Schädel-Hirn-Trauma
Klassifikation nach ICD-10 | |
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S06.9 | Schädelhirntrauma |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |

Als Schädel-Hirn-Trauma (auch SHT) bezeichnet man jede Verletzung des Schädels mit Hirnbeteiligung, aber keine reinen Schädelfrakturen oder Kopfplatzwunden. Wegen der Gefahr von Hirnblutungen oder anderer Komplikationen wird für jeden Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma (auch „nur“ Gehirnerschütterung) die Beobachtung im Krankenhaus empfohlen.
Einteilungen
Man unterteilt das Schädel-Hirn-Trauma in
- gedecktes SHT
- offenes SHT: Perforation von Kopfhaut, Schädelknochen und Zerreißung der harten Hirnhaut (Dura mater).
Es erfolgt weiterhin eine Einteilung in drei Schweregrade, die sich an der Dauer der Bewusstlosigkeit, der Rückbildung der Symptome und den Spätfolgen orientieren:
- SHT 1. Grades (Commotio cerebri oder Gehirnerschütterung): leichte, gedeckte Hirnverletzung mit akuter, vorübergehender Funktionsstörung des Gehirns, die mit sofortiger kurzfristiger Bewusstseinsstörung von wenigen Minuten bis zu maximal einer Stunde einhergeht. Weitere typische Symptome sind anterograde Amnesie (Gedächtnislücke für das Unfallereignis und einen kurzen Zeitraum danach), Übelkeit und Erbrechen. Eine retrograde Amnesie (Gedächtnisverlust für die Zeit vor dem Unfallgeschehen) tritt selten auf und ist in der Regel Zeichen einer höhergradigen Hirnschädigung. Neurologische Ausfälle treten nach Abklingen der Bewusstlosigkeit nicht auf. Beschwerden, wie z.B. Apathie, Leistungsminderung, Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit können im Rahmen eines sogenannten postkommotionellen Syndroms mehrere Wochen fortbestehen.[1]
- SHT 2. Grades (Contusio cerebri oder Gehirnprellung): Bewusstlosigkeit länger als 30 Minuten. Spätfolgen sind von der Lokalisation der Hirnschädigung abhängig. Keine Perforation der Dura.
- SHT 3. Grades (Compressio cerebri oder Gehirnquetschung): Bewusstlosigkeit länger als 60 Minuten, verursacht durch Einklemmung des Gehirns durch Blutungen, Ödeme oder ähnliche Vorgänge. Hierbei sollte man bedenken, dass das Gehirn der einzige große Körperteil des Menschen ist, der fast vollständig von Knochen umgeben ist. Dieser besondere Schutz kann jedoch bei solchen raumfordernden Prozessen gleichzeitig zur Gefahr werden, da somit das gesamte Gehirn unter dem Druckanstieg und der folgenden Einklemmung leiden kann. Die Folge ist oftmals ein lang andauerndes Koma (das oft künstlich verlängert wird), ein komaähnlicher Zustand, oder gar der Tod. Zur Druckentlastung kann eine temporäre Entfernung eines Teils der Schädeldecke (einige Monate) angewandt werden. Dauerhafte Schäden sind zu erwarten, aber nicht zwangsläufig.
Die Einteilung ist sehr schematisch. Beispielsweise tritt bei einer traumatischen Verletzung des Frontalhirns nicht unbedingt eine Bewusstlosigkeit auf, kann aber zu einer dauernden Schädigung führen (Frontalhirnsyndrom). Meist wird heute nur noch zwischen leichtem, mittelschwerem und schwerem Schädel-Trauma differenziert.
Heute erfolgt die Einteilung jedoch über die Glasgow Coma Scale:
- leichtes SHT: GCS 13-15
- mittelschweres SHT: GCS 9-12
- schweres SHT: GCS 3-8
Symptome
Die folgenden Symptome können auf ein Schädel-Hirn-Trauma hindeuten. Es gilt zu beachten, dass sich einige der genannten Symptome teilweise deutlich nach dem Trauma entwickeln können. Dies wird als Latenz oder Latenzzeit (Zeitraum zwischen Auftreten des Traumas und des Symptoms) bezeichnet.
- Bewusstseinsstörung, eventuell mit zunehmender Eintrübung
- Kopfschmerzen
- Schwindel und Gleichgewichtsstörungen
- Schielen
- Pupillendifferenz (unterschiedlich große Pupillen)
- Krämpfe oder sonstige neurologische Ausfallerscheinungen
- Übelkeit und Erbrechen
- Bewusstlosigkeit
- Erinnerungslücken (Amnesie)
- visuelle Halluzinationen (Photopsien)
Dabei müssen die Pupillendifferenz (Anisokorie) und zunehmende Bewusstseinsstörungen als besondere Warnzeichen betrachtet werden, da sie Hinweise auf eine Blutung innerhalb des Schädels sein können. Tritt nach einer unmittelbar posttraumatischen, zunächst zeitlich begrenzten Bewusstlosigkeit später eine zweite Phase von Bewusstseinsstörung auf, dann bezeichnet man die dazwischenliegende Phase klareren Bewusstseins als freies Intervall. Ein solcher Verlauf wird als Anzeichen einer epiduralen oder subduralen Blutung gewertet.
Diagnostik
Um das Ausmaß der Hirnschäden festzustellen, ist eine umfassende Diagnostik durchzuführen. Schäden im Gehirn können durch folgende Untersuchungsmethoden festgestellt werden:
- Die klinisch-neurologische Untersuchung: Ein Neurologe prüft mögliche Störungen an Auge, Ohr und den Gesichtsnerv und kontrolliert Funktionen wie Schlucken, Kauen, Würgereiz, Sprache und Sprechen. Darüber hinaus untersucht er den Patienten auf Bewegungsstörungen.
- Die Computertomographie (CT) des Kopfes: Mittels des Röntgenverfahrens kann festgestellt werden, ob und wo Blutungsherde, Gewebsschäden oder Hirndruckzeichen vorhanden sind.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Hier werden elektromagnetische Impulse gemessen. Die Bilder lassen bereits kleine Schäden an verschiedenen Hirngebieten erkennen. Voraussetzung für diese Untersuchung ist die Ruhelage des Patienten.
- Das Elektroenzephalogramm (EEG): Damit werden die Hirnströme, also die Funktion des Gehirns gemessen, d. h. es kann die Frage beantwortet werden, ob die gesamte Hirnfunktion oder nur einzelne Teile betroffen sind (Differentialdiagnose zu epileptischen Anfällen; EEG zeigt epileptische Aktivität der Hirnströme).
- Evozierte Potentiale: Nervenbahnen werden auf ihre Durchlässigkeit überprüft. Auge, Ohr und Haut werden elektrisch gereizt. Reaktionen darauf lassen auf Störungen an bestimmten Schaltstellen schließen.
- Die Analyse des Proteins S100 aus dem Blut wird zur Ausschlussdiagnose des leichten Schädel-Hirn-Traumas verwendet.
- Der augenärztliche Befund: Dieser untersucht die Funktionen der inneren und äußeren Augenmuskeln, des Gesichtsfeldes und der Sehnerven.
- Nachuntersuchungen: Schäden außerhalb des Kopfbereiches vor, z. B. Knochenbrüche; Nierenprellungen
Behandlung
Die frühzeitig einsetzende aggressive Therapie vermindert Sekundärschäden und ist ausschlaggebend für den Erfolg. Jeder Patient mit SHT sollte 48 Stunden im Krankenhaus überwacht werden (auch wenn „nur“ eine Gehirnerschütterung vermutet wird).[2].
Die Rückbildung der Symptome bei einer Gehirnerschütterung kann 10 bis 25 Tage dauern. Sie wird unterstützt durch Ruhe, Vermeiden von Fernsehen, Lärm und Stress.
Kinder mit Schädel-Hirn-Trauma, deren Körper auf 33 Grad Celsius künstlich abgekühlt wird, haben schlechtere Heilungschancen als Kinder mit Schädel-Hirn-Trauma, die bei normaler Körpertemperatur behandelt werden.[3]
Im Rahmen des SHT können verschiedene Komplikationen auftreten, deren Therapie jeweils gesondert beschrieben sind: Bewusstlosigkeit, Hirndruck, Epiduralblutung, Subduralblutung und Schädelbasisbruch.
Einzelnachweise
- ↑ Heinz-Walter Delank: Neurologie. 11. Auflage. Thieme, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-129771-9, S. 277 ff.
- ↑ D. Kolodziejczyk: Das einfache Schädel-Hirn-Trauma (Diagnostische Fallen und Komplikationen). In: Unfallchirurg 111, 2008, S. 486–492. doi:10.1007/s00113-008-1452-6
- ↑ J. S. Hutchison: Hypothermia Therapy after Traumatic Brain Injury in Children. In: New England Journal of Medicine 358, 2008, S. 2447–2456. PMID 18525042
Literatur
- 07/2007-Leitlinie Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. In: AWMF online
- 10/2008-Leitlinie Leichtes Schädel-Hirn-Trauma. In: AWMF online
- 10/2008-Leitlinie Schweres Schädel-Hirn-Trauma. In: AWMF online
Weblink
- Unterschätzter Befund – Forscher warnen vor Verharmlosung von Gehirnerschütterungen. In: Spiegel Online vom 18. Januar 2010
Weblinks
- Wikibooks: Erste Hilfe bei Kopfverletzung – Lern- und Lehrmaterialien