Hannelore Mabry

deutsche, Autorin, Journalistin, Frauenrechtlerin, Soziologin, Synchronsprecherin
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Hannelore Mabry wurde am 27. August 1930 in Chemnitz als Hannelore Katz geboren; ein Jahr nach ihrem Bruder Klaus. Über die Eltern - Johanne und Alfred Katz - ist wenig bekannt. Vater Alfred Katz (*30.03.1882, † 1943) war technischer Direktor der Siemens-Schuckert Werke. Die Mutter, Johanne Katz (*30.07.1902, geb. Fromme), durfte i. G. zu ihren Brüdern nicht studieren, wollte aber lt. Hannelore Mabry dennoch nicht nur Hausfrau und Mutter sein. Nach 1945 ließ sich Johanne Katz in Bielefeld nieder und engagierte sich frauen- und friedenspolitisch in der FDP. Sie verstarb im September 1986.

H. Mabry machte 1947 (vorzeitiges) Abitur in Chemnitz und wechselte anschließend als Stipendiatin an die städtische Schauspielschule Bonn. In Düsseldorf legte sie in 1950 die Bühnenreifeprüfung ab und trat als Lorley Katz in den folgenden Jahren in Pforzheim, Karlsruhe, Rheydt, Essen und Nürnberg auf.

Im April 1953 heiratete H. Mabry den Techniker Dieter Kretz, die gemeinsame Tochter lebt heute in Südfrankreich. Die Ehe Kretz wurde 1955 geschieden. Frau Mabry heiratete im Juli 1956 den US-Amerikaner Paul Michael Mabry und lebte mit ihrer Tochter von Dezember 1956 bis Juni 1958 in Boston, wo Hannelore Mabry u.a. für die deutschsprachige Radiosendung "German Radio Hour" als Sprecherin arbeitete. Die Hoffnungen auf eine Schauspielkarriere des Mannes erfüllten sich nicht. Finanzielle Engpässe und sich verschlechternde persönliche Beziehungen führten zur Rückkehr Hannelore Mabrys nach Deutschland im Sommer 1958. Die Ehe Mabry wurde im Juli 1968 ebenfalls geschieden. Hannelore Mabry versuchte 1958 erneut, als Schauspielerin in Deutschland Fuß zu fassen; einzelne Engagements, etwa bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen 1959, brachten jedoch nicht erhofften Erfolg. Nach dem Umzug nach München und weiterhin ausbleibenden regelmäßigen Einkünften, entschloss sich H. Mabry zu einem Neuanfang: Mit dem Wintersemester 1966/1967 nahm sie an der Ludwig-Maximilian-Universität München das Studium der Soziologie, Volkswirtschaft, Politologie und Psychologie auf. Parlamentarismus und Marxismus waren Studienschwerpunkte, auch belegte Mabry einige Seminare zur sog. Frauenfrage. Von Teilnahme an Protestveranstaltungen und der ‚Studentenrevolte' ist nichts überliefert. In Unterlagen der Fachschaft Soziologie wird Mabry als Kontaktperson der Betriebsgruppe für die Firma Agfa in München erwähnt. Die Diplomarbeit im Hauptfach Soziologie "Die Relevanz weiblicher parlamentarischer Arbeit für die Emanzipation der Frau. Versuch einer politisch-soziologischen Studie über die weiblichen Abgeordneten des Bayerischen Landtages von 1946-1970" legte Mabry im Februar 1971 vor. Unter dem Titel "Unkraut ins Parlament" veröffentlichte H. Mabry die Arbeit 1972 (2. Auflage 1974). Damit nahm sie Bezug auf einen Ausspruch des CSU-Mitbegründers und früheren bayerischen Landtagspräsidenten Michael Horlacher ("Als Einzelne wirkt die Frau wie eine Blume im Parlament, aber in der Masse wie Unkraut", undatiert, vermutlich zwischen 1946-1950).

Das Thema Frauen in politischen Ämtern/Mandaten war zeitgemäß. Emanzipation als vielbesetzter Begriff erhielt in den späten 1960ern bald überwiegend frauenspezifische Bedeutung. In 1971 liegt auch der Beginn von Mabrys organisiertem Engagement für die Frauenbewegung: Im Dezember gründete sie das "Frauenforum München e.V." (FFM); ab 1972 mit der ersten Zeitschrift der zweiten Frauenbewegung Informationen des Frauenforum München e.V. ab Nr. 1/1974 Frauenforum - Stimme der Feministen. Das in erster Linie für bessere Information, Koordination und Integration von nationalen und internationalen Frauengruppen initiierte Frauenforum widmete sich auch lokalen politischen Prozessen (z.B. Münchner Stadtratswahl 1972) und Literaturkritik. Hannelore Mabry zeichnete als presserechtlich Verantwortliche und war auch Autorin fast aller Beiträge. Ab 1974, mit Aufnahme des Begriffs "Feminist" in Vereinsnamen und Zeitschriftentitel, ändern sich Ton und Charakter der Zeitschrift, wohl auch schon des Vereins. Kämpferische Begriffe und Artikel gegen "Patriarchen und Partiarchalinnen" lösten die vormals weitgehend integrative Sammlung von Terminankündigungen, Berichterstattung sowie veranstaltungsorientierte Vereinsarbeit ab. Der von Beginn an gemischtgeschlechtliche Ansatz des Vereins stößt bis heute in der autonomen Frauenbewegung auf Ablehnung. Mabrys politischer Stil forderte vereinsinterne sowie öffentliche Kritik heraus. Im Winter 1975 kam es zum Bruch. Nach einer Nicht-Entlastung des Vorstandes trennten sich Mabry und einige andere vom Frauenforum und gründeten in 1976 den "Förderkreis zum Aufbau der Feministischen Partei" (ab 1990 "Förderkreis Der Feminist"), dessen Organ ab 1976 in München als "Der Feminist" erschien. Das Frauenforum bestand ohne Hannelore Mabry bis 1996. Mit den Förderkreisen (und dem Feministen) hatte sich Mabry nun ein Forum geschaffen, in welchem sie ihre inzwischen ausgefeilten pazifistischen, feministischen Theorien offenbar ohne größere Widerstände veröffentlichen konnte. In sogenannten Straßenaktionen (wöchentlichen Verkaufs- und Informationsständen des Förderkreis in der Münchner Innenstadt), bei vielfältigen Diskussionsveranstaltungen des Vereins und Mabry selbst, aber auch in der internationalen Korrespondenz rekurrierte Mabry im wesentlichen auf ihre "feministische Marx-Kritik" und den von ihr entwickelten Gruß "Heil Kind!" als Symbol ihrer kinderzentrierten Thesen. Hannelore Mabry arbeitete und lebte für ihre Ziele: Verbreitung ihrer politischen Positionen, Vereinsarbeit, Veröffentlichungen, Spendensammlungen und neue AbonnentInnen; dies gewährleistete über weite Strecken ihren Unterhalt.

Mit einigen öffentlichkeitswirksamen Aktionen erlangte Mabry in den 1980er bundesweit Bekanntheit: Im Winter 1983 begann sie mit einigen Mitstreiterinnen (und einem Mitstreiter) das "Kettenfasten von Müttern. Helft Müttern im Kampf gegen die Gewalt!" im Münchner Dom. Diese unangemeldete "Besetzung des Münchner Liebfrauendoms und Hausfriedensbruch durch H. Mabry" (so das Erzbischöfliche Ordinariat in der folgenden Strafanzeige) ließ das Ordinariat polizeilich räumen. Hannelore Mabry klagte mehrinstanzlich erfolgreich u.a. gegen die Gebührenbescheide für den Polizeieinsatz. Als am 03. Mai 1987 Papst Johannes Paul II. nach München kam, wollte Mabry mit dem Förderkreis gegen den "Patriarchen" protestieren. Trotz Anmeldung der Demonstration und öffentlichem Aufbau der Transparente wurde die Protestaktion vorzeitig von der Polizei aufgelöst, H. Mabry noch vor Erreichen des Demonstrationsortes in polizeilichen Gewahrsam genommen und für sieben Stunden festgehalten. Bis 1991 klagte Hannelore Mabry erfolgreich u.a. gegen die Ingewahrsamnahme bzw. den Vollzug des novellierten bayerischen Polizeiaufgabengesetzes.

Die langjährige Unterstützerin und friedenspolitisch engagierte Emilie Schurig hinterließ dem Förderkreis im Jahre 1986 umfangreiche Buch- und Zeitschriftenbestände und der Grünen-Bundestagsabgeordneten Petra Kelly zwei kleine Wohnungen in der Münchner Au zur Nutzung für frauenrelevante Bildungsarbeit. Mabry und Kelly kannten sich seit Beginn der 1970er Jahre; Kelly überschrieb Mabry die Wohnungen als Vereinseigentum und finanziellen Rückhalt für das ab 1988 neue Projekt "Bayerisches Archiv der Frauenbewegung". In den angemieteten Archivräumen in der Lilienstraße 4, München, veranstaltete Mabry zusätzliche wöchentliche Geschichtswerkstätten; hier fanden bis 2002 auch die äußerst häufigen Vereins- und Vorstandssitzungen statt.

Krankheitsbedingt musste Hannelore Mabry ihre Aktivitäten ab 2001 sehr einschränken. Das Archiv ist geschlossen, die Vereinsarbeit beschränkt sich seitdem auf die notwendigen Verwaltungsakte, die Zeitschrift Der Feminist erschien 1999 mit der Nummer 26 ein letztes Mal mit Mabrys Kernthesen (Neudruck des 1977er Beitrags: Mit oder ohne Marx zum Feminismus?).

Frau Mabry lebt heute in einem Münchener Seniorenwohnheim. --Elbracht 5. Jul 2005 10:36 (CEST)