Das Gebet ist eine zentrale Handlung vieler Religionen. Im Gebet wendet sich der Mensch an eine Gottheit.
In theistischen Religionen unterscheidet sich das Gebet durch seine deutlich persönliche und kommunikative Komponente von anderen religiösen Praktiken wie Meditation, Beschwörung oder Magie. Im Buddhismus und Hinduismus entspricht ein Gebet oftmals einer Meditation. Im Konfuzianismus und Taoismus spielen Gebete eine eher untergeordnete Rolle; in indigenen Religionen zum Beispiel Australiens sind Gebetspraktiken bisher kaum erforscht worden.
Viele Religionsgelehrte und Theologen haben das Paradox zu lösen versucht, den unveränderlichen Willen der Gottheit durch menschliche Gebete ändern zu wollen. Es gilt als allgemein anerkannt, dass der göttliche, das Gute erstrebende Wille nicht zu ändern ist, dass aber die Gebetstätigkeit in der Lage ist, den Willen des Menschen zu stärken, seine Seele zu läutern und somit eine ganzheitliche Änderung zum Guten zu bewirken. So kann das Gebet dem betenden Menschen neue Erkenntnisquellen öffnen und ihm inneren Antrieb zur Erfüllung seiner Bitten und Wünsche verleihen.
Gebetet werden kann im Gottesdienst, in einer Gruppe oder allein. Ganze Gottesdienste können als Gebet verstanden werden, wie der jüdische Gottesdienst am Shabbat in der Synagoge, die Eucharistiefeier der orthodoxen Kirchen, das christliche Stundengebet oder das Freitagsgebet der Muslime. Viele Religionen kennen festgesetzte Gebetszeiten.
Gebete können gesungen, laut ausgesprochen oder im stillen für sich formuliert werden. Es gibt dabei je nach Religion und Konfession unterschiedliche Körperhaltungen und Gesten: stehen, knien, niederwerfen, den Kopf senken, die Hände erheben oder falten. Ebenso mag die Haltung individuell völlig frei gewählt werden. Im Zusammenhang mit Gebeten werden oftmals Symbole verwendet, wie zum Beispiel der Rosenkranz im katholischen Gottesdienst, im Islam und Buddhismus oder das Kreuz in christlichen Gebeten.
Es gibt tradierte liturgische Gebete mit feststehenden Wortfolgen, manchmal mit Rede und Antwort in Form einer Litanei, Gebete mit Vorlagen oder spontan formulierte Gebete. (Siehe auch: Inkantation)
Judentum
Gebete (hebr. תפלה, Tefilah)
Das Judentum ist eine Religion des Gebets. Ein konservativer oder orthodoxer jüdischer Mann betet drei Mal täglich: morgens Schacharit, nachmittags Mincha und abends Maariv. Beim Gebet bedecken Juden den Kopf mit einer Kippa und benutzen beim werktäglichen Morgengebet Tefillin (Gebetsriemen) und Tallit (Gebetsschal) - letzterer wird auch am Shabbat und an Festtagen verwendet.
Die Gebete werden nach einem Grundmuster gebetet, das je nach Wochentag oder Festtag leicht variiert. Das Gebetbuch, das diese Gebete enthält, heisst Siddur. Zu den Gebeten gehören Tehillim (Psalmen), das Schma Jisrael (Höre, Israel), die Amida oder Achtzehnbittengebet und das Alenu, alles in hebräischer Sprache.
Für Festtage gibt es weitere besondere Gebete, an Jom Kippur zum Beispiel das Gebet Kol Nidre.
Im Theologischen Wörterbuch für das Neue Testament werden mehr als zwanzig hebr. Wurzeln für Beten im AT verzeichnet aus den verschiedensten Bereichen:
1. aus dem Bereich der Kulthandlungen: atar = opfern, barak = segnen 2. aus dem Bereich des Sprechens u. Rufens: qara'= rufen, za'aq = schreien 3. aus dem Bereich des Seufzens u. Stöhnens: anah = seufzen dalaf = weinen 4. aus dem Bereich des Lobens u. Jauchzens: halal = laut loben, jadah = bekennen.
Neben den Gebeten sagen religiöse Juden zu vielen Gelegenheiten Segenssprüche, so u.a. über das Essen oder besondere Mitzwot (hebr. מצות, Gebote),
Zum häuslichen Schabbat, höchster Feiertag des Judentums und Zeichen des Bundes Gottes mit dem Volk Israel (Geschenk der Liebe Gottes) in der Familie gehören der Segensspruch über das Licht der zwei Kerzen, der von der Mutter gesprochen wird, und der Kiddusch über den Schabbatwein, der vom Vater gesprochen wird. Es liegen zwei zopfartig geflochtene Schabbatbrote (hebr. Challah, jidd. Barches) auf dem Tisch.
Literatur
- Rabb. Chaijm Donin: Jüdisches Gebet
- Rabb. Jakob J. Petuchowski: Gottesdienst des Herzens
Das Gebet gehörte von Anfang an zu den wichtigsten Ausdrucksformen des christlichen Glaubens. Bereits im Neuen Testament sind viele verschiedene Gebetsformen erwähnt: Psalmen, Bitte, Dank, Fürbitte, Anbetung. Einige der am häufigsten gebrauchten christlichen Gebete stammen aus dem Neuen Testament, z.B. das Vaterunser und das Magnificat. Besonders viele Lobeshymnen sind in der Offenbarung des Johannes enthalten.
Bis heute hat das Gebet einen zentralen Platz in der Praxis aller christlichen Konfessionen.
Alle kennen das Vaterunser und die Psalmen ebenso wie persönlich formulierte Gebete und Kirchenlieder in Gebetsform. Die orthodoxen, katholischen und anglikanischen Kirchen haben eine reiche Tradition von vorformulierten Gebeten für den liturgischen und persönlichen Gebrauch, im Pietismus und im freikirchlichen Raum sind die Gebete in der Regel spontan formuliert.
Alle christlichen Konfessionen wenden sich im Gebet direkt an Gott und gehen davon aus, dass Gott Gebete hört. Christen wenden sich im Gebet an den Dreieinigen Gott, beten zu Gott dem Vater, zu Jesus Christus und manche auch direkt zum Heiligen Geist, wobei es in den meisten Konfessionen, von fest formulierten liturgischen Gebeten abgesehen, dem einzelnen überlassen ist, an wen er sich im Gebet wendet. In der katholischen und der orthodoxen Kirche können Gebete auch an Maria und an Heilige gerichtet werden, wobei diese Gebete eine Bitte um Fürsprache beim dreieinigen Gott sind.
Christen glauben, dass Gott Gebete erhört, wobei es über die Art und Häufigkeit der Gebets-Erhörung sehr unterschiedliche Erkenntnis bzw. Sichtweisen gibt.
Ebenso glauben viele Christen, dass Gott im Gebet durch den Heiligen Geist zum Beter reden kann. Dabei kann es sich um Prophetie, Erleuchtung und persönliche Eingebungen handeln, aber ebenso um alltägliches, wie dass Gott z.B. die Aufmerksamkeit auf einen Bibelvers lenkt, der in die Situation passt, oder ein allgemeines Gefühl des Getröstetseins gibt. Praktisch alle Konfessionen, bei denen Prophetie oder Erleuchtung als Geistesgabe anerkannt sind, haben allerdings gewisse Sicherheitsregeln, um allzu wilde Fantasie in Grenzen zu halten, z.B. Beurteilung durch erfahrene Christen oder Gemeindeleiter, Beurteilung durch die Gemeinschaft anhand der Bibel, Beurteilung durch die kirchliche Lehre.
Das Christentum kennt viele Gebetsformen.
- Im Gottesdienst: bei fast allen Konfessionen gehört das Vaterunser zum Gottesdienstablauf, entweder vom Liturgen oder gemeinsam gesprochen. Daneben gibt es je nach Konfession liturgische Gebete, oft im Wechsel zwischen Einzelnen und der Gemeinde, freie oder vorformulierte Gebete des Gottesdienstleiters oder gemeinsames freies Gebet der Gemeinde.
- In Gruppen: Es gibt feststehende Gebetsliturgien, z. B. das Trisagion der orthodoxen Kirche, der Rosenkranz in der katholischen Kirche, der Evensong in der anglikanischen Kirche oder das Stundengebet. Im März gibt es jedes Jahr einen ökumenischen Frauengebetstag, wo jedes Jahr überall die gleiche Liturgie gebetet wird, die von Frauen eines bestimmten Landes zusammengestellt wurde. Die Evangelische Allianz hat im Januar jeweils eine Gebetswoche und regelmäßige überkonfessionelle Gebetsabende, die reihum in den Gemeinden der Allianz stattfinden. Im Umfeld der charismatischen Bewegung gibt es ebenfalls zahlreiche Gebetsgruppen, darunter auch solche, die für ganz spezifische Anliegen beten, z.B. Friedensgebete.
- In der Familie: in manchen christlichen Familien sind noch Tischgebete üblich, häufiger noch gibt es ein Nachtgebet mit den Kindern. Gemeinsame Familienandachten sind heute eher selten. Meist beschränken sich die Eltern auf das Vorlesen der Herrnhuter Losungen oder eines christlichen (Kinder-)Kalenders wie z.B. die "Helle Straße".
- Kindergebete: Sind meist in Reimform vorformulierte Gebete (u.a. Tischgebete, Abendgebete oder auch andere wie "Ich bin Klein"). Doch beten Kinder oft auch ohne Anleitung selbstformulierte Gebete.
- Einzelne: Hier geht das Spektrum von einem Vaterunser vor dem Einschlafen über eine tägliche Stille Zeit bis zu den Exerzitien des Ignatius von Loyola; oder - ziemlich schlicht - freie Gespräche mit Gott, nicht vorformuliert, Eingaben des Heiligen Geistes dialogisieren wiederum mit Gott selber - vorgegebene Rituale dabei ausser Acht lassend, wobei die Seele Erquickung im nach ausserhalb meist nonverbalen Vorgang erfährt, dabei dennoch unwillkürlich oft die Hände gefaltet (besonders bei Dank) für genaue Beobachter zu erkennen sind.
Das Gebet beinhaltet aber nicht nur Dank und Bitte, der Bittcharakter bildet oft nur ein Aspekt des Gebetes.
Beispielsweise sehen die Mystiker im Gebet vielmehr eine Kontaktaufnahme oder gar ein Zwiegespräch mit Gott, da sie auf das Bibelwort vertrauen, dass Gott selbstverständlich genauestens weiß, was der Betende benötigt: »Denn euer Vater weiß, was ihr nötig habt, ehe ihr ihn bittet« (Mt. 6, 8).
Siehe unter Salat (Gebet)
In der Baha'i Religion spielt Gebet eine wichtige Rolle, so wurden von den drei Zentralgestalten der Baha'i Religion zahlreiche Gebete geoffenbart. Abdul Baha sagt: "Es ist die Sprache des Geistes, die zu Gott spricht. Wenn wir uns, befreit von allen äußerlichen Dingen, im Gebet zu Gott wenden, dann ist es, als hörten wir die Stimme Gottes in unserem Herzen. Ohne Worte zu reden, treten wir in Verbindung, sprechen wir mit Gott und vernehmen die Antwort ... Wir alle, wenn wir zu einem wahrhaft geistigen Zustand gelangen, können die Stimme Gottes vernehmen."
Ein Beispiel für ein Baha'i Gebet, geschrieben von Abdul Baha: O Du gütiger Herr! Du hast die ganze Menschheit aus dem gleichen Stamm erschaffen. Du hast bestimmt, dass alle der gleichen Familie angehören. In Deiner heiligen Gegenwart sind alle Deine Diener, die ganze Menschheit findet Schutz in Deinem Heiligtum. Alle sind um Deinen Gabentisch versammelt; alle sind erleuchtet vom Lichte Deiner Vorsehung. O Gott! Du bist gütig zu allen, Du sorgst für alle, Du beschützest alle, Du verleihst allen Leben. Du hast einen jeden mit Gaben und Fähigkeiten ausgestattet, und alle sind in das Meer Deines Erbarmens getaucht. O Du gütiger Herr! Vereinige alle. Gib, dass die Religionen in Einklang kommen und vereinige die Völker, aufdass sie einander ansehen wie eine Familie und die ganze Erde wie eine Heimat. O dass sie doch in vollkommener Harmonie zusammenlebten! O Gott! Erhebe das Banner der Einheit der Menschheit. O Gott! Errichte den Größten Frieden. Schmiede Du, o Gott, die Herzen zusammen. O Du gütiger Vater, Gott! Erfreue unsere Herzen durch den Duft Deiner Liebe. Erhelle unsere Augen durch das Licht Deiner Führung. Erquicke unsere Ohren mit dem Wohlklang Deines Wortes und beschütze uns alle in der Feste Deiner Vorsehung. Du bist der Mächtige und der Kraftvolle, Du bist der Vergebende und Du bist der, welcher die Mängel der ganzen Menschheit übersieht.
Zitate
- Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist, ein gebrochenes und reuiges Herz wirst du, Gott, nicht verachten. - (Psalm 51,19)
- Das Werk gibt dem Wort innere Stärke, doch das Gebet erwirbt für Taten und Worte innere Kraft. - Bernhard von Clairvaux
- Der Mensch ist von Gott nie weiter entfernt als ein Gebet. - Mutter Teresa
- Wenn ihr betet, macht es nicht so wie die Heuchler, die sich dazu gern in die Synagogen und an die Straßenecken stellen, damit sie von den Leuten gesehen werden. Ich versichere euch: Mit dieser Ehrung haben sie ihren Lohn schon kassiert. Wenn du betest, geh in dein Zimmer, schließ die Tür und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dann wird dein Vater, der ins Verborgene sieht, dich belohnen. Beim Beten sollt ihr nicht plappern wie die Menschen, die Gott nicht kennen. Sie denken, dass sie erhört werden, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie! Denn euer Vater weiß ja, was ihr braucht, noch bevor ihr ihn bittet. - Jesus Christus in der Bergpredigt über das Beten, Matthäus 6,5-8; zitiert nach der Neuen evangelistischen Übersetzung (NeÜ) der Bibel
- Gott bitten heißt, sich mit der Hoffnung schmeicheln, durch Worte könne man die ganze Natur ändern. - Voltaire
Gebet und Heilung
Es gibt Hinweise für gesundheitsfördernde Wirkungen des Betens, für andere Menschen wie auch für den Betenden selbst. Der amerikanische Kardiologe M. Krucoff von der Duke University beispielsweise veröffentlichte 2001 eine Machbarkeitsstudie und im Juni 2005 eine größere Studie mit 750 Patienten, in der eine bessere Genesung derjenigen, für die gebetet worden war, gezeigt werden konnte. Betende Menschen verhalten sich tendenziell gesundheitsfördernder.
Siehe auch
Literatur
- Krucoff MW, Crater SW, Green CL, Maas AC, Seskevich JE, Lane JD, Loeffler KA, Morris K, Bashore TM, Koenig HG.: Integrative noetic therapies as adjuncts to percutaneous intervention during unstable coronary syndromes: Monitoring and Actualization of Noetic Training (MANTRA) feasibility pilot. PMID 11685160
- O'Connor PJ, Pronk NP, Tan A, Whitebird RR.:Characteristics of adults who use prayer as an alternative therapy PMID 15895540
Weblinks
- katholische Kirche im Internet: Gebete
- Tagesgebet bei mailgebet.de (viele schöne Gebete, auch Gebetstheorie)
- Gedanken zum Beten und zum Gebet (mehrere Seiten)
- Jüdisches Leben talmud.de
- Bahá'í Gebete
- Die Welt,18.6.05 Können Gebete heilen?
- Aktuelle Literatur zum Gebet