Zivildienst in Deutschland

Überblick über den Zivildienst in Deutschland
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Der Zivildienst ist die häufigste Form des Wehrersatzdienstes. Der Zivildienstleistende (ZDL, Zivildiener, umgangssprachlich „Zivi“) lehnt aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe ab und leistet statt dessen zur Erfüllung seiner Wehrpflicht den Zivildienst. Dieser umfasst in der Regel Tätigkeiten im sozialen Umfeld, wie etwa in Krankenhäusern, Altenheimen, im Rettungs- und Krankentransport oder in der Behindertenbetreuung. Seltener werden Zivildiener auch Organisationen im Bereich des Umweltschutzes, der Landwirtschaft oder der Verwaltung zugewiesen.

Regelung in Deutschland

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist kein Wahlrecht zwischen Wehrdienst und Zivildienst vorgesehen. In Deutschland werden die gesetzlichen Bedingungen durch das Zivildienstgesetz (ZDG) geregelt. Die Verwaltung des Zivildienstes geschieht durch das Bundesamt für den Zivildienst (BAZ).

Durch einige Änderungen im Jahr 2003 wurden Zivildienstleistende für die Dienststellen (also Krankenhäuser, Altenheime etc.) teurer. Die Beteiligung der Dienststelle am Sold des ZDL stieg von 30% auf 50%. Dies sollte im Haushalt des Bundesministeriums zu Einsparungen führen, verursachte aber auch einen inoffiziellen Einstellungsstopp bei den Dienststellen. Die fast gleichzeitige Änderung der Einberufungskriterien (mehr Untaugliche und Wehrdienstausnahmen) seitens der Bundeswehr konnten Mitte/Ende 2003 zu weniger Verweigerern führen.

Aktuell

Im Vorschlag der Kommission „Impulse für die Zivilgesellschaft - Perspektiven für Freiwilligendienste und Zivildienst in Deutschland“ (siehe Weblinks) vom 15. Januar 2004 an Familienministerin Renate Schmidt wird empfohlen, die Dauer des Zivildienstes der derzeitigen Dauer des Wehrdienstes anzugleichen (also neun Monate).

Diese Empfehlung ist am 1. Juli 2004 vom Bundestag per Gesetz verabschiedet worden: Der Zivildienst dauert seit dem 1. Oktober 2004 nur noch neun statt bisher zehn Monate und wurde somit der Dauer des Wehrdienstes angeglichen. Gleichzeitig wurde die Altersgrenze für die Heranziehung zum Zivil-/Wehrdienst vom 25. auf das 23. Lebensjahr herabgesetzt.

Der Umstand, dass sich der Kommissionsbericht außerdem mit den Auswirkungen einer eventuellen Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht befasst, hat zudem eine generelle Diskussion um den Fortbestand von Zwangsdiensten in Deutschland bewirkt. Mit einer möglichen Abschaffung des Zivildienstes wird jedoch nicht vor dem Jahr 2010 gerechnet; eine politische Entscheidung dieshinsichtlich soll allerdings noch während der aktuellen Legislaturperiode getroffen werden. Der Verlauf dieser gesamtgesellschaftlichen Diskussion ist jedoch noch offen und die politischen Auswirkungen sind noch nicht absehbar.

Regelung in Österreich

In Österreich kann der Wehrdienst seit 1975 aus Gewissensgründen verweigert werden. Zuvor hatten Personen, die die Anwendung von Gewalt ablehnten, lediglich die Möglichkeit, ihren Präsenzdienst ohne Waffe zu leisten.

Bis zur Novelle des Zivildienstgesetzes 1991 mussten Wehrdienstverweigerer ihre Gewissensvorbehalte vor einer Kommission glaubwürdig begründen. Wurden diese Gewissensgründe anerkannt, war ein Zivildienst von acht Monaten (gleiche Länge wie der Grundwehrdienst) abzuleisten.

Seither ist eine formelle Erklärung ausreichend, um zum Zivildienst zugelassen zu werden. Nachdem mit der Abschaffung der Gewissensprüfung die Anzahl der Zivildienstleistenden stark anstieg, wurde der Zivildienst ab 1992 in Schritten zuerst auf 10 Monate, dann auf 11 Monate und ab 1997 auf 12 Monate (mit 2 Wochen Urlaubsanspruch) verlängert. Seit 2001 ist die Zivildienstverwaltungs GesmbH, eine Tochterfirma des Roten Kreuzes, im Auftrag des Innenministeriums für die Zuweisung von Zivildienern verantwortlich. Diese Zuständigkeit endet mit Ablauf des Jahres 2005, da der Verfassungsgerichtshof die Zuweisung als hoheitliche Aufgabe betrachtet.

Auf Empfehlungen der Bundesheerreformkommission (2004) soll der Wehrdienst verkürzt werden. Die Dauer des Zivildienstes soll ebenfalls adäquat angepasst werden. Dem stehen allerdings Vorbehalte der Organisationen gegenüber, die aufgrund der teilweise aufwändigen Ausbildung höhere Kosten befürchten. Eine Zivildienstreform-Kommission soll Vorschläge für die künftige Entwicklung ausarbeiten. Der umstrittenste Punkt ist die Dauer des Zivildienstes im Vergleich zur Dauer des Wehrdienstes. Konservative Kräfte versuchen vehement, weiterhin deutlich längere Zivildienstzeiten im Vergleich zum Wehrdienst durchzusetzen (9 bis 12 Monate gegenüber 6 Monaten).

Die Verwaltung der Vergabe von Zivildienern war ursprünglich im Innenministerium angesiedelt. Unter Minister Ernst Strasser wurde diese jedoch in eine privatrechtliche Gesellschaft gemeinsam mit dem Roten Kreuz ausgegliedert. Auf Grund eines höchstgerichtlichen Entscheides, wird sie 2005 unter Minister Liese Prokopp wieder ins Innenministerium zurück verlegt, da es sich um hoheitliche Aufgaben handelt und daher nicht privatisiert werden darf.

Regelung in der Schweiz

In der Schweiz sieht die Verfassung seit 1992 einen zivilen Ersatzdienst anstelle der Militärdienstleistung vor. 1996 wurde das dazugehörige Zivildienstgesetz in Kraft gesetzt. Bis dahin saßen jedes Jahr mehrere hundert Militärdienstverweigerer mehrmonatige Gefängnisstrafen ab.

Um Zivildienst leisten zu können, müssen Wehrpflichtige ein schriftliches Gesuch mit ausführlicher Begründung einreichen. Daraufhin erfolgt eine persönliche Anhörung vor einer zivilen Kommission. Über 80% der Gesuchsteller werden daraufhin zugelassen. Der Zivildienst dauert das 1,5fache des noch zu leistenden Militärdienstes (260 Tage), derzeit also maximal 390 Tage. Geleistet wird er schwerpunktmässig im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Umweltschutzbereich. Zudem sind Auslandseinsätze in der Entwicklungszusammenarbeit möglich.

Kritik am Zivildienst

Der Hauptkritikpunkt ist die fehlende oder mangelhafte Ausbildung der ZDL vor allem im Pflegebereich. Ein ZDL, der in kürzester Zeit den Wechsel vom normalen Leben oder Beruf in die Alten- oder Krankenpflege schaffen muss, kann nicht so routiniert und exakt wie eine Fachkraft mit mehrjähriger Ausbildung und Praxis sein. Auch für Patienten, die über Monate oder Jahre gepflegt werden müssen, kann sich der ständige Wechsel der ZDL negativ auswirken.

Weiters sollen Zivildienststellen dem Gesetz nach arbeitsmarktpolitisch neutral sein. Gleichzeitig wird aber vor allem von Sozialverbänden - also den Zivildienststellen, die ZDL beschäftigen - immer wieder beklagt, dass bei Abschaffung der Wehrpflicht - und somit des Zivildienstes - das deutsche Pflegesystem zusammenbrechen würde. Nicht nur Gesetz und Realität klaffen auseinander, sondern auch das ZDG widerspricht sich selbst, wenn es verlangt, dass Zivildienstleistende voll ausgelastet sein müssen.

Eine Studie von 1993 besagt, dass die Abschaffung des Zivildienstes volkswirtschaftlich gesehen von leichtem Vorteil sei. Praktische Erfahrungen gibt es in einigen Krankenhäusern, die ihre Zivildienststellen abgebaut haben und nicht nur die Finanzen, sondern vor allem das Betriebsklima verbessern konnten.

Ein wesentlicher positiver Aspekt des Zivildienstes ist, dass viele Zivildiener nach Ende des Dienstes ihre Organisationen als ehrenamtliche Mitarbeiter weiter unterstützen. Die Tätigkeit im Zivildienst erleichtert auch vielen jungen Männern eine Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Beruf, etwa im Pflegedienst.

Siehe auch: Wehrdienstverweigerer, Totalverweigerer, Wehrungerechtigkeit, Anderer Dienst im Ausland.

Literatur

Für den Zivildienst in Deutschland:

  • Marcus Matthias Keupp: Ratgeber Zivildienst, Reinbek b. Hamburg 2000: Rowohlt (ISBN 3-499-60836-7)

Für den Zivildienst in der Schweiz:

  • Ruedi Winet: Etwas Sinnvolles tun - Handbuch zum Zivildienst; Zürich 2004 (ISBN 3-85791-449-1)

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