöst blieb ohne nennenswerte Ermittlungsfortschritte. Im Juli 2007 rief das türkische Innenministerium insbesondere Türken in Deutschland zur Unterstützung der deutschen Polizei bei der Aufklärung der Verbrechen auf, um weitere Morde an türkischen Staatsbürgern zu verhindern.
Opfer
Die Opfer der „Döner-Mordserie“ sind in der Reihenfolge ihrer Ermordung ein Nürnberger Blumenhändler, ein Gemüsehändler aus Nürnberg, ein Hamburger sowie ein Münchener Gemüsehändler, eine Aushilfe in einem Dönerladen in Rostock, ein Nürnberger Dönerstandbesitzer, ein Münchener Mitinhaber eines Schlüsseldienstes, ein Dortmunder Kioskbesitzer und zuletzt ein Kasseler Betreiber eines Internetcafés.
Mögliche Motive
Während zunächst vermutet wurde, dass die Morde von möglicherweise auch verschiedenen Auftragsmördern begangen worden seien – die Boulevardpresse sprach in diesem Zusammenhang von einer „Halbmond-Mafia“ – , wurde bald auch eine rassistische Motivation eines einzelnen Täters nicht mehr ausgeschlossen. Danach ging das Täterprofiling von einem 25- bis 45-jährigen Deutschen als Täter aus.
Anlässlich von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum zu Manipulationen von Fußballspielen zum Zwecke des Wettbetruges wurde spekuliert, dass die Opfer wegen Spielschulden bei der Wettmafia getötet wurden. [1] Demgegenüber dementierte die zuständige Mordkommission einen entsprechenden Zusammenhang. Bei keinem der Opfer sei eine "potentiell motivgebende Verbindung zur Glücksspielsszene" und nicht alle Opfer hätten finanzielle Probleme gehabt.[2]
Verdächtiger
Am 21. April 2006 wurde in Kassel kurzzeitig ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes unter Mordverdacht festgenommen. Er hatte sich laut Oberstaatsanwalt trotz mehrfachen Fahndungsaufrufs nicht bei der Polizei gemeldet, obwohl er nur eine Minute vor einem Mord einen der Tatorte, ein Internet-Cafe, mit einer Plastiktüte in der Hand verlassen hatte. Bei einer Hausdurchsuchung wurde überdies bei ihm Literatur über Serienmorde gefunden. Dennoch erhärtete sich der Verdacht nicht. Der Fall des Verfassungsschützers beschäftigte jedoch die Parlamentarische Kontrollkommission in Hessen. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Jörg-Uwe Hahn, nannte die Kommunikationspolitik des Innenministeriums „unerträglich“, da die Parlamentarier erst aus den Medien erfuhren, dass gegen einen Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes wegen Mordverdachts ermittelt worden war.
Fahndung
Mit der Fahndung war u. a. die SoKo Bosporus aus Nürnberg mit 50 Beamten unter Leitung von Wolfgang Geier beauftragt.[3] Zu Spitzenzeiten waren bundesweit 160 Beamte an der Fahndung beteiligt. Die SoKo Bosporus hatte bis zu ihrer Auflösung Anfang 2008 etwa 11.000 Personen überprüft.[4] Trotz einer Aufstockung der Belohnung auf 300 000 Euro[5] für Hinweise, die zu einer Ergreifung des Täters führen, gab es keinen solchen Hinweis. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) hatte sich vor der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern Anfang Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen eingeschaltet und mit dafür gesorgt, dass der Fall trotz der über fünf Bundesländer verstreuten Taten kein Fall für das Bundeskriminalamt wurde.
Dokumentation
Am 1. August 2007 strahlte das Zweite Deutsche Fernsehen innerhalb seiner Reihe Der Fall die Dokumentation Jagd nach dem Phantom von Sybille Bassler über die Mordserie aus.
Wiederholt wurde der Fall auch in Aktenzeichen XY aufgegriffen. Laut Sendung vom 10. März 2010 ist die Pistole eines bestimmten Modells, die als Mordwaffe diente, bis auf acht Exemplare eingegrenzt, und deren Besitzer wurden aufgerufen, sich zu melden.
Auch der Bayerische Rundfunk widmete sich im Rahmen des ARD Radiofeatures unter dem Titel Auf der Suche nach dem „Dönerkiller“ im April 2010 der Mordserie (Autoren Oliver Bendixen und Matthias Fink).
Quellen
- ↑ Conny Neumann, Sven Röbel, Andreas Ulrich: Spur der Döner-Mörder führt zur Wettmafia. Spiegel Online, 12. Dezember 2009.
- ↑ "Kalte Spur" im Wettskandal, Süddeutsche Zeitung, 15. Dezember 2009
- ↑ Christian Denso: Auf der Jagd nach einem mörderischen Phantom. In: Hamburger Abendblatt vom 30. Mai 2006.
- ↑ Auflösung der „Soko Bosporus“ bekanntgegeben: „Döner-Morde“ bleiben ungelöst. Shortnews, 1. Februar 2008.
- ↑ Polizei bittet um Mithilfe. In: Die Welt vom 18. Juli 2007.