Kastell Jagsthausen

ehemaliges römisches Militärlager in Baden-Württemberg
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Das Kastell Jagsthausen ist ein ehemaliges römisches Militärlager, das nahe am Obergermanischen Limes, einem UNESCO-Weltkulturerbe, errichtet wurde und heute überbaut auf dem Gebiet des Ortes Jagsthausen im Landkreis Heilbronn in Baden-Württemberg liegt. Einige Jagsthausener Funde, insbesonders die zahlreichen Steindenkmäler, sind für die Datierung der gesamte Limesgeschichte bedeutend.

Kastell Jagsthausen
Limes ORL 41 (RLK)
Strecke (RLK) Obergermanischer Limes,
Vorderer Limes, Strecke 8/9
Datierung (Belegung) um 160
bis spätestens um 260 n. Chr.
Typ Kohortenkastell
Einheit Cohors I Germanorum (equitata) civium Romanorum
Größe rund 185 m × 152 m = ca. 2,9 ha
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand vollständig überbaut; nachgemauerte Fundamente des großen Kastellbades sichtbar
Ort Jagsthausen
Geographische Lage 49° 18′ 39,4″ N, 9° 28′ 9″ OKoordinaten: 49° 18′ 39,4″ N, 9° 28′ 9″ O hf
Vorhergehend Kastell Osterburken (nördlich)
Anschließend Kleinkastell Sindringen (südlich)

Lage

 
Lageplan zur Zeit der RLK
 
Grundriss des Kastells Jagsthausen
zur Zeit der Reichs-Limes-Kommission

Die rund 185 m × 152 m (= ca. 2,9 ha) große antike Befestigung liegt am östlichen Rand eines sich sanft zur Jagst senkenden Gleithanges. Südlich der Anlage macht der von Norden kommende Fluss einen fast rechtwinkligen Knick nach Westen. Auf dem gegenüberliegenden Ufer steigen die Hänge deutlich aufwärts. Die dort schnurgerade nord-südlich entlanggeführte Grenzanlage des Limes ist vom Kastell aus nur rund 400 Meter entfernt. Der Kastellplatz war gut dafür geeignet, den Grenzabschnitt zwischen Jagst und Kocher zu überwachen. Beide Flüsse bildeten natürliche Einfallschneisen auf römisches Gebiet. Ein wichtiger Aufgabenbereich für die Truppe bestand sicher auch in der Beobachtung der Hohen Straße, die sich auf dem Höhenrücken zwischen Kocher und Jagst entlangzieht.[1]

Forschungsgeschichte

Schon im 18. Jahrhundert wurden Fundstücke aus Jagsthausen geborgen. Als älteste Überlieferung gilt aus dieser Zeit eine Fundmeldung aus dem Jahre 1766, die in einem „römischen Laconium“, gemacht wurde. Wahrscheinlich war mit diesem Ort das kleine Kastellbad gemeint.[2] Frühe Forschungsarbeit leistete im 19. Jahrhundert der Rentamtmann Joachim Fest, der viele wertvolle Stücke aus Jagsthausens Frühgeschichte zusammentrug. Sie befinden sich heute im Museum der Burg Jagsthausen. 1886 wurde das kleine Bad wiederentdeckt. 1892 und 1906 schnitt die Reichs-Limes-Kommission (RLK) die schon damals zum Teil überbauten Wehrmauern mit einigen wenigen Sondagen an, um sich ein grobes Bild von der Anlage machen zu können. 1908 bis 1913 wurden im westlichen Brandgräberfeld Funde getätigt, die ebenfalls im Schlossmuseum zu sehen sind. Weitere kleinere Grabungen erfolgten durch Initiativen in den 1920er, 1930er und 1960er Jahren. Erst seit 1984 fanden wieder planmäßige archäologische Arbeiten durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg statt, die bedeutende neue Erkenntnisse brachten. Auch die beachtlichen römischen Sammlungen des Heimatforschers Friedrich Krapf sind in Jagsthausen ausgestellt. Sie befinden sich im Friedrich-Krapf-Museum, das im Alten Rathaus untergebracht ist.

1995 wurde auf dem Areal des großen Bades, das heute ein archäologisches Reservat ist, ein Freilichtmuseum mit Lapidarium aus Abgüssen wichtiger Jagsthausener Befunde eröffnet. Eine erste Erkundung von Ausschnitten des größtenteils überbauten Kastellareals mit Methoden der Geomagnetik, der Geoelektrik sowie mithilfe des Bodenradars erfolgte 1996.[3]

Baugeschichte

Umwehrung

Von dem Kastell selber konnten bisher nur wenige Reste dokumentiert werden. Ergraben wurde das von der RLK als Porta principalis dextera identifizierte Südtor des Lagers. Außerdem konnten an der Nordseite drei Zwischentürme festgestellt werden: zwei (Turm A, B) im Bereich der Praetentura (Vorderlager) zwischen dem Nordtor und dem nordöstlichen Eckturm sowie ein dritter (Turm C) im hinteren Bereich der Retentura (Hinterlager) zwischen Nordtor und nordwestlichem Eckturm. Die Archäologen der RLK vermuteten aufgrund der Lage von Turm C noch einen vierten Zwischenturm, der dann von Turm C und dem Nordwest-Eckturm flankiert gewesen wäre. Mit den geomagnetischen Überprüfungen 1996 gelang auf einem 80 Meter langem Teilstück der nördlichen Kastellmauer im Bereich der Retentura eine Bestätigung der über 100 Jahre alten Forschungsbefunde mit Turm C. Darüber hinaus konnten keine eindeutigen neuen Erkenntnisse gewonnen werden.[4] Das gilt auch für den gestörten Bereich, in dem der vierte Turm vermutet wurde. Die im Bereich der Grünanlagen vor der Burg Jagsthausen untersuchten Flächen sind mit geophysikalischen Mitteln ebenfalls nicht klar erkennbar.

Innenbebauung

Von der Innenbebauung sind noch südlich der Principia Mauerzüge unbekannter Funktion angeschnitten worden, die teilweise von der Kirche überlagert werden. Es gab Vermutungen, dass diese Mauern mit der Kommandantenwohnung (Praetorium) in Verbindung ständen. Die Prätorialfront, die zum Feind gewandte Seite der Anlage, lag vielleicht, wie es die RLK annahm, im Nordosten und wäre dann zu den Grenzanlagen hin ausgerichtet gewesen. Dies ist jedoch nicht sicher.[5]

Wichtiges Fundgut

Ein in der Nähe der nur partiell bekannten Principia, des Stabsgebäudes, entdecktes Inschriftenbruchstück, das auf einem schmalen Stein, vielleicht einem Altar, angebracht gewesen war, stammt aus der Regierungszeit des Kaisers Antoninus Pius (138–161). Dieses Dokument ist das bisher älteste zu datierende Fundstück am „Vorderen Limes“ zwischen Main und Rems. Im Bereich des Kastellgrabens wurde der Finger einer Großbronze geborgen, der in die Zeit von 150 bis 250 n. Chr. datiert wird.[6]

Bauinschriften

 
Die 1995 erstmals publizierte Bauinschrift aus dem großen Bad (Abguss)

Im großen Bad wurde eine in Sandstein gemeißelte Bauinschrift[7] geborgen, die aus der Zeit um 205 stammt. Der Name von Publius Septimius Geta (189–211) wurde nach dessen Ermordung auf Veranlassung seines Bruders, des Mitkaisers Caracalla, nachträglich getilgt.

Impp(eratoribus) L(ucio) Septimio Severo Pio
Pertinaci et M(arco) Aur(elio) Antoni-
no Aug[[g(ustis) et Geta(e) Caes(ari)]]
balneum coh(ortis) I Ger(manorum)
vetustate dilabsum a solo
restitutum ex precepto
Caesoni Rufiniani leg(ati) Augg(ustorum)
pr(o) pr(aetore) cura agente Iulio
Clodiano trib(uno) coh(ortis) s(upra) s(criptae)
„Den Kaisern Lucius Septimius Severus Pius Pertinax und Marcus Aurelius Antoninus, den Augusti, und dem Caesar Geta ist das Bad der 1. Kohorte der Germanen, das durch sein Alter baufällig war, von Grund auf renoviert worden auf Befehl von Caesonius Rufinianus, Statthalter [von Obergermanien]. Die Bauaufsicht hatte Iulius Clodianus, der Tribun der obengenannten Kohorte.“

Diese Inschrift befindet sich heute im Zentralen Fundarchiv des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg in Rastatt. Sie nennt als damaligen Statthalter Caesonius Rufinianus, der bereits durch mehrere Inschriften bekannt geworden ist und kurz nach dem Jahr 200 seinen Dienst in der römischen Provinz Germania Superior (Obergermanien) antrat.[8]

 
Die Bauinschrift aus dem kleinen Bad (Abguss)

Bereits im 18. Jahrhundert war im kleinen Kastellbad auf der Flur Steinäcker eine Bauinschrift[9] aufgefunden worden, die zu den jüngsten Inschriften am „Vorderen Limes“ gehört und im Zeitraum 244 bis 247 entstanden ist. Die Inschrift nennt wie üblich auch die Namen der beiden damals regierenden Kaiser, Philippus I. und II. Ihre Namen wurden jedoch nachträglich aus der Inschrift entfernt, da sie der Damnatio memoriae anheim fielen.[10]

Impp(eratores) Caess(ares) [[M(arcus) Iul(ius) Ph[i]lip-]]
[[pus]] P(ius) F(elix) Invict(us) Aug(ustus) [[[et M(arcus) Iul(ius)]
[Ph[i]lippu[s] n(obilissimus) Caes(ar)]] balineum
coh(ortis) I Germ(anorum) [[P[h]i[lippian(ae)]]]
vetustate conlabsum re-
stituerunt curante Q(uinto)
Caec(ilio) Pudente v(iro) c(larissimo) leg(ato) Augg(ustorum)
pr(o) pr(aetore) insistente Q(uinto) Mamil(io)
Honorato trib(uno) coh(ortis) s(upra) s(criptae)
„Die Kaiser Marcus Iulius Philippus Pius Felix Invictus Augustus und Marcus Iulius Philippus, der edelste Caesar, haben das Bad der 1. Kohorte der Germanen, das durch sein Alter baufällig war, wieder hergestellt unter Aufsicht des Quintus Caecilius Pudens, vir clarissimus, Statthalter der Kaiser, auf Betreiben des Quintus Mamilius Honoratus, Tribun der oben genannten Kohorte.“

In späterer Zeit haben Steinraub, sicher auch für den Bau der späteren Burg Jagsthausen, zu einer weitgehenden Zerstörung des Kastellplatzes und Vicus beigetragen. Auch das Rote Schloss, das sicherlich auf Teilen des Praetoriums steht, macht Untersuchungen nicht einfacher.

Cohors I Germanorum (equitata) civium Romanorum

Die einzige von Anfang an in Jagsthausen stationierte Truppe ist höchstwahrscheinlich die in der Provinz Germania Superior ausgehobene Cohors I Germanorum gewesen. Sie ist vielfach bezeugt. Bevor die Einheit um 159 nach Jagsthausen vorverlegt wurde, lässt sie sich im Kastell Wimpfen im Tal am Neckar-Odenwald-Limes nachweisen. Hier wurden nicht nur Ziegel mit ihrem Stempel, sondern auch ein Weihestein mit Inschrift entdeckt, der heute im Kreuzgang des ehemaligen Ritterstifts St. Peter in Wimpfen im Tal steht.

Auf einer in die Jahre 222 bis 235 datierten Jagsthausener Inschrift wird die Cohors I Germanorum mit dem Beinamen A[le]xa[n(drianae)] genannt.[11]

Es ist nicht sicher, ob die Cohors I Germanorum tatsächlich eine teilberittene Einheit gewesen ist, jedoch gibt es starke Anhaltspunkte dafür. Als wichtiges Gegenargument wurde geltend gemacht, dass die Einheit, sollte sie eine teilberittene Cohors equitata gewesen sein, nach heutigem Wissen von einem Präfekten hätte geführt werden müssen.[12]

Die im 2. Jahrhundert in der Provinz Moesia inferior als Besatzung des Kastells Capidava auf heute rumänischen Boden nachweisbare Cohors I Germanorum civium Romanorum ist sicher verschieden von der Jagsthausener Einheit, da sie dort wahrscheinlich erst nach 167/168 von einer Abteilung der Legio I Italica abgelöst worden ist.[13][14]

Die Versorgung der Truppe an diesem Standort geschah auf dem Flussweg über Jagst und Kocher.[15]

Offiziere und Militärpersonal

 
Der Tribunus cohortis Valerius Valerianus ließ 248 n. Chr. im kleinen Bad einen Weihestein aufstellen. (Abguß)

Mindestens vier Offiziere der I. Germanenkohorte aus ihrer Zeit in Jagsthausen sind namentlich bekannt. Ein Kommandeur der Kohorte, Iulius Clodianus, wird als Tribunus cohortis in der Bauinschrift von 198/209 genannt. Durch die 244/247 entstandene Bauinschrift im kleinen Kastellbad kennt die Wissenschaft als weiteren Kommandeur den Tribunus cohortis Q. Mamilius Honoratus. Dessen direkter Nachfolger war höchstwahrscheinlich der Tribunus cohortis Valerius Valerianus, der 248 n. Chr. im gerade erst renovierten kleinen Badehaus einen Weihestein aufstellen ließ, der an die Göttin Fortuna balnearis, die in einer Therme immer in ihrer Rolle als Beschützerin der Badenden und deren Gesundheit gesehen wurde, gerichtet war.[16] Kohortentribune wurden meistens bei Auxiliareinheiten eingesetzt, die das römische Bürgerrecht erhalten hatten, wie dies bei der Cohors I Germanorum der Fall war.[17]

 
Lucius Petronius Tertius wird als Centurio cohortis auf diesem Weihestein genannt. (Abguß)

Der Name eines Centurio cohortis I Germanorum, Lucius Petronius Tertius, fand sich auf einem im benachbarten, westlich gelegenen Dorf Olnhausen aufgefundenen, nicht mehr genau datierbaren Sandsteinaltar für Jupiter und Juno,[18] der sich heute im Limesmuseum Aalen befindet. Vielleicht wurde dieser Stein, wie andere auch, in nachrömischer Zeit aus dem Kastelldorf von Jagsthausen verschleppt.[19] Auf dem Grabstein einer von Niedergermanien (Germania Inferior) nach Gallien (Gallia) ausgewanderten Familie in Lyon (Lugdunum) vom Ende des 2., Anfang des 3. Jahrhunderts wird möglicherweise ein weiterer Centurio der Jagsthausener Truppe genannt, doch wird sie dort in Verbindung mit der Provinz Germania inferior gebracht.[20]

D(is) M(anibus)
L(uci) Sept(imi) Peregrini
Adelfi Traianens[is]
Oclatia Alexan[dra
uxsor et L(ucius) Sept(imius) [Ale]-
xander filiu[s et]
Secundinia [Iusta ma]-
ter misera [post amis]-
sam fili(i) dulcissimi pie-
tate et M(arcus) Valer(ius) Sil-
vanus (centurio) coh(ortis) I Ger-
manicae [in] Ger(mania) inf(eriore)
consobrin[us p]aren-
tes parenti [---]
p(onendum) c(uraverunt) et su[b asc(ia) dedic(averunt)]

Übersetzung:

„Den Totengöttern des Lucius Septimius Peregrinus Adelfus aus Xanten (Colonia Ulpia Traiana). Oclatia Alexandra, die Ehefrau, aus Liebe nach dem Verlust des liebsten Sohnes, und Marcus Valerius Silvanus, Centurio der 1. Germanenkohorte in Niedergermanien, der Vetter (mütterlicherseits), die Verwandten haben dem Verwandten (den Stein) setzen lassen und unter der Axt geweiht.“

Die auf vielen gallo-römischen Grabsteinen vorkommende Formel sub ascia dedicaverunt ist bis heute unklar.[21] Es wurde bereits diskutiert, ob der genannte Centurio zur Beerdigung seines Vetters überhaupt angereist war oder ob er nicht von seinem Standort aus in stillem oder schriftlichem Einvernehmen auf dem Grabstein genannt worden ist.[22]

Aus dem westlich von Jagsthausen gelegenen Dorf Olnhausen stammt ein Altar für Jupiter, Juno und den Genius loci[23], den Christian Ernst Hanßelmann (1699–1776) einst eingemauert in die Außenfassade der dortigen Kirche erstmals beschrieben hatte. Erst 1905 war der 167 n. Chr. geweihte Stein dort wiederentdeckt worden. Er nennt als Stifter einen mit Sonderaufgaben betrauten Unteroffizier, den beneficiarius consularis Lucius Flavius Paternus. Der Altar befindet sich heute im Depot des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg in Rastatt.

Kommandeure der Cohors I Germanorum civium Romanorum

Name Dienstgrad Zeitstellung Bemerkung
Lucius Petronius Tertius Centurio cohortis ?
Marcus Valerius Silvanus (?) Centurio cohortis Ende 2./ Anfang 3. Jhr. Seine Schwester Oclatia Alexandra verzog mit ihrem Mann Lucius Septimius Peregrinus Adelfus von Xanten nach Lyon.
Iulius Clodianus Tribunus cohortis 198/209
Quintus Mamilius Honoratus Tribunus cohortis 244/247
Valerius Valerianus Tribunus cohortis 248

Kastellbäder

Hauptartikel: Römerbad Jagsthausen

 
Das große Bad als Freilichtmuseum
 
Das große Bad von Jagsthausen im Grundriss

In Jagsthausen konnten bisher zwei Bäder – ein größeres und ein kleineres – aufgedeckt werden. Einen gleichen Befund hat es beim Kastell Osterburken gegeben. Beide Jagsthausener Bäder wurden durch die vor Ort liegende Cohors I Germanorum renoviert.[24] Die größere Therme, seit dem 19. Jahrhundert bekannt, doch erst 1992 freigelegt, befindet sich an der heutigen Friedrich-Krapf-Straße. Sie orientierte sich genau an der Fluchtlinie der aus dem Südtor des Kastells hinauskommenden Straße. Die Anlage war bei ihrer teilweisen Aufdeckung gut erhalten und lässt auf eine weitgehend ungestörte Fundlage hoffen. Das Land Baden-Württemberg kam einer Überbauung zuvor und erwarb den Grund, der nun als archäologisches Reservat künftigen Forschern erhalten bleibt. Der von den Archäologen nur an den Oberflächen sondierte Mauerbefund wurde wieder zugeschüttet und auf dem heutigen Bodenniveau als maßstabsgetreues Modell in antiker Mauerungstechnik nachgezeichnet. Die große Therme von Jagsthausen gehörte dem Typus der Reihenbäder an und wurde, wie Ziegelstempelfunde der 22. römischen Legion Primigenia Pia Fidelis (LEG XXII P PF), welche damals in Mainz (Mogontiacum) kaserniert war, nahelegen, um 160 n Chr. mit dem Kastell errichtet. Es ließ sich nachweisen, dass diese Stempel während der fraglichen Zeitstellung in Frankfurt-Nied hergestellt worden waren. Insgesamt konnten über 70 Ziegel mit über 15 verschiedenen Stempelformen der 22. Legion geborgen werden.[25] Kurz nach 200 erfolgte dann die durch eine Bauinschrift (s. oben) belegte Sanierung. Der bisher bekannte Teil des großen Bades ist 30 m lang. Der Eingangsbereich, noch immer unbekannt, befindet sich möglicherweise unter der heutigen Hauptstraße. Die Ausgräber der großen Therme rechnen mit einer Nutzung bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts.

 
Kleine Thermen nach Befunden der Reich-Limes-Kommission
 
Die Göttin Fortuna; Abguss eines Reliefs aus dem 1887 freigelegten kleinen Bad

Das kleinere, 31 m × 15 m große, in Nord-Südrichtung ausgerichtete Reihenbad befand sich rund 200 m ebenfalls im Süden des Kastells. Heute wäre es südlich der Gartenstraße auf der alten Flur Steinäcker zu finden. In der Anlage fanden die Ausgräber Reste des Sandsteinplattenbelags und des Estrichs. Außerdem konnten sie Bruchstücke des farbigen Wandverputzes feststellen. Im Schutt gefundene Ziegel trugen Stempel der 22. Legion. Diese Anlage wurde nach Auskunft einer weiteren Bauinschrift (s. oben) in den Jahren zwischen 244 und 247 renoviert und bestand wohl bis zum Limesfall um 260.

Vicus und Brandgräberfelder

 
Metall- und sonstige Kleinfunde
 
Keramikfunde
 
Abguss des Oberteils der Jupitergigantensäule im Lapidarium am großen Bad

Funde zeigen, dass die Bewohner des östlich über der Jagst, aber hauptsächlich südlich und südwestlich des Militärlagers gelegenen Lagerdorfes (Vicus) zu gewissem Wohlstand kamen und teilweise wahrscheinlich vom Export lebten. So fand sich in der Flur Im langen Garten eine große Töpferei, die in der Antike am nordwestlichen Rand des Vicus; nahe der westlichen Ausfallstraße des Kastells, gelegen hatte. Es zeigte sich, dass deren Produktion weit über den örtlichen Markt hinausging. Man fand zudem Gefäßformen und Reibschüsseln mit vertikalem Rand sowie andere Gegenstände, die in dieser Form am gesamten Limes nicht mehr gefunden worden sind und Handelsbeziehungen in den Norden vermuten lassen. Auf Wohlstand deutet auch die gefundene Terra sigillata hin sowie die äußerst qualitätvolle bronzene Miniaturskulptur eines Herkules, die wahrscheinlich in Italien entstand und die Nachbildung eines Werkes des griechischen Künstlers Lysippos aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. ist. Erwähnenswert sind neben Wasserleitungsrohren und Glas auch der Fund des Oberteils einer Jupitergigantensäule aus dem Vicus. Die großflächigen Grabungen der Jahre 1987 bis 1989 im Vicus, welche an der Hauptstraße stattfanden, ergaben teilweise ausgezeichnet erhaltene, fast 1,5 m hoch erhaltene Kellerräume, die teils mit sorgfältig gemauerten Wandnischen ausgestattet waren. Die bisherigen archäologischen Arbeiten haben gezeigt, dass es in Jagsthausen nicht die sonst typischen einfachen Streifenhäuser gegeben hat, die mit ihrer Giebelseite zu den Ausfallstraßen des Kastells standen. Statt eines Straßendorfes hatte der antike Platz bereits früh städtische Formen mit großen Steinbauten ausgebildet, die vielfach einen vergleichsweise aufwendigen Grundriss aufwiesen.

Nahe der großen Therme, am Südostrand des Lagerdorfs, wurden Gräber entdeckt; ebenso im Westen in Fluchtrichtung der aus dem Lager führenden Straße. Dort konnten 1908 bis 1913 rund 200 Urnenbestattungen festgestellt werden. Außerdem fand man dort Reste von vier turmartigen Grabmälern, die ebenfalls Einblicke in das Leben wohlhabender Bewohner im Grenzgebiet geben. Ein drittes Gräberfeld befand sich unmittelbar auf dem Gebiet des Vicus an der heutigen Sennenfelder Straße,[26] die den antiken Kastellplatz in einem großen, nach Westen ausschlagenden Bogen umgeht.

Denkmalschutz

Das Kastell Jagsthausen und die erwähnten Bodendenkmale sind als Abschnitt des Obergermanisch-Rätischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem sind die Anlagen Kulturdenkmale nach dem Denkmalschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg (DSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage. Gebr. Mann, Berlin 2000. ISBN 3-7861-2347-0, S. 234f.
  • Rüdiger Krause: Archäologische Forschungen in Jagsthausen. Neue Ausgrabungen im römischen Lagerdorf. Ein Vorbericht der Grabungen von 1987-1989. In: Württembergisch Franken 75. Historischer Verein für Württembergisch Franken, Schwäbisch Hall 1991, S. 23–48.
  • Willi Beck und Dieter Planck: Der Limes in Südwestdeutschland. 2. Auflage. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1980, ISBN 3-8062-0242-7.
  • Hartmut Kaiser: Jagsthausen. Kohortenkastell. In: Philipp Filtzinger, Dieter Planck und Bernhard Cämmerer (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. 3. Auflage. Theiss, Stuttgart 1986, ISBN 3-8062-0287-7, S. 351ff.
  • Klaus Kortüm: Ein archäologischer Aufschluß im Kastellvicus von Jagsthausen. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 13. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1988, S. 325ff.
  • Andreas Thiel: Jagsthausen. Kohortenkastell, Zivilsiedlung, Gräberfeld. In: Dieter Planck (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1555-3, S. 138ff.
  • Andreas Thiel: Das Kastellbad von Jagsthausen – ein Beispiel für die archäologische Denkmalpflege in den 90er Jahren. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes. 25.1996, Nr. 4, S. 244–250.
  • Andreas Thiel: Eine neu gefundene Renovierungsinschrift aus dem zweiten römischen Militärbad von Jagsthausen, Kreis Heilbronn. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 20. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1995.
  • Andreas Thiel: Das römische Jagsthausen. Kastell, Vicus und Siedelstellen des Umlandes. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-2001-8 (Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg. Heft 72).

Grabungsberichte der Reichs-Limes-Kommission:

Einzelnachweise

  1. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 13. Stuttgart 1988, S. 325.
  2. Britta Rabold, Egon Schallmayer, Andreas Thiel: Der Limes, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1461-1, S. 82.
  3. Harald von der Osten-Woldenburg: Kastelle und Limesabschnitte. Eine Übersicht über bislang in Baden-Württemberg durchgeführte geophysikalische Prospektionen. In: Jürgen Obmann: Limesentwicklungsplan Baden-Württemberg. Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Esslingen 2007. S. 40 f.
  4. Harald von der Osten-Woldenburg: Kastelle und Limesabschnitte. Eine Übersicht über bislang in Baden-Württemberg durchgeführte geophysikalische Prospektionen. In: Jürgen Obmann: Limesentwicklungsplan Baden-Württemberg. Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Esslingen 2007. S. 41
  5. Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 20, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1995, S. 726.
  6. Martin Kemkes: Das Bild des Kaisers an der Grenze – Ein neues Großbronzenfragment vom Raetischen Limes. In: Andreas Thiel (Hrsg.): Forschungen zur Funktion des Limes, Band 2. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-2117-6, S. 144.
  7. AE 1995, 1165.
  8. Andreas Thiel: Eine neu gefundene Renovierungsinschrift aus dem zweiten römischen Militärbad von Jagsthausen, Kreis Heilbronn. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 20. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1995, S. 730.
  9. CIL 13, 6562 (Abbildung).
  10. Dieter Planck, Willi Beck: Der Limes in Südwestdeutschland. 2. völlig neubearbeitete Auflage. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0496-9, S. 60 (mit Abb.). Die nachträglichen Tilgungen sind durch doppelte eckige Klammern gekennzeichnet.
  11. CIL 13, 06563.
  12. Andreas Thiel: Eine neu gefundene Renovierungsinschrift aus dem zweiten römischen Militärbad von Jagsthausen, Kreis Heilbronn. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 20. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1995, S. 734.
  13. Gabriella Bordenache: Römer in Rumänien. Römisch-Germanisches Museum, Köln 1969, S. 48.
  14. Zaharia Covacef: Cohors I Germanorum a Capidava. In: Army and Urban Development in the Danubian Provinces of the Roman Empire. Alba Iulia, 2000, S. 285–291.
  15. Martin Eckold: Schiffahrt auf kleinen Flüssen Mitteleuropas in Römerzeit und Mittelalter. Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg 1980, ISBN 3-7979-1535-7, S. 18f.
  16. CIL 13, 6552.
  17. Ein weiterer Tribun, dessen Name verloren ist, war möglicherweise in der Inschrift CIL 13, 6553 genannt, einer Weihung an die Göttin Fortuna.
  18. CIL 13, 6555.
  19. Claus-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-806-21493-X. S. 71.
  20. CIL 13, 1892.
  21. Gerold Walser: Römische Inschriftkunst. Römische Inschriften für den akademischen Unterricht und als Einführung in die lateinische Epigraphik. 2. Auflage. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1993, ISBN 3-515-06065-0, S. 138.
  22. Lothar Wierschowski: Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07970-X. S. 312–313.
  23. CIL 13, 6634.
  24. Andreas Thiel: Eine neu gefundene Renovierungsinschrift aus dem zweiten römischen Militärbad von Jagsthausen, Kreis Heilbronn. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 20. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1995, S. 731.
  25. Britta Rabold, Egon Schallmayer, Andreas Thiel: Der Limes. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1461-1, S. 84.
  26. Britta Rabold, Egon Schallmayer, Andreas Thiel: Der Limes. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1461-1, S. 83.