Wilhelm Friedrich Lutz

deutscher evangelischer Theologe und früher Kritiker der Hexenverfolgung
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Wilhelm Friedrich Lutz (Lucius, Luzius) (* 7. März 1551 in Tübingen; † 17. April 1597 in Nördlingen) war ein lutherischer Theologe und früher Kritiker der Hexenprozesse.

Leben

Wilhelm Friedrich Lutz besuchte die Lateinschulen in Nördlingen, wohin seine Eltern 1552 übersiedelt waren, und ab 1559 in Lauingen. Er war verwandt mit dem wüttembergischen Reformator Johannes Brenz (1499-1570). Ab 1561 bereitete ihn sein Onkel Johann Isenmann (um 1495-1574), der erste evangelische Abt von Kloster Anhausen, auf das Studium vor. Lutz studierte ab 1567 Theologie an der Tübinger Universität, die allerdings seit 1556 wegen der Pest nach Esslingen verlegt worden war. Lutz wurde 1568 Bakkalaureus und 1570 oder 1574 Magister.

1576 wurde er Diakonus in Hohenurach und noch im selben Jahr durch Vermittlung Ludwig des Frommen - nach Verstellung auf dem Regensburger Reichstag - Hofprediger von Gabriel Strein zu Schwarzenau in Hirschbach im heutigen Bezirk Gmünd in Niederösterreich.

== Wirken in Niederösterreich und Oberungarn

Nachdem er sich mit Strein überworfen hatte, kam er 1577 als Pfarrer des Erbtruchsess Michael Ludwig von Purchheim und Nachfolger von Polykarp Leyser nach Göllersdorf. Von dort aus reiste er wiederholt nach Wien, wo die evangelische Religionsausübung untersagt war, und hielt heimlich Gottesdienste in verschiedenen adeligen Häusern, besonders im Hof des Freihauses[1] des Hofkriegsrat-Präsidenten Wilhelm Freiherr von Hofkirchen (um 1529-1583). Hofkirchen machte 1578 auch den Versuch, Lutz als Prediger bei sich in Wien zu behalten. Dies wurde ihm jedoch verwehrt. Lutz begleitete daraufhin die Söhne Hofkirchens auf ihrer Grand Tour nach Frankreich, England und Schottland.

1581 bei der Visitation Niederösterreichs durch Lucas Bacmeister (1530–1608) versorgte er die kleine Schlossgemeinde des Wilhelm von Hofkirchen in Vösendorf. Lutz sprach sich entschieden für die Annahme der Konkordienformel aus. Wegen einer verbotenen Predigt in Inzersdorf kam er 1582/83 auf Betreiben des Passauer Bischofs Urban von Trennbach für 6 Tage ins Gefängnis, aus dem er nur unter der Bedingung entlasssen wurde, in Niederösterreich keine Amtstätigkeit mehr auszuüben.

1583 wurde er Hofprediger des Generalobersten für Oberungarn Hans Rueber zu Pixendorf (1529-1584) und 1584 nach dessen Tod Probst an der Stiftskirche in Kaschau.

Wirken in Nördlingen

1585 reiste er nach einer Erkrankung und einem Aufenthalt in Nagysáros (Sáros) nach Tübingen und wurde dort zum Doktor der Theologie promoviert. Im gleichen Jahr erhielt er einen Ruf als Stadtpfarrer an der St.-Georgs-Kirche und Superintendent nach Nördlingen.

Dort predigte er gegen soziale Unterdrückung und wandte sich im Dezember 1589 in zwei scharfen Predigten gegen die radikale Hexenverfolgung des Nördlinger Rates, der es geschafft habe, „etliche arme Hündlin“ unschuldig gefangenzunehmen. Der Rat verbat ihm die Einmischung in weltliche Angelegenheiten, aber Lutz erwiderte, „er lass sich der Hexerei halber zu predigen nit binden“. Der Aufforderung, wenigstens zur Osterzeit 1590 zu schweigen, wollte er jedoch folgen, „wo er nit Ursch hab“, anders zu handeln. Lutz hielt unter Berufung auf seine Tübinger Lehrer Erhard Schnepf (1445-1558), Jacob Andreä (1528-1590) und besonders Jakob Heerbrand (1521-1600) nichts von Hexenzauber, Hexenflug und Hexentänzen, auch wenn er wie diese durchaus an den Teufelspakt von Hexen glaubte und diesen verurteilte. Er erreichte einen Auschub um ein halbes Jahr und beeinflusste vielleicht sogar sechs Freilassungen, ehe der Nördlinger Rat im Juli 1590 dann aber doch die ersten angeblichen Hexen hinrichten ließ. Auch in der Folgezeit erneuerte Lutz seine öffentliche Kritik an den Hexenprozessen und erklärte, „für sein Person wolle er füro wie bisher Gottes Wort predigen und ein E. Rath zu Moderation der Straffen gewarnet haben“[2].

Lutz starb unverheiratet und wurde in der Friedhofskirche St. Emmeram begraben.

Werke

  • Disputatio de sacramentis de poenitentia (Quarta disputatio de sacramentis, de poenitentia), ... praeside ... Iacobo Andreae ... Wilhelmus Fridericus Lucius ... respondere conabitur, Tübingen 1574[3]
  • Der Wolgeborne Frawen, Frawen Judith gebornen von Frideßheim, etc. weiland deß Wolgebornen Herrn, Herrn Hansen Rübers Freyherrn zu Puxendorff, unnd Gravenwerdt ... seliger nachgelasne Wittwen, etc. meiner gnedigen Frawen, o. O. 1584[4]
  • Ein Christliche Predig, Vber der Leych deß wolgebornen Herrn Herrn Hansen Rübers zu Büxendorff vnd Gravenwörth Freyherrn, Der Keyserl. Majest. [et]c. Rath vnnd General Obersten im Obern Kreyß Hungern etc. ... Gedächtnüß, zu Caschaw in der Stifftskirchen den 24. Martij ... im 84.isten gehalten. Durch M. Wilhelm Friderich Lutzen damals gewesten Rüberischen Hoffprediger, Tübingen 1585[5]
  • Disputatio de peccato seu blasphemia in Spiritum Sanctum, de qua ... authore et praeside ... D. Iacobo Heerbrando ... publice pro ingenii viribus, respondere conabitur M. Wilhelmus Fridericus Lucius, Tübingen 1585[6]
  • Ein Predig über der Leich ... Johann Reutters, der Stadt Nördlingen gewesnen Burgermeisters, Gehalten zu Nördlingen, auff dem berg bey S. Haymeram, den 26. Januarii, Anno 1587, Nürnberg 1587[7]
  • Ein Christliche Leichpredigt, Bey der Ley Deß Ehrnvesten, fürsichtigen, und Wolweisen Herrn Peter Sengen, der Statt Nördlingen gewesenen Burgermeisters, Welcher den 12. May, Anno 1589 in Christo ... entschlaffen vnd den 14. ... bestattet worden. Gehalten zu Nördlingen ... durch ... Herrn Wilhelm Friderich Lutzen der heiligen Schrifft Doctorem, Pfarrherrn vnd Superattendenten daselbsten.Sampt etlichen angehengten EPICEDIIS, Tübingen 1590 und Nürnberg 1590[8]

Quellen

  • Stammbuch des Guilelmus Fridericus Lucius aus dem 16. Jahrhundert in Germanischen Nationalmuseum Nürnberg[9]

Literatur

  • Friedrich Franck, Christliche Predig: Vber der Leich deß ... Herrn Wilhelm Friderich Lutzen der heiligen Schrifft Doctoris, Pfarrherrn vn[d] Superattendenten zu Nördlingen welcher Sontags den 17. Aprilis im Jar Christi 1597 seliglich ... entschlaffen ... daselbsten gehalten durch M. Friderich Francken Diaconum, Lauingen 1597[10]
  • Bernhard Raupach, M. Wilhelm Friederich Lutz oder Luzius, in: Presbyterologia Austriaca, Hamburg 1741, S. 99-103
  • Johann Friedrich Schöpperlin, Prolvsio scholastica de Vita G. F. Lvzii, theologi, Nördlingen 1764, 2. Aufl. Nördlingen 1766[11]
  • Daniel Eberhardt Beyschlag / Johannes Müller, D. Wilhelm Friedrich Lutz, in: Beyträge zur Nördlingischen Geschlechtshistorie, Band 1-2, 1803, S. 283
  • Martin F. Kühne, Dr. Wilhelm Friedrich Lutz, Ein Predigerleben aus Oesterreich im XVI. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich, Band 5. IV, Wien und Leipzig 1883, S. 193-212.
  • Gustav Wulz, Friedrich Wilhelm Lutz (1531-1597), in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 5 (1956), S. 198-220

Einzelnachweise

  1. Das Haus war ab 1583 Witwensitz der Erzherzogin Elisabeth von Österreich (1554–1592).
  2. Zitate nach Wulz, S. 211f.215
  3. Universitätsbibliothek Augsburg (Sigel: 384).
  4. Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (Sigel: 37); Titelblatt fehlt.
  5. Staatliche Bibliothek Regensburg (Sigel: 155); Universitätsbibliothek Tübingen (L XVI 81.4 und Gi 40.4); Österreichische Nationalbibliothek Wien u.a.
  6. Bayerische Staatsbibliothek München (Sigel: 12); Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (Sigel: 37).
  7. Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel (A: 316.16 Theol. 5).
  8. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt / Gotha; Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (Sigel: 37).
  9. Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1898, Nr. 2, S. 10 [nicht nachgewiesen im digitalen Bestandsverzeichnis].
  10. VD 16 F 2014; Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt / Gotha (Biogr 8º 01311/03 [14]).
  11. Universitätsbibliothek Leipzig (Vit.N.1436).