Das Unternehmen Toll Collect GmbH soll im Auftrag der deutschen Bundesregierung das gleichnamige System zur Einnahme der LKW-Maut auf deutschen Autobahnen aufbauen und betreiben. Toll Collect erhielt den Zuschlag für diesen Auftrag nach einer europaweiten, öffentlichen Ausschreibung. Der Zuschlag verzögerte sich mehrfach durch Einsprüche von Wettbewerbern und andere Rechtsmängel. Der ursprünglich zum 31. August 2003 geplante (von Anfang an unrealistische) Starttermin konnte von Toll Collect nicht eingehalten werden, die Mauteinführung wurde zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach einem intensiven Gesprächsmarathon mit der Bundesregierung hatte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe am 17. Februar 2004 die Kündigung des Betreibervertrages durch das Bundesamt für Güterverkehr avisiert. Eine solche Kündigung wäre zwei Monate nach der offiziellen Kündigungsanzeige wirksam geworden. Die Bunderegierung hatte allerdings deutlich gemacht, dass eine Kündigung vermieden werden könne, wenn das Konsortium auf weitere Forderungen des Auftraggebers eingeht. Am 29. Februar 2004 konnten neue Gespräche zwischen den Maut-Betreibern Toll Collect und dem Bundesverkehrsministerium erfolgreich abgeschlossen werden. Das Ministerium sprach die angedrohte Kündigung nicht aus.
Eine 1. technisch abgespeckte Variante soll am 1. Januar 2005 in Betrieb gehen. Die Inbetriebnahme der endgültigen Version ist für den 1. Januar 2006 angekündigt.
Durch die voreilige Abschaffung des alten Mautsystems (Vignette) und der nicht geglückten Einführung des neuen Systems entstand dem Steuerzahler ein Schaden durch fehlende Steuereinnahmen von ca. 4-5 Mrd. Euro (bei Einführung der Maut Anfang 2005). Hierdurch wurden zahlreiche, drngend notwendige Straßenbauprojekte gefährdet oder deren Umsetzung stark verzögert.
Toll Collect ist ein Joint Venture der Deutschen Telekom, DaimlerChrysler und der französischen Cofiroute (Compagnie Financière et Industrielle des Autoroutes). Die beteiligten Firmen nahmen als Bietergemeinschaft ETC an der Ausschreibung für das Mautsystem teil.
Die Gesellschaftsanteile verteilen sich wie folgt:
- Telekom 45 Prozent
- DaimlerChrysler 45 Prozent
- Cofiroute hält die restlichen zehn Prozent
Das Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben 440 Mitarbeiter an sieben Standorten, darunter Berlin, Bonn und Potsdam. Als Adresse wird Linkstr. 2, 10785 Berlin angegeben.
Für den Betrieb des Mautsystems sollte Toll Collect zwölf Jahre lang jährlich ca. 600 Millionen Euro aus den Mauteinnahmen erhalten.
Die EU-Wettbewerbshüter hatten 2002 massive Bedenken gegen Toll Collect. Das Mautsystem und die damit verbundenen sog. Mehrwertdienste wie Lkw-Ortung und Textübermittlung hätten DaimlerChrysler zu einer marktbeherrschenden Stellung bei Telematiksystemen für Transport und Logistik verhelfen können.
DaimlerChrysler ist größter deutscher Lkw-Hersteller. Der Konzern hätte nach Ansicht der EU-Behörde über die Beteiligung an Toll Collect den Zugang anderer Telematik-Dienstleister zu den On-Board-Unit (OBU) genannten Bordgeräten kontrollieren können. Um die EU-Genehmigung zu erhalten, waren DaimlerChrysler und Deutsche Telekom gezwungen, mehrere Auflagen zu akzeptieren. So soll die für Mehrwertdienste wie Verkehrsflussanalysen und Wegweisungshilfen gegründete Gesellschaft Telematics Gateway nicht von DaimlerChrysler und der Telekom kontrolliert werden. Die Bordgeräte müssen auch mit Systemen anderer Hersteller kombinierbar sein.
Toll Collect bemühte sich auch um die Ausschreibung für die LKW-Maut in Österreich, konnte dort aber nicht zum Zuge kommen.
Unklar ist, ob die technischen Fähigkeiten des Systems nicht zu einer flächendeckenden Überwachung aller Verkehrsteilnehmer führen soll. Nur unter diesem Aspekt ist die politische Bereitschaft zu verstehen, trotz aller Mängel und Lieferverzögerungen, weiterhin Toll Collect den Vorzug zu geben. Auch sind schwerwiegende datenschutzrechtliche Fragen noch ungeklärt. So wertet das geplante System beispielsweise auch die Nummernschilder vorbeifahrender PKW´s aus und übermittelt diese an ein zentrales Rechenzentrum. Hiermit können für jeden Verkehrsteilnehmer Bewegungsprofile angelegt werden. Auch stellt sich die Frage, ob die durch Steuerzahler finanzierte Entwicklung eines Systems zur Bestimmung der LKW-Maut weitere, zum Vorteil privater Unternehmen führende Funktionen beinhalten darf. Letztendlich glänzt das "gerechteste System der Welt" noch mit extrem hohen Betriebskosten. Rund 20% des Umsatzes fließen in diesen Posten. Das Schweizer Maut System kommt hier mit 6% für die Betriebskosten aus.
Auch sind verschiedene Hintergründe bei der Vertragsgestaltung und -unterzeichnung noch klärungsbedürftig. So wurde der Vertrag insgesamt dreimal an verschiedenen Schweizer Orten unterzeichnet, weil bei den ersten beiden Unterzeichnungen die Gültigkeit in Frage gestellt wurde. Auch die Eile bei den Verhandlungen, welche zu schweren Vertragsfehlern zum Nachteil der Bundesrepublik führte, wird auf die kurz bevorstehende Bundestagswahl und die Haushaltsplanungen der Bundesregierung zugeschrieben. Nicht zuletzt wurde der Ruf des Hochtechnologiestandortes Deutschland durch das "Maut-Desaster" nachhaltig geschädigt.
Weblinks
- Internet Portal von Toll Collect
http://www.toll-collect.de Stand der URL 2003-10-11
- Das deutsche Bundesverkehrsministerium zur LKW-Maut
http://www.bmvbw.de/LKW-Maut-.720.htm Stand der URL 2003-10-11
Geschichte und technischer Hintergrund der deutschen LKW-Maut
- "Ausgebremste Automatik", fundiertes "Special" zum Mautsystem bei heise.de vom November 2002
http://www.heise.de/mobil/artikel/2002/11/18/maut/ Stand der URL 2003-10-11 - "Die Lkw-Maut", Bayerischer Rundfunk
http://www.br-online.de/bayern-heute/thema/maut/ Stand der URL 2004-02-19
- "Die Gier hat den Verstand vernebelt", neben den vielen, meist publikumswirksamen "Anti"-Informationen gibt es vereinzelt auch halbwegs neutrale Sichten, die beide Seiten betrachten: Interview der Tagesschau mit dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung vom Februar 2004. Stand der URL 2004-03-04