Schmerztherapie
Historisches
Die Erkenntnis, daß chronische Schmerzen eigenen Krankheitswert erlangen können und besondere Behandlungsformen und -einrichtungen erfordern, hatte in den USA bereits in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zur Gründung der ersten Schmerzklinik geführt. Als Begründer der modernen interdisziplinären Schmerztherapie gilt der 1994 verstorbene John J. Bonica. In Deutschland gibt es schmerztherapeutische Einrichtungen erst seit den 70er Jahren. Die erste Schmerzklinik wurde an der Universität Mainz unter Frey von Gerbershagen eingerichtet. Die ersten beiden kassenärztlichen Schmerzpraxen wurden im Januar 1982 in Frankfurt a.M. (Dres. Flöter) und Hamburg (Dres. Jungck) von Ärzten gegründet, die vorher als Chefärzte an ihren Abteilungen Schmerzambulanzen eingerichtet hatten.
Unterschiede zwischen akuten und chronischen Schmerzen
Akute Schmerzen sind als Warner und als Hinweis zur Diagnose der zugrundeliegenden Krankheit sinnvoll und besitzen somit eine wichtige biologische Funktion. Sie haben eine eindeutige Ursache. Kausale Behandlung führt meist dazu, daß die Schmerzen nachlassen und nach einer gewissen Zeit, für die es Erfahrungswerte gibt, verschwinden.
Chronischer Schmerz überdauert diesen zu erwartenden Zeitraum, in dem normalerweise eine Heilung stattfindet. Bei den betroffenen Patienten ist festzustellen, daß es für dieses Überdauern der Schmerzen mehrere ursächliche und perpetuierende Faktoren gibt, die sich immer im somatischen, psychischen und sozialen Bereich finden oder zumindest vermuten lassen. Die Behandlung muß zusätzlich zur Behebung der Ursache auch die Linderung oder Beseitigung der Folgen mit berücksichtigen.
Chronischer Schmerz kann zu einer eigenständigen Schmerzkrankheit werden. Die Schmerzen haben dann ihre Leit- und Warnfunktion verloren und sich zu einem eigenständigen Krankheitsbild entwickelt. Diese Schmerzkrankheit ist neben den organischen auch durch die konsekutiven (daraus folgenden) psychosozialen Veränderungen und weitere Folgeschäden definiert, und sie bestimmt das ganze Leben des Patienten mit seinen sozialen Beziehungen.
Als Beispiele seien bestimmte Kopf- und Rückenschmerzen (auch nach mehreren Operationen), Stumpf- und Phantomschmerzen, postzosterische Neuralgien, Trigeminusneuralgie, Krebsschmerzen, sympathisch unterhaltene, postoperative und posttraumatische Schmerzen genannt, die erhebliche psychosoziale Folgen haben und in eine chronische Schmerzkrankheit übergehen können.
Primär chronische Schmerzen sind z. B.: Migräne, Cluster-Kopfschmerz, Trigeminusneuralgie, postzosterische Neuralgie, Stumpf- und Phantomschmerzen, Thalamusschmerz, Krebsschmerz. Gerade bei solchen Schmerzen und bei den Akutschmerzen, die nicht nach der zu erwartenden Zeit zu beseitigen sind, müssen Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, die präventiv wirken, also der Entwicklung der Schmerzkrankheit entgegenzuwirken in der Lage sind.
Chronische Schmerzen haben - im Gegensatz zu akuten - so gut wie nie nur eine einzige auslösende oder unterhaltende Ursache, sie sind multikausal.
Schmerzbehandlung
nicht-medikamentöse Maßnahmen
- Ruhigstellung, zum Beispiel bei einem Knochenbruch
- Kühlung, beispielsweise bei einem Sonnenbrand
- Lokale Wärme, zum Beispiel bei Schmerzen durch Muskelverspannungen
- Mechanische Beseitigung eines Steines oder anderen Hindernisses bei Darm-, Nieren- und Gallenkoliken.
Medikamentöse Maßnahmen
Lokale Analgetika
Systemische Analgetika
- Acetylsalicylsäure (zum Beispiel Aspirin®)
- Paracetamol (zum Beispiel ben-u-ron)
- Novaminsulfon (zum Beispiel Novalgin®)
- Diclofenac (beispielsweise Voltaren®)
- Ibuprofen (beispielsweise Irfen)
- selektive COX2-Inhibitoren (neu entwickelte Stoffklasse, ähnlich NSAR, mit deutlich weniger Nebenwirkungen, vor allem im Magen-Darm-Trakt)
- Rofecoxib (Vioxx; wegen Nebenwirkungen vom Markt genommen)
- Etoricoxib (Arcoxia)
- Celecoxib (Celebrex)
- Valdecoxib (Bextra) [seit dem 8. April 2005 vom Markt genommen, wegen seltener, aber schwerer, teilweise lebensbedrohlicher Hautreaktionen]
- Parecoxib (Prodrug zu Valdecoxib, IV-Form, Dynastat)
- Lumiracoxib (Prexige)
Opioide
- Opioide
- schwache Opioide
- starke Opioide
- Oxycodon (zum Beispiel Oxygesic®)
- Hydromorphon (zum Beispiel Palladon)
- Fentanyl (beispielsweise Durogesic TTS)
- Pentazocin (beispielsweise Fortral®)
- Morphin
- Buprenorphin (Temgesic)
Andere schmerzlindernde Mittel
- Nitrogylzerin bei Angina pectoris, Gallenkolik, Nierenkolik
- Betablocker bei Angina pectoris und rezidivierender Migräne
- NSAR und verwandte Substanzen
Begleitende Maßnahmen
- Sedierung und Angstbeseitigung (die meisten Schmerzen gehen mit Angst einher)
- Diazepam (z.B. Valium®)
- Antidepressiva
- Psychotherapie
- Physiotherapie
Gesellschaften
Mehrere Gesellschaften und Verbände bemühen sich um die Erforschung und Therapie des Schmerzes:
Siehe auch
Analgesie, Palliation, Zentraler Schmerz, Visuelle Analogskala, Analgetikum, Schmerzen im Alter
Literatur
- Flöter, Thomas (Hrsg.), Grundlagen der Schmerztherapie, München 1998.
- Flöter, Thomas/Zimmermann, Manfred (Hrsg.), Der multimorbide Schmerzpatient, Stuttgart 2003.
- Franz-Josef Kuhlen: Historisches zum Thema Schmerz und Schmerztherapie. Pharmazie in unserer Zeit 31(1), S. 13 - 22 (2002), ISSN 0048 - 3664
- Katrin Janhsen, Wolfgang Hoffmann: Pharmazeutische Betreuung von Kopfschmerzpatienten. Pharmazie in unserer Zeit 31(5), S. 480 - 485 (2002), ISSN 0048 - 3664