Adolf Schärf

Jurist, Politiker, österreichischer Bundespräsident (SPÖ)
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Adolf Schärf (* 20. April 1890 in Nikolsburg, Südmähren; † 28. Februar 1965 in Wien) war ein österreichischer Politiker und Staatsmann (SPÖ) und von 1957 bis zu seinem Tod 1965 Bundespräsident der Republik Österreich. Er war der dritte Präsident der (1945 errichteten und 1955 vollständig souverän gewordenen) Zweiten Republik, an deren Aufbau er maßgeblichen Anteil hatte, und der erste, der nach einer sechsjährigen Amtsperiode wiedergewählt wurde.

1964 in Köln, Zweiter von rechts
Wohnhausanlage in Wiener Neustadt

Frühe Jahre

Adolf Schärf, Sohn einer armen Arbeiterfamilie, lebte seit 1899 in Wien, wo seine Eltern Anstellung gefunden hatten. Nach Gymnasium und Studium, das er durch Arbeit und Stipendien finanzierte, promovierte er 1914 zum Doktor der Rechtswissenschaften. Im selben Jahr trat er als Freiwilliger in die österreichisch-ungarische Armee ein und beendete seinen vierjährigen Kriegsdienst im Rang eines k.u.k. Leutnants d.R.. Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie arbeitete er in der Ersten Republik als Sekretär des sozialdemokratischen Nationalratspräsidenten und des sozialdemokratischen Abgeordnetenklubs auf Vermittlung von Otto Glöckel.[1] 1915 heiratete er die Steirerin Hilde Hammer, mit der er zwei Kinder, Reinhold und Martha, hatte. 1933/34 war er Mitglied des Bundesrates. Nach der Ausschaltung des Parlaments, dem Februar-Aufstand, dem Verbot der Sozialdemokratie und der Errichtung der Ständestaatsdiktatur durch Engelbert Dollfuß 1934 legte Schärf die Rechtsanwaltsprüfung ab, um als Advokat seine Existenz bestreiten zu können.

Im Juni 1938, drei Monate nach dem „Anschluss“, arisierte er die Anwaltskanzlei des jüdischen Advokaten Arnold Eisler und arbeitete während des Zweiten Weltkriegs als Rechtsanwalt. 1943 wurde er von deutschen Sozialdemokraten wegen der Perspektiven einer möglichen Zusammenarbeit „nach Hitler“ kontaktiert, lehnte aber spontan ab, ein Verbleiben Österreichs im staatsrechtlichen Verband des Deutschen Reiches nach dem Krieg auch nur in Erwägung zu ziehen (Zitat: „Die Liebe zu Deutschland ist den Österreichern ausgetrieben worden.“). Er war Mitglied der Widerstandsgruppe O5 und 1944 – wie schon 1934 und 1938 – in politischer Haft. Sein Sohn Reinhold wurde zur deutschen Wehrmacht eingezogen und fiel in Russland.

Nachkriegszeit

Im April 1945, unmittelbar nach der Befreiung der österreichischen Bundeshauptstadt durch die sowjetische Armee, war Schärf im Wiener Rathaus an der Gründung der Sozialistischen Partei SPÖ durch den Zusammenschluss von Sozialdemokraten und revolutionären Sozialisten führend beteiligt. Parteiobmann war nominell vorerst der noch nicht aus der KZ-Haft nach Wien zurückgekehrte, schwerkranke Karl Seitz, der 1918/19 erstes republikanisches Staatsoberhaupt und bis 1934 Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann gewesen war. Am 27. April 1945 war Schärf daher für die Sozialdemokraten Mitunterzeichner der Österreichischen Unabhängigkeitserklärung. Am 29. April 1945 wurde er zusammen mit Leopold Figl (ÖVP) und Johann Koplenig (KPÖ) politischer Staatssekretär – dies entsprach dem Rang eines Ministers – der Provisorischen Staatsregierung von Staatskanzler Karl Renner (SPÖ).

Politik

Nach den ersten Nationalratswahlen im November 1945 war Schärf vom Dezember an bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1957 SPÖ-Parteivorsitzender, Vizekanzler der Koalitionsregierungen ÖVP-SPÖ (die KPÖ schied 1947 aus) und Abgeordneter zum Nationalrat. Er war alles andere als ein Volkstribun und führte stets ein bescheidenes und zurückgezogenes Leben (Felix Czeike). Der Rückgabe des von den Nationalsozialisten geraubten jüdischen Eigentums, beziehungsweise der Wiedergutmachung für jüdische Österreicher maß er seiner juristischen Ausbildung zum Trotz keine spezielle Bedeutung bei. Auch der Heimkehr jüdischer Parteifunktionäre aus dem Exil stand er reserviert gegenüber. Jedem Versuch eines auch nur punktuellen Zusammengehens mit den Kommunisten widersetzte er sich energisch und ließ vermeintliche „Volksfront“-Sympathisanten scharf maßregeln. Zugleich förderte er im Sinn einer Schwächung des bürgerlichen Lagers diskret die Bildung des VdU als Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten (später FPÖ), doch ging diese Rechnung nicht auf, weil die SPÖ 1949 noch mehr Stimmen an die neue Gruppierung verlor als die ÖVP.

Aus den Nationalratswahlen 1953 ging die SPÖ unter Schärfs Führung als stimmenstärkste Partei hervor, bekam aber aufgrund des geltenden Wahlrechts weniger Mandate als die ÖVP. 1955 nahm Vizekanzler Schärf mit Bundeskanzler Julius Raab, Außenminister Figl und Außenamts-Staatssekretär Bruno Kreisky an den erfolgreichen Verhandlungen in Moskau über den Österreichischen Staatsvertrag teil und hatte dabei die größten Vorbehalte gegen eine verbindliche Neutralitätszusage, die von der sowjetischen Führung gewünscht wurde. Ende 1955 war er übergangsweise für wenige Wochen auch Justizminister, bis er von Hans Kapfer abgelöst wurde.

Präsidentschaft

Nach dem Tod von Bundespräsident Theodor Körner Anfang 1957 nahm Schärf die Nominierung zum SPÖ-Präsidentschaftskandidaten an und setzte sich gegen den Anführer des rechten Parteiflügels, Innenminister Oskar Helmer, durch. In seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf kursierte per „Flüsterparole“: Wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr, um die ehemaligen NSDAP-Mitglieder im Lande anzusprechen.[2] Sie war jedoch kein Teil von Schärfs öffentlicher Wahlwerbung, ein entsprechendes Plakat oder Flugblatt wurde nicht verbreitet.[3] Schärf gewann die Wahl gegen den gemeinsamen Kandidaten von ÖVP und FPÖ, Wolfgang Denk. Bei seiner Wiederwahl 1963 erhielt er mit fast 56 Prozent die bis dahin größte Stimmenmehrheit bei Bundespräsidentenwahlen. Seine Gegenkandidaten waren Altkanzler Raab (ÖVP) und der von der kleinen Europäischen Föderalistischen Partei aufgestellte pensionierte Gendarmeriegeneral Josef Kimmel.

Außenpolitischer Höhepunkt seiner Präsidentschaft war 1961 das Wiener Gipfeltreffen des US-Präsidenten John F. Kennedy und des sowjetischen Partei- und Regierungschefs Nikita Chruschtschow, ein Anlass, bei dem er vor der gesamten Weltöffentlichkeit die Gastgeberrolle souverän spielte. Da Schärf verwitwet war (seine Frau Hilda verstarb 1956), stand ihm seine Tochter, die Medizinerin und ehemalige Schauspielerin Martha Kyrle, als „First Lady“ bei der Wahrnehmung repräsentativer Obliegenheiten zur Seite. Er absolvierte eine Reihe von Staatsbesuchen im Ausland, etwa in der Sowjetunion.

Schärf wurde von allen Parteien dafür geachtet, das Präsidentenamt unparteiisch auszuüben. Er war ein entschiedener Befürworter der Großen Koalition, zu deren Architekten er gehörte, und wusste gegenüber drei ÖVP-Kanzlern (Julius Raab, Alfons Gorbach, Josef Klaus) die ganze Autorität seines Amtes einzusetzen. Auch als Staatsoberhaupt wohnte er in seiner Privatwohnung in Wien-Josefstadt, 8., Skodagasse 1, von der aus er seinen Amtssitz im Leopoldinischen Trakt der Hofburg zu Fuß erreichen konnte. Seinen Freunden gegenüber klagte der langjährige Politprofi über die Einsamkeit als nicht mehr in der Tagespolitik stehender oberster Repräsentant des Staates. Dennoch hörte er nicht auf, seinen Einfluss in der SPÖ geltend zu machen, insbesondere während der schweren Krise, die 1964 zur Entmachtung des Innenministers und früheren ÖGB-Chefs Franz Olah führte. Schärf publizierte mehrere zeitgeschichtliche Werke (u. a. Österreichs Erneuerung) und Memoiren (Erinnerungen aus meinem Leben).

Auszeichnungen (Auswahl)

Andenken

Eine Reihe von Studentenwohnheimen in Österreich wurden nach ihm benannt, sein Denkmal befindet sich im Wiener Rathauspark. Schärf wurde in der Präsidentengruft des Wiener Zentralfriedhofes bestattet.

In der Nähe von Kaprun gab es das Adolf-Schärf-Haus, das wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Der „Republikbaumeister“ Adolf Schärf Wiener Zeitung
  2. Die SPÖ und ihre braunen Wurzeln und Roman Sandgruber: Vom Wiederaufbau in die Mitte Europas. 60 Jahre ÖVP Oberösterreich. Verlag Trauner, Linz 2005, ISBN 3-85487-809-5, S. 98.
  3. Stefan Karner: Die Steiermark im 20. Jahrhundert. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Verlag Styria, Graz 2000, ISBN 3-222-12770-0, S. 398.
Commons: Adolf Schärf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien