Torpedo Typ 93

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Der Typ-93-Torpedo (jap. 九三式魚雷) war ein 610-mm-Torpedo, der auf Kriegsschiffen der Kaiserlich Japanischen Marine zwischen 1936 und 1945 eingesetzt wurde. Die Bezeichnung Typ 93 deutet dabei auf das Jahr der Erstentwicklung, das Jahr 2593 nach japanischer Zeitrechnung, bzw. 1933 nach gregorianischem Kalender, hin.[1] Unter strikter Geheimhaltung entwickelt, wurde er in der westlichen Welt unter dem Namen Long-Lance Torpedo bekannt, der ihm vom amerikanischen Marinehistoriker Samuel Eliot Morison gegeben worden war. Es handelte sich sowohl um den schnellsten Torpedo, als auch um den mit dem größten Sprengkopf, der im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam.

Torpedo Typ 93
Typ-93-Torpedo, geborgen bei Guadalcanal
Typ-93-Torpedo, geborgen bei Guadalcanal
Allgemeine Angaben
Bezeichnung 九三式魚雷
Herkunftsland Japan
Hersteller Kaiserlich Japanische Marine
Einsatzzeit 1936 bis 9/1945
Technische Daten
Länge 9,0 Meter
Durchmesser 610 Millimeter
Gefechtsgewicht 2700 Kilogramm
Antrieb Dampfgas mit Sauerstoff als Druckgas
Geschwindigkeit 48-50 Knoten
Reichweite 40 000 Meter
Ausstattung
Gefechtskopf 500 Kilogramm hochexplosiv
Zielortung keine
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Entwicklung

Die Waffe wurde von Kapitän Kishimoto Kaneharu und einer Arbeitsgruppe der Marine in Kure von 1928 an zur Serienreife entwickelt und ab 1936 in großem Umfang auf Überwasserschiffen der japanischen Marine eingesetzt. Das erste Vorserienmodell war der Typ-93 Modell 1, der 1933 fertiggestellt wurde. Nach erfolgreichen Testreihen wurde das Vorserienmodell modifiziert. Die neue Version Typ-93 Modell 1 Mod. 1 hatte einen durch Spanten verstärkten Druckkörper und die Bohrungen, die das Salzwasser, das der Torpedo zur Kühlung verwendete, wurden vergrößert, um die Zylinderköpfe und Pleuel effektiver zu kühlen.

Die Variante, die letztlich zwischen 1936 und 1944 in Serie ging, war eine verbesserte Version dieser "Modifikation 1".

  • Typ-93 Modell 1 Mod. 2 erhielt zuverlässigere Sauerstoffventile als die Prototypen, verstärkte Spanten und eine vereinfachte Schmierölzuleitung für den Motor. Er war die am häufigsten produzierte Version des Typ 93.
  • Typ-93 Modell 2 war ein Versuchsträger, um den Torpedo den Höchstgeschwindigkeiten der japanischen Zerstörer, die ihn einsetzten sollten, durch eine höhere Eigengeschwindigkeit der Waffe anzupassen. Der Torpedo erreichte 52 Knoten, kam aber nie zum Einsatz und nur zwei Stück wurden gebaut.
  • Typ-93 Modell 3 wurde 1943 entwickelt. Dem Sauerstoff wurde hier vor dem Start nicht Druckluft, sondern Tetrachlormethan beigemengt und der Sprengkopf erhielt eine Ladung von 750 kg Sprengstoff. Die Reichweite reduzierte sich jedoch auf 30.000 Meter. [1]

Die Produktionsstätten für den Typ 93 lagen in Kure und Sasebo. Die Produktionszahlen erreichten 1943 mit rund 500 Stück ihren Höhepunkt.

Aufbau und Funktionsweise

 
Das Heck eines Typ 93 mit den beiden, koaxial montierten Propellern im Yamato-Museum in Kure. Die 2-Zylinder-Maschine ist rechts zu erkennen. Teile der Hülle und die Ruder sind bei dem Exponat durch Korrosion zerstört

Sauerstofftanks

Der Torpedo folgte grundsätzlich dem klassischen Aufbau bereits bekannter Torpedotypen. Lediglich die sonst verwendete Druckluft wurde durch 98% reinen Sauerstoff ersetzt. Das führte zu einer deutlich höheren Energieausbeute, da der Anteil von Sauerstoff in Druckluft nur etwa 21% beträgt.

Der innere Aufbau der Waffe musste jedoch verändert werden, um der Explosionsgefahr, die vom Sauerstoff in dem 3,5 m langen, 980 Liter fassenden Tank ausging, entgegenzutreten. So positionierte man den Tank unmittelbar hinter dem Sprengkopf im vorderen Teil des Torpedos und entfernte ihn auf diese Weise soweit wie möglich von der Brennkammer. Die Mechanismen und Tanks, die zur Tiefensteuerung und Seitenlenkung benötigt wurden, baute man ebenso hinter dem Tank ein, was den Abstand zur Brennkammer weiter vergrößerte. Zusätzlich schirmte man den Sauerstofftank, der unter 22.798,125 kPa Druck stand und den dahinter liegenden 95 Liter Treibstofftank durch ein Zwischenschott vom Heck der Waffe ab. Treibstoff war Petroleum.

Alle Leitungen, die Sauerstoff transportierten, wurden vor ihrem Einbau sorgfältig chemisch gereinigt und im oberen Teil des Torpedokörpers verlegt, um eine Reaktion des Sauerstoffs mit Flüssigkeiten oder Verschmutzungen zu verhindern. Das Problem einer heftigen, schwer kontrollierbaren Reaktion des Sauerstoffs beim ersten Zünden der Brennkammer, an der die Erprobungen anderer Marinen gescheitert waren, wurde dadurch gelöst, dass man die Kammer zunächst mit weniger gefährlicher Druckluft füllte und dann langsam den Sauerstoffanteil erhöhte, bis die maximale Leistung erreicht war.

Motor und Welle

Als Motor verwendete man eine modifizierte Maschine aus einem Whitehead Torpedo, eine Zweizylinder-Kolbenmaschine aus Großbritannien, die man verbesserte und deutlich vergrösserte, so dass die erreichbare Leistung von 320 auf 520 PS stieg. Das bedeutete eine Vergösserung des Hubraums gegenüber anderen zeitgenössischen Torpedotypen, wie dem britischen Mk VIII, um mehr als das Doppelte. Rund 10.618 cm³ gegenüber 4.588 cm³. Das Gewicht des Motors war mit 350 kg beim japanischen Typ 93 um 233 kg grösser als das des britischen Torpedos.

Der Motor bestand aus 2 rohrkörperaxialen, parallel angeordneten Zylindern mit jeweils 2 Brennräumen die nach dem Prinzip des Kurbelschlaufenmotors wirkten und gemeinsam ihre Kraft auf ein Pleuel übertrugen welches über ein nachgeordnetes Getriebe die Kraft auf zwei gegenläufige Wellen mit entsprechenden Propellern weiterleiteten. Die Zylinderbrennräume hatten ein eigenes Zünd- sowie Ventilsystem und wurden durch eine gemeinsame, vorgeschaltete Kammer, dem Generator, mit brennbaren Gasen aufgeladen.

Der Generator wurde aus einem kleinen vorgeschlalteten Tank mit Sauerstoff versorgt, in dem ein konstanter Druck gehalten wurde, um den sinkenden Druck im Sauerstofftank auszugleichen. Der Treibstoff wurde dagegen an der Oberseite des Treibstofftanks entnommen und verbrauchter Treibstoff über ein Ventil durch Wasser ersetzt, um die Lastigkeit der Waffe auszugleichen. Das Petroleum tropfte über mehrere Bohrungen in den Generator und traf dabei rechtwinklig auf den eingepressten Sauerstoff, der das Petroleum verwirbelte. Ähnlich wie das Petroleum wurde Salzwasser als Lösungsmittel in den Generator eingebracht.

 
Diagramm mit schematischer Zeichnung der internen Baugruppen und des Fließbildes eines Typ 93

Vom Generator aus wurde das Sauerstoff-Petroleum-Wasser-Gemisch an der Unterseite der Zylinder eingebracht und gezündet. Als Folge des verwendeten Salzwassers, mussten die Zylinder um 3 mm verlängert werden, so dass die nach der Zündung anfallenden Salzkristalle den Lauf der Kolben nicht stören konnten.

Die beiden Zylinder des Motors trieben mit einer maximalen Leistung von 520 PS eine Welle an, die ihre Energie von bis zu 1200 Umdrehungen pro Minute über eine innere und äußere Welle, an zwei koaxial montierte, gegenläufige, vierblättrige Propeller am Heck des Torpedos abgab. Das Motorengehäuse und die Welle waren in der achtern Torpedosektion von Meerwasser umspült, so dass ein gewisser Grad an Kühlung erreicht wurde.

Steuerung

Die Tiefensteuerung wurde durch einen Tiefenmesser übernommen, der die horizontalen Ruder des Torpedos steuerte, um die voreingestellte Tiefe zu halten. Die Richtungssteuerung erfolgte über eine Kreiselinstrument, das die vertikalen Ruder am Heck kontrollierte, um den Torpedo auf den vorher eingestellten Kurs zu steuern. Die Ruder waren dabei dem üblichen Whoolwich-Design nachempfunden. Die Energie, die für die zur Richtungs- und Tiefenänderung notwendigen Ruderbewegungen gebraucht wurde, kam aus zwei, mit insgesamt 40,5 Liter Druckluft gefüllten, Tanks.

Sprengkopf und Nase

Der Sprengkopf bestand aus 500 kg Sprengstoff, der im Vorderteil des Torpedos untergebracht war. Der verwendete Typ-97-Sprengstoff war eine Mischung aus 60 Teilen TNT und 40 Teilen HNDA.[2] Die Zündung der Sprengladung erfolgte über einen konventionellen Aufschlagzünder, nachdem die Japaner die Forschungen an Magnetzündern aufgegeben hatten. Der Typ 90 und der, 1940 eingeführte, Typ 2 Aufschlagzünder unterschieden sich durch einen überarbeiteten Mechanismus im Typ 2. Es war beim Typ 90, in Folge zu hoher Sensibilität, zu verfrühten Zündungen durch die Vibrationen des Torpedomotors gekommen. Beim Typ 2 konnte vor dem Start der Waffe zudem die Entfernung eingestellt werden, nach der sich der Zünder scharfschaltete.

Abhängig von der Formgebung der Torpedonase varrierte die Geschwindigkeit zwischen frühen und ab 1940 produzierten Typ-93-Modellen um zwei Knoten.[1]

Einsatz

In regelmäßigen Abständen wurden die im Dienst befindlichen Torpedos zerlegt und gründlich von Schmutz und besonders von Ölresten gereinigt, um gefährliche chemische Reaktionen zu verhindern, die zur Explosion der Waffe führen konnten.

Bei einem bevorstehenden Torpedoeinsatz wurde der Typ-93-Torpedo von den Bedienmannschaften mit Sauerstoff betankt. Der dafür nötige Sauerstoff wurde an Bord der Schiffe erzeugt und über ein Ventil an der Torpedooberseite in den Tank gepresst.

Der Torpedo wurde beim Erkennen eines Zieles über zwei Wählscheiben an der Oberseite des zylindrischen Waffenkörpers mit der gewünschten Zielentfernung und dem gewünschten Steuerkurs der Waffe programmiert.

Gestartet wurde die Waffe schließlich durch Ausstoßen aus einem Torpedorohr, wie sie in der Regel in Zwillings-, Drillings- oder Vierlingssätzen an Deck von Kreuzern oder Zerstörern aufgestellt waren. Kurz vor dem Ausstossen des Torpedos öffnete die Mannschaft das Druckluftsperrventil und entriegelte das Sauerstoffrückschlagventil auf der Torpedooberseite. Das Betätigen des Abschusshebels am Torpedorohr löste die Sicherung im Gruppenventil und erlaubte so der Druckluft den Generator und die Pumpe im Torpedo in Gang zu setzten und den Motor zu starten. Beim Eintauchen ins Wasser wurde eine kleine Klappe am Torpedokörper durch das vorbeiströmende Wasser umgeklappt und damit die Druckluft im Steuerungskreislauf freigesetzt, die das Kreiselinstrument und den Servomotor für die Ruderbewegungen betrieb.

Der Torpedomotor wurde angefahren und auf die Leistung gebracht, die zum Erreichen der vorher eingestellten Zielentfernung nötig war. Bei sehr weit entfernten Zielen wurde der Sauerstoff langsam verbrannt und der Torpedo hatte eine entsprechend niedrigere Geschwindigkeit. Zum Beispiel 38 Knoten bei einer Entfernung von 40 Kilometern zum Ziel. Bei einer geringen Zielentfernung konnte die Waffe auf die Höchstgeschwindigkeit von knapp 50 Knoten beschleunigen, hatte ihren Treibstoff aber nach nur 20 Kilometern verbraucht. Der Verbrauch von Sauerstoff lag bei einer so hohen Geschwindigkeit bei 0,289 kg pro Sekunde und der von Treibstoff bei 0,103 kg pro Sekunde.

Ein wesentlicher Vorteil trat als Nebeneffekt von Sauerstoff als Oxidator auf – die Abgase des Torpedos lösten sich auf seinem Weg im Meerwasser nahezu vollständig auf, so dass keine verräterische Blasenspur oder gar eine lumineszierende Welle erzeugt wurde, wie bis dahin bei anderen Torpedotypen üblich.

Varianten

  • Typ 94, Luftwaffentorpedo in zwei Modellen mit Durchmessern von 533 mm und 610 mm, die nie zum regulären Einsatz kamen
  • Typ 95 Modell 1, U-Boot-Torpedo für 533-mm-Rohre mit einer reduzierten Sprengladung von 405 kg
  • Typ 95 Modell 2, U-Boot-Torpedo, 533 mm, mit einer Sprengladung von 550 kg und reduzierter Reichweite
  • Typ 97 Modell 1, Torpedo für Kleinst-U-Boote, 4500 Meter Reichweite mit 350-kg-Sprengkopf, durch einen Konstuktionsfehler unbrauchbar
  • Typ 98 (auch als "Typ 97 Spezial" bezeichnet), ab 1942 ein Torpedo für Kleinst-U-Boote, Typ 97 mit überarbeitetem Antriebs- und Steuerungssystem
  • Kaiten, Einweg-U-Boot für Selbstmordeinsätze mit Typ-93-Technologie

Literatur

  • Robert Gardiner: Warship 1991. US Naval Institute Press, 1991, ISBN 1557509077.
  • Anthony Newpower, Frederick Praeger: Iron men and tin fish: the race to build a better torpedo during World War II. 2006, ISBN 027599032X.
  • David C. Evans: Kaigun: Strategy, Tactics, and Technology in the Imperial Japanese Navy, 1887-1941. US Naval Institute Press, 2003, ISBN 0870211927.

Einzelnachweise

  1. a b c REPORTS OF THE U. S. NAVAL TECHNICAL MISSION TO JAPAN 1945-1946, SERIES O: ORDNANCE TARGETS, JM-200-D, Japanese Torpedoes and Tubes-Article 1, Ship and Kaiten Torpedoes, Seite 3
  2. REPORTS OF THE U. S. NAVAL TECHNICAL MISSION TO JAPAN 1945-1946, SERIES O: ORDNANCE TARGETS, JM-200-E, Japanese Explosives, Seite 8