Osteopathie (Alternativmedizin)

komplementärmedizinische Behandlungsmethode
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Die Begriffe Osteopathie (gr. ὀστέον ostéon „Knochen“ und πάθος páthos „Leiden“), osteopathische Medizin und osteopathische Behandlung beschreiben verschiedene Krankheits- und Behandlungskonzepte im Bereich der Alternativmedizin. Die Begriffe sind weltweit nicht eindeutig definiert und werden von Land zu Land unterschiedlich gebraucht.[1] Aus Binnensicht wird darunter in Westeuropa ein Konzept von manueller Untersuchung, Diagnostik, Therapie und Prävention von Funktionsstörungen verstanden. Diese Funktionsstörungen - sogenannte „somatische Dysfunktionen“ - werden nach ihrer Lokation im muskulo-skelettalen System parietal, den inneren Organen visceral und dem peripheren und zentralen Nervensystem cranio-sacral genannt.[2] Für einige Teilbereiche der Osteopathie konnten bisher keinerlei wissenschaftliche Nachweise der Wirksamkeit erbracht werden.[3][4]

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Redaktion Medizin
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Im angloamerikanischen Sprachraum, speziell in den USA, steht der Begriff für ein weiter gefasstes Diagnose- und Therapiekonzept, das zumindest teilweise auf eigenständigen Annahmen basiert, die im Widerspruch zu modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. Dieses Konzept geht historisch betrachtet auf den US-Amerikaner Andrew Taylor Still zurück, der es im 19. Jahrhundert entwickelte. Auch die Bezeichnung Osteopathie wurde von ihm im Jahre 1855 geprägt.[5] In den USA gibt es eine Ausbildung zum „Osteopathischen Arzt“ (D.O., Doctor of Osteopathic Medicine).[6]

Begriffsabgrenzung

International ist die Begriffabgrenzung schwierig, da in verschiedenen Ländern völlig unterschiedliche Berufsgruppen völlig unterschiedliche Behandlungsformen als Osteopathie bezeichnen und darüber hinaus auch die Lehre völlig uneinheitlich ist, weshalb verschiedenste Zertifikate und Diplome in diesem Bereich verliehen werden. Weltweit betrachtet wenden (Fach-)Ärzte (im europäischen Sinne), Doctors of Osteopathy (D. O., USA), nichtärztliche Osteopathen (vergleichbar mit dem deutschen Heilpraktiker - z. B. England ), Heilpraktiker, Physiotherapeuten, Masseure, Diplomsportlehrer und andere nichtmedizinische Berufsgruppen Osteopathie an.

Im deutschsprachigen Raum werden unter dem Begriff Osteopathie verschiedene Formen von Diagnose und Therapie reversibler Funktionsstörungen des aktiven und passiven Bewegungsapparates verwendet. Dazu gehören Manuelle Medizin, Chirotherapie, Chiropraktik, Manualtherapie, osteopathische Medizin und Manipulationstherapie. Außerhalb der USA stellt die Osteopathie keine eigenständige Behandlungsmethode dar. Als Verfahren, b.z.w. Methode ist sie jedoch in zahlreichen Ländern ohne das historische Konzept verbreitet.[7][3]

Die zwischen Europa und Nordamerika unterschiedlichen Definitionen von Osteopathie führen insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum zu einer abweichenden Verwendung. Dort wird die Osteopathie als eigenständiges Behandlungskonzept gesehen, welches auch auf eigenständigen, im Widerspruch zu modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stehenden Theorien basiert. Trotz dieser Unterschiede sind die wichtigsten manuellen Techniken identisch, werden jedoch nach unterschiedlichen Prämissen angewendet.

Die Osteopathie im deutschsprachigen Sinne orientiert sich bezüglich des Einsatzes entsprechender Verfahren an den Ergebissen der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung in den Bereichen Anatomie und Neurophysiologie, die Osteopathie im US-amerikanischen Sinne am "... besonderen Menschenbild der „Osteopathie“ US-amerikanischer Prägung ..." (Zitat von [3]). Die in Deutschland maßgebliche ärztliche Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin, unterscheidet in ihrem Positionspapier ebenfalls zwischen wirksamen osteopathischen Techniken, deren Grundlage neurophysiologisch nachvollziehbare Denkmodelle sind (z.B. Manuelle Medizin) und solchen, deren Erklärungsansätze im Widerspruch zur modernen naturwissenschaftlichen Forschung stehen.[8]

Diese Unterscheidung findet sich auch bezüglich der Wirksamkeit im Sinne der evidenzbasierten Medizin. So ergaben sich deutliche Hinweise auf den Nutzen osteopathischer Therapieformen bei Kopf- und Rückenschmerz[9][10], nicht jedoch beim Asthma[11].

Definition

Abhängig von den betrachteten anatomischen Strukturen und den postulierten Funktionsmechanismen kann die Osteopathie in drei Bereiche eingeteilt werden:

Struktur Bereich
Bindegewebe und Muskulatur Parietale Osteopathie
Innere Organe und deren bindegewebige Aufhängung Viszerale Osteopathie
Inhärente "Rhythmen" des Organismus Kraniale (Syn. kraniosakrale) Osteopathie

Befunderhebung und Therapie erfolgen in der Regel palpatorisch und orientieren sich ebenfalls an den anatomisch existenten oder von der Osteopathie postulierten Körperfunktionen und -strukturen. Die osteopathische Befunderhebung ist nicht gleichzusetzen mit einer (ärztlichen) Differenzialdiagnose.

Die parietale Osteopathie geht in ihren Grundzügen auf Andrew Taylor Still (1828–1917), die viszerale auf H. V. Hoover oder M. D. Young in den 1940er-Jahren, die Kranio-Sakral-Therapie auf William Garner Sutherland (1873–1954, Schüler von Andrew Taylor Still) und John E. Upledger zurück.[3]

Im angloamerikanischen Sprachraum finden sich die Begriffe osteopathic medicine[12], chiropracic[13] und osteopathy[7] als mögliche Übersetzungen.

Häufig werden in der Literatur auch weitere Begriffe unter dem Hyperonym "Osteopathie" subsummiert. Dazu gehört beispielsweise die in der 1930er Jahren entstandene Kranio-Sacral-Therapie, deren Grundlagen im Gegensatz zu den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft stehen[14][15], deren Einsatz als "besondere Art der Körpermassage" bei spezifischen pädiatrischen Krankheitsbildern wie "Lern- und Entwicklungsstörungen" abgelehnt wird.[16]

Bei der Kranio-Sakral-Therapie, die sich ihrerseits in mehrere Richtungen unterteilt, finden Handgrifftechniken (meist an Schädel und Kreuzbein) Verwendung, mit deren Hilfe eigenständige inhärente Rhythmen des menschlichen Organismus (primärer respiratorischer Mechanismus - PRM) hamonisiert werden sollen. In den 1970er-Jahren wurde das ursprüngliche Konzept von Upledger um die Theorie der sogenannten "Energie-Zysten" erweitert und mit einer alternativen Psychotherapie kombiniert.[3]

Grundlagen und Theorie

Das Springer Lexikon Medizin beschreibt, dass bei der Osteopathie Subluxationen, die Einklemmung von Wurzelfasern bewirken sollen (gemeint sind damit wohl Blockierungen) Gegenstand der Behandlung seien. Diese Subluxationen würden dabei in der Osteopathie ihrerseits für "fassbare Symptome" wie Schmerz und Fehlhaltung, aber auch für andere Erscheinungen wie Menstruationsströrungen oder Magen- Darm- Erkranungen verantwortlich gemacht. Insbesondere letzteres würde in der Fachliteratur vielfach kritisiert, zumal bei einer Manipualationsbehandlung der Wirbelsäule erhebliche unerwünschte Auswirkungen (z.B. Querschnittslähmung) nicht definitiv ausgeschlossen werden könnten.[7] Das Roche Lexikon Medizin beschreibt darüber hinaus, daß Diagnostik und Therapie der funktionellen Bewegungsstörungen ("Schlüsselbegriff Blockierung") zum Zwecke der Linderung von Schmerzen, Mobilisierung und Entspannung der Muskulatur durch Handgrifftechniken erfolge. Zudem unterscheidet es zwischen "Weichteiltechniken", sogenannten "osteopathischen Techniken", aktiven und passiven Mobilisationstechniken (Mobilisationstherapie), sowie Manipulationstechniken (chirotherapeutische Technik). Auch konkrete Kontraindikationen wie destuktive Krankheitsprozesse werden genannt.[13] Ergänzend beschreibt das Lexikon der Parawissenschaften Osteopathie und Chiropraktik als nicht-ärztliche Form der Behandlung, die zur ärztlichen Behandlungsmethode Chirotherapie (Syn. Manuelle Medizin) weiterentwickelt worden sei.[17]

Die auf Andrew Taylor Still zurückgehenden, grundlegenden konzeptionellen Annahmen in der Osteopathie entsprechen einem historisch begründeten, philosophischen Gedankengebäude und sind nicht naturwissenschaftlich ausgerichtet. Sie können jedoch durch ärztliches und naturwissenschaftliches Denken beurteilt werden. Zu diesen grundlegenden Annahmen gehören, daß der Körper als Funktionseinheit betrachtet wird und grundsätzlich zur Selbstregulierung fähig ist, daß sämtliche Körperfunktionen von der Ent- und Versorgung durch das Nerven- und Gefäßsystem abhängen und daß eine Heilung nur durch die Förderung der Selbstheilungskräfte des Körpers möglich ist. Auf abstrakter Ebene sind manche seiner Postulate jedoch kompatibel mit heutigem ärztlich-naturwissenschaftlichen Denken. Letztlich ist es auch durchaus legitim Still ursprüngliche Annahmen im Sinne allgemeiner Grundprinzipien und nicht als eigenständiges Gedankengebäude (wie beispielsweise die anthroposophische oder die traditionelle Chinesische Medizin) zu interpretieren.[3]

Still hat in seinen Publikationen die Grundlagen der osteopathischen Theorie, von ihm auch als Philosophie bezeichnet, formuliert. Er geht davon aus, dass der Körper eine Funktionseinheit bildet. Störungen in einem Bereich wirken sich auch auf andere Bereiche aus; durch die Behandlung des Knochengerüstes und des Bewegungsapparates sollen sich daher Störungen des Organismus beheben lassen. Stills vier wesentliche Grundannahmen sind:

  • Die Rolle der Arterie ist essentiell.
  • Der Körper ist eine Funktionseinheit.
  • Die Funktion bestimmt die Körperstruktur und umgekehrt.
  • Der Körper besitzt die Fähigkeit zur Selbstregulierung.

Nach Still hängen alle Körperfunktionen von der Ver- und Entsorgung durch das Gefäß- und Nervensystem ab. Arterienverkalkung, blockierte Gelenke oder verspannte Muskeln können die Versorgung des Körpers durch den Blutkreislauf und das Lymphsystem behindern und führen zu Symptomen.

Bei Störungen der Versorgung wird der Körper laut Still versuchen, dies zu kompensieren. Der Osteopath kann nach seiner Theorie mit den Händen die „Grundspannung“ von Muskeln, Knochen und Gelenken feststellen und so gestörte Funktionen erkennen.

Nach Auffassung Stills heilt sich der Körper bei Störungen grundsätzlich selbst, und es ist nicht möglich, ihn von außen zu heilen. Die Osteopathie soll die Selbstheilungskräfte aktivieren und fördern.[18].

Allgemein gehen Osteopathen grundlegend davon aus, daß eine perfekte Ausrichtung des muskuloskelettalen Systems Hindernisse im Blut- und Lymphgefäßen eliminiere und so zu einem optimalen Gesundheitszustand führe. Zur Erreichung der idealen Ausrichtung wurden eine Reihe manipulativer Techniken entwickelt:[19][20]

  • Stöße mit hoher Geschwindigkeit und geringer Amplitude
  • Muskelenergietechniken
  • Gegendruck
  • myofasziale Entspannung
  • Kraniosakraltechniken
  • lymphatische Pumptechniken

Untersuchung und Behandlung

"Entscheidende Voraussetzung, um insbesondere Komplikationen durch befunderhebende und therapeutische Maßnahmen einer vorgeschädigten Struktur zu vermeiden, ist eine umfassende ärztliche Untersuchung und Differenzialdiagnose. Im Rahmen einer solchen Untersuchung gilt es insbesondere, krankheitsbedingte Strukturschädigungen auszuschließen, welche im Rahmen der in der „Osteopathie“ üblichen befunderhebenden und therapeutischen Maßnahmen Komplikationen verursachen können. Deshalb ist es wiederum anzustreben, dass Ärzte, die osteopathische Behandlungen verordnen, Grundkenntnisse des struktur- und funktionsorientierten Vorgehens der „Osteopathie“ haben und bei der Verordnung von ausgewählten osteopathischen befunderhebenden und therapeutischen Leistungen nicht nur Krankheitsdiagnosen, sondern insbesondere auch relevante Informationen zu geschädigten Strukturen kommunizieren." (Zitat von [3])

Der Osteopath verwendet dann unter Berücksichtigung der osteopathischen Prinzipien u.a. folgende Techniken:

Geschichte und Entwicklung

Vorläufer

Seit Anfang des 17.ten Jahrhunderts entwickelte sich in Europa die Kunst des Bone-Setting (Einrichten von Knochen und Gelenken). Seit dieser Zeit war sie, meist als Bestandteil der Chirurgie betrachtet, Gegenstand wissenschaftlicher Forschung.[21] Zum damaligen Zeitpunkt waren die heutzutage üblichen bildgebenden Verfahren noch nicht entwickelt, sodaß sich die Ärzte allein auf die klinischen Befunde verlassen mußten. Dabei entwickelten sich die klinischen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und das Wissen über die funktionelle Anatomie insbesondere im Bezug auf Knochen, Bänder und Muskulatur. Ein zentrales Thema der "Bone-Setter" waren tastbare Gelenkfehlstellungen, die sie ursächlich als muskulär ausgelöst betrachteten und auch entsprechend behandelten.[22] "Bone-Setter" behandelten nicht nur tatsächliche Luxationen oder Knochenbrüche[23] und verstanden sich historisch betrachtet als bessere Alternative zur zeitgenössischen Schulmedizin: "The simple and efficient means of setting bones, by relaxing muscles, according to the reformed practise, forms a striking contrast to the barbarous tortures of the regular faculity, with all their horrid implements - saws, pulleys, ropes, &c., &c." (Zitat von [24] - 1852). Wharton P. Hood beschrieb 1871 typische Handgrifftechniken bei Schmerzen der Wirbelsäule oder von Gelenken, sowie deren Indikationen, Kontraindikationen und Risiken, die zum Teil noch in der heutigen Osteopathie Gültigkeit haben.[23]

Osteopathie

Der US-Amerikaner Andrew Taylor Still (1828 – 1917) begründete vor über 130 Jahren die Osteopathie. Es wird davon ausgegangen, daß er zu diesem Zeitpunkt die Methode des Bone-settings kannte und möglicherweise auch beherrschte.[25] Gleichzeitig gilt er auch als interessiert an anderen wissenschaftlichen Strömungen seiner Zeit, wie der Darwinschen Evolutionstheorie und der Theorie von John M. Neil über die Selbstheilungskräfte des Körpers. Still präsentierte am 22. Juni 1874 die Osteopathie als "neue Wissenschaft" der Allgemeinheit. Einen Bezug auf bereits bestehendes Wissen vermied er bewußt, als Referenz bezog er sich auf Gott und seine eigene Erfahrung.[26] Man geht davon aus, daß er es vermied, europäische Quellen zu benennen, um die "intellektuelle Unabhängigkeit" der Vereinigten Staaten (vom damals noch aristokratisch dominierten Europa) zu betonen.[25]

Der aus Schottland stammende Mediziner John Martin Littlejohn (1866-1947) übertrug Andrew Taylor Stills vorwiegend anatomisch begründetes Konzept auf die Physiologie und förderte die wissenschaftlichen Anerkennung der Osteopathie. Nach seiner Rückkehr nach Europa gründete er 1917 die "British School of Osteopathy" (BSO) in London [27].

William Garner Sutherland (1873-1954), ein Student Stills, erweiterte das osteopathische Konzept auch auf den Bereich des Schädels und begründete damit die craniale, bzw. craniosacrale Osteopathie, die später v.a. von dem amerikanischen Osteopathen John Upledger aus der Osteopathie ausgekoppelt und als eigenständige Kraniosakrale Therapie weiterentwickelt wurde.

D. D. Palmer (1845-1913), kam auf Empfehlung eines Studenten der ASO 1893 zu Besuch nach Kirksville, war zwei Wochen lang Gast in Stills Haus und machte sich mit den neuartigen manuellen Techniken der Osteopathie vertraut. Ein befreundeter Arzt, der ebenfalls an der ASO studiert hatte, vertiefte Palmers manuelles Repertoire. 1898 benannte er seine 1887 gegründete Ausbildungsstätte "Palmer Cure & Infirmary" in "Palmer School and Infirmary of Chiropractic" um. Dort lehrte er die osteopathischen Griffe z.T. in modifizierter Form, allerdings ohne Vermittlung des ganzheitlichen Konzepts. Er reduzierte die Osteopathie demnach in seiner sogenannten Chiropraktik auf ein rein symptomorientiertes Behandlungssystem.

Heute ist Osteopathie in den USA eine Arztausbildung an Colleges mit dem Abschluss D.O. (Doctor of Osteopathic Medicine). Amerikanische Absolventen der Osteopathic Medicine haben alle Rechte eines ordentlichen Arztes. Aufgrund geschichtlicher Entwicklungen arbeiten aber nur noch etwa 3 bis 5 % überwiegend mit manuellen Techniken am Patienten, und der ganzheitliche Ansatz ist in der Ausbildung nur noch in Ansätzen zu erkennen.

Entwicklung der Osteopathie

Europa

Osteopathie verbreitete sich nach den USA zunächst in Großbritannien. Die Osteopathie in England wurde nach Littlejohn durch den Arzt und Osteopathen Alan Stoddard geprägt, der das anspruchsvolle und aufgrund der ganzheitlichen Aspekte schwer zu integrierende System ähnlich wie Palmer modifizierte. Nach diesem Schritt erhöhte sich die Verbreitung der Osteopathie in England erheblich [28]. Die amerikanische Bezeichnung D.O. gab es zunächst auch dort; heute werden nur noch Bachelor (B.Sc.)-Zertifikate verliehen.

In Deutschland begannen Ärzte in den 1950ern, stark geprägt durch den Austausch mit amerikanischen Chirotherapeuten, mit Alan Stoddard, und weiteren symptomorientiert arbeitenden Anwendern aus Skandinavien und der Schweiz, die „manuelle Medizin/Therapie“ zu nutzen. An der BSO ausgebildete Osteopathen begründeten in den 1950ern in Deutschland das „OMT Kaltenborn-Evjenth Konzept“ der „manuellen Therapie“. Auch die deutsche Spielart der manuellen Medizin stellt eine symptomorientierte Mischung aus Chirotherapie und vereinfachter Osteopathie dar.[29] Erst Mitte der 1980er begannen erste private Osteopathie-Schulen in Deutschland mit der Ausbildung von Osteopathen.

In Deutschland kann man Osteopathie nur an privaten Ausbildungsinstituten erlernen. Um einen einheitlichen Ausbildungsstandard bemühen sich nach eigenen Angaben verschiedene osteopathische Berufsverbände.

Vereinigte Staaten

Osteopathie (englisch osteopathic medicine) bezeichnet in den USA eine Form der Arztausbildung an Colleges mit dem Abschluss Doctor of Osteopathic Medicine (D.O.). Diese Colleges sind teilweise an Universitäten angeschlossen. Diese Ausbildung orientiert sich an der wissenschaftlichen Medizin und beinhaltet beispielsweise Kurse über Pharmazie und Chirurgie. Während des Studiums ist das unter diesem Namen auch in Europa bekanntgewordene manuelle alternativmedizinische Diagnose- und Behandlungskonzept nur einer der vielen Fachbereiche während der primär medizinischen Ausbildung. Die Bezeichnung dieses Fachbereichs lautet dort Osteopathic Manipulative Treatment for Physicians (OMT).

Im Alltag der klinischen Praxis in den USA sind Ärzte mit dem Titel D.O. gleichgestellt mit den Kollegen, die den Titel M.D. (lat. Medicinae Doctor, Lehrer der Medizin) erworben haben.

Die Ausbildung kann bei entsprechenden Ausbildungsnachweisen durch Regierungspräsidien in Deutschland als Arztausbildung anerkannt werden. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die insbesondere davon abhängt, ob die Dauer der Ausbildung und die wesentlichen Ausbildungsinhalte dem deutschen Medizinstudium entsprechen. Der D.O. kann bei einer positiven Entscheidung eine Berufserlaubnis als Arzt nach § 10 der Bundesärzteordnung erhalten. Alternativ dazu kann er als Heilpraktiker arbeiten.

Historisch ist interessant, dass viele US-Soldaten nach dem zweiten Weltkrieg wegen Überfüllung der Universitäten keinen Studienplatz in Medizin bekamen und deshalb auf die Facharztstudiengänge der Osteopathy Colleges auswichen.

Nichtärztliche Osteopathen werden in den USA als non-physician osteopaths bezeichnet. Vertreter der europäischen, alternativmedizinischen Osteopathen bezeichnet man in den USA auch als European osteopathic manipulators.

Rechtslage

Nach deutscher Rechtsprechung ist die Osteopathie eine Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes und darf nur durch Heilpraktiker und Ärzte ausgeübt oder verordnet werden.

Die Nutzung der Bezeichnungen „Osteopathie“ und „Osteopath“ sind geregelt durch das Heilpraktikergesetz (HeilprG) und das Heilmittelwerbegesetz (HWG). „Osteopathie“ ist in Deutschland kein Begriff der Umgangssprache. Deshalb muss die Bedeutung bei seiner Verwendung in der Werbung im Gesundheitswesen erklärt werden. Die Berufsbezeichnung „Osteopath“ im deutschen Gesundheitswesen ist rechtlich nicht zulässig; die Verwendung als Berufsbezeichnung wird in der Regel abgemahnt. Auch weitere Zusatzbezeichnungen mit Buchstabenkombinationen wie D.C., C.O., D.O. sind nicht zulässig, sofern es sich nicht um erworbene und eingetragene Titel von Hochschulen handelt. Ein Urteil des Landgerichtes Düsseldorf vom 24. Juli 2006 liegt vor (Aktenzeichen: 12 O 66/05)[30].

Da es keine staatliche Regelung der Ausbildung und Berufsbezeichnung gibt, hat der in Deutschland erworbene/vergebene Titel D.O. keine rechtliche Bedeutung. Allerdings ist „D.O.“ eine geschützte Wortmarke des Verbandes der Osteopathen Deutschland e. V. (VOD), der dadurch die Vergabe des Titels kontrollieren kann.

Die Anwendung delegierbarer manual-therapeutischer Leistungen ist in Deutschland im Sozialgesetzbuch und in der Schweiz im Heilmittelgesetz festgelegt.[8] Zudem wird in Deutschland auf Länderebene auf dem Wege der Verordnung die Führung der Berufsbezeichnung "Osteopathie" (im nichtärztlichen Bereich) geregelt. [31]

In anderen Staaten Europas gibt es Universitäten, an denen man einen Master of Science oder einen Doktorgrad in Osteopathie erwerben kann. Aufgrund des Bologna-Abkommens und zwischenstaatlicher Abkommen dürfen diese Bezeichnungen auch in Deutschland geführt werden. Eine Berufszulassung als Osteopath ist im deutschen Gesundheitswesen damit jedoch nicht verbunden. Die Verwendung von Abschlusstiteln der deutschen und ausländischen Colleges, Fachhochschulen, Universitäten und Hochschulen unterliegt dem Hochschulrahmengesetz (HRG) bzw. den Hochschulgesetzen der Bundesländer. Die Verwendung des Begriffs „Diplom“ ist in Deutschland nur für die Abschlüsse an Fachhochschulen und Universitäten erlaubt. Ausländische Titel müssen von den Regierungspräsidien anerkannt werden. Dies gilt auch für den professional degree (Fachabschluss-Titel) des amerikanischen D.O..

Studienlage und Kritik

Der Nachweis der Effektivität der Behandlung in den einzelnen Teilbereichen ist sehr unterschiedlich. So existieren keine aussagekäftigen Studien im Teilbereich der kraniosakralen Osteopathie, sind für die viszerale Osteopathie spärlich und lediglich in der parietalen für bestimmte Indikationen in ausreichender Zahl mit hohem Evidenzgrad vorhanden. So konnte beispielsweise die Wirksamkeit der Methode beim chronischen Schmerzsyndrom der Wirbelsäule belegt werden (parietal). Zudem zeigen sich Hinweise, daß auch bei Erkrankungen infolge nicht primär irreversibler Strukturveränderungen wie beispielsweise Dreimonatskoliken und rezidivierender Otitis media Behandlungserfolge erzielt werden können (viszeral).[3] Es gibt einige Evidenz dafür, dass die Osteopathie bei Kreuzschmerzen, besonders in akuten und subakuten Stadien, hilfreich ist. Eine neuere große randomisierte kontrollierte klinische Studie verglich Osteopathie der amerikanischen Schule mit Standardbehandlungen bei Patienten mit Kreuzschmerzen. Sie kam zu dem Schluss, dass das klinische Ergebnis für beide Gruppen ähnlich ist. Die Evidenz aus klinischen Studien für andere Indikationen ist nur spärlich vorhanden und nicht zwingend.[32] Es gibt zwar Studien, die zeigen, daß osteopathische Behandlungen in bestimmten Anwendungsgebieten wirksam sind, das Verfahren ist jedoch nicht risikofrei. Inbesondere vorgeschädigte Körperstrukturen können dabei weiter geschädigt werden. Zur möglichst vollständigen Vermeidung von Komplikationen sind daher eine vorausgehende und umfassende ärztliche Untersuchung und Differenzialdiagnose notwendig.[33][3]

Die Osteopathie wird insbesondere aufgrund des in den USA verbreiteten historischen Konzeptes von medizinischer und wissenschaftlicher Seite kritisiert.[34]. Beispielsweise gibt es für die angenommene Anregung der Selbstheilungskräfte durch eine Stimulation des Bindegewebes bislang keinen wissenschaftlichen Nachweis[35].

Literatur

Deutsch

  • BUNDESÄRZTEKAMMER - Bekanntmachungen: Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren, Deutsches Ärzteblatt, 106/Heft 46, 13. November 2009 auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Zusammenfassung und Link zum Volltext
  • Andrew Taylor Still: Das große Still-Kompendium., Pähl, 2005
  • William Garner Sutherland: Das große Sutherland-Kompendium., Pähl, 2004
  • C. Trowbridge: Andrew Taylor Still 1828-1917', Pähl, 2005
  • N. Handoll: Die Anatomie der Potency', Pähl, 2004
  • J. Stark: Stills Faszienkonzepte', Pähl, 2007

Englisch

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  • DK. Clawson (editor): Osteopathic Medicine: Past, Present, and Future. Conference proceedings, Josiah Macy, Jr. Foundation, New York 1996
  • Andrew Taylor Still: The Philosophy and Mechanical Principles of Osteopathy. Kansas City 1902
  • Andrew Taylor Still: Osteopathy, Research and Practice. Kirksville 1910
  • William Garner Sutherland: The Cranial Bowl. 1939
  • William Garner Sutherland: Contributions of Thought. The collected Writings of William Garner Sutherland. 1971
  • William Garner Sutherland, Editor: Ann Wales: Teachings in the Science of Osteopathy. 1990
  • Rebecca Lippincott Conrow, Howard A. Lippincott: A Manual of Cranial Technique. 1943
  • J. M. Littlejohn: The Fundamentals of Osteopathic Technique. Maidstone
  • J. M. Littlejohn: The Pathology of the Osteopathic Lesion. Maidstone
  • J. M. Littlejohn: Principles. Maidstone
  • J. M. Littlejohn: Lesionology. Maidstone
  • Harold Ives Magoun: Osteopathy in the Cranial Field. Denver 1951
  • Charles Owens: An Endocrine Interpretation of Chapman Reflexes. Newark, Ohio 1963
  • Irvin M. Korr: The Neurobiologic Mechanisms in Manipulative Therapy. Michigan State University, 1977
  • Irvin M. Korr, Editor: Barbara Peterson: The Collected Papers of Irvin M Korr. Indianapolis 1979

Quellen

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  4. Max Geiser in: Schweizerische Ärztezeitung 2007, Seite 758, aufgerufen am 21. August 2007
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