Der Begriff Anarchismus (von griechisch anarchía, "Herrschaftlosigkeit") bezeichnet die Idee einer herrschaftsfreien gewaltlosen Gesellschaft, in der Menschen ohne Macht und Herrschaft miteinander leben. Ein Mensch, der nach diesen Idealen lebt, wird als Anarch bezeichnet, einer, der eine herrschaftsfreie Gesellschaft anstrebt, als Anarchist.
Umgangssprachlich und von seinen politischen Gegnern wird der Begriff Anarchie jedoch oft mit Zerstörung und Chaos gleichgesetzt.
Der Anarchismus strebt eine Gesellschaft an, dessen politische Entscheidungen von der Basis ausgehen.
Dazu wird Selbstorganisation als Mittel angesehen. Das Leben soll auf kleinstmöglicher politischer Ebene geregelt werden. Als wichtigste politische Einheit werden demnach Stadtteilorganisationen angesehen, in denen lokale Angelegenheiten gemeinsam zu entscheiden sind.
Demnach solle der Mensch die ihn betreffenden Entscheidungen selbst gemeinsam mit anderen fällen dürfen, weshalb sich Anarchisten auch immer gegen den Staat wenden, da in der Demokratie die Politik immer nur von einer kleinen Machtgruppe (Politiker/Konzern/Parteien), d.h. oligarchisch entschieden werde.
Zu einer gerechten Gesellschaft gehöre eine gerechte Wirtschaft, weshalb Anarchisten autoritäre Wirtschaftsordnungen wie die von den Marxisten geforderte ablehnen, und eine selbstorganisierte Wirtschaft anstreben.
Bereits 1793 formuliert William Godwin in seinem Werk Enquiry concerning political justice, dass jedwede obrigkeitliche Gewalt als ein Eingriff in die private Urteilskraft anzusehen ist. Seine Ideen wurden jedoch lange Zeit nicht aufgenommen. Erst Pierre-Joseph Proudhon stellt die wesentlichen Elemente des Anarchismus in seinem Werk Qu'est-ce que la propriété? ou recherches sur le principe du droit et du gouvernement (1840) zusammen und formuliert: "Eigentum ist Diebstahl."
Später im 19. Jahrhundert waren es Revolutionäre wie Michail Bakunin die Bedarf für Gewalt sahen zur Verteidigung der Arbeiterklasse gegen Unterdrückung durch die herrschende Klasse. Einige der frühen Anarchisten unterstützten politische Gewalt durch Bombenattentate oder die Ermordnung wichtiger Politiker oder gar Präsidenten wie Abraham Lincoln. Diese Aktionen wurden aber von anderen als konter-produktiv oder ineffektiv angesehen. Peter Kropotkin etwickelte in seinem Buch Mutual Aid (1897) einen anarchistischen Kommunismus dessen wissenschaftlicher Aspekt auf der Evolutiontheorie basiert und in dem die Zusammenarbeit gleichwertig oder wichtiger als der Konkurrenzkampf war.
Im frühen 20. Jahrhundert wurden in Europa die Anarchisten-Gruppen von den aufsteigenden Faschisten oder in Russland auch von den Kommunisten verdrängt, allerdings wird argumentiert dass der philosophische Einfluss des Anarchismus in diesen erhalten blieb.
Anarchisten spielten in vielen Arbeiterbewegungen, -aufständen und Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts eine Rolle, dazu gehören etwa die November Revolution von 1917 oder der Spanische Bürgerkrieg. Im Bürgerkrieg kontrollierten Anarchistengruppen große Teile des östlichen Spaniens.
Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte sich hauptsächlich in den USA eine neue politische Theorie. Diese Ideologie war gegen den stetig wachsenden Einfluss des Kapitalismus und war dem klassischem Liberalismus des 18. und frühen 19. Jahrhundert näher als den bisherigen anarchistischen Traditionen. Dieser Anti-Kapitalismus wird inzwischen aber von Anarchisten verschiedenster Richtungen abgelehnt.
Das öffentliche Interesse am Anarchismus wuchs in den 1970ern in Großbritannien wieder an und wird als Ursprung des Punks angesehen. Vorallem die Band Crass sind hier als engagierte Anarchisten und Pazifisten zu nennen.
Anarchistische Gruppen existieren weiterhin weltweit, jedoch hat der Anarchismus in den letzten Jahren durch den Protest gegen die Globalisierung bei einigen Bevölkerungsschichten, meist auch von Staat zu Staat unterschiedlich, wieder ein wenig Ansehen erlangt.
Weitere bedeutende Anarchistinnen und Anarchisten: Puig Antich, Alexander Berkman, Michail Bakunin, Murray Bookchin, Noam Chomsky, Buenaventura Durruti, Charles Fourier, Emma Goldmann, Karl Grün, Moses Heß, Peter Kropotkin, Nestor Iwanowitsch Machno, Max Nettlau, Erich Mühsam, Rudolf Rocker, Murray Rothbard, Sacco und Vanzetti, Max Stirner, Benjamin Tucker, Turgenjew
Siehe auch: Direkte Aktion, Münchner Räterepublik, Rätedemokratie, Graswurzelrevolution, Liberalismus, Sozialismus, Pazifismus, Individualanarchismus, Libertär, Mutualismus, Syndikalismus, Terrorismus, Eigentum, Freiheit
Literatur
- "Die Bibel der Anarchie" von Hans Jaeger, ISBN 3926112735
- "Anarchismus" von Hans Diefenbacher, ISBN 3896780131
- "Unter der schwarzen Fahne" von Justus F.Wittkop, ISBN 3879562172
- "Leben ohne Chef und Staat" von Horst Stowasser, ISBN 3879561206
Weblinks
- DadA - Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus: Literatur- und Pressedokumentation sowie weitere Texte zur Anarchismusforschung
- Hajo Schmück: "Anarchie" - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes
- Kleiner Leitfaden zur Geschichte und den Inhalten des Anarchismus
- the anarchist FAQ (engl.) Guter Einstieg in das Thema
- kleines anarchistisches FAQ (de)
- Anarchie Heute
- http://www.anarchismus.at/theoretiker.htm