Otto Hellmuth
Otto Hellmuth, Gauleiter der NSDAP und Regierungspräsident von Mainfranken im Dritten Reich
Jugend und Krieg
Dr. Otto Hellmuth wurde am 22.07.1896 in Markt Einersheim (Landkreis Kitzingen, Unterfranken) als Sohn eines Oberbahnmeisters geboren.
Im Elternhaus streng katholisch erzogen, nahm er nach der Reifeprüfung als Freiwilliger im Alter von 18 Jahren am 1. Weltkrieg teil. Er erhielt das EK II sowie 1918 das Verwundetenabzeichen in Silber.
Studium und Beruf
Nach Kriegsende begann er das Studium der Zahnmedizin in Freiburg und Würzburg, das er 1922 mit seiner Promotion als Dr. med. dent. abschloß. Anschließend betrieb er eine zahnärztliche Praxis in Marktbreit, wo er ab 1924 in den Stadtrat gewählt wurde.
Politische Anfänge
Bereits im Jahre 1919 betätigte sich Hellmuth auch politisch, kämpfte im Kreiswehrregiment „Würzburg“ gegen die Räterepublik und gründete den Völkischen Kampfbund „Frankenland“, der später in die SA integriert wurde. 1920 wurde er Mitglied im „Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbund“ und machte hier schon eine kleine Karriere 1922 als Kreisleiter von Unterfranken und ab 1923 als Gauleiter von Nordbayern. So gewann Hellmuth am 17.12.1922 die bekannte aus Mexiko stammende rechtsradikale Rednerin Andrea Ellendt für eine Versammlung im Würzburger Huttenschen Garten.
Zu einem sehr frühen Zeitpunkt trat Hellmuth der NSDAP mit der Mitglieds-Nr. 22815 im Jahre 1922 bei und betätigte sich auch hier aktiv. Dieses parteipolitische Engagement verstärkte sich nach Auflösung des „Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbundes“ noch. Seine eigentliche Karriere begann aber erst am 03.09.1928 mit seiner Ernennung zum Gauleiter der NSDAP in Unterfranken. Im Jahre darauf wurde er Mitglied des Bayerischen Landtags. Am 19.11.1930 initiierte Hellmuth eine Protestkundgebung gegen die im Würzburger Stadttheater vorgesehene Aufführung des Stückes von An-Ski „Dybuk“ durch das jüdische Moskauer Staatstheater „Habima“. Nur durch massiven Polizeieinsatz konnten die Störungen durch Sprechchöre von mehreren Hundert Protestierern und das gewaltsame Eindringen ins Theater unterbunden und die Abendaufführung sichergestellt werden. Nicht erspart blieben den vorwiegend jüdischen Theaterbesuchern Belästigungen nach Ende der Vorstellung.
„Ritualmord“ in Manau
Zu den schon früh ausgebildeten Eigenschaften Hellmuths gehörte neben einem radikalen Antiklerikalismus, der sich möglicherweise durch die betont strenge katholische Erziehung erklärt, sein irrationaler Judenhaß. Bereits 1919 verbreitete er als Mitglied des „Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbundes“ antisemitische Flugblätter in Marktbreit. Aber erst der sogenannte „Ritualmord von Manau“ bot ihm die Gelegenheit, sich als strammen Antisemiten zu profilieren. Hintergrund war der Mord an dem vierjährigen Jungen Karl Keßler am 17.03.1929 in Manau bei Hofheim/Ufr. Das in dem kleinen Örtchen aufgekommene Gerücht, das Kind sei einem jüdischen Ritualmord zum Opfer gefallen, griff der eifrige Gauleiter willig auf und verfaßte als Sonderberichterstatter des berüchtigten antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“ einen Artikel, in dem abstruse Behauptungen über jüdische Sitten zur Verwendung von Menschenblut beim Mazzenbacken mit blutrünstigen Details des Verbrechens verquickt wurden. Obwohl die Staatsanwaltschaft von einem Lustmord ausging und die Ritualmordanschuldigungen zurückwies, gelang es der antisemitischen Propaganda Hellmuths, einen großen Teil der Bevölkerung u.a. mit der kostenlosen Verteilung des „Stürmers“ und einer Massenversammlung im Huttenschen Garten in Würzburg am 30.04.1929 unter dem Motto „Die geschichtliche Wahrheit über die jüdischen Blutmorde“, so aufzuhetzen, daß neben der Kirche auch die Justiz einschritt und den „Stürmer“-Herausgeber Julius Streicher wegen der Hetzkampagne zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilte. Hellmuth als Urheber im Hintergrund konnte allerdings nicht belangt werden. Selbst Jahre später versuchte Hellmuth dann schon als Gauleiter und Regierungspräsident von Unterfranken und Aschaffenburg einen jüdischen Religionslehrer und einen Schächter als Täter zu überführen. Trotz Anwendung der bekannten Gestapomethoden konnte weder der Beweis ihrer Täterschaft erbracht, noch der Fall aufgeklärt werden. Der Mörder ist bis heute nicht bekannt. In Manau wurde 1930 ein sog. Mordstein am Fundort der Kinderleiche aufgestellt und ab 1937 jeweils am Todestag des kleinen Karl eine propagandistische Gedenkfeier abgehalten.
Gauleiter und Regierungspräsident
Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zog Hellmuth als Abgeordneter in den Reichstag ein. Zu seinen bisherigen Rängen und Titeln als Gauleiter, SA-Standartenführer und NSKK-Obergruppenführer kam am 01.07.1934 noch der des Regierungspräsidenten von Unterfranken und Aschaffenburg bzw. Mainfranken nach Umbenennung des Regierungsbezirks am 01.07.1937. (Der Begriff „Mainfranken“ stammt aus den 20iger Jahren. Der politische Gau wurde bereits 1934 so benannt). Schon drei Wochen vor der ersten großen reichsweiten Boykottaktion gegen Juden, erzwang Hellmuth am 11.03.1933 in Würzburg die zeitweise Schließung jüdischer Geschäfte, Kanzleien und Praxen.
Heirat und Familienleben
Seine ausgeprägte Vorliebe für Pomp und große Gesten konnte er bei seiner Heirat mit der aus Kassel stammenden Dr. Erna Maria Stamm, die ebenfalls Zahnärztin war, in einer sog. „deutschen Hochzeit“ demonstrieren. Die Trauung des Gauleiters fand am 13.06.1936 im Wenzelsaal des Würzburger Rathauses statt, da der eigentliche städtische Trauungssaal hierfür zu klein war. Das in einer Pressebesprechung schon eine Woche vorher vorgestellte Festprogramm sollte nach dem Bericht des „Fränkischen Volksblattes“ vom 12.06.1936 wie folgt ablaufen:
„.... Anschließend an die standesamtliche Trauung im Wenzel-Saal im Rathaus begibt sich der Gauleiter mit seiner Braut im Wagen durch die Straßen der Stadt zum Residenzplatz. Dort wird die Ankunft des Hochzeitspaares durch 40 Fanfarenbläser der HJ, die um den Frankonia-Brunnen aufgestellt sind, angekündigt. Damit beginnt die deutsche Hochzeitsfeier, die von der Stadt Würzburg und vom Gau Mainfranken der NSDAP veranstaltet wird. Die Feier umfaßt fünf Abschnitte: Der Gauleiter begibt sich mit seiner Braut, gefolgt von seinen Hochzeitsgästen, vom Wagen in den Ehrenhof und wird dort von den politischen Leitern und Abordnungen der NS-Organisationen begrüßt. Dem Volk ist dabei der Zutritt zum Ehrenhof ebenfalls möglich. Der Hochzeitszug beschreitet unter den Klängen der Reichsheerkapelle das Vestibül der Residenz, wo die Vertreter aller Stände in vier Gruppen aufgestellt sind. Der Dichter Nikolaus Fey begrüßt in Mundart das Hochzeitspaar namens der Bauern, Winzer, Holzarbeiter, Fischer und Trachtenträger. Der Dichter Adalbert Jakob (...) BDM-Mädchen mit Eichengirlanden (...) weisen dem Brautpaar den Weg zum Weißen Saal, bei dessen Betreten die vom Dirigenten der Liedertafel, Oberlehrer Zeller, eigens verfaßte Hymne ‚Aufjauchze mein Herz’ von der Liedertafel gesungen wird (...) Nach der Festrede begibt sich der Hochzeitszug durch den Gartensaal in den Hofgarten... Das Volk hat Gelegenheit, den Darbietungen im Hofgarten von dessen höher gelegenen Teilen aus anzuwohnen....“
Im Kaisersaal der Residenz wurde vor einem großen Hakenkreuz zwischen Eichenbäumchen die sog. „deutsche Trauung“ durch den stellvertretenden Gauleiter und Oberbürgermeister von Schweinfurt Ludwig Pösl anstelle eines Priesters vorgenommen.
Von einem ausgeprägten Selbstwertgefühl zeugt auch sein Anspruch auf eine angemessene Privatresidenz. Hierbei zeigte Hellmuth keine Skrupel, als er sich zu diesem Zweck auf dubiose Weise in den Besitz der Villa des jüdischen Apothekers Max Mandelbaum brachte. Die Familie Mandelbaum entschloß sich zur Emigration und wollte die in der Ludendorffstraße (heute Rottendorfer Straße) 26 in Würzburg gelegene Villa 1938 noch vor der „Reichskristallnacht“ über einen Makler für 100000 RM verkaufen. Von dem bereits vorhandenen Kaufvertrag, der zur Beurkundung bei einem Notar vorlag, erhielt Hellmuth in seiner Eigenschaft als Regierungspräsident Kenntnis und drängte die Stadt Würzburg zur Ausübung ihres Vorkaufsrechtes. Die Stadt kaufte schließlich das Villengrundstück für 100000 RM und veräußerte die Liegenschaft sogleich für 80000 RM an den Gauleiter. Dieser konnte jedoch nur 20000 RM aufbringen, so daß die Restsumme zu 4 % Zins als unkündbare Hypothek gestundet wurde. Ob die Stadt Würzburg jemals zu ihrem Geld gekommen ist, ist nicht bekannt.
Die schön gelegene Villa war künftig der Treffpunkt für Parteigrößen, die Würzburg besuchten. Hier konnte Hellmuth demonstrieren wie eine deutsche Familie der Führungsschicht lebte. Seine Frau, die er mit dem Titel „Hohe Frau“ anreden ließ, übernahm offensichtlich schnell den Stil ihres Mannes. Nach Unterlagen des Würzburger Arbeitsamtes waren in ihrem Haushalt zwischen 1936 und 1945 mindestens 28 Hausgehilfinnen angestellt. Die zeitliche Inanspruchnahme und die herablassende Behandlung sowie teilweise Lohnzurückhaltungen führten zu einem schnellen Personalwechsel in der Gauleitervilla.
Das erste von insgesamt drei Kindern wurde „Gailana“ nach der fränkischen Herzogstochter, die die Ermordung des Frankenapostels St. Kilian veranlaßte, genannt und natürlich nicht kirchlich getauft. Ein im November 1938 geborener Sohn erhielt als Vornamen den Nachnamen des Bauernführers Florian Geyer. Bezeichnend ist, daß in Würzburg das Gerücht umging, der Hund des Gauleiters werde „Kilian“ gerufen. Nach Zeugenaussagen hieß der Hund Hellmuths jedoch „Senta“. Sein öffentliches und privates Verhalten und vor allem seine antikirchlichen Ausfälle machten Hellmuth zur unbeliebtesten Parteigröße in Würzburg.
Selbstdarstellung und Ämter
Als Leiter eines der kleinsten Gaue im Deutschen Reich und unmittelbar im Schatten des „Frankenführers“ Julius Streicher, wurde Hellmuth offensichtlich von Minderwertigkeitsgefühlen gequält, so daß er jede Gelegenheit nutzte, die Bedeutung seines Amtes und seiner Person herauszustellen. Das enteignete Würzburger Gewerkschaftshaus in der Augustinerstraße erhielt die Bezeichnung „Dr.-Otto-Hellmuth-Haus“. Auf dem „Adolf-Hitler-Feld“ vor der Florian-Geyer-Ruine in Giebelstadt legte er im April 1938 ein Gelöbnis ab, das beispielhaft für seine großsprecherische Art ist:
„Ich gelobe, Ihnen, mein Führer, diesen meinen Gau kraft seiner überreichen kulturellen und freikämpferischen Tradition so stark und rein aufzubauen und einzusetzen, daß er wird zum Land-ohne-Sorge für unseren Führer. Der Bauerntraditionsgau Mainfranken wird werden und muß sein: Das Sanssouci Adolf Hitlers! Sieg Heil!“
Der auf Titel und Ämter versessene Gauleiter erlebte mit Beginn des 2. Weltkrieges eine Enttäuschung, als sich herausstellte, daß er nicht aufgrund der „Verordnung über die Bestellung von Reichsverteidigungskommissaren“ vom 01.09.1939 dieses neue Amt wie die Mehrzahl der Gauleiter übertragen bekam, da der Gau Mainfranken nicht mit einem der 18 Wehrkreise deckungsgleich war. Erst mit der „Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung“ vom 16.11.1942 wurden die Parteigaue zu Reichsverteidigungsbezirken und damit jeder Gauleiter zum Reichsverteidigungskommissar gemacht.
Im Laufe seiner politischen Tätigkeit erhielt Hellmuth die Dienstauszeichnung der NSDAP in Silber, das SA-Sportabzeichen, das Ehrenabzeichen des Deutschen Roten Kreuzes 1. Klasse, das Verdienstkreuz des Deutschen Roten Kreuzes und das Goldene Parteiabzeichen.
Der nationalsozialistischen Verehrung der Mütter als „Lebensborn des deutschen Volkes“ gemäß, führte Hellmuth von sich aus schon am 08.04.1936, also noch vor der Stiftung des Deutschen Mutterkreuzes mit Anordnung vom 16.12.1938 durch Hitler, im Gau Mainfranken eine „Ehrenkarte für die deutsche Mutter“ ein. Voraussetzung hierfür war, daß es sich um eine Mutter „deutsche Blutes“ handeln mußte, die mindestens vier erbgesunden Kindern das Leben geschenkt hatte.
„Dr.-Hellmuth-Plan“
Überregionale Bedeutung vor allem durch die damalige Fachpresse erlangte der sog. „Dr-Hellmuth-Plan zur Neuordnung des Gaues Mainfranken“. Dieser seit 1935 von der Landesplanungsgemeinschaft Bayern – Bezirksstelle Würzburg - ausgearbeitete und seit etwa 1938 durchgeführte Plan, sollte zu einer strukturellen Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in den ländlichen Regionen Mainfrankens führen, die vor allem durch die fränkische Realteilung wirtschaftlich teilweise sehr schwach waren. Hellmuths Leitwort hierfür lautete: „Aus Notstandsgebieten Wohlstandsgebiete gestalten“. Dies galt vorrangig für die Rhön, die als ein solches Notstandgebiet definiert wurde, da die überwiegend im Nebenerwerb betriebenen landwirtschaftlichen Betriebe, besonders nach der Weltwirtschaftskrise überschuldet waren. Mit der geplanten Verbesserung der Infrastruktur und den landwirtschaftlichen Nutzungsbedingungen durch Anlegung eines umfassenden Wegenetzes (u.a. Hochrhönstraße), Drainage und Entsteinung, Aufforstung sowie eine Flächenumlegung, gingen auch rassepolitische Maßnahmen einher wie erbbiologische Bestandsaufnahmen und die Auslese der nicht Fortpflanzungswürdigen in Anwendung des "Gesetzes über die Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933" (RGBl 1933 I, 529), das eine auch zwangsweise Sterilisation von Trägern vermeintlich erblicher Krankheiten vorsah. Nur der rassisch wertvolle Bevölkerungsteil sollte zur Bodenbebauung und Fortpflanzung auf den geplanten ca. 150 Erbhöfen in Betracht kommen. Hierzu führte der Leiter des Rassenpolitischen Amtes des Gaues Mainfranken Ludwig Schmidt-Kehl („Rassen-Schmidt“) in der Fachzeitschrift „Raumforschung und Raumordnung“ 1/1938 aus:
"Sentimental ist der Nationalsozialismus nicht, er verzettelt seine Kraft nicht in Aufgaben, die sich völkisch nicht lohnen. Mögen noch so interessante wirtschaftliche Probleme zur Maßnahme locken, der Nationalsozialismus wird sie nicht aufgreifen, wenn sie nicht einem Volksteil zugute kommen, der sie durch gesteigertes Leben dankt; den Wohlfahrtsgedanken demokratischer Prägung hat unser Staat aufgegeben.(...) Wissend, daß Erbgut das Wesen des Menschen bestimmt, tritt der Politiker heute an den Erbbiologen heran mit der Frage: aus welchem Holz ist der Rhöner geschnitzt. (...) Im Vordergrund muß also die Erforschung der menschlichen Tüchtigkeit der Bewohner stehen, und hier galt es nach nationalsozialistischen Grundsätzen, über die Untersuchung des Einzelwesens hinauszugehen und nicht mehr und nicht weniger zu erforschen als den Erbwert der gegenwärtig lebenden und in der Zukunft zu erwartenden Bevölkerung. Im Gau Mainfranken ist erstmals an die Verwirklichung dieser Forderung herangegangen worden, um hieb- und stichfeste Grundlagen für das Menschenproblem in der Rhön zu schaffen."
Ausgeführt wurden bis zur kriegsbedingten Einstellung 1944 die Arbeiten in erster Linie von Reichsarbeitsdienst (RAD). Die Rhön wies demgemäß eine der größten Dichte von RAD-Lagern reichsweit auf. Natürlich mußte auch ein Lager an der Hochrhönstraße im Bereich des Schwarzen Moors nach dem Namen des Gauleiters benannt werden. Von den geplanten Höfen wurde nur der heute als Gastwirtschaft genutzte Rhönhof bei Hausen fertiggestellt und im April 1938 mit politischer Prominenz eingeweiht.
„Aktion T4“ und Räumung der Heil- und Pflegeanstalt Werneck
Am 23.09.1940 verlangte Hellmuth bei einem Besuch vor Ort die sofortige Räumung der Heil- und Pflegeanstalt Werneck und beschlagnahmte diese für die Unterbringung von volksdeutschen Umsiedlern aus Bessarabien. Vom 03. bis 06.10.1940 wurden insgesamt 777 Patienten aus Werneck verlegt. Davon kamen die Hälfte in die Heil- und Pflegeanstalt Lohr a.M. und die andere Hälfte über verschiedenen Zwischenanstalten in die Tötungsanstalten der als „Aktion T4“ bezeichneten sog. „Euthanasie“ von Geisteskranken und Behinderten in Sonnenstein bei Pirna und Schloß Hartheim bei Linz, wo sie vergast wurden. Die Verlegung der Kranken wurde von der „Gemeinnützigen Kranken-Transport-GmbH Berlin“, einer Tarnorganisation der von der Kanzlei des Führers durchgeführten „Aktion T4“, vorgenommen. Beim Abtransport sicherte Hellmuth zu, daß die Patienten nach Abschluß der Umsiedelungsaktion der Volksdeutschen wieder nach Werneck zurückverlegt würden. Nach kurzer Zeit erhielten jedoch die von der Verlegung nicht verständigten Angehörigen der Kranken die ersten Todesnachrichten aus den genannten „Euthanasie“-Anstalten. Etwa zwei Monate nach ihrem Abtransport, waren alle Patienten tot, die nach außerhalb Mainfrankens verlegt worden waren. Am 24.10.1940 wurde die Heil- und Pflegeanstalt Werneck mit bessarabischen Volksdeutschen belegt, die von hier aus im Reich angesiedelt werden sollten.
Kriegszeit
Der alliierte Luftkrieg gegen Deutschland führte zunehmend zu reinen Terrorangriffen auf zivile Wohnviertel. Selbst vor der Jagd auf Bauern bei der Feldarbeit schreckten Tiefflieger nicht mehr zurück. Auf Befehl Himmlers wurden ab Herbst 1943 Jagdkommandos der Polizei gebildet, die abgesprungene oder notgelandete Feindflieger festzunehmen und der Wehrmacht zu übergeben hatten. Gleichzeitig sollten diese vor der Wut der teilweise äußerst aufgebrachten Bevölkerung geschützt werden. Am 20.07.1944 erfolgte jedoch in Reaktion auf die planmäßigen allierten Terrorangriffe eine völlige Umkehrung der Richtlinien. Nunmehr waren alle aufgegriffenen Feindflieger sofort zu erschießen. Obwohl sich dieser Befehl an die Polizei richtete und vom Reichssicherheitshauptamt auf dem Dienstwege weitergeleitet wurde, Hellmuth also nur für die Weitergabe an die NS-Kreisleiter verantwortlich war, wurde ihm diese administrative Handlung nach dem Kriege zum Verhängnis. Bereits am 12.09.1944 erschoß ein Würzburger Jagdkommando vier bei Ruppertshütten notgelandete amerikanische Flieger. Am 29.09.1944 wurde ein weiterer abgesprungener US-Flieger von dem Bad Neustadter Kreisleiter Ingenbrand erschossen. Für diese fünf Morde wurde Hellmuth in Dachau vom US-Militärgericht verantwortlich gemacht.
Kriegsende und Flucht
1942 wurde Hellmuth wie alle Gauleiter auch Reichsverteidigungskommissar. In dieser Eigenschaft ließ er sich in unmittelbarer Nähe seiner Villa einen Betonbunker als „Befehlstelle“ errichten, der ihm mit seiner Familie sowie weiteren Getreuen zur Verfügung stand. Am Tag des englischen Terrorbombenangriffs, dem 16.03.1945, der 5000 Würzburgern das Leben kostete, 90000 Menschen obdachlos machte und zur weitgehenden Vernichtung der Würzburg Altstadt führte, befand sich Hellmuth außerhalb der Stadt.
Am 19.03.1945 schrieb Hellmuth auf der Titelseite der „Mainfränkischen Zeitung“:
„Unbeirrbar und haßerfüllt stehen wir zu unserer Pflicht. Wir kennen nur noch eins: alles tun für den Tage der Rache, der kommt.“
Der ehemalige Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, Albert Speer, schrieb 1969 in seinen „Erinnerungen“ über eine Begegnung mit Hellmuth im März 1945:
„... In Würzburg suchte ich den Gauleiter Hellmuth auf, der mich an seiner gutbestellten Frühstückstafel teilnehmen ließ. Während wir Landwürsten und Eiern zusprachen, erklärte der Gauleiter mit größter Selbstverständlichkeit, daß er zur Durchführung des Hitlerschen Erlasses die Zerstörung der Schweinfurter Kugellagerindustrie angeordnet habe; die Vertreter der Werke und der Parteistellen warteten bereits in einem anderen Raume auf seine Befehle. Der Plan war gut ausgedacht: Die Ölbäder der Spezialmaschinen sollten in Brand gesteckt werden; damit würden nach den Erfahrungen der Fliegerangriffe, die Maschinen unbrauchbarer Schrott. Er war zunächst nicht zu überzeugen, daß derartige Zerstörungen Unsinn seien und richtete die Frage an mich, wann denn der Führer die entscheidende Wunderwaffe einsetze. Er habe Informationen über Bormann und Goebbels aus dem Hauptquartier, wonach dieser Einsatz unmittelbar bevorstehe. Wie schon so oft mußte ich auch ihm erklären, daß eine Wunderwaffe nicht existiere. Ich wußte, daß der Gauleiter zu der Gruppe der Vernünftigen gehörte und forderte ihn daher auf, den Vernichtungsbefehl Hitlers nicht durchzuführen. Ich fuhr fort, daß es angesichts dieser Lage sinnlos sei, durch Sprengungen von Industrieanlagen und Brücken dem Volk die unbedingt notwendige Lebensgrundlage zu nehmen. Ich erwähnte deutsche Truppenmassierungen, die östlich von Schweinfurt zusammengezogen würden, um im Gegenstoß das Zentrum unserer Rüstungsproduktion zurückzuerobern; womit ich nicht einmal log, da die oberste Führung einen baldigen Gegenangriff in der Tat plante. Das alte, vielbewährte Argument, daß Hitler seinen Krieg ohne Kugellager nicht fortsetzen könne, tat endlich seine Wirkung. Der Gauleiter, ob überzeugt oder nicht, war nicht bereit, die historische Schuld zu übernehmen, alle Siegesaussichten durch die Zerstörung der Schweinfurter Fabriken zunichte zu machen.“
Goebbels notierte unter dem 29.03.1945 in seinem Tagebuch:
„Morgens läuft bei uns ein Bericht aus Würzburg ein, der etwas hoffnungsvoller klingt. Die Gauleitung teilt mit, daß man dort völlig der Lage Herr sei und daß Aschaffenburg wieder vom Feind freigekämpft worden sei. Unser Reichspropagandaamtsleiter Dr. Fischer hat sich besonders liebevoll derjenigen angenommen, die beim Herannahen des Feindes weiße Fahnen gehißt haben. Sie werden im Gau Mainfranken einer rabiaten Behandlung unterworfen, die sie auch verdienen“.
Kurz vor Einmarsch der amerikanischen Truppen erklärte Hellmuth in einem letzten Aufruf am 28.03.1945:
„Die Lage ist ernst, aber keineswegs hoffnungslos! Die Führung trifft alle Maßnahmen, die die Lage erfordert. Die Stunde unserer Bewährung ist gekommen! Wer nur eine Sekunde seine Pflicht vergißt, ist Verräter an der Sache des Volkes. Feiglinge sind rücksichtslos zu beseitigen! In unseren Herzen darf nur noch der Haß und der Wille zu entschlossenem Widerstand Platz haben. Auch von Mainfranken soll der Gegner berichten, daß er ein entschlossenes und tapferes Volk antraf!“
Anschließend tat er genau das, was er dem gemeinen Volksgenossen bei Androhung der Todesstrafe verboten hatte; er flüchtete mit seiner Familie und der Gauleitung sowie dem Würzburger Oberbürgermeister Memmel am 02.04.1945 zunächst nach Untermerzbach bei Ebern und dann über Haßfurt am 09.04.1945 nach Eggolsheim bei Forchheim in der Fränkischen Schweiz. Am 14.04.1945 löste sich die NSDAP in Mainfranken offiziell auf. Seine Frau und Kinder fanden schließlich in Oberbayern Schutz, während sich Hellmuths Spur in Tirol verlor. In Bayern in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten, blieb er unerkannt. Zusammen mit seinem ehemaligen Adjutanten flüchtete er nach Norddeutschland.
Nachkriegszeit
Nach zwei Jahren im Verborgenen, in denen er als Landarbeiter im Raum Kassel lebte und später unter dem Namen Hans Oster in einer Zahnarztpraxis in Bussum tätig war, wurde er von der britischen Militärpolizei in der zwischen Bremen und Osnabrück gelegenen kleinen Ortschaft festgenommen. In Dachau wurde er vor einem US-Militärgericht angeklagt, für die Erschießung von notgelandeten alliierten Fliegern im September 1944 mitverantwortlich zu sein.
Auf Bitten von Hellmuths Schwester Hedwig, die der Würzburger Bischof Matthias Ehrenfried als „wahre gute katholische Dame“ kannte, verwendete dieser sich mit einem Gnadengesuch vom 23.10.1947 für den am 10.10.1947 durch den General Military Court in Dachau zum Tod durch den Strang verurteilten Hellmuth. Gerade der Würzburger Bischof hatte unter den kirchenfeindlichen Ausfällen des früheren Gauleiters zu leiden gehabt, die in mehreren Stürmen 1934 und 1938 auf das Bischöfliche Palais gipfelten. In einem Revisionsverfahren 1951 wurde das Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt; die Haftzeit wurde schließlich auf 20 Jahre ermäßigt. Hellmuth blieb jedoch nur bis Juni 1955 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg/L., da auch er von der damaligen Begnadigungswelle erfaßt wurde. Er ging nach seiner Entlassung nach Kassel, wo er 1956 nicht zurückschreckte eine Heimkehrentschädigung in Höhe von 5.160,-- DM zu beantragen. Nach fünf Jahren Klage durch alle Instanzen, wurde Hellmuth tatsächlich dieser Betrag zugesprochen. Vom Entrüstungssturm in seinem ehemaligen Gau und den Protesten des „Verbandes der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands" blieb er nicht nur unbeeindruckt, sondern erdreistete sich auch noch die „Begrüßungsgabe“ nach dem Heimkehrergesetz zu beanspruchen. Diese blieb ihm jedoch versagt.
Gegen den Protest der Kassenärztlichen Vereinigung Unterfrankens und des Deutschen Gewerkschaftsbundes, erhielt Hellmuth den Vorzug vor 21 Mitbewerbern bei der Zulassung für alle Krankenkassen durch die AOK Reutlingen, wo er sich 1958 als Zahnarzt niederließ.
Bereits während seiner Gefängniszeit in Landsberg/L. unternahm Hellmuth 1947 einen gescheiterten Selbstmordversuch. Zuvor hatte er mit seinem eigenen Blut „Heil Hitler“ an die Wand seiner Zelle geschrieben. Dasselbe wiederholte er bezeichnender Weise am 20.04.1968, dem Jahrestag von Hitlers Tod. Hellmuth starb von eigener Hand im Alter von 72 Jahren in Reutlingen. Beigesetzt wurde seine Urne im Familiengrab in Marktbreit.
Gegen Hellmuth wurde zwar ein Entnazifizierungsverfahren während seiner Landsberger Haftzeit eingeleitet, jedoch nicht zu Ende geführt. Dieses hätte sicherlich auch keinen Erfolg gehabt. „Verbohrt bis zuletzt“, das ist auch die rückblickende Einschätzung seiner ältesten Tochter Gailana, die eine schwere Erbschaft übernehmen mußte und schließlich ihren Vornamen im Alter von 21 Jahren ändern ließ.
Literatur
- „Würzburg im Dritten Reich“, Ausstellungskatalog, Würzburg 1983
- Rockenmaier, Dieter W., „Das Dritte Reich und Würzburg. Versuch einer Bestandaufnahme“, Mainpresse Richter Würzburg 1983
- Felbor, Ute „Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg 1937 – 1945“, Königshausen & Neumann Würzburg 1995 (Dr.-Hellmuth-Plan)
- Landkreis Würzburg „Landkreis Würzburg. Unsere Heimat unter Hitlers Gewaltherrschaft in Dokumenten, Erlebnissen und Schicksalen“, Würzburg 1988
- Fasel, Peter, „Beiträge zur NS-Geschichte in Unterfranken“. Würzburg 1996
- Flade, Roland, „Unser Würzburger Jahrhundert“, Würzburg 1998
Weblinks
- www.ewrpress.com/artikel-shtml?id=483-41k (viel Polemik gegen standesärztliche Körperschaften)
- www.raumzeit-online.de/102002-html („Ritualmord“ Manau)
- http://www.bongards.gmxhome.de/raum/ursprung.html#32 (Dr.-Hellmuth-Plan)