Gerechter Krieg

Lehre/Frage, wann ein Krieg gerecht ist
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Der Ausdruck gerechter Krieg (lat.: bellum iustum) bezeichnet in der klassischen Vorstellung einen Krieg, der bestimmte moralische und rechtliche Bedingungen erfüllt.

Geschichte

Die Lehre vom Gerechten Krieg ist im Christentum nach der konstantinischen Wende entstanden, als das Christentum zur Staatsreligion wurde und sich dadurch mit der Notwendigkeit Krieg zu führen auseinandersetzen musste.

Wenn auch das Urchristentum den Krieg generell aus ungerecht ansah und die Beteiligung daran als Götzendienst verurteilte, war diese Einstellung für einen christlichern Staat nicht mehr auf Dauer durchzuhalten.

Unter Rückgriff auf antike Wurzeln (Cicero) entfalteten bald Ambrosius von Mailand und Augustinus von Hippo eine ausgefeilte Lehre vom gerechten Krieg. Die Folge innerhalb der Kirche war u.a., dass Fahnenflüchtige von den Sakramenten ausgeschlossen wurden. Später war Thomas von Aquin für die Systematisierung dieser Lehre wichtig. Thomas von Aquin nennt legitima potestas, causa iusta und recta intentio als Bedingungen. Später kamen noch debitus modus und ultima ratio dazu.

Vor allem seit Hugo Grotius wurde die christliche Vorstellung vom gerechten Krieg mehr und mehr durch das säkulare Völkerrecht verdrängt, für das andere Maßstäbe gelten. Im muslimischem Bereich gibt es in der Lehre vom Dschihad Entsprechungen zur christlichen Vorstellung vom gerechten Krieg.

Im 19. und 20. Jahrhundert kamen weitere Bedingungen hinzu. Heute gewinnt die Auffassung, dass ein legitimer Krieg die Zustimmung der UNO erfordert, an Boden, ohne sich jedoch bisher durgesetzt zu haben.

Nach dieser Auffassung ist für einen gerechten Krieg die Erfüllung folgende Kriterien nötig:

  • ein gerechter Grund (causa justa)
  • die rechte Absicht, der Wille zur Gerechtigkeit (intentio recta). Dazu kann Vergeltung zählen, nicht aber Habgier.
  • eine obrigkeitliche Kriegserklärung (legitima auctoritas)
  • die Verhältnismäßigkeit (debitus modus), ein übermäßiger Verschleiß menschlicher wie technischer Ressourcen sei zu vermeiden. Die Missstände nach dem Krieg sollten nicht die Misstände vor dem Krieg in den Schatten stellen.
  • Krieg ist ultima ratio. Solange nicht alle vernünftigen diplomatischen und politischen Mittel ausgeschöpft sind, kann man von Gerechtem Krieg nicht sprechen.

In der Neuzeit kamen noch folgende Bedingungen hinzu:

  • Ein Gerechter Krieg unterscheidet bei der Auswahl seiner Ziele. Er richtet sich gegen die militärischen Verursacher des Übels und schont die Zivilbevölkerung. Er unterlässt die Bombardierung ziviler Wohngebiete, die kein militärisches Ziel darstellen, sowie Terrorakte oder Repressalien gegen die Zivilbevölkerung.
  • Ein gerechter Krieg hat das Prinzip der Proportionatität achten. Die aufgewendete Stärke hat dem Übel zu widerstehen, und dem Guten zum Wachstum zu verhelfen. Je höher die Zahl der Kollateralschäden, desto verdächtiger der moralische Anspruch der kriegführenden Partei.
  • Die Folter ist untersagt.
  • Kriegsgefangene sind human zu behandeln.

Die Folgen der großen Kriege des 20. Jahrhunderts leiteten auf kirchlicher Seite ein Umdenken ein. Die 1. Vollversammlung des ÖRK (1948) formulierte mit dem Satz Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein eine grundsätzliche Absage an eine Gerechtigkeit moderner (Nuklear)kriege, sowie eine Absage an die "ultima ratio"-Option. Auch der prinzipielle Pazifismus fand Unterstützer.

Auf katholischer Seite wurde das ius ad bellum auf eine sittlich begründete Verteidigung reduziert, sowie eine anerkannte Weltautorität gefordert.

In den Auseinandersetzungen des Kalten Krieges suchten die Kirchen in beiden Teilen Deutschlands in den 1980er jahren die Idee eines "Gerechten Friedens" anstelle der Lehre vom Gerechten Krieg zu etablieren. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wird jedoch wieder verstärkt für das "Verteidigungsrecht" "militärische Zwangsmaßnahmen" bzw. humanitäre Interventionen argumentiert.

Kritik

Das Konzept des gerechten Krieges wird von Pazifisten weit gehend abgelehnt, weil ihrer Auffassung nach

  • Krieg, insbesondere in Anbetracht der Vernichtungskraft der modernen Waffen, kein unter ethischen Gesichtspunkten zu rechtfertigendes und verhältnismäßiges Mittel zur Herstellung gerechter Verhältnisse sein kann. Im Gegenteil bildet das durch einen Krieg verursachte Leid häufig den Keim für den nächsten Krieg, wie an der Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg gezeigt werden kann.
  • die "Zähmung" und Begrenzung von Kriegsführung zum Scheitern verurteilt ist, da sich mit der stets postulierten Gerechtigkeit der eigenen Sache und der in Gang gesetzten Gewaltspirale jede Maßnahme und Eskalation bis hin zum totalen Krieg (scheinbar) rechtfertigen lässt. In diesem Zusammenhang ist auch die Fragwürdigkeit der Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten zu sehen: In Anbetracht von Wehrpflicht und der damit verbundenen Massenmobilisierung ganzer Bevölkerungen ist jede(r) (potentieller) Kombattant, wie sich am deutschen Volkssturm zeigte; zum anderen ist ethisch schwer begründbar, weshalb ein Mensch, der in eine Uniform gezwungen wurde weniger schützenswert sein sollte als einer, der mit Begeisterung in der Waffenproduktion oder der Aufrechterhaltung der Kriegswirtschaft arbeitet.

Theoretiker des gerechten Krieges

siehe auch