Die ehemalige Landesburg Lechenich der Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln liegt in der Nordostecke der Altstadt von Lechenich. Die am Anfang des 14. Jahrhunderts errichtete durch Gräben geschützte Wasserburg wurde seit dem 16. Jahrhundert auch als Schloss bezeichnet. Die Landesburg gehörte zu den mächtigsten rheinischen Burganlagen.
Bau und Befestigung
Im Jahre 1306[1] begann der Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg (1305-1332) mit Erlaubnis König Albrechts mit dem Bau einer neuen Burg innerhalb der Stadt. Die alte außerhalb der Stadt (an der heutigen Erper Straße) gelegene Burg war 1301 vom Grafen von Jülich auf Befehl des Königs zerstört worden.[2] Der auch als Bergfried bezeichnete Wohnturm wurde zwischen 1306 und 1317 errichtet.[3] Während der Amtszeiten der Erzbischöfe Walram von Jülich (1332-1349) und seinem Nachfolger Wilhelm von Gennep (1349-1362) ließen diese die Burg kastellartig ausbauen. Zwei breite Wassergräben sicherten die Anlage. Der äußere Graben umgab das gesamte Gelände, der innere Graben umschloss die Hauptburg. Einen weiteren Schutz bot die mit Mauern und Gräben befestigte Stadt.
Außen ist der fünfstöckige Bergfried 15 Meter lang und 13 Meter breit. Die Mauern haben unten eine Stärke von 2,50 Meter, sie verringern sich von Stockwerk zu Stockwerk um 20 cm. Das Hochschloss nimmt mit einer Länge von 33 Meter und eine Breite von 12 Meter die gesamte Ostseite der Anlage ein. Diese wird flankiert von zwei siebenstöckigen hohen Türmen.
Residenz
Die Burg war eine der Residenzen, die den jeweiligen Erzbischöfen mit ihrem gesamten Hofstaat in ihrer Eigenschaft als Landesherren zur Repräsentation dienten. Die zeitweiligen Aufenthalte der Erzbischöfe Walram von Jülich und Wilhelm von Gennep sowie ihrer Nachfolger in Lechenich sind in zahlreichen Urkunden belegt.[4] Der Residenzsaal war hervorragend geeignet, um Huldigungen entgegenzunehmen, Belehnungen und Bestallungen vorzunehmen, Schiedssprüche auszusprechen [5] und Diplomaten zu empfangen.[6] Zwischen 1351 und 1381 fanden hier häufig Zusammenkünfte der Geschworenen des Landfriedens zwischen Rhein und Maas statt. [7]
Gäste der Landesburg
Die überlieferte Geschichte des 14. und 15. Jahrhunderts berichtet über mehrere gesellschaftliche Ereignisse des Burglebens. So sind die Kurfürsten in dieser Zeit auch Gastgeber bedeutender Gäste auf ihrem Schloss zu Lechenich gewesen:
- König Sigismund mit seinem Gefolge im Jahr 1414 bei seinem Ritt zur Krönung in Aachen, und auf der Rückkehr nach Bonn.[8]
- König Friedrich III. mit seinem Gefolge am 13. Juni 1442 bei seiner Krönungsfahrt von Bonn nach Aachen. [9]
- Kaiser Karl 1543 machte anlässlich seines Zugs nach Düren ebenfalls in Lechenich Station.[10]
Die Vorburg
In der Vorburg lagen die zur Burg gehörenden Wirtschaftsbebäude. Der Burghof der Landesburg war ein Tafelgut des Erzbischofs. Die auf den zugehörigen Ländereien erwirtschafteten Erträge dienten zum Teil der Versorgung der erzbischöflichen Küche (Erbsen, Rübsamen und Senfsamen). Seit dem 16. Jahrhundert waren die Schlossländereien verpachtet. Die aus der Viehzucht durch Verkauf von Mastochsen und Schafwolle anfallenden Gewinne wurden für den Burghaushalt verwendet. [11] Auf der Burg lebte eine relativ kleine ständige Burgbesatzung von 16 Personen. Neben dem Amtmann waren es der Kellner (Rentmeister), der Unterkellner und der Burggraf, ein Pförtner, mehrere Wächter und Gesinde. Ferner unterhielt der Amtmann 6-8 Reisige. [12]
- Schlossansichten
Verwaltungszentrale und Gerichtssitz
Die Burg als Verwaltungsburg des Landesherrn bildete das Verwaltungszentrum des Amtes Lechenich. Die Administration oblag dem Amtmann, der bis Mitte des 16. Jahrhunderts im Amtshaus der Vorburg wohnte. Seine Aufgabe war es, die Rechte des Landesherrn zu wahren wie der Schutz von Burg, Stadt und Amt Lechenich, der Schutz der landesherrlichen Straßen und die Rechtspflege zum Schutz der Einwohner und zur Wahrung der landesherrlichen Hoheit. Der Kellner, ein weiterer Beamter, war für die Rechenschaftsberichte über eingegangene Einkünfte und Ausgaben, die bauliche Unterhaltung der Burg und der Wirtschaftsgebäude sowie die Entlohnung der Bediensteten zuständig.
Die Landesburg war Gerichtssitz des Amtes Lechenich. Viermal in Jahr [13] hielt der Amtmann als Vertreter des Landesherrn Herrengericht, an dem die Einwohner zur Teilnahme verpflichtet waren. Ihnen wurden ihre im Weistum (Bauernbuch) aufgezeichneten Rechte und Pflichten gewiesen und Beschwerden geklärt. In mehrtägigen Brüchtenverhören verhängte der Amtmann mit Brüchtenmeister, Schultheiß und Schöffen Geldstrafen bei Verstößen gegen geltendes Recht oder Anordnungen des Kurfürsten.[14] Schultheiß und Schöffen, die seit 1325 ein eigenes Gerichtssiegel führten,[15]übten im großen Saal des Amts- oder Kellnereihauses Gerichtsrechte aus wie Ausstellen notarieller Urkunden, Fällen von Urteilen bei Klagen und Bestrafung von Missetätern, bei größeren Vergehen mit Gefängnis.[16] Außerdem besaßen sie Hochgerichtsrechte. Sie verhängten die Todesstrafe bei schweren Vergehen und bei den Hexenprozessen von 1626 bis 1632.[17] Die Urteile vollzog der Scharfrichter, der aus Köln anreiste, an der Richtstätte außerhalb der Stadt an der Nähe der ehemaligen Römerstraße.
Entwicklung in der Neuzeit
Nachdem die Erzbischöfe und Kurfürsten ihre feste Residenz in Bonn hatten, hielten sie sich nur noch selten in Lechenich auf. Belegt sind Aufenthalte zur Jagd in der Ville oder mehrmals im Jahr Übernachtungen in den Räumen des Kellnereihauses auf der Hin- und Rückreise von Lüttich, dessen Fürstbischöfe sie waren.[18] Nach 1657 sind keine Übernachtungen mehr verzeichnet.[19] Während der Belagerung Lechenichs im Jahr 1642 durch Söldnertruppen unter dem Befehl General Guébriants wurde das umkämpfte Schloss nicht eingenommen, doch die Stadt trug große Schäden davon. [20]. In den Kriegen Ludwigs des XIV. von Frankreich, dessen Politik der Kölner Kurfürst Max Heinrich und sein Koadjutor Wilhelm von Fürstenberg unterstützten, wurden Stadt und Schloss im Jahre 1673 durch kaiserliche Truppen unter Montecucolli kampflos eingenommen und bis 1679 besetzt[21] Die im Schloss wieder wie vor 1673 einquartierten französischen Truppen steckten das Schloss am 21. April 1689 bei ihrem Abzug vor den mit dem Kaiser verbündeten anmarschierenden Brandenburgern in Brand. [22] Die Anlage hatte damit seine strategische Bedeutung verloren und war für die Kurkölner Politik uninteressant geworden. Nach dem Brand war das Schloss unbewohnbar. Der abgebrannte Dachstuhl des Hauptschlosses und des Bergfrieds wurden notdürftig repariert. Die Räume einschließlich des ehemaligen großen Residenzsaals wurden als Getreidemagazin genutzt.[23]
Im 18. Jahrhundert verfiel das Schloss immer mehr. Nur der Gefängnisturm, das Demeritenhaus und die Schlosskapelle im südlichen Trakt blieben erhalten.[24]
Im ehemaligen Amtshaus in der Vorburg, Kellnereihaus genannt, wohnte der Oberkellner (Rentmeister). Nach dem Stadtbrand von 1702 wurde die Kellnerei repariert [25], nach dem großen Stadtbrand von 1722 war der Neuaufbau von Vorburg mit Kellnereihaus, Scheune und Stallungen notwendig.[26]
Säkularisation
Im Zuge der Säkularisation, der Enteignung des kirchlichen Besitzes unter Napoleon, wurden alle Schlossgebäude als geistlicher Besitz beschlagnahmt und 1805 versteigert. Sie wurden von Andreas Borlatti, dem Sohn des letzten Oberkellners Josef Borlatti, erworben. [27]. Seitdem befindet sich der Schlosskomplex in wechselndem Privatbesitz. Einige Bauten, darunter die Reste des Südflügels mit der Schlosskapelle, wurden völlig abgerissen. Sie sind teilweise durch Gemälde von A.Reuter (1795 bzw. 1797) bekannt.
Noch als Ruine vermittelt die Burg heute einen Eindruck von ihrer früheren Bedeutung als stark befestigte Verwaltungsburg des Landesherrn und verdeutlicht den Unterschied zu den zahlreichen Adelssitzen des Erftkreises.[28]
Literatur
- Robert Janke, Harald Herzog: Burgen und Schlösser im Rheinland. Greven Verlag Köln, Köln 2005, ISBN 3-7743-0368-1, S. 66.
- Jens Kirchhoff: Burg Lechenich im Kontext spätmittelalterlicher Residenzentwicklung im Erzstift Köln. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. Rheinland-Verlag, 2001, ISSN 0341-289X.
- Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Kreis Euskirchen. Düsseldorf 1900.
- Henriette Meynen: Wasserburgen, Schlösser und Landsitze im Erftkreis. 3. Auflage. Rheinland Verlag, Köln 1985, ISBN 3-7927-0904-X, Seite 118–121.
- Karl Stommel: Geschichte der kurkölnischen Stadt Lechenich. Euskirchen 1960.
- Karl und Hanna Stommel: Quellen zur Geschichte der Stadt Lechenich. 1.-5. Band. Erftstadt 1990-1998.
Einzelnachweise
- ↑ HAStK Domstift Urkunde 1/752
- ↑ Kirchhoff: Burg Lechenich im Kontext spätmittelalterlicher Residenzentwicklung im Erzstift Köln Seite 133
- ↑ HSTAD Kurköln Urkunde Nr. 251
- ↑ Kirchhoff Seite 148
- ↑ Kirchhoff, Residenzburgen Seite 146
- ↑ Nationalarchiv Paris U J 440 Nr. 56 und Nr. 58
- ↑ Claudia Rotthoff Kraus: Die politische Rolle der Landfriedenseinungen zwischen Maas und Rhein in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Beiheft der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. Aachen 1990.
- ↑ Jörg Hoensch: Itinerar König und Kaiser Sigismunds von Luxemburg 1368 – 1437. Warendorf 1995)
- ↑ Wilhelm Brüning: Die Aachener Krönungsfahrt Friedrichs III. im Jahre 1442 in: Mitteilungen des Vereins füer Kunde der Aachener Vorzeit Nr. 6/8 Seite 81-104. Aachen 1898
- ↑ Hans J. Domsta, Helmut Krebs, Anton Krobb: Zeittafel zur Geschichte Dürens 747-1997 Seite 41. Düren 1998. ISSN 0343-2971
- ↑ HSTAD Handschriften L V 2 Bl. 32-33, Dienstanweisung für den Lechenicher Kellner
- ↑ Kurköln Lehen Generalia 9 II Bl. 157-158 (Bestallungsurkunde)
- ↑ HSTAD Kurköln II 1917 Bl. 16
- ↑ Archiv Schloss Gracht Akte Nr. 50 Amt Lechenich Brüchtenprotokolle Bl. 37-42
- ↑ Zentralarchiv des Deutschen Ordens Wien Abt. Urk. Nr. 1325 März 24
- ↑ Stommel, Quellen zur Geschichte der Stadt Erftstadt mit Urkundenregesten aus zahlreichen Archiven
- ↑ HSTAD Kurköln IV 3486, 3487, 3488, Kurköln III Bd. 23 und Bd. 24
- ↑ HSTAD Kurköln IV 3483-3489 (Kellnereirechnungen)
- ↑ HSTAD Kurköln IV 3490-3496(Kellnerereirechnungen)
- ↑ Sarburg/Walram, Verteidigung und Triumph der Burg und der Stadt Lechenich gegen hessische, französische und weimarische Truppen im Jahre 1642. Köln 1643
- ↑ Stommel, Quellen Nr. 2666, Auswertung von Akten aus dem Reichskriegsarchiv in Wien durch Stefan Sienell
- ↑ Archiv Schloss Gracht Akte Nr. 53 Stadt Lechenich Bürgermeisterrechnungen
- ↑ Kurköln IV 2521 Bl.5-11
- ↑ HSTAD Kurköln IV 3547-3593, 5541-5050 (Kellnereirechnungen) und AEK Dekanat Bergheim Lechenich Nr. 9 und Nr. 10
- ↑ Kurköln IV 1816 Bl. 184-185
- ↑ Kurköln IV 3499-3546
- ↑ HSTAD Roerdepartement 3169/3183
- ↑ Th. Wildemann, Rheinische Wasserburgen und wasserumwehrte Schloßbauten. Neuss 1954 Seite 28
Weblinks
Koordinaten: 50° 48′ 7″ N, 6° 46′ 6,7″ O