Genetischer Fingerabdruck

DNA-Profil eines Individuums
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Als genetischer Fingerabdruck wird ein DNA-Profil eines Individuums bezeichnet, das für dieses charakteristisch ist. Die DNA wird aus Zellen gewonnen, die aus Gewebeteilen, Sperma, Hautzellen oder Speichel stammen. Das Verfahren wird in der Molekularbiologie auch als Fingerprinting bezeichnet. Entwickelt wurde es 1985 von Alec Jeffreys.

Methoden

Für den genetischen Fingerabdruck werden derzeit zwischen acht und 15 Abschnitte aus der DNA mit Hilfe der PCR-Methode vervielfältigt. Untersucht werden nicht die Gene an sich, sondern kleine, sich wiederholende Abschnitte im Erbgut, die Minisatelliten oder VNTRs (variable number tandem repeats) genannt werden. Bei diesen DNA-Abschnitten handelt es sich um tandemartige Wiederholungen einer bestimmten Sequenz (Repeats), die im Genom aller Eukaryoten vorkommen. Variabel ist dabei die Anzahl der Wiederholungen. Diese Anzahl - und nicht etwa die DNA-Sequenz der betreffenden Abschnitte - wird bei dem genetischen Fingerabdruck untersucht. Je nach Anzahl der Wiederholungen hat der vervielfältigte Abschnitt also eine bestimmte Länge, die sich z.B. über eine Gel-Elektrophorese im Agarosegel als Bande darstellen lässt. Ist ein Mensch an einem Genort heterozygot (besitzt beispielsweise ein Allel mit zehn Wiederholungen und eines mit 15), entstehen zwei Banden unterschiedlicher Länge. Es handelt sich hier also nicht um eine Sequenzierung, sondern um eine reine Fragmentlängen-Analyse.

Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Individuen an einem VNTR-Locus eine unterschiedliche Anzahl von Wiederholungen haben, ist sehr hoch. Wenn mehrere dieser Regionen untersucht werden, ergibt sich somit ein Bandenprofil, das mit einer bestimmten Häufigkeit in der Gesamtpopulation vertreten ist. Hierüber kann dann eine statistische Aussage getroffen werden, wie viele Menschen untersucht werden müssen, um zufällig einen zu treffen, der genau dieses Muster aufweist. Bei den oben genannten acht bis 15 untersuchten VNTR-Systemen, liegt diese Zahl häufig in einem Bereich von mehreren Milliarden. Man sollte hierbei jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass es sich um eine rein statistische Aussage handelt.

Diese Informationen werden in ein mathematisches Modell umgewandelt, das sich digital verarbeiten und somit automatisiert vergleichen lässt. Das mathematische Modell ist ein reiner aggregierter Zahlencode.

Im Gegensatz zu anderen DNA-Analysen, bei denen mittels Sequenzierungen Gene aus den codierenden Bereichen der DNA untersucht werden, die durchaus Rückschlüsse z.B. auf eventuelle Krankheiten des Individuums zulassen, lassen sich aus dem Zahlencode der Fragmentlängen-Analyse keine Eigenschaften des Individuums ableiten. Allerdings wird immer über einen zusätzlichen Locus auch das Geschlecht bestimmt.

Rechtslage in Deutschland

Allgemein

Ein genetischer Fingerabdruck darf in Deutschland nur auf richterlichen Beschluss hin genommen werden. Hierbei sind zwei unterschiedliche Ansätze möglich:

  • Die Untersuchung von Spurenmaterial und Körperzellen des Beschuldigten im laufenden Ermittlungsverfahren zur Aufklärung einer konkreten Straftat (§§ 81a, 81e StPO).
  • Die DNA-Analyse zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren (§ 81g StPO).

Letztere Untersuchung darf der Richter nur nur dann anordnen, wenn die Voraussetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des StGB gegeben ist, bei deren Wiederholung ein genetischer Fingerabdruck zur Ermittlung des Täters hilfreich sein kann (Unwahrscheinlich aber nicht unmöglich ist daher zum Beispiel die richterliche Anordnung bei Volksverhetzung oder Betrug). Die Unterschung erfolgt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass gegen den Beschuldigten auch künftig Strafverfahren zu führen sein werden. Bei Ersttätern wird daher oft von einem genetischen Fingerabdruck abgesehen. Die Zellen für den genetischen Fingerabdruck dürfen nach Anordnung der Untersuchung durch einen Arzt (§ 81a Absatz 1 Satz 2 StPO) entnommen werden. In einigen Bundesländern ist es der Polizei erlaubt, zur freiwilligen Abgabe eines genetischen Fingerabdrucks aufzufordern (z. B. Bayern und Nordrhein-Westfalen). In anderen Bundesländern ist auch dazu eine richterliche Erlaubnis nötig.

Im polizeilichen Bereich werden (üblicherweise staatliche) Laboratorien damit beauftragt, aus DNS-Proben die für die Identifizierung wichtigen Teile herauszufiltern und der polizeilichen DNA-Datenbank des BKA zur Verfügung zu stellen, die dann unbekannte DNA-Profile (etwa von Tatortspuren oder unbekannten Leichen) mit gespeicherten DNA-Profilen von bekannten Personen vergleicht. Die bekannten Profile stammen von Straftätern, bei denen man durch Mundhöhlenabstrich (freiwillig) oder Hautabrieb (wenn die Person ein Eindringen in eine Körperöffnung verweigert) eine biologische Probe abgenommen hat.

Rechtlicher Vergleich zwischen klassischem und genetischem Fingerabdruck

Voraussetzung für die Abnahme des daktylischen Fingerabdrucks und des genetischen Fingerabdrucks ist die Begehung einer Straftat nach dem StGB.

  • Die Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks kann nur bei schweren Straftaten durch richterlichen Beschluss erlaubt werden (§ 81g Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 81f Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung).
  • Der daktylische Fingerabdruck wird durch einen Polizisten genommen, wenn dieser der Ansicht ist, dass es sich um eine Straftat, also einen Verstoß gegen das Recht handelt, bei dem angenommen wird, dass die Wahrscheinlichkeit der Tatwiederholung höher ist als die, dass eine nicht überführte Person diese Straftat begeht.

Rechtliche Gleichsetzung des genetischen mit dem klassischen Fingerabbdruck

Im Zusammenhang mit der Ermordung des Modemachers Rudolph Moshammer wird in Deutschland eine Ausweitung der Anwendungsmöglichkeiten des genetischen Fingerabdrucks diskutiert. Ein Gesetzantrag mehrerer Bundesländer, der am 18. Februar 2005 in den Bundesrat eingebracht worden ist, sieht unter anderem die Aufhebung des Richtervorbehalts und die Ausweitung des Straftatenkatalogs vor.

Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen sprechen sich gegen die Gesetzesänderung aus. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hält die von den Bundesländern anstrebte Gleichsetzung von klassischem und genetischen Fingerabdruck für bedenklich.

Interpretation

Siehe unter Spurensicherung, Fehlschluss

Fehler

Als falsch-positives Ergebnis wurde unter anderem auch der Fall eines 28-jährigen Arbeiters bekannt, der ein halbes Jahr unschuldig wegen Mordes in Haft saß. Das Berliner Humboldt-Institut hatte bei der Analyse die Proben verunreinigt; der Staatsanwalt entschuldigte sich schriftlich.

Der Psychologe Jonathan Köhler schätzt den Anteil der falsch-positiven Ergebnisse, die in einem DNA-Labor vorkommen in der Größenordung von 1:100 (Schlamperei, irreführende DNA-Muster, falsche Bezeichnungen der Proben). Die Schlussfolgerungskette wird durch falsch-positiv-Fehler schon unter Punkt 1 durchbrochen und der Rest der Kette wird ungültig.

Literatur

  • Koehler, J. J., Chia, A. & Lindsey, J. S. (1995). The Random Match Probability (RMP) in DNA Evidence: Irrelevant and Prejudicial? Jurimetrics Journal. 35, 201-219.
  • Gerd Gigerenzer: Das Einmaleins der Skepsis – Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. 2002, ISBN 3827000793
  • Fluck, Peter, "Anwendung und Auslegung der DNA-Identifizierung", in: NJW 2001, 2292

Siehe auch