Hexenlehre
Die Hexenlehre wurde erst in der Frühen Neuzeit (15. - 18. Jahrhundert) vollständig entwickelt. Zur Hexenlehre zählten die damaligen "Wissenschaftler", die heute oft als Hexentheoretiker bezeichnet werden, als Hauptelement den Teufelspakt, der sogleich mit dem Vertrag mit dem Teufel auch einen Abfall von Gott und somit Gotteslästerung bedeutete. Eng mit der Vorstellung eines Paktes mit dem Teufel war die Vorstellung der so genannten Teufelsbuhlschaft verknüpft. Hierunter ist der Geschlechtsverkehr zwischen Hexe/Hexer und Teufel zu verstehen. Als drittes Element wurde der Hexensabbat in Verbindung mit dem Hexenflug genannt und das vierte Element der Hexenlehre stellte die Schadenszauberei dar.
Unheilvolle Bedeutung gewann diese Hexenlehre im Zusammenhang mit den Hexenprozessen. Lieferten der Teufelspakt, die Teufelsbuhlschaft und die angebliche Schadenszauberei die Inhalte für die Zusammenstellung der Straftatbestände angeblicher Hexen, so lieferte die vermeintliche Anwesenheit an Hexensabbaten die Begründung für eine weitere Anwendung der Folter - denn schließlich galt es, weitere Hexen herauszupressen, die man doch auf dem Sabbat gesehen haben musste! Der Hexenflug, der als Zeichen für die durch den Teufel vermittelten übernatürlichen Eigenschaften der Hexen galt, gab eine Begründung für die Wirksamkeit des Hexenbades. Schwammen die angeblichen Hexen mit überkreuz gebundenen Händen und Füßen an der Oberfläche, so galt dies als Zeichen ihrer teuflischen Leichtigkeit, was oft als starkes Indiz für die Schuld der Angeklagten galt.
Chronologische Darstellung der Entwicklung der Hexenlehre
Altertum
- durch Assyrer, Babylonier und vor allem durch die Griechen wird der Glaube an Zwischenwesen (Dämonen) manifestiert
- diese philosophischen Erkenntnisse werden im römischen Staat verzerrt und in den Götterkult integriert
- im Judentum bzw. Christentum übernimmt immer mehr der Teufel die Rolle eines personifizierten Bösen
3./4. Jh. n.Chr.
- das Christentum wird Staatsreligion im römischen Reich und baut die alten Glaubensvorstellungen von Dämonen und Götter in die eigene Religion ein
- die Kirchenväter stellen die nun modifizierte Dämonologie als 'Glaubenswahrheit' hin
um 800
- Karl der Große verbietet die Zaubererverfolgung in seinen Gesetzen
um 900
- der canon episcopi, Bestandteil des kanonischen Rechts, lehnt einen Glauben an Hexen und Hexenflug als Phantasiegespinst ab
um 1199
- Papst Innozenz III. (1198 - 1216) setzt kirchliche Sonderbeauftragte zur Durchführung der Inquisition gegen Ketzer ein
1219 - 22
- Caesarius von Heisterbach verfasst sein Buch 'Dialogus miraculorum', in dem er das Treiben von Hexen beschreibt
im 13. Jh.
- Ausbau der Inquisition unter der Päpsten Gregor IX. (1227 - 1241) bis Bonifatius VIII. (1294 - 1300)
1224
- Kaiser Friedrich II. setzt den Tod auf dem Scheiterhaufen als Strafe für Ketzer ein
um 1225
- Sachsenspiegel sieht die Feuerstrafe für Ketzerei und Zauberei vor
1229
- Konzil von Toulouse regelt Verfahren und Bestrafung bei Ketzerei, wobei kirchliche und weltliche Gewalt Hand in Hand arbeiten sollen
1248
- Papst Innozenz IV. überträgt offiziell die Inquisition an die Dominikaner
Mitte 13.Jh.
- die Gelehrten der Hochscholastik geben dem Dämonenglauben wieder eine bedeutende Stellung im Rahmen der Theologie
ca. 1225 - 1274
- Thomas von Aquin, scholastischer Gelehrter und einer der Kirchenlehrer, integriert die Teufelsbuhlschaft, die Hexenluftfahrt, die Tierverwandlung und das Wettermachen ebenso wie den Teufelspakt in die Vorstellung von schadensbringenden Weibern, aus denen später die Hexenvorstellungen hervorgehen, jetzt aber noch gleichsam wie in einem 'Dornröschenschlaf' ausharren
ab 14. Jh.
- allmähliche Gleichsetzung von Ketzerei und Zauberei, da bei beiden Delikten der zentrale Vorwurf der des Abfalls von Gott und der Hinwendung zum Teufel ist
ca. 1300
- Arnaldus de Villanova (1235 - 1315) schreibt 'De maleficiis'
ca. 1330
- das Buch 'Super materia haereticorum' von Zanchinus Ugolini (1302 - 1340) wird veröffentlicht
1323
- Thomas von Aquin wird heilig gesprochen - noch aber harren seine Definition die Hexerei betreffend der erlösenden Entdeckung und Würdigung, noch können sie ihre unheilvolle Wirkung nicht entfalten
1370 / 1376
- Nicolaus Emericus (1320 - 1399) schreibt seine Zaubertraktate 'Tractatus contra daemonum invocatores' und 'Directorium Inquisitorum'
seit dem 15. Jh.
- Thomas von Aquin wird mit dem Ehrentitel doctor angelicus ausgezeichnet und seine Lehren werden dementsprechend immer mehr verehrt
ca. 1435 - 1437
- Johannes Nider (1385 - 1438) schreibt sein Buch 'Formicarius'
ca. 1450
- die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg legt den Grundstein zur Verbreitung des bald perfekt definierten Hexenglaubens
1458
- Nicolas Jacquiers 'Flagellum Haereticorum Fascinariorum' wird veröffentlicht
ca. 1460
- Girolamo Visconti schreibt 'Lamiarum sive striarum opusculum'
1482
- Bernard Basin verfasst 'Tractatus de artibus magicis et magorum maleficiis'
1484
- Papst Innozenz VIII. (1484 - 92) unterzeichnet die Bulle Summis desiderantes affectibus und erlaubt damit die uneingeschränkte Hexenverfolgung in Deutschland
1487
- Heinrich Institoris und Jakob Sprenger (? she.da) veröffentlichen mit ihrem Buch 'Malleus Maleficarum' (= 'Der Hexenhammer') das erste wirkliche Hexentraktat, da hier die vollständige Hexenlehre mit all ihren mittlerweile dazu gekommenen Elementen systematisch präsentiert wird - alle folgenden Hexentraktate sind entweder Kopien des Hexenhammers oder sie behandeln Teilaspekte intensiver oder sie versuchen die Theorie im Ganzen oder in Teilbereichen zu widerlegen
Ende 15. bis Mitte 17. Jh.
- Hochphase der europäischen Hexenverfolgung
- zahlreiche Traktate im Sinne der Hexenlehre und einige wenige, die gegen den Hexenglauben gerichtet sind, werden verfasst (vgl. dazu auch den Artikel Hexentheoretiker, in dem weitere Autoren mit ihren Werken aufgeführt werden)
nach 1700
- immer mehr 'hält die Vernunft Einzug' in die Wissenschaft, wovon auch die Hexenlehre nicht unbeeinflusst bleibt
- langsames Verdrängen der Folter aus der Gerichtspraxis durch die Vorstellungen der Aufklärung
1775, 11. April
- Anna Maria Schwägel wird als letzte Hexe offiziell in Deutschland verurteilt und hingerichtet
ab 1800
- nur noch vereinzelte Hexenprozesse (wenn Todesfälle vorkommen, dann im Zusammenhang mit Lynchjustiz durch das Volk)
- die Hexe wird in das Märchenreich verbannt
- der Teufel spielt immer mehr nur noch eine untergeordnete Rolle in der Vorstellungswelt der Menschen
1954
- letzter in England geführter Prozess gegen eine Hexe, wobei man sich auf ein Hexengesetz aus dem Jahr 1754 berief (allerdings kam es zu keiner Verurteilung)
ab 2. Hälfte des 20. Jh.
- vermehrte künstliche Wiederbelebung der vermeintlichen Hexenkulte, z. T. auch im Sinne der frühneuzeitlichen Hexenlehre
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