Pille danach

Präparat zur postkoitalen Empfängnisverhütung
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Die Pille danach ist die umgangssprachliche Bezeichnung für ein hormonell wirksames Präparat zur postkoitalen Empfängnisverhütung, das nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr eine ungewollte Schwangerschaft verhindern kann. Als aktive Substanz werden das Gestagenderivat Levonorgestrel oder der Progesteron-Rezeptor-Modulator Ulipristal eingesetzt.

Die Pille danach muss so früh wie möglich und innerhalb einer bestimmten Frist nach dem ersten ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Sie wird zur Notfallverhütung eingesetzt, zum Beispiel nach einer Vergewaltigung oder wenn bekannt ist, dass ein anderes Verhütungsmittel versagt hat. Die Pille danach ist nicht zur regelmäßigen Empfängnisverhütung geeignet und stört den natürlichen Menstruationszyklus.[1]

Die Wirkungsweise der Pille danach ist dominiert von ihrer ovulationshemmenden Wirkung. Zusätzlich werden andere Mechanismen diskutiert.

Die Pille danach darf nicht mit der Abtreibungspille verwechselt werden.

Wirkungsmechanismus

Levonorgestrel

Die Wirksamkeit von Levonorgestrel ist abhängig vom Zeitpunkt der Einnahme, die bis spätestens 72 Stunden (3 Tage) nach dem Geschlechtsverkehr erfolgen muss. Eine mögliche Schwangerschaft wird umso sicherer verhindert, je früher die Einnahme erfolgt. Bei Einnahme der ersten Dosis innerhalb von 24 Stunden liegt die Rate der Schwangerschaften bei etwa 0,4 %. Wird die „Pille danach“ erstmalig am zweiten Tag nach dem Geschlechtsverkehr genommen, beträgt die Schwangerschaftsrate etwa 1,2 % und 2,7 % bei Einnahme am dritten Tag.[2][3]

Der genaue Wirkungsmechanismus der Notfallkontrazeption ist nicht vollständig geklärt. Als Hauptwirkung der „Pille danach“ wird in der medizinischen Fachliteratur die Verhinderung des Eisprungs (Ovulation) angegeben, also die ovulationshemmende Wirkung. Der Eisprung ist die Voraussetzung für eine Befruchtung der Eizelle durch ein Spermium.[2][3] Die Reifung der Eizelle und der Eisprung werden durch Hormone gesteuert. Ein sprunghafter Anstieg der Konzentration des Luteinisierenden Hormons (LH) im Blut löst ca. 14 bis 16 Tage vor der nächsten Menstruation den Eisprung aus. Hormone aus der Gruppe der Gestagene hemmen die Ausschüttung von LH. Levonorgestrel – der Wirkstoff der Pille danach – ist ein künstlich hergestelltes Gestagen, das gezielt die LH-Ausschüttung und damit den Eisprung verhindert.

Neben der Wirkung auf den Eisprung wurde experimentell eine Verminderung der Beweglichkeit und Funktionsfähigkeit von Spermien durch die Notfallkontrazeption festgestellt. Die Gabe von Levonorgestrel führt zu einer verminderten Zahl von Spermien in der Gebärmutter. Levonorgestrel bewirkt, dass das Sekret der Drüsen der Gebärmutterschleimhaut weniger sauer wird (der pH-Wert des Sekretes erhöht sich), was eine verminderte Beweglichkeit der Spermien zur Folge hat. Daneben bewirkt Levonorgestrel ein zäheres Sekret des Gebärmutterhalses. Infolge dessen wird die Wanderung weiterer Spermien aus der Vagina in die Gebärmutter unwahrscheinlicher.[2]

Ob Levonorgestrel die Einnistung (Nidation) bereits befruchteter Eizellen in die Gebärmutterschleimhaut hemmt, ist wissenschaftlich umstritten. Direkte Hinweise für eine solche Nidationshemmung existieren nicht. Für indirekte Hinweise, wie beispielsweise Veränderungen der Struktur und Funktion der Gebärmutterschleimhaut durch die Gabe der „Pille danach“, die möglicherweise die Einnistung der befruchteten Eizelle verhindern könnten, existieren sowohl bestätigende als auch verneinende Untersuchungen. Insgesamt werden solche Effekte, die nach Befruchtung der Eizelle erfolgen (post-fertilization effects) als wenig relevant für die empfängnisverhütende Wirkung der „Pille danach“ angesehen. Diskutiert wird, ob die Fehlschläge der Notfallkontrazeption nicht darauf zurückzuführen sind, dass die „Pille danach“ die Einnistung einer befruchteten Eizelle gerade nicht beeinträchtigt.[2]

Wissenschaftlich gesichert ist, dass Levonorgestrel wirkungslos ist, wenn sich die befruchtete Eizelle bereits in der Gebärmutterschleimhaut eingenistet hat. Die Einnahme von Levonorgestrel wirkt sich nicht negativ auf bereits bestehende Schwangerschaften aus.[2][4]

Ulipristal

Die Einnahme von Ulipristal (EllaOne)muss innerhalb von 120 Stunden (5 Tagen) nach dem Geschlechtsverkehr erfolgen. Ulipristal wirkt am Progesteron-Rezeptor: es verhindert das Andocken des körpereigenen Sexualhomons Progesteron, so dass diese seine Wirkung nicht entfalten kann. Der Eisprung wird verhindert oder verzögert. Die Bildung von Proteinen, die für den Beginn und Erhalt einer Schwangerschaft notwendig sind, wird unterdrückt. Eine bereits bestehende Schwangerschaft muss vor Einnahme des Medikamentes ausgeschlossen werden.[5]

Unerwünschte Wirkungen

Sehr häufig (in über 10 % der Fälle auftretende) unerwünschte Wirkungen nach Einnahme von Levonorgestrel sind Übelkeit, Kopfschmerzen und Unterbauchschmerzen. Unabhängig von der Menstruation können Blutungen auftreten (Zwischenblutungen). Die nachfolgende Menstruationsblutung kann verspätet einsetzen. Bei Erbrechen bis zu drei Stunden nach Einnahme der Pille danach wird eine erneute Einnahme von Levonorgestrel empfohlen. Übelkeit und Erbrechen können mit Metoclopramid behandelt werden.[3]

Auch nach der Gabe von Ulipristal sind die häufigsten Nebenwirkungen Unterleibsschmerzen, Menstruationsstörungen, Übelkeit und Kopfschmerzen.

Verschreibungsstatus

In 17 europäischen Ländern ist Levonorgestrel zur postkoitalen Empfängnisverhütung ohne Rezept erhältlich. Da es sobald wie möglich nach ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden sollte, ist es wichtig, dass Frauen das Präparat schnell erhalten können. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt aufgrund der guten Verträglichkeit von Levonorgestrel, und weil eine ärztliche Untersuchung vor der Einnahme nicht nötig ist, die Pille danach rezeptfrei zugänglich zu machen. Frauen können damit ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche vermeiden.

Ulipristal ist Bestandteil eines im März 2009 zugelassenen Arzneimittels und ist verschreibungspflichtig.

Österreich

Ab 2005 waren Liberalisierungsbestrebungen im Gange, Levonorgestrel als Pille danach rezeptfrei zugänglich zu machen. Übergangsweise existierte eine „Notfallregelung“ auf Länderebene, so dass in den östlichen Bundesländern die Apotheker im freien Ermessen das Präparat auch ohne Rezept aushändigen durften.

Am 18. Dezember 2009 wurde schließlich ein Bescheid erlassen, der die Pille danach mit sofortiger Wirkung rezeptfrei erwerbbar macht.[6] Während sich im Jahre 2007 die Grünen und die SPÖ eindeutig für eine Liberalisierung ausgesprochen haben, war die FPÖ gegen die Aufhebung der Rezeptpflicht und die ÖVP ohne klare Stellung. Ein wichtiger Streitpunkt war, dass durch die Aufgabe der Rezeptpflicht auch das Werbeverbot entfallen würde.[7][8]

Schweiz

In der Schweiz ist die Pille danach seit November 2002 als einzelne Tablette zu 1,5 mg Levonorgestrel rezeptfrei[9] erhältlich. Das Arzneimittel darf ohne Rezept nur nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Apotheker abgegeben werden.

Deutschland

Die Pille danach ist in Deutschland verschreibungspflichtig. Obwohl sich der zuständige Ausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Jahr 2004 dafür ausgesprochen hat, die Pille danach auf der Basis des Hormons Levonorgestrel aus der Rezeptpflicht zu entlassen, wurde die Abgaberegelung nicht geändert. Um die Rezeptpflicht aufzuheben, müsste eine entsprechende Vorlage des Bundesministeriums für Gesundheit durch den Bundesrat verabschiedet werden. In den Jahren 2004 und 2005 wurde das Bundesministerium für Gesundheit in dieser Frage nicht aktiv. In der großen Koalition war diese Änderung nicht Bestandteil des Koalitionsvertrages.

Andere europäische Länder

In Dänemark, Griechenland, den Niederlanden, Frankreich (seit Mitte der neunziger Jahre), Luxemburg (seit 2005) und Großbritannien ist Levonorgestrel zur postkoitalen Empfängnisverhütung in jeder Apotheke rezeptfrei erhältlich.

Außerdem werden in Großbritannien und Frankreich diese Präparate in Schulen bei Bedarf an Schülerinnen abgegeben.

In Italien ist Levonorgestrel als Pille danach rezeptpflichtig.

USA

Die Pille danach mit dem Arzneistoff Levonorgestrel ist in den USA seit April 2009, nach einer richterlichen Anweisung an die FDA, für Frauen ab 17 Jahren rezeptfrei abzugeben.[10] Für jüngere Frauen ist sie verschreibungspflichtig.

Handelspräparate

Levonorgestrel: Unofem (DE), Levogynon (DE), Duofem, NorLevo (DK) NorLevo Uno (CH), Vikela (AT), Postinor, Plan B (USA, CAN)

Die meisten Präparate enthalten nur eine einzige Tablette mit 1,5 mg Levonorgestrel. Teilweise gibt es Präparate zu 2 Tabletten mit jeweils 0,75 mg Levonorgestrel. Für die Wirkung ist es unerheblich, ob die notwendige Dosis auf eine oder zwei Tabletten aufgeteilt wird. Die Kombination aus den Hormonen Östrogen und Gestagen (Yuzpe-Methode, z.B. Tetragynon) wird wegen der erheblichen Nebenwirkungen nicht mehr verwendet.

Ulipristal: ellaOne (EU)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://www.ratgeber-pille.net/Pille-danach.html
  2. a b c d e Horacio B. Croxatto, Maria E. Ortiz, Andrés L. Müller: Mechanisms of action of emergency contraception. In: Steroids. 2003 Nov;68(10–13):1095–8.
  3. a b c Freimut Leidenberger, Thomas Strowitzki, Olaf Ortmann (Hrsg.): Klinische Endokrinologie für Frauenärzte. 3. Auflage. Springer Verlag, Heidelberg 2005. ISBN 3-540-44162-X. S.226–228
  4. David A. Grimes, Elizabeth G. Raymond: Emergency contraception. In: Ann Intern Med. 2002 Aug 6;137(3):180–9. PMID 12160366. Volltext, zuletzt eingesehen am 18. Dezember 2008.
  5. ellaOne®: Produktinformation [1]
  6. Kleinezeitung.at: Pille danach ab sofort rezeptfrei, abgerufen am 18. Dezember 2009
  7. Streit um rezeptfreie "Pille danach"
  8. Frauenministerin erhofft sich davon weniger Abtreibungen - Appell an Gesundheitsministerin Kdolsky
  9. NorLevo® Uno. Webseit auf den Seiten von Sandoz, ohne Datum, abgerufen am 23. Januar 2010
  10. Pressemitteilung der FDA: FDA Action on Plan B (levonorgestrel) Tablets, 22. April 2009