KZ Jasenovac

Konzentrationslager im Unabhängigen Staat Kroatien
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Das Konzentrationslager Jasenovac im damaligen „Unabhängigen Staat Kroatien“ (NDH), einem Vasallenstaat der faschistischen Achsenmächte, war das größte Vernichtungslager während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Südosteuropa. Der von der Ustascha bewachte Lagerkomplex, genannt nach dem Ort Jasenovac, bestand aus insgesamt fünf Nebenlagern und drei kleineren Lagern. Er wurde 95 km südöstlich von Zagreb errichtet. Die Gesamtfläche des Komplexes betrug 240 Quadratkilometer. Zu den Lagern gehörten drei Kinderkonzentrationslager: KZ Sisak als größtes, Gornja Rijeka als kleinstes sowie das KZ Jastrebarsko. Die Zahlenangaben über Opferzahlen sind aufgrund der teilweisen Verwendung für propagandistische Zwecke voneinander stark abweichend.

Geländeplan des ehemaligen Konzentrationslagers Jasenovac
Jeder Hügel steht für eine Baracke, die sich seinerzeit dort befunden hat
Blick ins Gelände des Konzentrationslagers Jasenovac
Denkmal für die Opfer des KZ Jasenovac, "Die steinerne Blume", entworfen von Bogdan Bogdanović, erbaut 1966

Entstehung und Geschichte

Die Lager wurden aufgrund der kroatischen Gesetzesvorlage No. 1528-2101-Z-1941 vom 25. September 1941 formal legalisiert. Dieses Gesetz erlaubte die Internierung von gefährlichen und unerwünschten Personen in Lagern. Sämtliche Lager des NDH befanden sich unter der Oberaufsicht von Eugen Dido Kvaternik. Der Lagerkomplex Jasenovac unterstand dem Kommandant, Vjekoslav „Maks“ Luburić, zugleich Gründer und erster Organisator, genannt „der Metzger“. Er war zur Ausbildung im SS-KZ Sachsenhausen gewesen und brachte von dort auch die Idee zur Produktion in einem Konzentrationslager mit.

Zwischen 1941 bis 1945 gab es etwa 20 Konzentrationslager und Tötungsstätten im ehemaligen, nach der Besetzung Jugoslawiens durch die deutsche Wehrmacht im April 1941 gestützten Großkroatien. Die kleineren wurden jedoch rasch aufgelöst. Stattdessen wurde mit Jasenovac ein zentraler Standort ausgewählt, zur Verhinderung von Fluchten günstig am Zusammenfluss der Save mit Una und Strug und zugleich verkehrstechnisch geeignet in der Nähe der Bahnlinie Belgrad-Zagreb für einen großen Lagerkomplex. Der Hauptzweck war die Vernichtung von Juden, Roma, Muslimen, Serben samt ihrer Angehörigen und Kinder sowie die Ausrottung von Angehörigen der Serbisch-Orthodoxe Kirche. Darüber hinaus wurden in dem Lager unter Anderem Panzer repariert, Lederwaren für das Ustascha-Militär sowie Schiffsketten hergestellt. Aus den Leichen Ermordeter wurde Seife hergestellt. Auch eine große Ziegelei befand sich auf dem Lagergelände.

Das Arbeits-, Vernichtungs- und Konzentrationslager war nach dem Vorbild der deutschen KZ konzipiert und erhielt wegen seiner Größe bald den Beinamen „Auschwitz des Balkans“. Über dem Haupttor hieß es auf Kroatisch „Alles für den Poglavnik“ (mit Poglavnik war der NDH-Führer Ante Pavelić gemeint) und darunter „Arbeitsdienst der Ustasa-Verteidigung – Sammellager Nr. III“.[1]

Zwangsarbeit und Morde

 
Deportationsbericht aus Travnik nach Jasenovac und Stara Gradiška, März 1942

Zeitweilig diente das Lager auch als Sammel- und Zwischenlager für Gefangene auf dem Weg in andere Vernichtungslager. Gleichzeitig waren 3000 bis maximal 5000 Menschen interniert und mussten Zwangsarbeit leisten.

Das Lager bestand aus fünf Teilen: Lager I (Krapje), Lager II (Bročice), Lager III (Ciglana (Ziegelei)), Lager IV (Stara Gradiška) und Lager V (Kožara). Die Lager I und II wurden vermutlich zur selben Zeit errichtet und im August 1941 wurden die ersten Gefangenen aufgenommen. Kommandanten der beiden Lager waren Ante Marić und Ivan Ranko. Im November 1941 wurde nach Überschwemmungen auf den Gebieten der ersten beiden Lager ein neues Lager errichtet. Das neue Lager in der Ziegelei (Ciglana) von Jasenovac war das dritte und größte Lager.

Die meisten der mit Viehwaggons und Lastwagen herangebrachten Opfer wurden direkt von der Bahnendstation am Fluss Save mit einer Fähre ans andere Flussufer nach Donja Gradina (im heutigen Bosnien-Herzegowina) gebracht und dort massakriert, bis zu über tausend an einem Tag.

Hier gab es keine Gaskammern, es fand keine „industrielle“ Massenvernichtung statt. Alles war „Handarbeit“, zunächst mit Schusswaffen, später geräuschloser vor allem mit Messern, aber auch Hacken, Beilen, Äxten und Hämmern.[2]

Ein deutscher Gesandter, Benzler, berichtete 1941 nach Berlin von „Untaten, wie man sie nur von vertierten Bolschewisten erwarten sollte“. Deutsche Militärs befürchteten wegen der angewandten Grausamkeiten ein Erstarken der Widerstandsbewegung (General Edmund Glaise von Horstenau im März 1942 in einem Brief an Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel).[2]

Die Endphase, Reaktionen

Am 22. April 1945 fand ein Ausbruchsversuch von Gefangenen statt, der jedoch scheiterte. Von den letzten noch lebenden ca. 1050 Gefangenen, die während der Zerstörung des Lagers durch das Ustascha-Personal im Gebäude der "Näherei" des Frauenlagers eingesperrt waren[3], entkamen lediglich etwa 80 Personen in einen angrenzenden Wald. 520 Menschen kamen bei dem Aufstand um, die restlichen im Lager Verbliebenen, die zu alt, zu schwach oder zu krank für die Revolte gewesen waren, wurden umgebracht oder brachten sich selbst um, kurz bevor also das Lager am 5. Mai 1945 von Jugoslawischen Partisanen befreit und aufgelöst wurde – es war bereits zerstört, alle Unterlagen und alle Gebäude bis auf Teile der drei bis fünf Meter hohen und 3,5 km langen Mauer vernichtet.

Dinko Šakić, der das Lager zeitweise kommandierte, wurde 1998 im Alter von 76 Jahren von Argentinien an Kroatien ausgeliefert. Er wurde 1999 vom Zagreber Kreisgericht der Kriegsverbrechen an Zivilisten im Sinne der Anklage, gemäß Artikel 120 Abs. 1 des kroatischen Strafgesetzbuchs, für schuldig befunden und zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Bis heute fehlt eine Entschuldigung der katholischen Kirche Kroatiens für begangene Gräueltaten auch katholischer Priester, die zu hunderten Mitglieder der Ustascha geworden waren. So übernahm auch ein ehemaliger Franziskanerpater, Miroslav Filipović-Maistorović, genannt „der Teufel“, vorübergehend das Kommando in Jasenovac. Er wurde 1946 in Zagreb erhängt. Auch Papst Pius XII. schwieg zu den Vorgängen in Kroatien.

Gedenkstätten

Heute befinden sich in den beiden durch den Fluss Save getrennten Teilen des ehemaligen Konzentrations-, Arbeits- und Vernichtungslagers Gedenkstätten. Die Save bildet die Staatsgrenze zwischen den kroatischen und den herzegowinisch-bosnischen Flächen des ehemaligen KZ´s. Vom Lager selbst finden sich keine Spuren mehr bis auf Teile der ehemaligen Lagereisenbahn.

Auf dem Gelände der Gedenkstätte Donja Gradina wurden bisher neun Grabfelder lokalisiert, darin 105 Massengräber. Nach einer Sondage des Instituts für landwirtschaftliche Bodenkunde Sarajevo im Jahr 1991 gibt es 20 weitere Gräber. Die Größe der Gräber umfasst mehr als 11 Hektar, die der Grabfelder 66 Hektar.

An den beiden Orten wird heute jeweils am Sonntag nach dem Gedenktag des Häftlingsaufstandes und der "Befreiung", dem 22. April, getrennt gedacht. Auch fehlt eine direkte räumliche Verknüpfung, sowie ein Hinweis auf die ehemalige Fährverbindung.

Opfer

Die Zahl der Opfer in Jasenovac war stets Gegenstand von Manipulationsversuchen, gefolgt von bis heute heftigen politischen Debatten und Konflikten.

  • Die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft als "systematischste und objektivste" beurteilte Studie[4] des serbischen Historikers Bogoljub Kočović kommt zu einer Opferzahl von 70.000 Personen im KZ Jasenovac.
  • Verschiedene Institute und Historiker, darunter das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem, die Holocaust Encyclopedia des staatlichen United States Holocaust Memorial Museum und die Historiker Slavko Goldstein und Vladimir Žerjavić kommen jeweils zu Opferzahlen zwischen 80.000 und 90.000 Personen in Jasenovac.[5][6][7][8]
  • Die von der sozialistischen Regierung Jugoslawiens beauftragte Landeskommission von Kroatien untersuchte 1946 die Vorgänge in Jasenovac und schätzte die Zahl der ermordeten Menschen auf 500.000 bis 600.000 Menschen.[9]
  • Der kroatischstämmige österreichische General Lothar Rendulic ging bereits im August 1943 von 500.000 ermordeten Serben aus, wurde aber von einem hochrangigen Ustascha-Funktionär der Verleumdung bezichtigt; dieser behauptete, es seien nicht mehr als 200.000.[10]
  • Der österreichische NS-Politiker Hermann Neubacher schreibt in seinen Memoiren, die von führenden Ustascha-Männern angegebene Zahl von einer Million sei eine ruhmredige Übertreibung, er selbst schätze die Zahl der getöteten aufgrund der ihm zugekommenen Berichte auf 750.000.[11]
  • Der ehemalige serbische Außenminister Vuk Drašković schätzt, dass in Jasenovac zwischen 700.000 und 1,2 Millionen Menschen getötet wurden.[12]
  • Franjo Tuđman sprach von wahrscheinlich 30.000–40.000 Gefangenen, die in Jasenovac umgekommen seien; Josip Jurčević hält die oben genannten Angaben von Kočović und Žerjavić für zu hoch und lobt, trotz Kritik im Detail, Tuđmans Publikation, ohne sich auf eigene Zahlen festzulegen.[13]

Literatur

  • Vladimir Dedijer: Jasenovac – das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan. 5. Auflage. Ahriman, Freiburg 2001, ISBN 3-922774-06-7.
  • Josip Jurčévić: Die Entstehung des Mythos Jasenovac. Probleme bei der Forschungsarbeit zu den Opfern des II. Weltkrieges auf dem Gebiet von Kroatien. Dokumentacijsko informatijsko središte, Zagreb 2007. ISBN 978-953-95043-2-6. (Rezension)
  • Nataša Mataušić: Jasenovac 1941–1945. Logor smrti i radni logor. Spomen-područje Jasenovac, Jasenovac 2003, ISBN 953-99169-0-9.
  • Narcisa Lengel-Krizman: Genocid nad Romima. Jasenovac 1942. Spomen-područje Jasenovac, Jasenovac 2003, ISBN 953-99169-1-7.
  • Holm Sundhaussen: Das Konzentrationslager Jasenovac (1941–1945): Konstruktion und Dekonstruktion eines Kriegsverbrechens und Weltkriegsmythos. In: Wolfram Wette, Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert. Primus, Darmstadt 2001, ISBN 978-3-89678-417-9, S. 370–381.
  • Holm Sundhaussen: Jasenovac 1941–1945. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Primus, Darmstadt 2003, ISBN 3896782320, S. 49–59.

Quellen

  1. Sve za poglavnike. Radna služba Ustaške obrane – Sabirni logor Br. III, siehe Abbildung auf http://hr.wikipedia.org/wiki/Datoteka:Jasenovac32.jpg
  2. a b Deutschlandfunk vom 28. August 2009: Zweierlei Erinnerung : Jasenovac – Das kroatische Auschwitz von Eberhard Rondholz
  3. http://www.jerusalim.org/cd/biblioteka/wschindley-jasenovac_en.html
  4. National Policy in the ISC (2000), S. 17 (englisch)
  5. http://www.hagalil.com/archiv/98/12/jasenovac.htm
  6. www.operationlastchance.org: Beschreibung des Simon-Wiesenthal-Center
  7. www.operationlastchance.org: Zitat der Zahlen, die vom Simon-Wiesenthal-Center veröffentlicht wurden
  8. http://www.ushmm.org/wlc/article.php?lang=en&ModuleId=10005449
  9. The State Commission of Croatia for the Investigation of the Crimes of the Occupation Forces and their Collaborators: Crimes in the Jasenovac Camp, Zagreb 1946, S. 33
  10. Lothar Rendulic, Gekämpft, gesiegt, geschlagen, 1952, S. 161.
  11. Hermann Neubacher: Sonderauftrag Südost 1940–1945. Bericht eines fliegenden Diplomaten. 2. Auflage. 1957, S. 31
  12. Das Auschwitz des Balkan, haGalil, 12. März 1999
  13. siehe die Rezension von Holm Sundhaussen: http://www.oei.fu-berlin.de/geschichte/soe/rezensionsseite/rezension55.html
Commons: KZ Jasenovac – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 45° 16′ 49″ N, 16° 55′ 42″ O