Das Bildungssystem der DDR entstand Ende der 1940er Jahre in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und wurde zweimal (Mitte der 1950er Jahre und Ende der 1960er Jahre) umfassend novelliert. Bereits in seinen Ansätzen brach es grundlegend mit der bis dahin existierenden Struktur der Volksschulen und weiterführenden Schulen und distanzierte sich somit deutlich vom auf bundesdeutscher Seite bis in die 1960er Jahre existierenden Bildungssystem. Ausgehend vom reformpädagogischen Modell der Einheitsschule, welches sich in den 1920er Jahren entwickelte, stand im Zentrum der Bildung die Polytechnische Oberschule, die alle Klassen von der 1. bis zur 10. unter einem Dach vereinte und sowohl vielfältige naturwissenschaftliche als auch technische Schwerpunkte setzte.
Das Bildungsmonopol lag in der DDR beim Staat. Es gab keine staatlich anerkannten privaten Schulen. Verantwortlich für die Gestaltung des Bildungssystems war das Ministerium für Volksbildung, die Richtlinien der Bildungspolitik wurden von der SED festgelegt.
Struktur des Bildungssystems
Mit der letzten großen Novellierung Ende der 60er Jahre bestand das Bildungssystem der DDR nahezu unverändert bis zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland und stellte sich folgendermaßen dar.
Kindergarten
Der Kindergarten hatte den Auftrag, die Kinder bis zur Schulreife zu fördern. Anders als in der Bundesrepublik Deutschland hatten damit die Kindergartenerzieherinnen einen eindeutig definierten Bildungsauftrag und waren konsequenterweise dem Ministerium für Volksbildung unterstellt. Im Kindergarten wurden den Kindern die einfache Mengenlehre (Rechnen mit Rechenstäbchen im Zahlenraum bis 10), Malen, Singen und bildnerisches Gestalten (beispielsweise Kneten) beigebracht. Die Bildung im Kindergarten enthielt aber auch bereits staatsbürgerliche Elemente. Betreut wurden die Kinder vom dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt.
Polytechnische Oberschule
Die Polytechnische Oberschule (POS) stellte die Regelschule der DDR dar. Der überwiegende Teil der Kinder wurde mit sechs oder sieben Jahren nach einer ärztlichen Schultauglichkeitsüberprüfung eingeschult. Stichtag hierbei war der 31. Mai; Kinder, die erst nach diesem Tag sechs Jahre alt wurden, kamen in der Regel erst im darauf folgenden Jahr in die Schule. Ein Zurückstufen wegen Entwicklungsverzögerung war relativ selten.
Erweiterte Oberschule und Berufsausbildung mit Abitur
An der Erweiterten Oberschule (EOS) konnten Schüler das Abitur ablegen. Sie bestand aus den Klassen 9 bis 12, seit der ersten Hälfte der 1980er Jahre – abgesehen von den Spezialschulen – nur noch aus den Klassen 11 und 12. Nur ein relativ kleiner Teil der Schüler eines Jahrgangs besuchte eine EOS. Ausschlaggebend für eine Zulassung waren neben den Leistungen der Berufswunsch, eine gewisse politische "Zuverlässigkeit" und auch die Tätigkeit der Eltern, eine Herkunft aus der "Arbeiterklasse" war hier von Vorteil. Zum Erwerb des Abiturs bestand weiterhin die Möglichkeit der dreijährigen sogenannten Berufsausbildung mit Abitur, die nach der 10. Klasse eine Berufsausbildung mit weiterem Schulunterricht mit dem Ziel des Ablegens des Abiturs an einer Berufsschule verband. Die Zahl dieser Lehrstellen und die Arten der angebotenen Ausbildungsberufe waren jedoch begrenzt.
Sonderschule
Als Sonderschule wurden alle Einrichtungen der Volksbildung bezeichnet, in denen durch sonderschulpädagogische Maßnahmen körperlich oder geistig behinderte Kinder und Jugendliche im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu möglichst vollwertigen Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft gebildet und erzogen wurden. Zu den Sonderschulen gehörten neben den bekannten Hilfsschulen für geistig behinderte oder lernbehinderte Kinder auch die Körperbehinderten-, Blinden-, Sehschwachen-, Gehörlosen- (fälschlich als Taubstummen- bezeichnet), Schwerhörigen- und Sprachheilschulen sowie Schulen für nervengeschädigte Kinder.
Darüberhinaus hatten Schulen und Klassen in Krankenhäusern und Heil- und Rehabilitationsstätten (bei Kuren) ebenfalls Sonderschulstatus.
Spezialschulen
Zur Elitenförderung gab es ein vielfältiges System an Spezialschulen. Manchmal handelte es sich auch nur um Spezialklassen, die administrativ einer POS, einer EOS oder einer Universität angeschlossen waren. Am bekanntesten waren die Russischschulen, die ab der 3. Klasse besucht wurden, sowie die Spezialschulen für Sport (KJS). Weiter gab es Spezialschulen für Musik, Mathematik, Naturwissenschaften oder andere Sprachen. Die Spezialschulen begannen in unterschiedlichen Klassenstufen. Einige wenige Spezialklassen, die dann meist dem Förderbereich einer Universität zugeordnet waren, setzen erst zur 11. Klasse ein, einige Spezialklassen hatten wegen des zusätzlichen Unterrichts auch eine 13. Klasse, und für einige Spezialschulen erfolgte keine öffentliche Auswahl, wie für die so genannten Diplomatenschulen mit umfangreichem neusprachlichen Unterricht. In den in früheren Klassenstufen beginnenenden Spezialschulen gab es meist einen fließenden Übergang zur Abiturphase (EOS).
Die Entwicklung des "sozialistischen Bildungssystems" der DDR
Der Aufbau der Schulen in der SBZ
Die Anfänge des Schulwesens in der damaligen SBZ waren geprägt von einem umfassenden Austausch der Lehrerschaft. Neben den etwa 71% ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, die als größtes Problem angesehen wurden, konnte auch ein Großteil der Lernmittel wegen ihrer anhaftenden Nazi-Ideologie nicht weiter verwendet werden. Vielerorts ruhte der Unterricht und wurde erst im September 1945 wieder aufgenommen.
Am 27. Juli 1945 wurde durch einen Erlass der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Zentralverwaltung für Volksbildung (ZfV) geschaffen, deren Aufgabe die Ausarbeitung von Vorschlägen zur Gestaltung des Schulwesens war. Mit dem Befehl Nr. 40 der SMAD entstanden in der SBZ die vorläufigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Schulen einen regulären Unterricht erlauben sollten. Vorerst wurden die alten Schulformen Volksschule, Mittelschule und Gymnasium beibehalten. Jedoch wurden keine allgemein bildenden Privatschulen mehr berücksichtigt, womit dem Staat in der SBZ das Schulmonopol zugesichert wurde. Wie alle wichtigen Gremien wurde auch die ZfV an der Spitze mit einem Mann besetzt, zu dem die sowjetische Regierung volles Vertrauen hatte; in diesem Fall war es Paul Wandel, der ehemalige Chefredakteur der "Roten Fahne", des Zentralorgans der KPD.
Weitere Richtlinien der ZfV und der SMAD zur Wiedereinstellung der Lehrer sahen vor, dass NSDAP-Mitglieder sowie aktive Mitglieder anderer Nazi-Organisationen aus dem Schuldienst zu entfernen seien. Verstärkt sollte man die Lehrer wieder einstellen, die von den Nazis entlassen oder gemaßregelt worden waren. Da aber in der Anfangsphase eine strenge Befolgung dieser Richtlinien die Aufnahme eines flächendeckenden Schulunterrichtes nicht zugelassen hätte, wurden vorläufig auch NSDAP-Mitglieder, die nach 1920 geboren waren, im Schuldienst belassen.
Neulehrer
Grundlegendes Anliegen in der SBZ war eine neue Lehrerschaft, die man aus den demokratisch-antifaschistischen Kreisen der deutschen Intelligenz rekrutieren wollte und die die nötige allgemeine Ausbildung besitzen sollte, um in den Volkschulen und an den weiterführenden Bildungseinrichtungen unterrichten zu können. Bei der Einstellung von Neulehrern sollten vor allem Jüngere bevorzugt werden. So wurden in den nächsten Jahren 40.000 Menschen, die bereits eine Berufsausbildung besaßen und/oder direkt aus der Kriegsgefangenschaft kamen, in Schnellkursen zu sogenannten Laienlehrern und Neulehrern ausgebildet. Bei ihrer Ausbildung wurden oft auch reformpädagogische Ansätze aus der Zeit der Weimarer Republik vermittelt. Die Neulehrer der 1940er und 1950er Jahre prägten den Schulalltag der DDR bis in die 1980er Jahre mit.
Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schulen
Im Mai und Juni 1946 wurde das Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schulen für die Länder der Sowjetischen Besatzungszone verabschiedet. Dieses Gesetz ist insofern bedeutend, weil es wegweisend für die folgenden 20 Jahre war und somit auch weit in die Zeit der erst drei Jahre später gegründeten DDR hineinreichte. Das Gesetz war der Ausgangspunkt zur Umgestaltung des gesamten Bildungssystems in der SBZ. Der Wortlaut des Gesetzes war maßgeblich von demokratischen Grundgedanken der Nachkriegszeit geprägt. Auch die fachlichen Diskussionen vor und nach der Verabschiedung des Gesetzes waren – auch nach heutigen Maßstäben – in weiten Teilen demokratisch. Des Weiteren wurden die Bestrebungen nach gleichen Bildungschancen für alle deutlich. Mit der Einführung einer achtjährigen Grundschule vollzog man eine Abkehr von der bisher üblichen und in der Bundesrepublik Deutschland fortgesetzten frühen und für alle Schüler verbindlichen Leistungsauslese in die einzelnen Schultypen.
Im einzelnen formulierte das Gesetz folgende Grundstrukturen:
- Der Kindergarten hatte die Aufgabe, die Kinder zur Schulreife zu bringen.
- Mit dem 6. Lebensjahr begann die achtjährige Grundschule für alle Kinder.
- Im Anschluss folgte eine 2-5-jährige Berufs-, Fach- oder Oberschule als Oberstufe, die ebenfalls für alle Schüler Pflicht war.
- Die Hochschulen und Universitäten waren die höchste Stufe. Für sie wurde ein gesondertes Gesetz erlassen.
Bemerkenswert ist hierbei, dass bereits bei der Erziehung der 3- bis 6-jährigen ein gesetzlich verankertes Ziel, nämlich die Vorbereitung auf die Schule, formuliert wurde. Damit wurde der Erziehungsanspruch nach “unten” hin ausgedehnt. Man kann sagen, dass bei der Strukturierung des Bildungssystems auch wirtschaftliche Aspekte wie ein erhöhter Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften eine maßgebliche Rolle spielten.
Siehe auch
Literatur
- Gert Geißler: Geschichte des Schulwesens in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik 1945 bis 1962. Lang, Frankfurt am Main [u.a.] 2000. ISBN 3-631-36445-8
- Christoph Führ (Hrsg.): Deutsche Demokratische Republik und neue Bundesländer. Beck, München 1998. (Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 6, Teilbd. 2) ISBN 3-406-42931-9
- Gert Geißler, Ulrich Wiegmann: Schule und Erziehung in der DDR. Studien und Dokumente. Luchterhand, Neuwied 1995. ISBN 3-472-02258-2
- Hubert Hettwer, 1976: “Das Bildungswesen in der DDR - Strukturelle und inhaltliche Entwicklung seit 1945”, Kiepenheuer & Witsch Köln ISBN 3-462-01165-0
- Freya Klier, 1990: “Lüg Vaterland - Erziehung in der DDR”, Kindler Verlag München ISBN 3-463-40134-7
- Saul B. Robinsohn, 1970: “Schulreform im gesellschaftlichen Prozeß - Ein interkultureller Vergleich, Band 1: BRD, DDR, UdSSR”, Ernst Klett Verlag Stuttgart
- Karl-Heinz Günter, 1979: “Das Bildungswesen der Deutschen Demokratischen Republik”, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin
Das Hochschulsystem der DDR fehlt noch völlig.