Initiative Regenbogen „Glücklose Schwangerschaft“

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Die Initiative Regenbogen „Glücklose Schwangerschaft“ e.V. ist eine überregional tätige, gemeinnützige Selbsthilfegruppe mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück, die sich die Unterstützung verwaister Eltern zur Aufgabe gemacht hat, die ein Kind durch Totgeburt, Frühgeburt, Fehlgeburt oder kurz nach der Geburt verloren haben.

Initiative Regenbogen „Glücklose Schwangerschaft“ e.V.
Zweck: Selbsthilfe für verwaiste Eltern
Vorsitz: Cornelia Knoop
Gründungsdatum: 1983
Sitz: Lüneburg
Website: www.initiative-regenbogen.de

Geschichte

1983 wurde der Kontaktkreis Regenbogen durch zwei betroffene Mütter – Barbara Künzer-Riebel und Regine Schreier − ins Leben gerufen. Im Jahr darauf wurde der erste Regenbogen-Gesprächskreis in Deutschland gegründet. 1987 erfolgte, nach einer Zusammenarbeit bei der Herausgabe einer Literaturliste, der offizielle Zusammenschluss mit der Selbsthilfegruppe Glücklose Schwangerschaft aus Frankfurt am Main. Von da ab führt die Selbsthilfegruppe den Namen Initiative REGENBOGEN „Glücklose Schwangerschaft“. 1990 wurde die Initiative als gemeinnütziger Verein anerkannt und eingetragen. Im Jahr 1994 gründete der Verein eine Schwesterorganisation in Österreich. 1998 erhielt der Verein das Spendensiegel des „Registers Deutscher Spendenorganisation“ (rds). Heute verfügt er über überregionale und regionale Ansprechpartner, kooperierende Selbsthilfegruppen sowie engagierte andere Menschen im In- und Ausland. Ebenso weisen zahlreiche einschlägige Publikationen auf die Arbeit des Vereins hin.

Die Initiative ist seit 1985 Mitglied der Compassionate Friends.

Ziele

Die Elterninitiative will ein Tabu in Deutschland brechen: Über den Tod so kleiner Kinder spricht man nicht, Trauer um deren Verlust hat keinen Platz in der Gesellschaft, und der Verbleib der so früh verstorbener Babys war bis weit in die neunziger Jahre hinein ein tief gehütetes Geheimnis.[1][2] Betroffene können mit oder ohne Mitgliedschaft Unterstützung in den schweren Momenten während und nach dem Tod seines Kindes holen. Das Gleiche gilt für nahe Angehörige, einschlägige Berufsgruppen und andere interessierte Menschen. Die Initiative baute von Anfang an auf den sogenannten Schneeballeffekt: Je mehr Menschen vom Sinn ihres Engagements überzeugt sind, umso schneller ließe sich eine Verbesserung der Situation vor allem in den Kliniken erreichen.

Materialien

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1985 gab die Initiative die Elternbroschüre „Regenbogen, Broschüre für verwaiste Eltern, die ihr Kind durch Fehl- oder Totgeburt oder kurz nach der Entbindung verloren haben“*, heraus. Die erste Auflage umfasste 100 Hefte, im Jahr 2010 sind es fast 100.000 Exemplare. Erste Einladungen zu Fortbildungen bei Hebammentagungen in Bad Boll, Würzburg u.a. trafen ein.

1986 erarbeitete die Initiative einen ersten Wunschzettel für den Bereich „Gynäkologie/Kreißsaal“, der u.a. die dringende Bitte enthielt, betroffenen Eltern ihr Kind nicht mehr vorzuenthalten. Mütter und Väter sollten ihr Kind sehen und halten dürfen und ein Foto von ihm bekommen. Diese Forderung löste großes Unverständnis in den Kliniken aus.

1987 gab Barbara Künzer-Riebel mit Gottfried Lutz unter Zuhilfenahme eigener und von der Initiative gemachten Erfahrungen das erste Buch zu diesem Thema in deutscher Sprache heraus: "Nur ein Hauch von Leben". Zielgruppe sind Betroffene in ihrem Erleben und ihrer Trauer sowie Hebammen, Ärztinnen und Ärzte, Krankenschwestern, Seelsorger. Beabsichtigt ist ein Anerkennen der Trauer betroffener Eltern und Umdenken in Kreisssaal, Wochenstation und Öffentlichkeit. Arbeitshilfen für Klinikpersonal (Kreisssaalordner, Moseskörbchen, Elternmappen) und für Seelsorger zur Beerdigung fehl oder tot geborener Kinder wurden vom Team „Öffentlichkeitsarbeit“ der Initiative REGENBOGEN erstellt und gezielt in Kliniken verteilt. Drei umfangreiche Broschüren mit Erfahrungsberichten folgten.

1988 wurde auf Anregung des Ministeriums für Gesundheit und Soziales in Baden-Württemberg eine Bescheinigung für Geburtskliniken entworfen, um Eltern/Müttern von fehl geborenen Kindern unter 500g eine Bestattung ihres Kindes zu ermöglichen. Eltern können damit versuchen, auf dem örtlichen Friedhof ihr Kind beisetzen zu lassen. Für Eltern fehl und tot geborener Kinder folgten Informationsblätter zur Bestattung ihres Babys. In wenigen Bundesländern können Kinder unter 1000g beigesetzt werden, in den meisten Bestattungsgesetzen der Länder ist jedoch ein Kind erst ab 1000g bestattungspflichtig, in anderen ist gar nichts geregelt. Diese Blätter sollen zusammen mit Formularen für Pathologie und Friedhofsamt den Eltern in der Klinik ausgehändigt werden. Häufig erfahren die Eltern jedoch nicht von den Bestattungsmöglichkeiten.

2003 erschien das erste vereinseigene Bilderbuch „Der geborgte Stern“.

Projekte

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1989 startete eine umfangreiche Fragebogenaktion, in denen betroffene Eltern/Mütter nach ihren Wünschen gefragt wurden, um eine repräsentative Erhebung für die Argumentation unserer Forderungen zu haben.

1992 wurden alle westdeutschen Bischöfe mit der Bitte um Unterstützung der 1988 gestellten Petition zum PersonenStandsGesetz und Unterstützung der Änderung aller Länderbestattungen angeschrieben. Die Reaktionen reichten von keinem Verständnis bis dahin, die Deutsche Bischofskonferenz wolle sich für die Sache verwenden. Die Initiative REGENBOGEN „Glücklose Schwangerschaft“ e.V. verteilte kostenlose „Moseskörbchen“ (Bast- bzw. Weidenkörbchen, in denen die Kleinsten der Kleinen gebettet werden) an die Kreißsäle vieler bundesdeutscher Kliniken, um evtl. vorhandene Hemmungen beim Zeigen der fehl und kleineren tot geborener Babys abzubauen.

1995 wurde die Aktion „Kreißsaalordner“ initiiert: Kostenlos wurden fast zweihundert Ordner an Kliniken/Kreisssäle verteilt, die mit Materialien und Informationen der Initiative REGENBOGEN „Glücklose Schwangerschaft“ e.V. gefüllt sind. Möglich wurde diese Aktion durch eine Spende der Diözese Rottenburg. Elternmappen werden entworfen und verteilt, die als Aufbewahrungsschatulle für persönliche Dinge des toten Babys genutzt werden. In einer „Klinikaktion“, wurden bundesdeutsche Kliniken befragt, welchen Umgang sie mit fehl bzw. tot geborenen Kindern in ihrem Hause pflegen. Die Antworten führten zu einer sog. INFO-Mappe für Kliniken. In ihr werden die Möglichkeiten der Bestattung von Kindern, deren Gewicht unterhalb der im jeweiligen Bundesland geltenden Bestattungsgrenze liegt, aufgeführt. Ebenfalls enthalten sind darin die Hinweise der zuständigen Behörden der Bundesländer, die trotz mangelnder Bestimmungen im Landes-Bestattungsgesetz eine Bestattung unter der jeweils gültigen Gewichtsgrenze für möglich halten. Aus dieser Aktion resultierte die Aktion „Gräberfeld“ (1999), bei der die Schaffung von (anonymen) Grabfeldern für fehl und tot geborene Kinder initiiert werden soll.

2000 erfolgte die erste Mitfinanzierung eines Grabsteins für das neue Kindergrabfeld in Berlin, das unter der Federführung von Jutta Bartholomé entstanden ist. Weiterhin verlieh die Initiative eine Auszeichnung an das „Ökumenisches Projekt Kindergrabmal“ Hanau für die Gestaltung eines vorbildlichen Grabfeldes. [3]

Petitionen

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1988 verfassten Hermann und Barbara Riebel eine Petition an den Bundestag mit der Bitte um Änderung des Personenstandsgesetzes PStV. Inhalt ist die Abschaffung der 1000g-Grenze für die Definition fehl geborener Babys sowie die Möglichkeit der gesetzlichen Namensgebung für tot geborene Babys, damit verbunden der Eintrag in das Familienbuch. Diese Petition wird zunächst abgelehnt. Es wird Einspruch eingelegt. Hermann und Barbara Riebel verfassen eine Petition an den Landtag Baden-Württemberg mit der Bitte um eine generelle Bestattungsmöglichkeit für totgeborene Babys unter 500g (1988, 1994 abgelehnt). Weitere Petitionen in anderen Bundesländern (außer in Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Bremen, da bereits ausreichend geregelt) folgen. Teilweise erfolgt eine Änderung der Landesgesetze, andere Länder beraten lange ohne Ergebnis.

1994 Ein Teilerfolg der 1988 eingereichten Petition ermöglicht zum 1. April die Änderung im Personenstandsgesetz bezüglich der Definition „Totgeborener“. Ab sofort werden alle Kinder ab 500g personenstandsrechtlich erfasst. Mit diesem Ergebnis sind auch Änderungen in den Bestattungsgesetzen der Länder möglich. (Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen tragen dieser Änderung Rechnung und ändern ihre Gesetze dahin).

1995 Petition an den Bundestag mit der Bitte um Änderung des Personenstandsgesetzes PStV. Petiert wird erneut die künftige gesetzliche Namensgebung für totgeborene Babys, der bislang anonyme Eintrag soll künftig zugunsten eines Namenseintrag in das Familienbuch weichen. Diese wird am 6. Februar 1998 zu Gunsten der Betroffenen entschieden und tritt zum 1. Juli 1998 in Kraft. Weitere Petitionen an zahlreiche Bundesländer mit unzureichenden Bestattungsgesetzen folgen. Teilweise wird erfolgreich petiert, teilweise wird mit der Begründung, fehl und tot geborenen Kinder könnten bereits problemlos bzw. auf Antrag beerdigt werden, abgelehnt. Dies entspricht jedoch nicht dem Alltag deutscher Friedhofssatzungen.

1999 wird eine Petition an den Bundestag mit der Bitte um ein generelles Recht auf Mutterschutz nach einer Entbindung bzw. nach der Beendigung einer Schwangerschaft aus medizinischer Indikation verfasst. Diese wird am 8.06.2000 abgelehnt.

Sonstiges

Viele Gruppen für früh verwaiste Eltern tragen inzwischen den Namen des Buches und sind zumeist der Initiative angeschlossen. Ebenso werden häufig Gräberfelder in der gesamten Bundesrepublik danach benannt.

Während der Entstehung ihres Buches Gute Hoffnung - jähes Ende, Kösel-Verlag, gab es eine gute und informative Zusammenarbeit mit Hannah Lothrop.

Bis heute wurden fast 1000 Gräberfelder und Gedenkstätten in Deutschland mit jährlichen Gedenkfeiern initiiert, die entstehenden Kosten werden zunehmend von Trägern (Kommunen, Privatinitiativen, Kliniken) übernommen.

Zusammenfassung

Die Arbeit der Initiative seit ihrer Gründung ist bis heute erfolgreich. So bemühen sich viele Kliniken bereits im Kreisssaal um eine gute Betreuung der Betroffenen, es werden Erinnerungsfotos, Fuß- bzw. Handabdrücke von den verstorbenen Babys gemacht und auch heraus gegeben. Informationen über Selbsthilfegruppen, Trauerbegleiter und Literatur gehören ebenso zum Angebot wie die Möglichkeit, dass ehrenamtliche Mitarbeiter von Selbsthilfegruppen oder Trauerbegleiter die Eltern auf Wunsch bereits in der Klinik betreuen. [4] Diese unterstützen die Mütter und Väter nicht nur im emotionalen Bereich und begleiten im Einzelfall bei der Annahme ihres Kindes, sondern auch in praktischen Dingen wie Klärung von Bestattungsfragen, Begleitung im Gespräch mit Bestattern und bei der Beisetzung. In der Zeit nach der Entlassung unterstützen sie im Trauergespräch einzeln oder in Gruppen.

Auch betreuen heute viele Trauerbegleiter Eltern bei einem bevorstehenden medizinischen Schwangerschaftsabbruch, diese Gespräche werden zunehmend von indikationsstellenden Ärzten empfohlen. Eltern in dieser Situation werden somit nicht mehr stigmatisiert, sondern erleben den Verlust ihres Kindes wie eine Fehl- oder Totgeburt. [5]

Die Bestattungsgesetze fast aller Bundesländer trugen ab 2000 der PersonenstandsVerordnung PStVO von 1994 Rechnung und definieren eine Totgeburt mit mind. 500g als Leiche. Eine Bestattungspflicht besteht in den meisten Ländern ab 500g. Fehl Geborene können auf Wunsch wenigstens eines Elternteils bestattet werden. Viele Bundesländer haben die allgemeine Informationspflicht von Eltern zur Bestattung gesetzlich verankert. Eine Definition und Bestattung von Kindern aus medizinischen Schwangerschaftsabbrüchen wird ebenfalls zunehmend in die Gesetze aufgenommen. Als einziges Bundesland hat Hessen noch keine Regelung.

Aktuelle Bemühungen von Betroffenen, ein gesetzliches Bestattungsrecht (keine Pflicht) für alle Fehlgeborenen zu erlangen, liegen dem Petitionsausschuss vor.

Auszeichnungen

  • 1984: Auszeichnung als vorbildlich arbeitende Selbsthilfegruppe, verliehen im Bonner Bundeskanzleramt durch Helmut Kohl.
  • 1997: Anerkennungspreis von „Demokratie Leben“ für vorbildliche Arbeit im sozialen Bereich, verliehen von Rita Süßmuth.
  • 2005: Lebenszeichen 2005, verliehen von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD).

Literatur

  • Barbara Künzer-Riebel, Gottfried Lutz: Nur ein Hauch von Leben: Eltern berichten vom Tod ihres Babys und der Zeit ihrer Trauer Ernst-Kaufmann-Verlag, Lahr 1997, 6. erw. Auflage 2002. ISBN 978-3780609519
  • Initiative REGENBOGEN „Glücklose Schwangerschaft“ e.V.: „Der geborgte Stern“, erhältlich über die Initiative REGENBOGEN

Einzelnachweise

  1. Reimer Gronemeyer, Erich Loewy: Wohin mit den Sterbenden? Hospize in Europa, Ansätze zu einem Vergleich. Lit Verlag, 2002, ISBN 978-3-8258-6011-0, S. 125.
  2. Anke Rohde, Almut Dorn: Gynäkologische Psychosomatik und Gynäkopsychiatrie: Das Lehrbuch. Schattauer Verlag, 2007, ISBN 978-3-7945-2460-0, S. 197.
  3. 3
  4. Barbara Künzer-Riebel, Gottfried Lutz: Nur ein Hauch von Leben Eltern berichten vom Tod ihres Babys und der Zeit ihrer Trauer. Ernst Kaufmann Verlag, 2002, S. 200.
  5. Barbara Künzer-Riebel, Gottfried Lutz: Nur ein Hauch von Leben Eltern berichten vom Tod ihres Babys und der Zeit ihrer Trauer. Ernst Kaufmann Verlag, 2002, S. 191.

3 http://www.wir-sind-kirche.de/fulda-hanau/Kindergrabmal2.htm

4 Künzer-Riebel, B. und Lutz G. "Nur ein Hauch von Leben, Kaufmann Verlag Lahr, 1987, erw. 5. Aufl. 2002, S. 200

5 Künzer-Riebel, B. und Lutz G. "Nur ein Hauch von Leben, Kaufmann Verlag Lahr, 1987, erw. 5. Aufl. 2002, S. 191