Gelassenheitsgebet

Gebet um Mut, Gelassenheit und Weisheit
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Das Gelassenheitsgebet ist ein vermutlich von dem deutsch-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr verfasstes Gebet, das zur Gelassenheit auffordert. Die populärste Version lautet:

  Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
  den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
  und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Oder auf englisch:

  God, grant me the serenity to accept the things I cannot change,
  Courage to change the things I can,
  And wisdom to know the difference.

Urheberschaft

Urheberschaft und Verbreitungsgeschichte des Gelassenheitsgebets sind umstritten. Vermutlich hat Reinhold Niebuhr das Gebet vor oder während des Zweiten Weltkriegs verfasst. In Briefen datiert Reinhold Niebuhrs Ehefrau es auf 1941 oder 1942, Reinhold Niebuhr selbst auf die Vorkriegszeit. Niebuhr hat vermutet, dass die große Verwirrung in seinem Verzicht auf das Urheberrecht des Gebetes begründet ist.[1] Vermutlich hat Niebuhr einen der zahlreichen älteren Vorläufertexte mit ähnlichem Aufbau und Inhalt gekannt.

Das Gebet wird häufig auch dem württembergischen Prälaten und Theosophen Friedrich Christoph Oetinger zugeschrieben, was jedoch auf einer Namensverwechslung beruht: Der Theologe und Pädagoge Theodor Wilhelm hat das Gebet in einem Buch veröffentlicht, das unter dem Pseudonym Friedrich Oetinger erschien, so dass die falsche Zuordnung zum Theosophen Oetinger aus dem 18. Jahrhundert entstehen konnte.[1] Andere Zuschreibungen nennen Dietrich Bonhoeffer, den Bischof Franz Hengsbach sowie die Heiligen Ignatius von Loyola und Franz von Assisi, wofür sich jedoch keine verbürgten Quellen finden.

Verbreitung

Heute findet sich das Gelassenheitsgebet häufig als Sinnspruch auf Alltagsgegenständen und in Zitatesammlungen. Die starke Verbreitung nach dem Zweiten Weltkrieg hängt vermutlich mit den Anonymen Alkoholikern zusammen, die das Gelassenheitsgebet in ihrer Literatur verwenden und bei Meetings gemeinsam sprechen. Die AA-Version unterscheidet sich in einem theologisch wichtigen Detail von Niebuhrs bevorzugter Version: die AA bitten um Gelassenheit (engl. Vorlage:"-en), Niebuhr um die Gnade der Gelassenheit (engl. Vorlage:"-en).[1] Auch in der Kognitiven Psychotherapie wird zuweilen das Gelassenheitsgebet zum Zweck der Kognitiven Umstrukturierung diskutiert.[2]

Geistesgeschichtlicher Hintergrund

Der geistesgeschichtliche Hintergrund des Gebets ist unverkennbar. Gleich im ersten Satz seines Handbüchleins der Moral unterscheidet der Stoiker Epiktet:

„Das eine steht in unserer Macht, das andere nicht. In unserer Macht stehen: Annehmen und Auffassen, Handeln-Wollen, Begehren und Ablehnen – alles, was wir selbst in Gang setzen und zu verantworten haben. Nicht in unserer Macht stehen: unser Körper, unser Besitz, unser gesellschaftliches Ansehen, unsere Stellung – kurz: alles, was wir selbst nicht in Gang setzen und zu verantworten haben.“

Präsent ist die stoische Tradition schon bei Friedrich Schiller: „Wohl dem Menschen, wenn er gelernt hat, zu ertragen, was er nicht ändern kann, und preiszugeben mit Würde, was er nicht retten kann.“[3]

Der Unterschied des Gelassenheitsgebets zum stoischen Denken besteht in der Ermunterung zur Änderung der änderbaren Dinge und der Bitte um die Weisheit der Unterscheidung.

Verwendungen

in Liedern

auf Tonträgern

  • LP Re-ac-tor von Neil Young (1981): Auf der Plattenhülle steht das Gebet in fehlerhaftem Latein: Deus, dona mihi serenitatem accipere res quae non possum mutare, fortitudinem mutare res quae possum, atque sapientiam differentiam cognoscere.
  • CD Serenity von Blood for Blood im Intro und Outro

in Filmen

in Büchern

Zitierte Quellen

  1. a b c Eberhard Zwink: Das falsche Oetinger-Gebet oder Das Gelassenheitsgebet. Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, 13. November 2001.
  2. Beate Wilken, Methoden der Kognitiven Umstruktierung. Ein Leitfaden für die psychotherapeutische Praxis, Verlag W. Kohlhammer: Stuttgart, Berlin, Köln 1998, 73 (unter Zuweisung des Gebets an Friedrich Oetinger).
  3. Essay „Über das Erhabene“