In verschiedenen christlichen Gruppierungen und Kirchen nimmt Maria, die Mutter des Jesus von Nazareth eine besondere Stellung ein.
Entsprechenden Stellen aus der Bibel, sowie der Tradition folgend verbindet man sie mit folgenden Eigenschaften:
Sonderstellung Marias
Gottesmutter
Maria ist die Mutter von Jesus von Nazareth, der im Christentum gleichzeitig Mensch und Gott ist. Das dritte Ökumenische Konzil in Ephesus 431 erklärte Maria zur theotokos, zur Gottesgebärerin.
Jungfrau
Die Jungfräulichkeit wird in zwei Ausprägungen gesehen:
- Jesus wurde nach der neutestamentlichen Überlieferung durch den Heiligen Geist gezeugt, als Maria Jungfrau war, sie hat vor seiner Geburt mit keinem Mann verkehrt.
- Maria blieb nach der außerbiblischen Legendbildung auch nach der Geburt von Jesus eine Jungfrau, war mit Josef nur dem Namen nach verheiratet (Josefsehe). Diese Jungfräulichkeit wird insbesondere in der katholischen Kirche als besondere Tugend gewertet.
Die im Neuen Testament in Matthäus 1,23 und Lukas 1,27 bezeugte Jungfräulichkeit fußt auf einer problematischen Übersetzung des hebräischen (Ur-)Textes von Jesaja 7,14 in der Septuaginta. "עלמה" (sprich: `almáh), das eine Frau von der Heiratsreife bis zur Geburt ihres ersten Kindes bezeichnet, wurde in der Septuaginta mit "παρθενoς" (sprich: parthénos), das im Deutschen "Jungfrau" bedeutet, wiedergegeben.
Bezüglich der ewigen Jungfräulichkeit Mariens haben die Kirchen der Reformation stets eine ablehnende Haltung eingenommen, da sie biblisch nicht bezeugt ist und neutestamentlichen Aussagen wiederspricht (Matthäus 12,46).
Schwarze Madonna
Maria tritt in einer dritten Form auch als Schwarze Madonna auf, die häufig nicht als eigene Marienfigur erkannt wird. Man bringt die Schwärze mit dem Alter der Figur in Verbindung oder mit ihrer Hautfarbe, die sie als Mariendarstellung der schwarzen Bevölkerung ausweist. Dieser Zusammenhang lässt sich aber im Einzelfall nicht nachweisen. Vielmehr weist die Schwarze Madonna besondere Charakterzüge auf, die sie von der Jungfrau und Mutter Maria unterscheidet. Sie tritt nicht als die Betende, Gehorsame und sich Unterwerfende auf, als die sie in der kirchlichen Version der Jungfrau und Mutter dargestellt wird. Sie ist eher eine stolze und aufrechte Frau, Schutzpatronin der Frauen, Unterdrückten und Armen. Nossa Senhora Aparecida wurde so zu einer Nationalheiligen des brasilianischen Volkes und spielt in der Befreiungstheologie eine wichtige Rolle.
Betrachtet man die drei Marienfiguren auf dem Hintergrund der mythologischen Darstellung der Großen Göttin in dreifacher Gestalt, so kann man zu dem Schluss gelangen, dass hier Elemente vorchristlichen Denkens in die Marienverehrung eingeflossen sind. Dies würde auch die Verankerung der Marienkulte im Volk erklären, das auch nach der Christianisierung an seinen alten Riten und Vorstellungen hing. Die Schwarze Göttin hat zwar als Schwarze Madonna ihren dämonischen Charakter der vorchristlichen Darstellung verloren, tritt aber in anderer Funktion an der Seite der Entrechteten wieder in ihrer alten Macht hervor.
Ein schönes Beispiel für diese "Funktion" der Schwarzen Madonna, die beobachtet werden kann, auch wenn die Beteiligten sie vielleicht nicht beabsichtigen, ist eine Madonnenfigur, die von Professor Adolf Wamper aus dem Lehm eines Kriegsgefangenenlagers während seiner Internierung gestaltet wurde, und die anlässlich der Eröffnung des Friedensmuseums "Brücke von Remagen" 1980 ausfindig gemacht wurde. In der offiziellen Darstellung heißt es, dass sie durch das mehrmalige Tränken mit Leinöl schwarz geworden sei und deshalb später den Namen "Schwarze Madonna" erhielt.
Sicht der Konfessionen
Orthodoxe Kirche
Die orthodoxen Kirchen verehren Maria als die Mutter Gottes und als Jungfrau. Sie sehen sie als heilig und sündlos, aber durch ihre unterschiedliche Auffassung von Erbsünde, ist die unbefleckte Empfängnis für sie kein Thema.
Katholische Kirche
Von der Erbsünde bewahrt ("unbefleckt empfangen")
Die katholische Kirche lehrt, dass der Mensch am Ende seines Lebens von allen Sünden erlöst und zu einer vollkommenen Gemeinschaft mit Gott gelangt (volkstümlich: "Himmel"). Dieses Erlösungswerk vollzog Gott bei Maria schon im Moment ihrer eigenen Empfängnis im Leib ihrer Mutter Anna. Das heißt, Maria, die Frau die Gott als Mensch geboren hat, hatte zu Lebzeiten an der Erbsünde keinen Anteil. Diesen Umstand feiert man am 8. Dezember am Fest der unbefleckten Empfängnis oder Emfängnis Mariae (Maria immaculata).
Verwechselt wird diese Thematik fälschlicherweise oft mit der Jungfräulichkeit Mariens bei der Geburt Jesu.
In der katholischen Kirche nimmt die Marienverehrung eine wichtige Rolle ein. Die Dogmen der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel und der unbefleckten Empfängnis gibt es nur in der römisch-katholischen Kirche.
Innerhalb der katholischen Kirche, insbesondere in Deutschland, divergieren die Ansichten über dieses Thema zum Teil erheblich: In der Volksfrömmigkeit ist Maria allgegenwärtig, während sich in Intellektuellenkreisen viele mit diesem Thema schwertun. Zeitgenössische Betrachtungen betonen gern Marias Stärke, wie sie sich vor allem in ihrem Jubellied, dem Magnificat (Lukas 1,46-55), widerspiegelt.
Katholische Ausdrucksformen der Marienverehrung sind Marien-Wallfahrtsorte, wie Lourdes, Fatima, Częstochowa, Kevelaer, neuerdings auch Medjugorje - und zahlreiche Marienfeste oder das Rosenkranzgebet.
Evangelische Kirche
Bei den Evangelischen spielt die Marienverehrung in der Praxis kaum eine Rolle. Luther bekämpfte die katholische Vorstellung von Maria als Himmelskönigin sowie die teilweise verbreitete Vorstellung von Maria als Mittlerin, die Christus erst gnädig stimmen muss: durch den Opfertod Christi sei uns vollkommene Gnade zuteil geworden, Christen brauchen keinerlei Fürsprache und Vermittlung. Allerdings hielt er auch Marienpredigten und schätzte in seinen Auslegungen (etwa des Magnificats) Maria als Beispiel menschlicher Demut und Reinheit.
In der Reformierten Kirche akzeptierte Zwingli die Marienverehrung, so weit sie biblisch begründet ist. Calvin lehnte dann jegliche evangelische Marienverehrung ab, da sie immer in der Gefahr sei, zum Götzendienst zu werden.
Die unterschiedliche Sicht am Beispiel
Ein Beispiel für die Unterschiede in der Haltung zur Marienverehrung in katholischer und evangelischer Tradition bietet die zweite Strophe des Weihnachtsliedes "Es ist ein Ros entsprungen". Das Lied, dessen Ursprung vermutlich in einem Eifeler Karthäuserorden im 15./16. Jahrhundert liegen und dessen erste beide Strophen erstmals bei Frater Conradus, der von 1582-188 Prokurator der Mainzer Kartause war, bezeugt sind, findet sich heute im katholischen Gesangbuch "Gotteslob" und im "Evangelischen Gesangbuch" in zwei Versionen.
Die ursprüngliche Fassung lautet:
- Das Rösslein, das ich meine
- Alß vns Zacharias beschrebt
- Das ist Maria die reine
- Die vns das blumlein hat bracht
- Der Engel gab ir den radt
- Sie solt en kindlein geberen
- Vnd bleiben ein reine maigt.
- zitiert nach: Martin Rößler: Es ist ein Ros entsprungen; in Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, Heft 2; Göttingen 2001; Seite 17
In Bezug auf Maria klingt in der im Gotteslob gebotenen Version die gleiche Tendenz an:
- Das Röslein, das ich meine,
- davon Jesaja sagt,
- ist Maria, die Reine,
- die uns das Blümlein bracht.
- Aus Gottes ewgen Rat
- hat sie ein Kind geboren
- und blieb doch reine Magd.
- zitiert nach Gotteslob. Ausgabe Trier; 26. Auflage, 1997; Nr. 132
Deutlich anders hingegen ist der Text im Evangelischen Gesangbuch, der Michael Praetorius’ im Jahr 1609 veröffentlichter Textfassung im Wesentlichen folgt:
- Das Blümlein, das ich meine,
- davon Jesaja sagt,
- hat uns gebracht alleine
- Marie, die reine Magd;
- aus Gottes ewgem Rat
- hat sie ein Kind geboren,
- welches uns selig macht.
- zitiert nach Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe West; 1997; Nr. 30
Maria wird in der ursprünglichen Textfassung mit dem Rosenstock (lat.: virga) verglichen, aus dem das Blümlein Jesus hervor ging. Das Besondere dieser Geburt ist, dass die Mutter "reine Magd" war und auch jungfräulich blieb (lat. für Jungfrau: virgo). Dem Theologen und Musiker Michael Praetorius ist dieser Gedanke ob seines lutherischen Schriftverständnisses fremd, er lehnt ihn ab. Er sieht die Gefahr, dass hier Marienverehrung einziehen könnte. Und so steht das "Röslein" – im Original statt "Blümlein" – nicht für Maria, sondern Jesus wird, wenn es auch unlogisch ist, mit Rosenstock und Blume zugleich verglichen. Die Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut fand für dieses Lied einen Kompromiss, der vielleicht die Richtung für eine akzeptable Mittelposition zur Wertschätzung Mariens für zumindest alle westkirchlichen Konfessionen weist:
- Das Röslein, das ich meine,
- davon Jesaja sagt,
- ist Maria, die Reine,
- die uns das Blümlein bracht.
- Aus Gottes ewgen Rat
- hat sie ein Kind geboren,
- welches uns selig macht.
- zitiert nach Gotteslob. Ausgabe Trier; 26. Auflage, 1997; Nr. 133
Siehe auch: Ave Maria, Angelus, Rosenkranz, Magnificat, Madonna, Maiandacht, Mariä Himmelfahrt, Unbefleckte Empfängnis, Jungfräulichkeit Marias, Kirchenjahr
Literatur
- Hans-Eduard Hengstenberg: Die Marienverehrung; Verlag J. H. Röll, 1996 (Nachdruck der Erstausgabe um 1945); ISBN 3-927522-59-7