Druckluftauto
Ein Druckluftauto (engl.: Compressed air car) ist ein Fahrzeug, das mit Hilfe von stark komprimierter Luft und einem Gasexpansionsmotor angetrieben wird. Die komprimierte Luft wird in Druckbehältern mitgeführt und dem Motor von außen zugeführt.

Verschiedene Nischenanwendungen mit Druckluftantrieb, wie Straßenbahnen in Bern, Stollenlokomotiven beim Bau des Gotthardtunnels oder Grubenlokomotiven[1][2] wurden in der Vergangenheit realisiert. Druckluftfahrzeuge für den öffentlichen Straßenverkehr werden seit den 1990er Jahren unter dem Oberbegriff der alternativen Fahrzeugtechnik immer wieder vorgestellt, jedoch konnte ihre Alltagstauglichkeit und Rentabilität bisher nicht nachgewiesen werden.
Geschichte
Bereits 1838 wurde von Adraud und Tessié du Motay in Paris ein Druckluftauto konstruiert und 1840 vorgestellt.[3] Im Schienenverkehr wurde diese Antriebsform erstmals 1879 bei der Straßenbahn in Nantes (Frankreich) eingesetzt[4]. Die Systeme wurden von dem französischen Ingenieur polnischer Abstammung Louis Mékarski entwickelt.
Eigenschaften
Der Druckluftantrieb arbeitet ohne Verbrennungsvorgänge und ohne die Gefahr von Funkenbildung, wie sie u.U. an elektrischen Anlagen besteht. Er ist daher sehr gut in explosiven Umgebungen einsetzbar, wie z.B. im Bergbau unter Tage.
Dem gegenüber stehen jedoch Einschränkungen, die gegen den Einsatz als Massenverkehrsmitel sprechen. Um eine ausreichende Menge Antriebsenergie mitzuführen, sind große (schwere) Drucklufttanks notwendig. Die Energiedichte des Antriebssystems ist bereits im Vergleich mit einfachen Bleibatterien ungünstig.
Druckluft ist einer der teuersten Energieträger. Ihre Erzeugung ist energetisch mit sehr großen Verlusten behaftet. Wenn die bei der Kompression entstehende Wärme nicht genutzt werden kann, ist sie für die Energiebilanz verloren. Ein effizienter Druckluftmotor benötigt eine mehrstufige Entspannung mit Zwischenerwärmung und ist daher aufwendig (Motorenkonzept). Durch Entspannung der Druckluft kommt es zu einer Abkühlung des Motors. Es muss Wärme aus der Umgebung zugeführt werden. Ist dies nicht ausreichend gewährleistet, sinkt die Leistung des Expansionsmotors. Dieser Effekt wird bei niedrigen Umgebungstemperaturen verstärkt.
Die Entwicklungen von Nègre
In Zusammenarbeit mit der Firma MDI (Motor Development International) aus Frankreich begann der französische Formel-1-Motorkonstrukteur Guy Nègre Anfang der 1990er Jahre, einen speziellen Druckluftmotor für den Fahrzeugantrieb zu entwickeln. Ca. 745 Patente von Guy Nègre sind in den Quellenangaben zu finden:[5] Suchworte im dpma oder depatisnet: „Negre“ oder besser „Cyril Negre“ (271 Einträge). Cyril ist Guy Nègres Sohn, ebenfalls Ingenieur. Diese Bemühungen führten zum Konzeptfahrzeug Tata OneCAT.
Pressemitteilungen kündigten in den vergangen Jahren immer wieder den geplanten Produktions- und Verkaufsstart an, und seit Jahren wird jeweils für das nächste Jahr eine Serienfertigung angekündigt. Die letzte Ankündigung verhieß einen Verkauf der Fahrzeuge im Jahre 2009. In Zusammenarbeit mit dem indischen Fahrzeughersteller Tata-Motors soll das Fahrzeug in Indien vermarktet werden. In Europa wird ein neuartiges Konzept zur Produktion angekündigt, indem die Fahrzeuge direkt beim Händler produziert werden sollen.
Guy Nègre war 2002 für den Eurosolar-Preis für alternative Verkehrssysteme nominiert. Die Nominierung wurde jedoch zurückgezogen, nachdem Fragen zu Betriebserfahrungen der Prototypen nicht beantwortet werden konnten. Die angegebenen Fahrleistungen konnten bisher auch nicht unabhängig überprüft werden. Ein Crashtest fand in der Praxis ebenfalls noch nicht statt.
Als Vorteile werden vom Entwickler niedrige Wartungskosten und eine lange Lebensdauer angegeben. Die Funktionsweise des von Nègre entwickelten Motors unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom bekannten Prinzip eines Gasexpansionsmotors: Druckluft expandiert in zwei Zylindern, deren Kolben den Wagen antreiben. Die Motoren der nur 500 bis 700 Kilogramm schweren Fahrzeuge sollen eine Leistung von 30 PS (22 kW) haben. Als Schmierstoff wird Speiseöl verwendet.
Für eine Tankfüllung werden 90.000 Liter Luft (etwa 110 Kilogramm) auf einen Druck von 300 bar verdichtet und in vier mit Kevlar ummantelten Druckluftflaschen mit einem Gesamtvolumen von 300 Litern gespeichert. Laut Herstellerangaben dauert der Ladevorgang an einer 230-Volt-Steckdose etwa vier bis sechs Stunden, an einer entsprechenden Kompressorstation zwei Minuten.
Es fallen laut Hersteller für den Betrieb lediglich Kosten für elektrische Energie, Verschleißteile, Schmierstoffe und Steuern an, und für eine Tankfüllung seien nur 20 kWh nötig (je nach Stromtarif etwa 3 bis 6 Euro). In der Vergangenheit sprach der Hersteller von einer Reichweite, die bei 240 Kilometer liegen sollte, wenn mit einer konstanten Geschwindigkeit von 60 km/h gefahren würde, bei der Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h sollten 100 Kilometer möglich sein. Diese Werte wurden von Fachleuten als deutlich zu optimistisch angesehen. Eine unabhängige Referenz für die Herstellerangaben existiert nicht.
Aktuell wird vom Hersteller eine Reichweite von etwa 70 Kilometern angegeben. Um höhere Reichweiten zu ermöglichen, soll es Modelle mit einem Verbrennungsmotor geben, der weitere Druckluft erzeugt.
Weitere Modelle
Auf dem Genfer Autosalon 2009 wurden von MDI zwei neue Modelle, AirPod und OneFlowAir, vorgestellt [6].
Bei dem Airpod handelt es sich um einen knapp über zwei Meter langen Viersitzer mit 220 kg Leergewicht. Laut Spezifikation auf www.mdi.lu besteht das vordere Fahrwerk aus einer vertikalen Einachssteuerung mit Schubkarren-Rädern in Doppelausführung (auch bekannt als "Möbelrollensteuerung"), mit der Grösse 10×4.00-5 (Auszug aus den veröffentlichten techn. Daten:"Train avant: Diabolo deux roues, Pneumatiques Avant : 10×4.00-5"). Es besteht berechtigter Anlass zur Vermutung, dass die Strassenzulassung auch diesmal nicht erreicht werden wird.
Der OneFlowAir ist ein 3,40 m langes und bis zu fünfsitziges Cabrio, das von der Form her dem Citroën Méhari ähnelt. Der OneFlowAir soll neben dem Druckluftantrieb einen Verbrennungsmotor zur Reichweitenverlängerung enthalten.
Kritik
In einer Studie[7] der University of California, Berkeley wurde ein Vergleich zwischen Benzinauto, batterieelektrischem Auto und Druckluftauto in Bezug auf Treibhausgasemission, Treibstoffkosten, Primärenergieverbrauch und Tankvolumen angestellt. Als Vergleichsobjekte dienten ein konventioneller Smart Fortwo, ein batterieelektrischer Smart Fortwo ED und ein hypothetisches Druckluftauto. Dabei wurden die technischen Parameter des Druckluftautos, sofern unbekannt, optimistisch geschätzt. In den Punkten Treibhausgasemission, Treibstoffkosten und Tankvolumen schnitt das Druckluftauto deutlich schlechter als das Benzin- oder das Batterieauto ab. Lediglich im Punkt Primärenergieverbrauch ergab sich ein Vorteil gegenüber dem Benzinauto, aber nur beim Betrieb mit erneuerbarer Energie. Das Batterieauto schnitt in allen Punkten deutlich besser als das Druckluftauto ab.
Siehe auch
- Alternative Antriebstechnik
- Heißluftmotor (Ericssonmotor, Stirlingmotor, Vakuummotor)
- Niedrigenergiefahrzeug
- Emissionsfreies Fahrzeug
- Themenliste Fahrzeugtechnik
- Tata OneCAT (PKW mit dem Druckluftmotor von Guy Nègre)
Einzelnachweise
- ↑ http://www.nrhs.com/web_exclusives/fireless_cooker
- ↑ http://www.dself.dsl.pipex.com/MUSEUM/TRANSPORT/comprair/comprair.htm
- ↑ Andraud und Tessié du Motay: Ueber die comprimirte Luft als universelle Triebkraft und unentgeltliches Ersatzmittel der Dampfkraft Deutsch von C. H. Schmidt. Weimar, Voigt, 1841
- ↑ [http://www.tramwayinfo.com/Tramframe.htm?http://www.tramwayinfo.com/tramways/Articles/Compair2.htm Druckluft-Straßenbahn) (englisch)
- ↑ http://depatisnet.dpma.de
- ↑ Luftikus: MDI präsentiert AirPod und OneFlowAir. heise Autos, 20. März 2009, abgerufen am 22. März 2009 (Mit Bildergalerie).
- ↑ Economic and environmental evaluation of compressed-air cars. 17. November 2009, abgerufen am 1. Januar 2010.
Weblinks
- heise Autos: Luftikus: MDI präsentiert AirPod und OneFlowAir, 20. März 2009
- tagesschau.de: Nichts als Luft im Tank (von Anke Schaefer, ARD-Hörfunkstudio Paris), 3. Januar 2008
- dematerialisierung.de: The Air Car, 16. November 2007
- Podkast Schweizer Rundfunk DRS2 im Kontext zu Druckluftauto in Indien
- Diplomarbeit über Luftdruckantriebe (PDF-Datei)
- 3sat.de:Bericht über Aircars, Druckluft für Autos der Zukunft
- swr.de - Hat der emissionslose Antrieb eine Chance?
- vossyline.de - Die Luftnummer aus Frankreich
- Druckluft-Speicher und Druckluft im mobilen Einsatz, aktualisiert im Juni 2008