Deutsche Kolonialbestrebungen an der Somaliküste

Projekt der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft
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Deutsche Kolonialisierungsbestrebungen an der Somaliküste wurden von 1885 bis 1888 verfolgt. Mit dem Ziel, Gebiete nördlich des von einer rivalisierenden Kolonialgesellschaft beherrschten Wituland zu erwerben, schlossen Vertreter der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft 1885 und 1886 Freundschaft- und Schutzverträge mit Sultanen somalischer Küstenstädte. 1888 wurde das Projekt aufgegeben, das sich mit britischen und italienischen Ansprüchen überschnitt.

Ausgangslage und Strategie

Nach dem Ende der zwischenzeitlichen ägyptischen Herrschaft (1875–1879) waren die Städte Mogadischu, Kismaayo, Warsheikh, Merka und Baraawe an der somalischen Küste wieder unter der Oberherrschaft des Sultanats Sansibar, während die Herrschaft des Sultans von den Somali-Clans im Hinterland nicht anerkannt wurde. Somalische Sultane versuchten, die Hilfe deutscher Kolonialisten für ihren Widerstand gegen Sansibar auszunutzen, während die mit Deutschland rivalisierende Kolonialmacht Großbritannien zunächst noch Sansibars Expansionsstreben unterstützte. Das britische Protektorat über die nördliche Somaliküste wiederum beunruhigte die Mejerteen-Sultane im heutigen Puntland.[1]

Deutsche Kolonialagenten versuchten nun einerseits, den Sultan von Sansibar zur Überlassung seiner somalischen Küstenplätze zu drängen, und anderseits mit den somalischen Sultanen im Hinterland dieser Küstenplätze Handelsverträge und Bündnisse gegen Sansibar zu schließen. Ähnliche Pläne verfolgten auch die Italiener.

Nordostsomalia

 
Verteilung der Clans in Somalia 1977, einschließlich Nachkommen des Usman Mahamud

Hörnecke-Expedition im Mejerteen-Sultanat

In Aluula, nahe dem Kap Guardafui (Ostkap) in der Region Bari, schloss eine Expeditionsgruppe unter Leitung des Regierungsbaumeisters Gustav Hörnecke am 6. September 1885 einen weitreichenden Freundschaftsvertrag mit dem lokalen Sultan Bogor Osman Mahmud Yusuf (1854–1927) vom Clan der Mejerteen, die zum Stamm der Darod gehören (die Osman Mahamud, auch Usman Muhammad u.ä. geschrieben, bilden heute ihrerseits einen Teilclan der Mejerteen mit Sultan Osman Mahmud als Stammvater).

Der in Deutsch und Arabisch abgefasste Vertrag weist erhebliche Unterschiede zwischen beiden Sprachversionen auf. Während im deutschen Text von einem Schutzvertrag mit dem Deutschen Kaiserreich und Landabtretungen an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft die Rede ist, ist im arabischen Text nur ein Vertrag über Freundschaft und Unterstützung der Gesellschaft bei der Erforschung und Nutzbarmachung des Hinterlandes genannt.[1]

Das vom Vertrag betroffene Gebiet des Sultans Osman sollte sich vom Kap westwärts bis nach Bender Ziada (nahe des Gebiets von Bender Cassim bzw. Boosaaso), etwa 400 Kilometer östlich von Berbera, und südwärts bis zum Kap (Ras) Assuad (Provinz Mudug) erstrecken. Landeinwärts sollte das Vertragsgebiet jeweils 20 Tagesreisen weit reichen (also etwa 600 Kilometer tief und damit bis nach Ogaden hinein).

Datei:Sultan Yusuf Ali Kenadid.jpg
Sultan Yusuf Ali Keenadiid

Anderten-Expedition im Sultanat Hobyo

Während Hörnecke nach Vertragsabschluss über Aden und Triest nach Berlin zurückkehrte und zwei DOAG-Mitarbeiter vergeblich versuchten, in Aluula die vertraglich zugesagte Niederlassung zu gründen, hatte Hörneckes Adjutant, Leutnant Claus von Anderten, den Auftrag erhalten, das Vertragsgebiet nach Süden noch zu erweitern.[1]

Mit Osmans Schwiegervater (oder Cousin?), Sultan Yusuf Ali Keenadiid von Hobyo (1845–1911) schloss Anderten am 26. November 1885 einen ähnlichen Vertrag ab, dessen deutsche und arabische Fassungen sich ähnlich deutlich unterschieden. Diesem Anschlussvertrag zufolge unterstellte der Sultan das Küstengebietgebiet des zum Hawiye-Stamm gehörenden Abgal-Clans bis zum 4. Breitengrad bzw. noch weiter bis vor die Tore von Warsheikh, d.h. bis etwa 80 Kilometer nördlich von Mogadischu, der Gesellschaft. Landeinwärts war wieder eine Tiefe von 20 Tagesreisen vorgesehen.

 
Karl Ludwig Jühlke

Jühlke-Expedition in Südwestsomalia

Im Sommer 1886 entsandte die Gesellschaft Karl Ludwig Jühlke an den Süden der Benadirküste, um dort Land bis an die Nordgrenze Witus zu erwerben. Am 29. Oktober 1886 unterzeichnete Jühlke in Kismaayo einen Vertrag mit Sultan Ali ibn Ismail, dem zufolge das Küstengebiet zwischen Witu und Baraawe an die Gesellschaft fallen sollte. Bereits 1885 hatte der Sultan allerdings einen ähnlichen Vertrag mit der Tana-Gesellschaft der Gebrüder Denhardt geschlossen.

In Hohenzollernhafen (Port Durnford, heute Buur Gaabo am Berikau-Fluss bzw. Wubischi-Fluss, nahe Kaambooni, beide in der Region Jubbada Hoose, nicht zu verwechseln mit Buurhakaba) und an der Mündung des Juba-Flusses wurde eine Station errichtet und die deutsche Fahne gehisst, doch bei einer Fahrt auf dem Fluss ins Landesinnere wurde Jühlke von einem Somali (vermutlich im Auftrag des Sultans von Sansibar) getötet.[1]

Eine Folge-Expedition unter Joachim Graf von Pfeil nach Hohenzollerhafen blieb erfolglos.

Ende des Projekts

Datei:Horn1890ad.png
Somalia um 1890

Zusammengenommen hatte die DOAG Ansprüche auf ein Gebiet erworben, dass im Nordosten das gesamte Puntland einschließlich Mudug und Sanaag sowie im Südwesten ganz Jubaland bzw. das zunächst britische, später italienische Oltre Giuba umfasst hätte. Brockhaus Conversations-Lexikon beschriftete 1887 auf seiner Übersichtskarte von Afrika das gesamte Gebiet des späteren Italienisch-Somaliland als Besitz der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, ohne es jedoch in der gleichen Flächenfarbe wie die übrigen deutschen Kolonien und Schutzgebiete einzuzeichnen.[2]

Zwar hatte der Kaiser Schutzbriefe für die beiden somalischen Küstengebiete unterzeichnet, Bismarck forderte sie jedoch 1888 zurück,[1] als der Dreibund-Partner Italien sich an der somalischen Küste festzusetzen begann und Deutschland sich mit Großbritannien über die Aufteilung Sansibars verständigt hatte. Yusuf hatte noch im Dezember 1888, Osman im April 1889 Protektoratsverträge mit den Italienern geschlossen. Schließlich gab Deutschland 1890 im Helgoland-Sansibar-Vertrag gegenüber Großbritannien alle Ansprüche auf Wituland, Hohenzollernhafen und nördlich davon auch formal auf. Sansibar wurde dadurch auch formal britisches Protektorat und verpachtete seine somalischen Küstenplätze statt an Deutschland 1892 an Italien.

Einzelnachweise

  1. a b c d e Rolf Herzog: Reaktion einiger Somalistämme auf frühe Kolonialbestrebungen, 1975/77 (PDF)
  2. Brockhaus Conversations-Lexikon, Supplementband, Seite 10ff. Leipzig, 13. Auflage 1887

Literatur