Strukturformel | |||||||||
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Allgemeines | |||||||||
Freiname | Tacrolimus | ||||||||
Summenformel | C44H69NO12·H2O | ||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||
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Arzneistoffangaben | |||||||||
ATC-Code | |||||||||
Wirkstoffklasse |
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Eigenschaften | |||||||||
Molare Masse | 804,02 g·mol−1 | ||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||
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Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Tacrolimus (auch FK506 oder FK-506) ist ein Makrolid aus dem gram-positiven Bakterium Streptomyces tsukubaensis. Tacrolimus wird verwendet als Arzneistoff aus der Gruppe der Immunmodulatoren oder Calcineurinhemmer, der 1994 erstmals von der FDA zugelassen wurde. Tacrolimus wird als selektives Immunsuppressivum gegen Abstoßungsreaktionen bei der Organtransplantation, sowie als Alternative zu den Glucocorticoiden beim atopischen Ekzem verwendet.
Struktur
Es handelt sich um ein makrozyklisches Lacton mit einer molaren Masse von 804,024 g·mol−1. Es konnte 1987 erstmals von japanischen Wissenschaftern aus dem Streptomyces tsukubaensis isoliert werden. Der äußerst hydrophobe Charakter des Moleküls hat bedeutende Auswirkungen auf die therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten von Tacrolimus als Arzneimittel.
Wirkung
Tacrolimus wirkt immunsuppressiv und antimikrobiell. Es ist in der Wirkung mit dem Polypeptid Ciclosporin vergleichbar, kann aber in niedrigeren Dosen eingesetzt werden.
Wirkungsmechanismus
Tacrolimus greift in den Stoffwechsel von T-Zellen ein und hemmt deren Aktivität. Es bindet an den zytosolischen Rezeptor, einem sogenannten Immunophilin innerhalb der Zielzelle. Der Komplex aus Immunophilin und Tacrolimus lagert sich an die Serin-Threonin-Phosphatase Calcineurin. Calcineurin kann nun nicht mehr aktiviert werden. Dadurch werden vermindert Zytokine (z. B. IL-2, c-myc, IL-3, TNFα, IFN-γ) in den T-Zellen synthetisiert und daraus freigesetzt, wodurch die Reaktion des Immunsystems auf transplantierte Organe unterbunden wird. Tacrolimus lässt sich damit in Bezug auf den Wirkmechanismus mit Ciclosporin vergleichen.
- orale Bioverfügbarkeit: 6–56 %, bei fettreicher Ernährung weniger
- Metabolismus: über Leber; CYP 3A4
- Halbwertszeit: 12–15 h bei Transplantationspatienten
- Ausscheidung: hauptsächlich über Fäzes
Verwendung
Tacrolimus wird einerseits systemisch (intravenös oder oral) als Immunsuppressivum bei Organtransplantationen verwendet, um die Abstoßung des transplantierten Organs zu verhindern. Es spielt dabei eine Rolle bei der Transplantation von Knochenmark, Leber, Herz, Lunge, Niere und Haut.
Tacrolimus kann auch systemisch bei chronischen Darmentzündungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) eingesetzt werden, wenn die herkömmlichen Medikamente keine ausreichende Wirkung zeigen, oder nicht vertragen werden. Auch ist eine Einnahme parallel zu Beginn einer Azathioprintherapie möglich, da die Wirkung von Azathioprin häufig erst mehrere Monate nach Therapiebeginn einsetzt. Tacrolimus wirkt dagegen schon nach einigen Tagen.
Andererseits wird Tacrolimus Salbe seit 10 Jahren erfolgreich zur äußerlichen Behandlung des atopischen Ekzems eingesetzt. Es wirkt dabei als Entzündungshemmer ähnlich den Kortikoiden, allerdings selektiver als diese. Die gesamte Substanzklasse der "topischen Kalzineurininhibitoren" Tacrolimus und Pimecrolimus bewirkt im Gegensatz zu Kortikosteroiden keine Verdünnung der Haut und erhöht, ebenfalls im Gegensatz zu Kortikosteroiden, nicht den Augeninnendruck - dafür sind andere Nebenwirkungen zu beachten. Neben der klassischen "reaktiven" Therapie sichtbarer Ekzemherde wurde Tacrolimus Salbe kürzlich auch zur langfristigen, "proaktiven" Behandlung zugelassen - hier wird die Anzahl der Ekzemschübe durch eine Minimaltherapie langfristig verringert.
Nebenwirkungen
Bezüglich der Nebenwirkungen ist eine Unterscheidung zwischen der Anwendung als Immunsuppressivum und der als topisches Arzneimittel für Ekzeme zu treffen. Bei systemischer Anwendung zu nennen sind Nephrotoxizität und Neurotoxizität. Die Nephrotoxizität kann bei Patienten mit einer Spenderniere einen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung einer chronischen Transplantatnephropathie liefern, so dass die Umstellung auf ein anderes Immunsuppresivum, das kein Calcineurin-Inhibitor ist, angezeigt sein kann.[2][3]
Außerdem trat eine Häufung von Krebs, speziell von Lymphomen auf. Des weiteren wurden gehäuft zentralnervöse Störungen wie Schwindel, Sehstörungen, Depressionen, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit beobachtet; auch Bluthochdruck, Krämpfe, Hypomagnesämie, Diabetes, Appetitlosigkeit und Hyperglykämie.[4]
Die Anwendung auf der Haut verursacht in den ersten Tagen der Behandlung sehr häufig Brennen, Juckreiz, Hitzegefühl und Rötung. Später kann dies kurz nach Genuss alkoholischer Getränke erneut auftreten. Da es theoretische Gründe zur Annahme gibt, dass auch die dermale Anwendung das Risiko für Lymphdrüsenkrebs (Lymphome) oder UV-Licht bedingten Hautkrebs erhöhen könnte, wird diesen Aspekten von Wissenschaftlern und Laienpresse besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wissenschaftliche Studien, die das Risiko für beide Erkrankungen unter äußerlicher Tacrolimus-Anwendung bei atopischem Ekzem untersucht haben, zeigten bisher jedoch gerade kein erhöhtes Krebsrisiko, sondern eine statistisch gesehen schützende Wirkung. Der wesentliche Risikofaktor für die Lymphomentstehung ist der Schweregrad des atopischen Ekzems.
Im Februar 2005 hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA eine Gesundheitswarnung für topisch anzuwendende Tacrolimus-Arzneimittel erlassen. Die Europäische Gesundheitsbehörde und die europäischen Ekzemexperten sind dieser Auffassung nicht gefolgt und haben zeitnah eine viel differenziertere, im Ergebnis klar positive Gesamteinschätzung der Tacrolimus-Salbe veröffentlicht.
Tacrolimus Salbe ist ab dem zweiten Lebensjahr zugelassen. Die Entscheidung für eine Behandlung mit Tacrolimus Salbe ist von zahlreichen Faktoren abhängig und erfordert eine Einzelfallentscheidung. Dies betrifft auch die kürzlich neu zugelassene proaktive Therapie, bei der eine langfristige, minimale Erhaltungstherapie des unsichtbaren Minimalekzems zur Verhinderung von Ekzemschüben durchgeführt wird.[5] Der Abbaumechanismus (Cytochrom P450) gibt außerdem Anlass zur Vorsicht bei Vielfachmedikation sowie dem Genuss von Grapefruitsaft.
Handelsnamen
- systemisch: Advagraf (D, A), Modigraf (A), Prograf (D, A, CH), sowie ein Generikum (A)
- topisch: Protopic (D, A, CH)
Literatur
- Kino T, Hatanaka H, Hashimoto M et al.: FK-506, a novel immunosuppressant isolated from a Streptomyces. I. Fermentation, isolation, and physicochemical and biological characteristics. J Antibiot (Tokyo) 1987; 40(9): 1249–1255 (Link zur engl. Kurzfassung [1])
- Arellano FM, Wentworth CE, Arana A, Fernandez C, Paul CF. Risk of lymphoma following exposure to calcineurin inhibitors and topical steroids in patients with atopic dermatitis. J Invest Dermatol. 2007 Apr;127(4):808-16.
- Margolis DJ, Hoffstad O, Bilker W. Lack of association between exposure to topical calcineurin inhibitors and skin cancer in adults. Dermatology. 2007;214(4):289-95.
- Bieber T, Cork M, Ellis C, Girolomoni G, Groves R, Langley R, et al. Consensus statement on the safety profile of topical calcineurin inhibitors. Dermatology. 2005;211(2):77-8.
- Darsow U, Wollenberg A, Simon D, Taieb A, Werfel T, Oranje A, et al. ETFAD/EADV eczema task force 2009 position paper on diagnosis and treatment of atopic dermatitis. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2009 Aug 31.
- Wollenberg A, Frank R, Kroth J, Ruzicka T. Proaktive Therapie des atopischen Ekzems - Ein evidenzbasiertes Therapiekonzept mit verhaltenstherapeutischem Hintergrund. J Dtsch Dermatol Ges. 2009;7:117-21.
Einzelnachweise
- ↑ a b Sicherheitsdatenblatt Sigma-Aldrich
- ↑ Umstellung der Abstoßungsprophylaxe auf Sirolimus - Chance auf längeren Erhalt der Nierentransplantatfunktion. In: Dialyse aktuell 12, 2008, S. 526–528. doi:10.1055/s-0028-1104662
- ↑ R. K. Wali und M. R. Weir: Chronic allograft dysfunction: can we use mammalian target of rapamycin inhibitors to replace calcineurin inhibitors to preserve graft function? In: Curr Opin Organ Transplant 13, 2008, S. 614–621. PMID 19060552 (Review)
- ↑ Hanifin JM, Paller AS, Eichenfield L, Clark RA, Korman N, Weinstein G, Caro I, Jaracz E, Rico MJ; US Tacrolimus Ointment Study Group: Efficacy and safety of tacrolimus ointment treatment for up to 4 years in patients with atopic dermatitis. In: J Am Acad Derm. 53. Jahrgang, 2 suppl 2, 2005, PMID 16021174, S. S186–94.
- ↑ N H Cox and Catherine H Smith: Advice to dermatologists re topical tacrolimus. In: Therapy Guidelines Committee. British Association of Dermatologists, Dezember 2002, abgerufen am 23. Juli 2009.