Kleine Eiszeit

Periode kühlen Klimas in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends n. Chr.
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Die kleine Eiszeit war eine Periode relativ kühlen Klimas von Mitte des 16. bis in das 19. Jahrhundert hinein; die meisten Quellen sprechen vom Zeitraum zwischen 1550 und 1850. Sie gilt in der heutigen Klimadiskussion als das klassische Beispiel einer durch kurzfristige Schwankungen geprägten natürlichen Klimavariation.

Das Gemälde IJsvermaak von Hendrick Avercamp zeigt Menschen auf einem zugefrorenen Kanal im Winter 1608. Damals nicht ungewöhnlich sind heute in den Niederlanden die Kanäle im Winter eisfrei

Beobachtungen

Der Kleinen Eiszeit ging eine Periode voraus, die als Mittelalterliche Warmzeit oder Mittelalterliches Klimaoptimum bezeichnet wird ("Warmzeit" sollte aber nicht mit "Interglazial" verwechseln werden). Regional und zeitlich unterschiedlich lagen die Temperaturen zwischen 800/900 und 1300/1400 um ca. 1 bis 1,5 °C höher als heute. In dieser Epoche zog sich das Packeis im nördlichen Atlantik nach Norden zurück, und erlaubte es den Wikingern Island (seit etwa 870) und Grönland (seit 986) zu besiedeln. Durch das warme Klima begünstigt, nahmen in Europa die Bevölkerungszahlen stark zu. Es ermöglichte die Viehzucht auf Grönland, den Weinanbau bis nach Südschottland und ließ auf Island Weizen und Gerste ausreifen.

Während der Kleinen Eiszeit wurden in Europa und später auch Nordamerika häufig sehr kalte, lang andauernde Winter und niederschlagsreiche, kühle Sommer beobachtet. Mitte des 17. Jahrhunderts drangen Gletscher in den Alpen vor und zerstörten einige Gehöfte und Dörfer. Die Themse und Kanäle in den Niederlanden waren jeden Winter lange überfroren. Im Winter von 1780 konnte man den Hafen von New York auf dem Eis sicher überqueren. Auf den Großen Seen blieb das Eis manchmal bis zum Juni.

Klimazeugen

Die Kleine Eiszeit ist durch eine Reihe von Proxydaten (indirekten Klimadaten) nachgewiesen:

Aber auch die zeitgenössischen Darstellungen der Malerei werden als Klimazeugen herangezogen. Bekannt sind beispielsweise die Darstellungen von Winterlandschaften Pieter Brueghels und anderer niederländischer Meister aus dem 16./17. Jahrhundert. Viele zeigen Szenen in denen zugefrorene Kanäle zu sehen sind. Heute liegen die Temperaturen höher und die Kanäle frieren nicht mehr zu.

Ursachen

Zwei Ursachen werden als Ursache der Kleinen Eiszeit angesehen: Eine geringere Aktivität der Sonne sowie ein verstärkter Vulkanismus.

Verringerte Sonneneinstrahlung

 
Schwankungen der Sonnenfleckenaktivität innerhalb der letzten 1100 Jahre. Schwankungen der Strahlungsintensität der Sonne bilden sich in Variationen des C14-Anteils ab, die mit einem zeitlichen Versatz von 20 bis 60 Jahren nachweisbar sind

Der Zeitraum von 1645 bis 1715 markiert einen der Höhepunkte der Abkühlung innerhalb der Kleinen Eiszeit. Parallel dazu zeigte die Sonne ein Minimum an Sonnenflecken, das Maunderminimum, mit dem eine verringerte Strahlungsintensität einher geht. Schon eine geringfügige Abschwächung kann auf der Erde zu signifikanten Abkühlungserscheinungen führen, die durch Messung des 14C-Anteils auch für die Vergangenheit rückwirkend nachweisbar sind. Diese radioaktive Atomvariante (Isotop) des Kohlenstoffs bildet sich durch die Einwirkung der Kosmischen Strahlung in der oberen Atmosphäre. Die Sonnenstrahlung veringert die Wirksamkeit der Kosmischen Strahlung und damit die Entstehung von 14C. Ein Minimum an Sonnenfleckenaktivität bzw. Strahlungsintensität der Sonne bewirkt also ein Produktionsmaximum an 14C, das mit Hilfe der Radiokarbonmethode nachgewiesen werden kann. Ähnlich schwankt auch der Anteil des 10Be-Isotops mit der Strahlungsintensität.

Gesteigerte vulkanische Aktivität

In die Kleine Eiszeit fiel eine Reihe starker Vulkanausbrüche, Plinianische Eruptionen, die Staub und Asche sowie Gase, u. a. Schwefeldioxid (SO2), hoch in die Erdatmosphäre schleuderten. Durch Untersuchungen heutiger Vulkaneruptionen sind die in der höheren Atmosphäre, der Stratosphäre, ablaufenden Prozesse bekannt. Dort können vulkanische Feststoffe und Gase für einige Jahre bleiben und sich auf das Klima auswirken. Das Schwefeldioxid wird in einer photochemischen Reaktion zu Schwefelsäure (H2SO4) umgewandelt. Die Säure wird in der Stratosphäre zu einer Wolke aus Aerosol, in der Luft schwebenden Tröpfchen, die die Sonnenstrahlung absorbiert und die (Insolation) veringert. Im Schatten der Aerosolwolke kühlt sich die untere Atmosphäre, die Troposphäre, ab.
Der bekannteste dieser Ausbrüche war der des Tambora (Indonesien) im Jahre 1815. Im folgenden Jahr ohne Sommer (1816) wurden in Nordeuropa und im Osten Nordamerikas Schnee und Frost im Juni und Juli beobachtet.

Neubewertungen

Als die ersten Hinweise auf die Kleine Eiszeit offensichtlich wurden, ging man von einem weltweiten Klimaphänomen aus. Heute wird dies teilweise anders gesehen. Auch eine Rekonstruktion der Temperaturen auf der Nordhalbkugel ist nicht schlüssig, so dass man nur noch von einer moderaten Abkühlung auf der Nordhalbkugel von weniger als 1°C spricht. Nach aktuellem Kenntnisstand war die Kleine Eiszeit ein auf den Nordatlantikraum und benachbarte Regionen begrenztes Phänomen.

Folgen für die Menschen

Durch die schweren und langen Winter war die Vegetationsperiode reduziert. Die Sommer waren nasskalt, so dass beispielsweise Weizen auf den Halmen verfaulte. Eine Folge war eine geringere Produktion an Nahrungsmitteln, die sich in Hungersnöten niederschlug, die erstmals seit dem 9. Jahrhundert die europäischen Bevölkerungszahlen wieder schrumpfen ließen. Die große Hexenverfolgung in Mitteleuropa fällt in diese Zeit und wird oft mit den Hungersnöten und dem durch die kaltfeuchte Witterung begünstigten Einschleppen von Halluzinogenen wie Mutterkorn in Verbindung gebracht.

In Folge der Abkühlung rückte die Packeisgrenze wieder nach Süden vor und Island wurde teilweise derart eingeschlossen, dass ein Kontakt mit der Außenwelt unmöglich wurde, was die Bevölkerungszahlen dramatisch schrumpfen ließ. Die Klimaverschlechterung war auch der Grund, warum im 16. Jahrhundert die Wikingerkolonie auf Grönland erlosch, der noch um 1300 etwa 3000 Personen angehört hatten. Seit etwa 1850 wurde es in Europa wieder wärmer.

Als in Frankreich im Jahre 1788 der größte Teil der Aussaat durch schwere Unwetter vernichtet wurde, wurde das Brot knapp und die Preise stiegen enorm an. Der dritte Stand, der weitaus größte, aber unterpriviligierte Teil der Bevölkerung, musste hungern. Im Jahr darauf kam es, auch aus diesem Grund, zum Ausbruch der Französischen Revolution.

Siehe auch: Globale Erwärmung, Klimaveränderung, Klimageschichte