Als Kármánsche Wirbelstraße bezeichnet man ein Phänomen in der Strömungsmechanik, bei der sich hinter einem umströmten Körper gegenläufige Wirbel ausbilden. Die Wirbelstraßen wurden von Theodore von Kármán erstmals 1911 nachgewiesen und berechnet.
Wirbelbildung
Wird ein Körper mit niedriger Geschwindigkeit angeströmt, fließt die Strömung bei einer kleinen Reynolds-Zahl Re<<1 laminar. Bei höheren Geschwindigkeiten und einem Anwachsen von Re bilden sich zunächst stationäre Wirbel aus. Bei weiterer Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit lösen sich die Wirbel ab und bilden ein mehr oder weniger periodisch verlaufendes Wirbelsystem aus, eine Wirbelstraße. Die Wirbel entstehen an der linken und rechten Seite des umströmten Körpers. Ihr Drehsinn ist entgegengesetzt zueinander. Die Strömung zwischen ihnen verläuft in Richtung des Körpers, also gegensinning zur äußeren Strömung. Dieses Muster ist noch stabil bis zu Reynoldszahlen von ca. Re = 10000. Danach wird das Strömungsfeld chaotisch. Außerhalb der turbulenten Zone kann die Strömung laminar abfließen. Dadurch verleiht die Zone dem Körper eine verbesserte Stromlinienform, der Strömungswiderstand nimmt ab.
Beispiele
Wirbel und Wirbelstraßen sind ein häufiges Phänomen. Nur ihre Beobachtung ist nicht ganz einfach. Luftströmungen lassen sich nicht ohne weiteres erkennen. Wasserwirbel sind genauso durchscheinend wie Wasser selbst. Bei genauer Beobachtung wird man sie in der Badewanne entdecken, wenn man mit dem Finger durch das Wasser fährt. Versetzt man eine Flüssigkeit hoher Viskosität, z.B. ein Wasser-Glyzeringemisch, teilweise mit Lebensmittelfarbe, lassen die Farbfäden die Rotationsrichtungen erkennen.
Das Bild rechts zeigt einen kleinen Bach. Hinter einem Stein bilden sich kleine Wasserwirbel. Die Pfeile markieren drei von ihnen. Links vom Stein außerhalb vom Bild beobachtet man ähnliche Strukturen. Das Hindernis ist zu groß, weshalb sich beide Wirbelbänder nicht zu einer einzigen Wirbelstraße vereinigen können.
Die Videosequenz (Gif-Grafik, 500 kByte) zeigt, wie sich Wirbel an einem Hindernis bilden, ihr Mitfließen mit der Strömung und ihre Rotation hin zum Hindernis.
Kármánsche Wirbelstraßen können sich z.B. hinter Inselgruppen bilden, die hoch aus dem Meer ragen. Die Turbolenzen sind dann auf Luftaufnahmen als riesige Wolkenstrukturen erkennbar, siehe Satellitenaufnahme links.
Entspricht die Ablösefrequenz der Wirbel der Eigenfrequenz des umströmten Körpers, wird er in Schwingen versetzt. Ein bekanntes Beispiel sind Äolsharfen. Aber auch das periodische Ablösen der Wirbel selbst kann man hören, z.B. als Zischen oder Pfeifen singender Stromdrähte im Wind.
Im Extremfall zerstören die Schwingungen Bauwerke. So stürzte am 7. November 1940 die Tacoma Narrows Bridge, eine 2 km lange Hängebrücke im Bundesstaat Washington ein. Ein leichter Sturm mit einer Windgeschwindigkeit von 67 km/h führte zur Ausbildung einer Kármánschen Wirbelstraße, deren Wirbel sich an den Rändern der Brücke mit einer Frequenz ablösten, die der Eigenfrequenz der Brücke entsprachen. Durch die auftretende Resonanzschwingung schaukelte sich die Brücke immer weiter auf, bis sie nach einer Stunde auseinander brach.