Zirkumzision

teilweise oder vollständige Entfernung der männlichen Vorhaut
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Unter Beschneidung bzw. Zirkumzision oder Circumcision versteht man im engeren Sinne die chirurgische Entfernung bzw. das Einschneiden der Vorhaut des Mannes. Im weiteren Sinne bezeichnet Beschneidung auch bestimmte Arten der teilweisen oder völligen Entfernung der äußeren Geschlechtsorgane bei der Frau.


Beschneidungen werden in der Regel aus rituellen oder kosmetischen Gründen durchgeführt.

Beschneidung beim Jungen

Beim Mann wird die Vorhaut entfernt oder (seltener) eingeschnitten. Dabei ist der Grad des Eingriffs unterschiedlich. Es gibt verschiedene Beschneidungsstile, die in Hinsicht auf Straffheit und Platzierung der Narbe variieren. Zu biblischen Zeiten wurde lediglich die besonders empfindliche Spitze der Vorhaut entfernt, bei der heute vorherrschenden, radikaleren Form wird in ein Viertel bis ein Drittel der über der Eichel liegenden Schafthaut amputiert.

Bei der so genannten Ariltha wird der Penis von unten bis auf die Harnröhe aufgeschnitten, diese Form der Beschneidung wurde u.a. von den Aboriginees praktiziert.

Im Judentum findet die Beschneidung am 8. Tag nach der Geburt und im Islam vor dem Eintritt in die Geschlechtsreife als ein Zeichen der Religionszugehörigkeit statt.

Eine medizinische Indikation ist bei einer schweren Phimose gegeben, die jedoch äußerst selten vorkommt und meist durch Strecken oder medikamentöse Behandlung, etwa mit Steroiden, geheilt werden kann.

Folgen

Beim Mann gehört die Vorhaut zu den empfindlichsten Stellen des Körpers, zudem ist das Frenulum besonders dicht mit Nervenenden besetzt (vergleichbar mit der Klitoris der Frau) und wird bei der heute üblichen Form der Beschneidung meist beschädigt oder komplett entfernt. Dies bedeutet wegen der festen Verwachsung unter anderem ein stückweises Abreißen. Durch den ständigen Kontakt mit der Luft und dem Reiben an der Kleidung verliert die Eichel an Empfindlichkeit, auf der vormaligen Schleimhaut wird zum Schutz eine Keratinschicht gebildet. UV-Einstrahlung kann für das nun ungeschützte Organ gefährlich sein, wenn sie gar nicht oder nur durch dünne Kleidung (Badehose) abgeschwächt wird.

Die dorsale Ader, die beim Mann bis zur Spitze der Vorhaut reicht wird bei der Beschneidung in jedem Fall durchtrennt (Gefahr des Verblutens) und verästelt sich mit der Zeit neu. Dies ist nicht immer problemlos und kann Knoten entstehen lassen.

In jedem Fall ist der Eingriff gefährlich. Gegner der Beschneidung beim Mann schätzen die Anzahl der Narkoseunfälle bei der Beschneidung von Babys in den USA auf mehrere hundert pro Jahr. Eine genaue Zahl ist nicht verfügbar, da die Tode als durch Arzneimittel bedingt eingeordnet werden und so nicht als Folge der Beschneidung angesehen werden.

Etwa die Hälfte der Eingriffe wird mit der hierfür nur unzureichenden örtlichen Betäubung oder gleich ganz ohne durchgeführt. Hierbei erleidet das Baby extreme Schmerzen, von denen Ärzte neurologische Folgen nachgewiesen haben wollen und durch die es meist in einen komatösen Zustand verfällt. Beschreibungen des Schmerzes als unerträglich und alles erfüllend werden sowohl von afrikanischen Frauen, die als junges Mädchen verstümmelt wurden, als auch von manchen als Erwachsenen beschnittenen Männern berichtet. Bei der rituellen jüdischen Beschneidung wird der Eingriff von einem Kleriker, also einem medizinischen Laien, im Rahmen der Zeremonie zuhause durchgeführt, wobei es nicht selten zu Komplikationen kommt, die tödlich enden können.

Masturbation ist bei vollständig entfernter Vorhaut ohne Gleitmittel nur schwer möglich. Auch beim Geschlechtsverkehr mit einer Partnerin fehlt das natürliche Gleiten des Penis in seiner Schafthaut, das Eindringen ist erschwert und durch das direkte Reiben an der Scheidenwand kann es vor allem bei älteren Frauen Probleme mit der Trockenheit der Scheide geben. Spielarten wie das Reiben des Penis zwischen den Brüsten funktionieren nur schlecht und können seine ausgetrocknete Haut wund werden lassen.

Die am oberen Rand vernarbte und oft zum Zerreißen gespannte Resthaut behindert bei vielen Männern die Erektion und verkürzt sie mitunter um mehrere Zentimeter.

Im Alltag machen sich störendes, ständiges Reiben an der Kleidung und die Ungeschütztheit des Harnröhrenendes bemerkbar.

Beschneidung bei Mädchen

In bestimmten Ländern Afrikas, Arabiens und Teilen Indonesiens und Malaysias ist es bei einigen Völkern üblich, auch bei jungen Mädchen eine rituelle Beschneidung vorzunehmen. Davon sind ca. 2 Millionen Mädchen im Jahr weltweit betroffen. Sinn des Eingriffes ist, das sexuelle Verlangen der Frauen zu reduzieren bzw. zu zerstören.

Es ist dies eine Prozedur, die mit der Zirkumzision bei Jungen recht wenig gemeinsam hat und deshalb von der UNO, UNESCO, UNIFEM und Menschenrechtsorganisationen nicht Beschneidung, sondern FGM (für "Female Genitale Mutilation" oder "Weibliche Genitalverstümmelung") genannt wird: Dabei wird - je nach Ausführung - nur die Vorhaut der Klitoris oder die Klitorisspitze entfernt (sunnitische Beschneidung, eher selten), die Klitoris und die inneren Schamlippen (Klitoridektomie, die häufigste Form) entfernt, oder sowohl der hervorstehende Teil der Klitoris, innere und äußere Schamlippen entfernt und die entstehenden Hautreste vernäht (pharaonische Beschneidung mit Infibulation).

Folgen

Frauen sind zahlenmäßig schwächer betroffen als Männer (geschätzten 100 Mio. verstümmelten Frauen stehen 500 Mio. Männer gegenüber), die Folgen sind aber in aller Regel schwerwiegender.

Die Operationen werden meist ohne Narkose und unter unhygienischsten Bedingungen durchgeführt. Dies bedeutet eine Lebensgefahr beim Eingriff, insbesondere bei der pharaonischen Beschneidung ist die Gefahr des Verblutens besonders groß.

Lebenslange Schmerzen u.a. beim Geschlechtsverkehr und beim Wasserlassen werden durch die Infibulation hervorgerufen, außerdem wird durch die Klitoridektomie das Lustempfinden stark reduziert. Auch die Geburt kann erschwert sein, da das vernarbte Gewebe unflexibel ist.

UNO, WHO, UNICEF und verschiedene Menschenrechtsgruppierungen versuchen seit geraumer Zeit, mit Aufklärungsarbeit gegen die Beschneidung von Frauen in den Ursprungsgebieten vorzugehen. In Deutschland und den meisten westlichen Industrieländern wird die Beschneidung von Frauen als Körperverletzung strafrechtlich verfolgt.


Gründe und Kritik

Der berühmte Rabbi Moses Maimonides (Weblink) hat bereits im Mittelalter die wahren Gründe für Beschneidung, bei ihm nur auf Männer bezogen aber allgemein gültig, genannt. Die Geschlechtsorgane sollen so verletzt und geschwächt werden, dass sie zwar noch funktionieren, aber keine 'überschüssige' Lust mehr zulassen. Die Geschlechtsorgane bedürften keiner Perfektionierung, es gehe nicht um die Korrektur eines angeborenen, sondern eines moralischen Makels.

Medizinhistoriker vermuten, dass bereits in der Antike die Beschneidung zur Kontrolle des Geschlechtsleben der Sklaven und der Unterschicht dienen sollte, ohne gleichzeitig die Fruchtbarkeit zu beeinflussen. Diese Sexualfeindlichkeit wurde Ende des 19. Jh. in Europa und vor allem den USA wiederentdeckt. Zu dieser Zeit wurde bei beiden Geschlechtern das Verhindern der Masturbation, denen man schädliche Folgen bis zum Tode zuschrieb, u.a. durch Beschneidung versucht. Dr. John Harvey Kellogg, bekannt durch die Getreideprodukte der Marke Kellogg's, empfahl bei Jungen die Beschneidung ohne Anästhetikum, da die Schmerzen eine 'heilsame Wirkung auf den Geist' hätten. Ebenfalls empfohlen wurde die Infibulation der Vorhaut, um eine Erektion komplett zu verhindern. Wenn die Unreinheit Unbeschnittener angeführt wird, geht es mehr um moralische als um physische Sauberkeit, die durch minimale Körperpflege viel einfacher zu erreichen wäre. Bei den infibulierten Frauen kommt der Wunsch dazu, sie als Jungfrau in die Ehe gehen zu lassen, denn für den ersten Verkehr muss sie erst einmal wieder aufgeschnitten werden.

In den Ländern mit modernen Gesellschaftsformen (USA, Südkorea, Teile der islamischen Welt) ist der Wunsch nach moralischer Reinheit umgeformt worden auf den Begriff der Hygiene. Die hier bei Jungen angeführten "hygienischen Gründe" halten einer sachlichen Betrachtung genauso wenig stand wie bei den Frauen in Afrika, dennoch werden sie ganz anders bewertet.

Das Festhalten an der Beschneidung von Jungen in diesen Ländern hat mehrere Gründe. So würde, genau wie für die Beschneiderinnen und Beschneider in den Entwicklungsländern, ansonsten eine wichtige Einnahmequelle für viele Ärzte wegfallen. Hinzu kommt hier, dass die Vorhaut für Hauttransplantationen von einzigartiger Verträglichkeit ist. Dies wird teilweise sogar als Argument für Beschneidung angeführt. Es sind zwei Marken auf aus Vorhaut gezüchteten Transplantaten registriert, die Vorhaben konnten jedoch wegen Kapitalmangels nicht verwirklicht werden.

Kosmetische Gründe bewegen auch hierzulande sogar viele Erwachsene, sich beschneiden zu lassen, da die schädlichen Folgen beim Mann zumindest im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt sind. Dies wiederum hat mit der verbreiteten Weigerung von Männern zutun, sich als Opfer hingestellt sehen zu wollen, was sie dazu zwingt, sich notfalls einzureden, dass ihnen nichts fehle. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch von vielen verstümmelten Frauen berichtet wird, sie würden behaupten, eine völlig normale Sexualität zu haben.

Die Bedeutung der Vorhaut für sexuelle Stimulation ist heutzutage noch ähnlich unbekannt wie früher die der Klitoris, von der lange gesagt wurde, sie sei völlig unwichtig für die Erregbarkeit. Einen Hinweis ergibt jedoch die Aussage von beschnittenen Männern, der Bereich direkt unter der Eichel sei bei ihnen dafür besonders geeignet. Dort verbleibt ein Stück der ursprünglichen, empfindlichen Innenseite der Vorhaut.

Gegenbewegungen

UNO, WHO, UNICEF und verschiedene Menschenrechtsgruppierungen versuchen seit geraumer Zeit, mit Aufklärungsarbeit gegen die Beschneidung von Frauen in den Ursprungsgebieten vorzugehen. Die zwar geringere, aber immer noch schwerwiegende Schädlichkeit der Verstümmelung von Jungen wird von ihnen größtenteils ignoriert, wie auch die Tatsache, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit unabhängig vom Geschlecht gilt.

Bei strenger bzw. korrekter Auslegung des Gesetztes ist auch die Beschneidung von Jungen in den meisten Ländern verboten und wird lediglich geduldet. Dagegen wenden sich in den USA inzwischen mehrere Gruppen und auch einzelne Betroffene mit teils prominenter anwaltlicher Hilfe, so dass diese Duldung dort langsam zu wackeln beginnt, zumal sie die Glaubwürdigkeit der Aktionen für Frauen in den afrikanischen Ländern zu beschädigen droht. Hanny Lightfoot-Klein, ursprünglich eine der Vorkämpferinnen ausschließlich gegen die weibliche Beschneidung, ruft inzwischen dazu auf, das Thema als Ganzes zu sehen und die Verstümmelung beider Geschlechter als eng verwandt zu betrachten.