Llandovery Castle (Schiff, 1914)

Von einem deutschen U-Boot versenktes Lazarettschiff
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Schiffsmaße und Besatzung
Länge (Lüa) 152,4 m (Lüa)
Breite (Büa) 19,29 m
Vermessung 11.423 BRT

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Maschinenanlage
Maschine Vierfachexpansions-Dampfmaschinen der Bauwerft
Maschinen­leistung 1.135 PS (835 kW)
Höchst­geschwindigkeit 14 kn (26 km/h)
Propeller 2

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Transportkapazitäten
Zugelassene Passagierzahl I. Klasse: 234
II. Klasse: 116
III. Klasse: 100

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Die RMS Llandovery Castle war ein 1914 in Dienst gestellter Passagierdampfer, der von der britischen Reederei Union-Castle Line im Passagier- und Postverkehr zwischen Großbritannien und Südafrika eingesetzt wurde. Im Ersten Weltkrieg diente das Schiff als HMHS Llandovery Castle als Hospitalschiff, bis es am 27. Juni 1918 von einem deutschen U-Boot versenkt wurde. Dabei kamen 234 Menschen, hauptsächlich Besatzungsmitglieder und medizinisches Personal, ums Leben. Die Versenkung gilt als eine der schlimmsten Gräueltaten im Seekrieg des Ersten Weltkriegs, da der U-Boot-Kommandant die Rettungsboote rammen und auf die Überlebenden schießen ließ.

Vor dem Krieg

Im April 1912 wurde die britische Reederei Union-Castle Line von dem Geschäftsmann und Politiker Sir Owen Philipps, 1st Baron Kylsant (1853–1937) gekauft und in das Royal-Mail-Imperium integriert. Mit Philipps als neuem Vorsitzenden der Union-Castle Line wurde ein neuer, auf zehn Jahre festgelegter Postvertrag geschlossen und zwei neue Schiffe bestellt, die im Royal East African Service von London nach Ostafrika via den Sueskanal eingesetzt werden sollten. Damit sollte Adolph Woermanns Deutscher Ost-Afrika-Linie Konkurrenz gemacht werden. Beide Schiffe wurden nach walisischen Burgruinen benannt.

Das erste Schiff, die RMS Llanstephan Castle (11.348 BRT), wurde bei der Werft Fairfield Shipbuilding and Engineering in Govan bestellt und lief am 29. August 1913 vom Stapel. Das identische Schwesterschiff, die RMS Llandovery Castle (11.423 BRT), wurde auf der Werft Barclay, Curle & Company im Glasgower Stadtteil Whiteinch gebaut und lief am 3. September 1913 vom Stapel. Das 152,4 Meter lange und 19,29 Meter breite Schiff hatte einen Schornstein, zwei Masten und eine Doppelschraube. Die Vierfachexpansions-Dampfmaschinen von Barclay, Curle & Company leisteten 1135 PS (5800 PSi) und ermöglichten eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von 14 Knoten (25,9 km/h) und eine Höchstgeschwindigkeit von 15 Knoten (27,8 km/h). Die Passagierunterkünfte waren für 234 Reisende der Ersten, 116 der Zweiten und 100 der Dritten Klasse bemessen.

 
Postkarte der RMS Llandovery Castle

Die Fertigstellung erfolgte im Januar 1914 und am 6. März traf die Llandovery Castle zum ersten Mal in Durban ein. Durch die Knappheit an Schiffen nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde das Schiff im August 1914 im Postverkehr von Southampton nach Südafrika eingesetzt.

Die Karriere als Passagierschiff war nur sehr kurz: Im Dezember 1915 wurde der Dampfer von der Royal Navy eingezogen und in einen Truppentransporter umgewandelt. Im März brachte sie das 11. Bataillon des East Lancashire Regiments, die so genannten Accrington Pals, von Port Said nach Frankreich. Fast das gesamte Bataillon fiel kurz darauf in der Schlacht an der Somme.

Im Sommer 1916 wurde das Schiff als Hospitalschiff mit 622 Betten ausgestattet und trat diesen neuen Dienst als HMHS Llandovery Castle (His Majesty's Hospital Ship) am 27. Juli 1916 an. Sie wurde für den Transport verwundeter kanadischer Soldaten von Europa nach Nova Scotia eingesetzt. Am 7. Juni 1918 traf die Llandovery Castle mit 644 Verwundeten zum letzten Mal in Halifax ein.

Versenkung

Am Donnerstag, dem 20. Juni 1918, lief die Llandovery Castle unter dem Kommando von Kapitän R. A. Sylvester in Halifax zur Rückfahrt nach Liverpool aus. An Bord waren 258 Menschen, alles Nichtkombattanten, darunter die Besatzung sowie 80 Ärzte und 14 Krankenschwestern. Die Krankenschwestern standen unter der Leitung der 34-jährigen Oberschwester Margaret Fraser, Tochter von Duncan Cameron Fraser, dem achten Vizegouverneur von Nova Scotia. Militärpatienten und Passagiere waren nicht an Bord.

 
U 86 auf See

Gegen 21:30 Uhr irischer Zeit am 27. Juni wurde die beleuchtete und als Hospitalschiff gekennzeichnete Llandovery Castle 116 Seemeilen südwestlich des Fastnet-Felsen im Nordatlantik von dem deutschen U-Boot U 86 torpediert. U 86 war ein U-Boot der Kaiserlichen Marine, das sich unter dem Kommando von Oberleutnant zur See Helmut Patzig befand.

Patzig beschoss das Schiff ohne Vorwarnung, da er militärisches Material an Bord vermutete. Der Torpedo schlug in Hecknähe in Laderaum Nr. 4 ein und löste eine heftige Explosion aus. Sofort gingen an Bord sämtliche Lichter aus. Der Befehl, die Maschinen zu stoppen, konnte nicht ausgeführt werden, da die Crewmitglieder im Maschinenraum tot oder verwundet waren. Das Ausbooten gestaltete sich wegen der zunehmenden Schräglage und der Vorwärtsbewegung des Schiffs schwierig. Mindestens zwei Rettungsboote überschlugen sich während der Evakuierung.

 
Ein kanadisches Propagandaposter aus dem Jahr 1918, das mit der Versenkung der Llandovery Castle für den Kauf von Kriegsanleihen wirbt

Die Llandovery Castle sank in nur zehn Minuten. Zwischen Booten und Trümmern schwammen Schiffbrüchige. Nachdem sich seine Vermutung an Bord des Schiffes hätten sich Militärgüter oder Truppen befunden bei der Befragung aufgenommener Schiffbrüchiger nicht bestätigte, beschloss Patzig, die Zeugen seiner Tat zu beseitigen und rammte nacheinander mit seinem U-Boot zwei Rettungsboote. Zudem ließ er das Feuer auf die Schiffbrüchigen eröffnen.[1] Nur das Rettungsboot, in dem sich der Kapitän der Llandovery Castle befand, entkam dem Angriff. Die sechs Kanadier und 18 Besatzungsmitglieder in diesem Boot waren die einzigen Überlebenden der Versenkung. Sie ruderten zwei Tage lang auf die irische Küste zu und wurden am 29. Juni von dem Zerstörer HMS Lysander (Commander Francis W. D. Twigg, OBE) aufgenommen. Alle anderen 234 Menschen kamen durch Patzigs Angriff ums Leben. Die britische Sloop HMS Snowdrop (Commander George P. Sherston) und vier amerikanische Zerstörer suchten das Gebiet ab, fanden aber keine weiteren Überlebenden mehr.

Juristisches Nachspiel

Nach dem Krieg wurden Helmut Patzig und die beiden Wachoffiziere, Ludwig Dithmar und John Boldt, die sich während der Aktion mit ihm auf dem Kommandoturm befunden hatten, angeklagt. Die Anklage und Verurteilung hatte nur auf Druck der Alliierten stattgefunden und fand unter Protesten der rechtsgerichteten deutschen Presse und Parteien statt. Die Beiden Wachoffiziere wurden durch das Reichsgericht in Leipzig zu jeweils vier Jahren Gefängnisstrafe wegen Beihilfe zum Totschlag verurteilt. Sie entzogen sich jedoch der Vollstreckung durch Flucht. Der Kapitän hatte sich schon vor dem Prozess abgesetzt. Im Jahr 1928 wurden die beiden Wachoffiziere in einem Wiederaufnahmeverfahren vom Reichsgericht freigesprochen, nachdem Helmut Patzig seine „Alleinschuld“ erklärt hatte. Der Haftbefehl gegen ihn wurde jedoch aufgehoben und das weitere Verfahren immer weiter verschleppt, bis Patzig durch den Reichsjustizminister 1930 amnestiert wurde. Als Grundlage diente ein Gesetz über Straffreiheit von 1928 für politische Delikte und Vertöße gegen das Militärgesetz, das 1930 auch auf Tötungsdelikte erweitert wurde.[1]

Im Ersten Weltkrieg versenkte Patzig 24 Schiffe, von denen die Llandovery Castle das größte war. Im Zweiten Weltkrieg war er wieder U-Boot-Kommandant und diente daneben im Stab des Befehlshabers der U-Boote. Er ging 1945 in den Ruhestand und verstarb 1984 im Alter von 94 Jahren.

Einzelnachweise

  1. a b Frank Neubacher: Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148477-0, S. 310 f. (gefunden hier 18. April 2010)