Machtergreifung

Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler
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Mit Machtergreifung, besser Machtübernahme, wird die Übernahme der Regierung in Deutschland durch die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler und die anschließende Umwandlung der Demokratie in eine Diktatur im Jahr 1933 bezeichnet.

Der Begriff der Machtergreifung suggeriert eine handstreichartige Aktion, sich des staatlichen Machtmonopols zu versichern, während Machtübernahme eher eine legale Übergabe der Regierungsgewalt impliziert. Tatsächlich ist beides falsch, man sollte eher von einer Machterschleichung sprechen.

Es gelang den Nationalsozialisten, dem Umbau des demokratischen Rechtstaats zu einem (auch von vielen konservativen Politikern gewünschten) autoritären und später totalitären System den Anschein der Legalität zu geben. Hitler hatte diese "Legalitätsstrategie" seit dem gescheiterten Putsch vom 9. November 1923 eingeschlagen. Im September 1930 bekräftigte er als Zeuge bei einem Hochverratsprozess gegen drei Reichswehroffiziere in Leipzig ausdrücklich, dass seine Partei "auf dem Boden der Legalität" stehe und nur auf legalem Wege an die Macht gelangen wolle - nicht ohne zu erwähnen, dass bei einem Sieg der NSDAP "auch Köpfe rollen" werden.

Tatsache ist aber auch, dass es der NSDAP niemals gelang, in einer demokratischen Wahl die absolute Mehrheit der Stimmen zu erhalten.

Hitler und die NSDAP wurden sowohl von ihren konservativen Steigbügelhaltern als auch von ihren Gegner aus dem demokratischen Lager unterschätzt. Den Gewerkschaften schien angesichts von 6 Millionen Arbeitslosen das Mittel des Generalstreiks wenig aussichtsreich. Die konservative Strategie der "Einrahmung" oder "Zähmung" der Nationalsozialisten scheiterte an derem brutalen Willen zur Macht. Hinzu kommt, dass die Strukturen des demokratischen Staates durch die vorangegangenen Präsidialkabinette, die nur aufgrund der Unterstützung des Reichspräsidenten und mit Hilfe von Notverordnungen regieren konnten, bereits kräftig unterhöhlt waren.

Vorgeschichte (Auswahl)

  • 24. Oktober 1929 - Dem Deutschen Reich, ohnehin finanziell durch hohe Reparationszahlungen an die Westalliierten belastet, werden ausländische Anleihen aufgrund der Weltwirtschaftskrise entzogen, sodass die Zahlungsunfähigkeit droht.
  • 5. März 1930 - Die Große Koalition zerbricht an der Frage einer Beitragserhöhung für die Arbeitslosenversicherung.
  • 30. März 1930 - Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt mit Zustimmung des Reichstags Heinrich Brüning, Abgeordneter der christlichen Zentrumspartei, zum Reichskanzler.
  • 15. Juli 1930 - Der Reichstag wird nach einem Misstrauensvotum der SPD und KPD, sowie wegen der Ablehnung eines rigiden Sparprogramms auflöst. Brüning bleibt im Amt und setzt die abgelehnte Gesetzesvorlage um!
  • 14. September 1930 - Die NSDAP geht als zweitstärkste Partei aus der Reichstagswahl hervor.
  • 13. März 1932 - Reichpräsidentenwahl: Hindenburg wurde wiedergewählt - trotz heftiger demagogischer Einwirkungen durch den Gegenkandidaten Adolf Hitler.
  • 30. Mai 1932 - Entlassung Brünings durch Reichspräsident Hindenburg
  • 1. Juni 1932 - Einsetzung des Präsidialkabinetts unter Kanzler Franz von Papen; das Kabinett bestand vorwiegend aus Adligen und Großgrundbesitzern. Papen setzt im Laufe seiner Amtszeit umfangreiche Sparprogramme und Arbeitsprogramme durch.
  • Sommer 1932 - Ausnahmezustand in Deutschland; der Wahlkampf wird durch die Kampfverbände der Parteien in Saalschlachten und Straßenkämpfen ausgetragen.
  • 20. Juli 1932 - Die preußische Landesregierung wird abgesetzt und durch Reichskommissare mit den Vollmachten der Landesregierung ersetzt.
  • 2. Dezember 1932 - von Papen tritt zurück. Der neue Kanzler und Reichwehrminister ist Generalleutnant Kurt von Schleicher aus der Kamarilla des Reichspräsidenten. Es gibt zwei neue Minister. Durch die Notverordnungspolitik des Reichspräsidenten spielt der Reichstag keine politische Rolle mehr.
  • 28. Januar 1933 - Schleicher tritt zurück, da er gefordert hatte die vollziehende Gewalt im Falle eines Generalstreiks auf die Reichswehr zu übertragen.

Das Ende des Rechtsstaats

  • 30. Januar 1933 - Adolf Hitler wird zum Reichskanzler ernannt. Im Kabinett sitzen nur zwei weitere Nationalsozialisten.
  • 27. Februar 1933 - Brand des Reichstagsgebäudes, der vermutlich durch die Nationalsozialisten selbst gelegt wurde. Ein holländischer Kommunist wird der Tat beschuldigt. Dies wird von SA und SS als Vorwand genommen, um Deutschland mit einer Terrorwelle zu überziehen; politische Gegner werden inhaftiert, gefoltert oder sogar liquidiert.
  • 28. Februar 1933 - In Folge des Reichstagsbrands wird die Reichstagsbrandverordnung erlassen, die die wesentlichen Grundrechte außer Kraft setzt und eine scheinlegale Basis für die Verfolgung von politischen Gegner schafft.
  • 5. März 1933 - Neuwahlen. Andere Parteien werden massiv behindert, die NSDAP verfehlt trotzdem die erwünschte absolute Mehrheit.
  • 11. März 1933 - Einrichtung eines "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda"; Minister wird Dr. Joseph Goebbels.
  • 21. März 1933 - Der "Tag von Potsdam". Die konstituierende Sitzung des Reichstags (ohne Sozialdemokraten und Kommunisten) in der Potsdamer Garnisonskirche ist ein von Goebbels inszeniertes propagandistisches Meisterstück: der Händedruck zwischen Adolf Hitler und dem greisen Reichspräsidenten soll die Harmonie zwischen der jungen NS-Bewegung und den alten Eliten symbolisieren.
  • 24. März 1933 - Der Reichstag (nunmehr in der Kroll-Oper) verabschiedet unter Beisein von bewaffneten SA- und SS-Einheiten das Ermächtigungsgesetz, das die legislative Gewalt in die Hände der Reichsregierung legt, mit den Stimmen sämtlicher Parteien mit Ausnahme der SPD; die Kommunisten nehmen an der Abstimmung nicht teil, da sie entweder festgenommen oder bereits untergetaucht sind. Das Gesetz ist eigentlich auf vier Jahre befristet. Die Auseinandersetzung um das Ermächtigungsgesetz wird zu einem letzten Höhepunkt parlamentarischer Debatten.
  • 31. März 1933 - Das erste "Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" löst die Landesparlamente auf und bestimmt deren Neubesetzung nach den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März. Die Länderregierungen werden zur Gesetzgebung ohne Zustimmung der Parlamente ermächtigt. Im zweiten Gesetz vom 7. April werden in den Ländern Reichsstatthalter eingesetzt, die für die Durchführung der "vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik" sorgen sollen.
  • März/April 1933 - In zahlreichen unkontrollierten Verhaftungsaktionen durch SA und SS werden die Festgenommenen in SA-Keller oder "wilde" Lager verschleppt.
  • 1. April 1933 - Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte in ganz Deutschland.
  • 7. April 1933 - Das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" ermöglicht dem Regime die Entlassung politisch missliebiger und "nichtarischer" Beamter.
  • 2. Mai 1933 - Schlag gegen die Gewerkschaften: Gewerkschaftshäuser werden von SA und NSBO besetzt; das Vermögen der Gewerkschaften wird beschlagnahmt, führende Funktionäre werden in "Schutzhaft" genommen.
  • 10. Mai 1933 - Bücherverbrennungen: in vielen Städten (u.a. Berlin, Bremen, Dresden, Frankfurt, Hannover, München, Nürnberg) werden in einer organisierten Aktion Werke sozialistischer, pazifistischer, jüdischer und liberaler Autoren ins Feuer geworfen. Dies betrifft z.B. Brecht, Döblin, Feuchtwanger, Freud, Kästner, Heinrich Mann, Marx, Ossietzky, Remarque, Tucholsky, Werfel, Arnold und Stefan Zweig.
  • Juli 1933 - Alle Parteien außer der NSDAP sind verboten oder haben sich selbst aufgelöst. Das "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien" zementiert den Einparteienstaat: Neugründung und Fortbestand (anderer) politischer Parteien wird unter Strafe gestellt.
  • 12. November 1933 - Erneute Reichstags"wahl" mit NSDAP-Einheitsliste, die mit einer "Volksabstimmung" über den Austritt aus dem Völkerbund gekoppelt ist.
  • 30. Januar 1934 - Mit dem "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches" wird die föderale Struktur der Weimarer Republik zerschlagen. Die Hoheitsrechte der Länder gehen auf das Reich über.
  • 30. Juni 1934 - Der "Röhm-Putsch" dient als Vorwand für parteiinterne Säuberungen und einer weiteren Machtkonzentration in der Partei. Auch andere politische Gegner, wie Kurt von Schleicher, werden ermordet.
  • 19. August 1934 - Hitler lässt sich nach dem Tod Hindenburgs durch ein Plebiszit zum Führer und Reichskanzler ernennen. Die Reichswehr wird auf Hitler vereidigt.

Siehe auch: Ermächtigungsgesetz -- Adolf Hitler -- NSDAP -- 1933