Ein Zustand beschreibt in der Quantenmechanik ein Teilchen- oder ein Mehrteilchensystem. Während in der klassischen Mechanik der Zustand eines Teilchens durch seinen Ort und seinen Impuls (d. h. durch die Position im kontinuierlichen Phasenraum) gegeben ist, werden die Zustände eines quantenmechanischen Systems durch abstrakte mathematische Objekte beschrieben, die nur indirekt, durch die Axiome der Quantenmechanik, beobachtbaren Größen zugeordnet werden können.
Notation
Die Angaben, die den Zustand [1] beschreiben, werden in spitze Klammern (engl. brackets, daher bra und ket) geschrieben. Die ket-Zustände sind dann z. B. , wohingegen ihre adjungierten Gegenstücke als bra notiert werden .
Ist der Zustand ein Eigenzustand eines hermiteschen Operators, so werden die Eigenwerte (=Quantenzahlen) in diese Klammern gesetzt: .
Da unter den Zuständen Vektoren in einem Hilbertraum zu verstehen sind, nennt man die kets auch Spaltenvektoren, die bras Zeilenvektoren, zwischen denen man auch ein Skalarprodukt bilden, oder das Matrixelement eines Operators berechnen kann: , bzw. .
Zwei kets, die sich nur um einen komplexen Faktor unterscheiden, beschreiben denselben Zustand. Es sind also nur die Projektionsoperatoren maßgebend (der Ausdruck vereinfacht sich durch die übliche Annahme ).
Linearkombinationen zweier Zustände, also z. B. , mit , sind ebenfalls erlaubte kets und haben die oben angegebenen Projektionsoperatoren . Man spricht von (kohärenter!) „Superponierbarkeit“. [2]
Beispiele
a) Die Zustände eines Teilchens in einem Potentialtopf der Breite (von 0 bis ) sind Superpositionen von Eigenzuständen des Energieoperators, die durch die Wellenfunktionen beschrieben sind und die Energieeigenwerte haben. Ein allgemeiner Zustand lässt sich dann immer als schreiben, wobei die Normierungsbedingung zu beachten ist.
b) Für Teilchen in einem Zentralfeld sind die Eigenzustände des Drehimpulsoperators durch
gegeben, so dass ein allgemeiner Zustand als geschrieben werden kann, wieder mit geeigneter Normierungsbedingung.
c) Die Spineigenzustände eines (fermionischen) Teilchens werden einfach als und geschrieben.
Allgemeines
Im mathematischen Formalismus der Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie ist ein Zustand ein abstraktes Objekt. Der Bezug eines Zustandes zur realen Welt wird durch spezielle Darstellungen beispielsweise in Ortskoordinaten oder Impulskoordinaten repräsentiert. Die Darstellung in Ortskoordinaten wird häufig als Wellenfunktion bezeichnet. Aus diesen Darstellungen der Zustandsvektoren lassen sich nach den Gesetzen der Quantenmechanik exakte Wahrscheinlichkeitsaussagen über Eigenschaften von Teilchen oder Teilchensystemen machen. Die zeitliche Veränderung der Zustandsvektoren wird in der Quantenmechanik durch die Schrödingergleichung beschrieben und ist damit eindeutig bestimmt.
Meist ist mit einem Zustand ein Element (Vektor) eines abstrakten Hilbertraums gemeint. Zustände, die auf diese Weise dargestellt werden, heißen Vektorzustände. Die meisten Zustände lassen sich jedoch nur über Dichtematrizen oder gar nicht in einem Hilbertraum darstellen. Zur Beschreibung allgemeiner Zustände wird der Formalismus der C*-Algebren herangezogen. Ein Zustand auf einer C*-Algebra ist dann ein lineares Funktional mit und . Die Menge dieser Zustände ist eine konvexe Menge, die reinen Zustände sind dann genau die Extremalpunkte dieser Menge. Jedem Zustand kann man mittels der sogenannten GNS-Konstruktion eine Hilbertraum-Darstellung zuordnen. Genauer findet man eine Hilbertraum-Darstellung und einen Einheitvektor , so dass . Dabei werden den reinen Zuständen genau die irreduziblen Darstellungen zugeordnet.
Reine Zustände und Zustandsgemische
In der Quantenmechanik und deren Verallgemeinerung, der sog. Quantenstatistik, wird zwischen reinen Zuständen und gemischten Zuständen unterschieden. Reine Zustände stellen den Idealfall einer maximalen Kenntnis der beobachtbaren Eigenschaften (Observablen) des Quantensystems dar. Im Allgemeinen ist aber der Zustand des System aufgrund seiner Komplexität oder aufgrund von Messungenauigkeiten nur unvollständig bekannt. Dann können den verschiedenen physikalisch möglichen reinen Zuständen. , analog zur statistischen Physik nur Wahrscheinlichkeiten pi zugeordnet werden (siehe unten). Solche unvollständig bekannten Zustände werden als gemischte Zustände (oder besser: als „Zustandsgemische“) bezeichnet. Zur Darstellung von Zustandsgemischen verwendet man den Dichteoperator ρ, der auch Dichtematrix oder Zustandsoperator der Quantenstatistik genannt wird.
Reine Zustände werden mathematisch entweder durch einen komplexen Strahl in einem Hilbertraum dargestellt, oder etwas allgemeiner durch eine Dichtematrix, welche wie bei Projektionsoperatoren die spezielle Bedingung der Idempotenz erfüllt, d.h. ρ2=ρ). Gemischte Zustände sind dagegen nur durch Dichtematrizen darstellbar, für welche ρ2 < ρ gilt. Eine Beschreibung durch Strahlen ist dann nicht möglich. Charakteristische Merkmale dieser Zustandsbeschreibung sind die Superponierbarkeit („Kohärenz“) der reinen Zustände und des Zustandsraumes und das daraus folgende Phänomen der Quantenverschränkung.
Das Ergebnis von Messungen an einem Quantensystem ergibt bei oftmaliger Wiederholung wegen der Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Quantenmechanik (siehe Kopenhagener Interpretation) auch bei reinen Zuständen eine nicht-triviale Verteilung von Messwerten, die in der Quantenstatistik zusätzlich (inkohärent!) mit den pi gewichtet wird. Die Verteilung entspricht im Einzelnen dem quantenmechanischen Zustand und der Observablen für den Messprozess. Für „reine Zustände“ folgt aus der Quantenmechanik: Mittelwert der Messreihe = quantenmechanischer Erwartungwert , bei gegebener Observable A. Für das erwartete Ergebnis der Messungen ist also im Unterschied zur klassischen Physik selbst bei reinen (also vollständig bekannten) quantenmechanischen Zuständen nur eine Wahrscheinlichkeit angebbar (deshalb heißt es im Folgenden das zu erwartende Resultat, s.u.). Für Zustandsgemische gilt wegen der pi eine Zusätzliche (inkohärente!)[3] Unbestimmtheit: . Das zu erwartende Resultat des Ausgangs einer einzelnen Messung kann also nur in Spezialfällen (etwa ) sicher vorhergesagt werden. Zustände, für die bei Messung einer Observablen mit Sicherheit ( ) ein bestimmtes Messergebnis eintritt, werden als Eigenzustände der Observable bezeichnet. Unbekannte Zustände, d. h. Zustände, deren Präparation nicht bekannt ist, können nicht durch Messung bestimmt werden (siehe No-Cloning-Theorem). Allgemein gilt .
Die Standardlehrbücher der Quantenmechanik behandeln meist nur die reinen Zustände, während die gemischten Zustände Gegenstand der Quantenstatistik sind.
Siehe auch
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Hier ist mit „Zustand“ ein sog. „reiner Zustand“ im Sinne des letzten Abschnittes gemeint
- ↑ Kohärenz deswegen, weil wie in der Optik nicht die Betragsquadrate, sondern die Wellenamplituden selbst superponiert werden.
- ↑ Inkohärent deshalb, weil die pi mit einem quadratischen Ausdruck in den |ψi| gewichtet werden