Die EWTO (Europäische WingTsun-Organisation) ist eine große kommerzielle Wing Chun-Organisation. Sie ist in über 60 Ländern mit über 2000 Schulen vertreten (2006), an denen 50.000 Schüler unterrichtet wurden. Gründer, Leiter und Cheftrainer der Organisation ist der in der Kampfkunstszene umstrittene Keith R. Kernspecht.
Ausgangspunkt der Kommerzialisierung des Wing Chun
Die EWTO wurde von Keith R. Kernspecht 1976 in Kiel in Anlehnung an die IWTA (International Wing Tsun Association) gegründet, deren Leiter und Gründer Kernspechts Lehrer Leung Ting ist. Die EWTO hat maßgeblich zur starken Kommerzialisierung der Kampfkunst Wing Chun in Europa beigetragen. Mittlerweile gibt es zahlreiche weitere Wing-Chun-Organisationen, die nach dem Vorbild der EWTO und häufig auch von ehemaligen Schülern der EWTO gegründet wurden, wie beispielsweise die Organisationen von Emin Boztepe, Birol Özden, Salih Avci oder Klaus Dingeldein.
Gemeinsames Merkmal der EWTO und vieler daraus hervorgegangener Organisationen ist, dass sie nicht gemeinnützig, sondern kommerziell arbeiten und hierarchisch strukturiert sind, häufig als Franchising-Unternehmen. An der Spitze der Hierarchie steht dabei der Gründer, der häufig auch als „Großmeister“ auftritt und sich selbst den höchsten Grad der Kampfkunst verliehen hat oder von einer anderen kommerziell, bzw. organisatorisch verbundenen Person verliehen bekam. Während die niedrigeren Grade auch von den angegliederten Schulen verliehen werden können, können die höheren Grade nur in Prüfungen beim „Großmeister“ selbst erworben werden.
Häufig lassen sich die Organisationen darüberhinaus eine bestimmte, leicht veränderte Schreibweise von Wing Chun als Marke rechtlich schützen. So hatte die EWTO beispielsweise die Marken Wing Tsun und Leung Ting WingTsun europaweit rechtlich geschützt, jedoch ist die Marke Wing Tsun im März 2009 für Dienstleistungen der Markenklasse 41 (u.a. Sportunterricht) für nichtig erklärt worden[1].
Unterrichtsinhalte
- Wing Tsun
- Die Kampfkunst Wing Tsun ist der Kern der EWTO. Das Leung Ting WingTsun ist, zumindest im europäischen Raum, die bekannteste Form des Wing Chun und die EWTO nach eigenen Angaben der größte professionelle Kampfkunstverband der Welt.
- Wing Tsun unterscheidet sich stark von den anderen Wing-Chun-Linien. Es wird vermittelt, nicht gegen die Kraft des Gegners zu arbeiten, sondern die Angriffe „weich“ aufzunehmen und die Kraft gegen den Gegner einzusetzen. Wing Tsun versteht sich selbst als weicher Stil, im Gegensatz zu den meisten anderen Wing-Chun-Stilen.
- Das Chi Sao wird in der EWTO in mehreren sogenannten Sektionen (Übungsabläufen) unterrichtet, die nach den verschiedenen Formen geordnet sind.
- BlitzDefence
- 2000 wurde in der EWTO BlitzDefence eingeführt. BlitzDefence besteht aus Techniken des Wing Tsun, zusätzlich wurde der Ritualkampf und der non-verbale Vorkampf eingebaut. 2003 wurde zum Thema das Buch „Verteidige Dich“ mit speziell auf Frauen abgestimmten Verteidigungsstrategien publiziert.
- WT-ChiKung
- WT-ChiKung ist die Gesundheitssparte der EWTO. Hierbei geht es hauptsächlich um Dehnungs- und Kräftigungsübungen, mit denen das muskuläre Gleichgewicht wieder hergestellt wird. Außerdem wird auf die Ernährung eingegangen, wobei größtenteils Theorien aus dem nicht-schulmedizinischen Bereich unterrichtet werden. Die gesamten Übungen werden aber untermauert von Medizinern, Heilpraktikern und Sportpädagogen die an der weiterentwicklung des EWTO-ChiKungs mitwirken
- WT-ChiKung hat mit traditionellem Qigong nur sehr wenig zu tun.
- Escrima
- Seit 1977 wird außerdem Escrima (anfangs PMAS-Escrima, später Latosa-Escrima genannt) unterrichtet.
- Cheftrainer ist derzeit William Newman.
Geschichte
Im Jahr 1967 wurde der „Budo Zirkel Kiel“ als Vorläufer der EWTO am Abendgymnasium Kiel gegründet. Trainiert wurde hier unter anderem Kempo, Wushu, Jiu Jitsu und Ringen. Erst später eröffnete eine Wing-Chun-Abteilung im Budo-Zirkel.
1976 wurde die EWTO von Keith R. Kernspecht mit Sitz in Kiel gegründet.
1980 verlagerte die EWTO ihr Hauptquartier nach Heidelberg, wo sie in den Jahren 1982 bis 2009 ihren Hauptsitz im Schloss Langenzell hatte. Dort wurden Ausbilder unterrichtet und Lehrgänge abgehalten.
Studium
Die Organisation bietet in Zusammenarbeit mit der Staatsuniversität Plovdiv (Bulgarien) ein Sportpädagogik-Fernstudium mit Schwerpunkt Wing Tsun an. Nach zehn Semestern haben die Teilnehmer den Abschluss „Magister in Sportpädagogik mit Spezialisierung Wing Tsun“ erreicht, der erste Studiengang endete 2009.