Zum Inhalt springen

Jordansche Normalform

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. Februar 2010 um 17:56 Uhr durch 78.50.95.35 (Diskussion) (Nochmal erwähnt, dass diese Form nur über den Komplexen Zahlen immer möglich ist. Mit dem Text darüber konnte man das erahnen, eindeutig war es aber nicht.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die jordansche Normalform ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der linearen Algebra. Sie ist ein einfacher Vertreter der Äquivalenzklasse der zu einer trigonalisierbaren Matrix (trigonalisierbaren linearen Abbildung) ähnlichen Matrizen (linearen Abbildungen). Die Trigonalisierbarkeit ist gleichbedeutend damit, dass das charakteristische Polynom der Matrix (linearen Abbildung) vollständig in Linearfaktoren zerfällt. Benannt wurde die jordansche Normalform nach Marie Ennemond Camille Jordan, der sie 1871 im Zusammenhang mit der Lösung komplexer Differentialgleichungssysteme für komplexe Matrizen herleitete.

Die jordansche Normalform zu einer quadratischen Matrix über den komplexen Zahlen ist eine Matrix in der folgenden Blockdiagonalform

Die Matrix ist die Matrix der Eigenvektoren und Hauptvektoren, aus denen sie spaltenweise besteht. bezeichnet dabei die inverse Matrix von . Die sind die Jordan-Blöcke. Diese haben folgende Form:

Die sind dabei die Eigenwerte von . Zu jedem Eigenwert gibt es seiner geometrischen Vielfachheit entsprechend viele Jordan-Blöcke. (Die geometrische Vielfachheit ist dabei die Dimension des Eigenraums zum Eigenwert .) Die Gesamtdimension aller Jordan-Blöcke eines Eigenwertes entspricht seiner algebraischen Vielfachheit, d. h. seiner Vielfachheit im charakteristischen Polynom.

In einem Jordanblock sind die sogenannten Jordanketten „gespeichert“ (siehe Hauptvektor). Besteht z. B. nur aus einem Jordanblock mit Eigenwert und bezeichne den -ten Hauptvektor (dabei ist der Eigenvektor zum Eigenwert ), dann gilt und für .

Es existiert noch die alternative Darstellung der Jordanblöcke mit 1 in der unteren Nebendiagonalen.

Im Spezialfall einer diagonalisierbaren Matrix ist die jordansche Normalform eine Diagonalmatrix.

Zur Form von

Es seien die Hauptvektoren der jeweils -ten Stufe, wobei die Dimension des -ten Jordankästchens ist.

Dann ist , definiert durch

eine Transformationsmatrix, welche die Jordan-Normalform von herstellt, wobei die Anzahl der Jordankästchen war.

In Worten: Die Spalten von sind die Eigenvektoren mit den dazugehörigen Hauptvektoren in der Reihenfolge der dazugehörigen Jordankästchen. Allerdings ist nicht eindeutig bestimmt.

Algorithmus zur Bestimmung einer komplexen jordanschen Normalform

Für die jordansche Normalform eines Endomorphismus eines -dimensionalen -Vektorraums wählt man eine Basis des Vektorraums und berechnet die jordansche Normalform der Matrix von in Bezug auf die Basis , also die Matrix zum Basiswechsel .

Im Folgenden wird die komplexe jordansche Normalform einer (quadratischen) Matrix bestimmt.

Sei im Folgenden und die Einheitsmatrix.

Bestimmung der Eigenwerte

Mit Hilfe des charakteristischen Polynoms

errechnet man aus seinen Nullstellen die (paarweise verschiedenen) Eigenwerte

Die Eigenwerte werden hier also nicht ihrer Vielfachheit entsprechend aufgeführt.

Bestimmung der Größe der Jordanblöcke

Hierfür muss man die Dimension der Potenzen der Eigenräume bestimmen. Das heißt, man berechnet für und .

Die Dimension des Kerns erhält man wiederum aus dem Dimensionssatz: . Der Rang von kann z. B. mit dem gaußschen Algorithmus bestimmt werden. Die Dimension wird ab einem bestimmten Wert für (spätestens bei der Vielfachheit des Eigenwertes im charakteristischen Polynom) stationär.

Mit definiert man also positive Zahlen, um mit der Formel die Anzahl der Jordankästchen der Größe s zum Eigenwert zu erhalten.

Komplexe jordansche Normalform

Die erhaltenen Jordanblöcke schreibt man in eine Matrix und erhält die komplexe jordansche Normalform einer Matrix. Haben die Kästchen allesamt die Größe 1, liegt der Spezialfall einer Diagonalmatrix vor, und ist somit diagonalisierbar.

Das Minimalpolynom von erhält man aus , worin die Größe des größten Jordanblocks zum Eigenwert bezeichnet.

Die jordansche Normalform ist bis auf die Reihenfolge der Kästchen eindeutig bestimmt. Sofern alle Eigenwerte in liegen, sind zwei Matrizen, welche dieselbe jordansche Normalform haben, zueinander ähnlich.

Beispiel

Man betrachte die Matrix , die wie folgt definiert ist

Ihr charakteristisches Polynom lautet . Somit besitzt diese Matrix genau einen Eigenwert, nämlich 3. Nun berechnen wir die für .

ist die Einheitsmatrix, und diese hat vollen Rang, also 5. Die Dimension des Vektorraumes beträgt ebenso 5. Also ist .

. Somit ist .
. Damit ist .

Die Anzahl der Jordankästchen mit Größe 1 sind Stück.

Die Anzahl der Jordanblöcke mit Größe 2 sind Stück.

Den anderen Kästchen bleibt jetzt nichts mehr anderes übrig, als die Größe 0 zu haben.

Somit ist die jordansche Normalform von . Das Minimalpolynom von ist .

Bestimmung einer Basistransformation zur komplexen jordanschen Normalform

Nun soll eine Basistransformationsmatrix bestimmt werden, die

erfüllt. Sie ist durch diese Gleichung bekanntlich nicht eindeutig bestimmt. Das Verfahren verwenden die vorherige Kenntnis der komplexen jordanschen Normalform .

Ein ineffizienter Brute-Force-Ansatz

Ein erster, aber nicht sehr geschickter Ansatz wäre der folgende: ist offenbar äquivalent zu . Durch komponentenweise Betrachtung erhält man daraus

für alle .

Dies ist ein lineares (homogenes) Gleichungssystem von Gleichungen in den Unbekannten . Der Lösungsraum ist nichttrivial. Findet man unter den Lösungen eine reguläre Matrix (so eine existiert auch, falls die jordansche Normalform ist), so ist eine Basistransformation mit .

Abgesehen davon, dass man noch durch geschickte Linearkombination der Basisvektoren des Lösungsraumes eine reguläre Matrix erzeugen muss (und zwar durch Ausprobieren, das ist eine ernstzunehmende algorithmische Schwachstelle), ist dieser Ansatz sehr ineffizient, da man ein unnötig großes Gleichungssystem lösen muss. Die Ursache besteht unter anderem darin, dass dieser Algorithmus keinen Gebrauch macht von den Informationen, die zur vorherigen Bestimmung der jordanschen Normalform ausgerechnet wurden. Er erkennt selbst im Fall einer diagonalisierbaren Matrix nicht, dass die Transformationsmatrix direkt durch die Eigenvektoren gegeben ist. Bereits bei kleinen Dimensionen wäre daher schon ein unverhältnismäßig großer Rechenaufwand nötig.

Ein Standard-Verfahren

Ein gängiges Verfahren, um eine Basistransformation zu erhalten, ist das folgende: Man bestimme (wie auch bei obigem naiven Ansatz) zunächst die Jordannormalform . Dann hat man insbesondere schon alle Eigenwerte berechnet sowie die Kerne für alle , worin die Dimension des größten Jordanblocks zum Eigenwert bezeichnet. Anschließend arbeite man zur Bestimmung einer regulären Matrix mit die Blöcke nacheinander ab. Dabei ist zu beachten, dass man bei Jordanblöcken zum selben Eigenwert stets vom größten Block zum kleinsten Block vorgeht.

Zu jedem Block der Größe und Eigenwert werden Spalten der Basistransformationsmatrix nach einem bestimmten Schema bestimmt. Wenn der Block in die Spalten belegt, so werden die Vektoren in ebenso (von links nach rechts) in die Spalten eingefügt. Die Vektoren werden nun wie folgt bestimmt:

  • Man wähle beliebig, worin die Menge der zuvor berechneten Spalten (d. h. Basisvektoren) der Stufe aus zuvor abgearbeiteten Jordanblöcken zum selben Eigenwert (sofern vorhanden) bezeichnet. Insbesondere an dieser relativ freien Wahl erkennt man, dass die Basistransformation nicht eindeutig sein kann. Wenn ist der Eigenvektor zum Eigenwert .
  • Nach der Wahl obigen Vektors besteht jedoch keinerlei Wahlfreiheit mehr, man muss sukzessiv für alle setzen.

Nachdem man auf obige Weise alle Jordanblöcke abgearbeitet hat, wurden am Ende alle Spalten von aufgefüllt. Es gilt: ist regulär und erfüllt , und ihre Spalten bilden eine Basis, bezüglich derer die Darstellung besitzt.

Wird die alternative Darstellung der Jordanblöcke gewählt, d.h. mit 1 in der unteren Nebendiagonalen, muss lediglich die Reihenfolge der Basivektoren pro Jordanblock umgekehrt werden.

Beispiel

Als erläuterndes Beispiel betrachte man hierzu die Matrix

wie oben. Es gilt

und .

Ihre Jordannormalform lautet

.

Man beginne mit dem ersten Jordanblock der Dimension 2. Dazu wähle man

beliebig, beispielsweise . Dann ist zu wählen. Daraus erhält man . Nun gehe man zum zweiten Jordanblock der Größe 2 über. Man wähle nun

beliebig, beispielsweise . Dann ist , und man landet bei . Schließlich ist der letzte Jordanblock (der Größe 1) an der Reihe. Man wähle hierzu

beliebig, beispielsweise . Dann ist eine reguläre Matrix mit .

Der ineffiziente Ansatz hätte für dieses Beispiel unter anderem ein Gleichungssystem mit 25 Variablen lösen müssen.

Reelle jordansche Normalform

Betrachtet man reelle Matrizen, so zerfällt deren charakteristisches Polynom im Allgemeinen nicht mehr vollständig in Linearfaktoren, sondern nur noch in irreduzible Faktoren, die in diesem Fall stets lineare oder quadratische Faktoren sind. Es stellt sich nun die Frage nach einer Normalform, wenn man ausschließlich reelle Basistransformationen zulässt.

Zu einem quadratischen irreduziblen Faktor mit definiert man als Jordanblock

Wir nennen die Anzahl der Zeilen (bzw. Spalten) die Größe dieses Blocks. Dann bezeichnet man

als reelle jordansche Normalform. Um sie und eine geeignete reelle Matrix zu bestimmen, kann man folgendermaßen vorgehen:

  • Bestimme das charakteristische Polynom und faktorisiere es in irreduzible Faktoren. Es ergibt sich
,
wobei paarweise verschiedene Eigenwerte mit Vielfachheit bezeichnen. Weiter seien darin , , und paarweise verschieden.
  • Für jedes bestimme man
für ,
worin die kleinste natürliche Zahl ist mit . Analog bestimme man für jedes
für ,
worin die kleinste natürliche Zahl ist mit .
Zudem setzen wir .
  • Nun stelle man die jordansche Normalform auf. Es gilt hierbei
    • ist die Anzahl der Jordanblöcke zum Eigenwert , deren Größe größer oder gleich ist.
    • ist die Anzahl der Jordanblöcke zum Faktor , deren Größe größer oder gleich ist.
Außerdem ist die Summe der Jordanblockgrößen zum Eigenwert und die Summe der Jordanblockgrößen zum Faktor . Aus diesen Angaben kann man eindeutig die jordansche Normalform bestimmen.
  • Danach bestimme man die Basistransformationsmatrix , das heißt, man sucht eine reelle invertierbare Matrix , so dass .

Ein Verfahren, um eine Basistransformation zu erhalten, ist das folgende:

  • Man arbeite die Blöcke nacheinander ab. Dabei ist zu beachten, dass man bei Jordanblöcken zum selben irreduziblen Faktor stets vom größten Block zum kleinsten Block vorgeht. Zu jedem Block der Größe werden Spalten der Basistransformationsmatrix nach einem bestimmten Schema bestimmt. Wenn der Block in die Spalten belegt, so werden die Vektoren in ebenso (von links nach rechts) in die Spalten eingefügt. Die Vektoren werden nun wie folgt bestimmt:
    • Zu einem Jordanblock der Größe zum Eigenwert wähle man beliebig, worin die Menge der zuvor berechneten Spalten (das heißt Basisvektoren) der Stufe aus zuvor abgearbeiteten Jordanblöcken zum selben Eigenwert (sofern vorhanden) bezeichnet. Anschließend setze man sukzessiv für alle .
    • Zu einem Jordanblock der Größe zum irreduziblen Faktor wähle man einen Vektor , wobei aus den bereits berechneten Hauptvektoren der Stufen zum selben irreduziblen Faktor besteht.
Dann setze man für sukzessiv
Schließlich setzt man wie gehabt aus den Vektoren zusammen.
  • Nachdem man auf obige Weise alle Jordanblöcke abgearbeitet hat, werden am Ende alle Spalten von aufgefüllt. Es gilt: ist regulär und erfüllt , und ihre Spalten bilden eine Basis, bezüglich derer die Darstellung besitzt.

Beispiel

Man betrachte die Matrix , die wie folgt definiert ist

Ihr charakteristisches Polynom lautet , wobei irreduzibel über ist. Nun berechnen wir die jordansche Normalform:

.

Dieser Kern hat die Dimension 1. Also gibt es nur einen Jordanblock der Größe . Andererseits muss die Summe der Jordanblockgrößen 1 sein (die Potenz von ), so dass es genau einen Jordanblock zum Eigenwert 1 gibt, und er hat die Größe 1. Weiter hat

die Dimension 2, so dass es demzufolge nur Jordanblock der Größe gibt. Da die Summe der Jordanblockgrößen 4 sein muss (das Doppelte der Potenz von ), ergibt sich, dass dieser eine Jordanblock die Größe 4 besitzt. Außerdem errechnen wir

.

Somit ist die reelle jordansche Normalform von .

Zum Vergleich, die komplexe jordansche Normalform lautet .

Zum Berechnen einer Basistransformationsmatrix beginne man mit dem ersten reellen Eigenwert und dann mit dem (ersten) Jordanblock der Dimension 1. Man wähle

beliebig, also beispielsweise . Daraus erhält man .

Nun gehe man zum ersten irreduziblen Faktor (komplexen Eigenwert) und dann zum Jordanblock der Größe 4 über. Dazu wähle man

beliebig, beispielsweise . Dann ist , und zu wählen. Daraus erhält man: ist eine reguläre Matrix mit .

Jordansche Normalform in allgemeinen Körpern

Die jordansche Normalform kann noch weiter verallgemeinert werden auf allgemeine Körper. In diesem Zusammenhang wird sie häufig auch als Weierstraß-Normalform (bzw. Frobenius-Normalform) bezeichnet. Dies erlaubt eine eindeutige Matrixdarstellung von Endomorphismen von endlich-dimensionalen Vektorräumen, bei der sich alle ähnlichen Endomorphismen durch eine eindeutige Matrix darstellen lassen. So können ähnliche lineare Abbildungen identifiziert werden. Das Lemma von Frobenius charakterisiert zueinander ähnliche Matrizen durch die Elementarteiler ihrer charakteristischen Matrizen und liefert die Frobenius-Normalform als Normalform des Vektorraums unter der Operation eines Polynomrings.

Durch die Darstellung in der Weierstraß-Normalform ist der Aufbau des Minimalpolynoms sofort erkennbar und das charakteristische Polynom leicht zu berechnen.

Anwendung bei linearen Differentialgleichungssystemen erster Ordnung mit konstanten Koeffizienten

Gegeben sei ein lineares Differentialgleichungssystem (von Gleichungen) erster Ordnung mit konstanten Koeffizienten

durch eine Matrix und eine stetige Funktion . Es ist bekannt, dass die eindeutige Lösung des Anfangswertproblems

gegeben ist durch

,

worin

für

die Matrixexponentialfunktion bezeichnet. Man beachte:

  • Die Matrixexponentialfunktion von einem komplexen Jordanblock kann explizit ausgerechnet werden:
.
  • Die Matrixexponentialfunktion von einer komplexen Jordannormalform kann explizit berechnet werden mittels:
.
  • Die Matrixexponentialfunktion einer Matrix , deren komplexe Jordannormalform zusammen mit einer Basistransformationsmatrix bekannt ist, das heißt , kann explizit berechnet werden mittels:
.

Mit anderen Worten: Kennt man eine Darstellung mit der komplexen jordanschen Normalform , so kann man für jedes explizit ausrechnen, so dass zum Bestimmen von

nur noch das Integrationsproblem zu lösen ist, welches im homogenen Fall völlig entfällt.

Siehe auch

  • Diagonalisierung ist ein Spezialfall der jordanschen Normalform.
  • Die jordansche Normalform ist ein Spezialfall der Weierstraß-Normalform.
  • Die Existenz der jordanschen Normalform liefert die Existenz der (additiven) Jordan-Chevalley-Zerlegung eines Endomorphismus.

Literatur

  • Herbert Amann: Gewöhnliche Differentialgleichungen. 2. Auflage. Gruyter - de Gruyter Lehrbücher, Berlin/New York 1995, ISBN 3-11-014582-0.