Geschichte des Oberleitungsbusses

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Ein Oberleitungsbus, auch O-Bus oder Trolleybus, ist ein spurungebundenes öffentliches Verkehrsmittel für den Personennahverkehr. In der deutschsprachigen Schweiz ist die Bezeichnung Trolleybus üblich, in den noch existierenden drei deutschen Städten mit Obusbetrieb sowie in Österreich ist die Bezeichnung Obus gebräuchlich.

Trolleybus in Arnheim

Funktionsprinzip

Ein Oberleitungsbus ist ein Omnibus, der von einem Elektromotor angetrieben wird und über zwei Stangenstromabnehmer Anschluss an zwei Fahrdrähten hat. Es gibt Oberleitungsbus-Typen, die noch einen Verbrennungsmotor als Hilfsmotor besitzen. Ein Hilfsmotor, der den Trolleybus mit verminderter Geschwindigkeit auch ohne Strom aus der Oberleitung weiter fahren lässt, gehört bereits zur Standardausrüstung moderner Trolleybusse.

Außerdem gibt es - zumindest im Versuchsbetrieb - auch Hybridantriebe für Busse, die in der Stadt elektrisch und auf Überlandstraßen mit Diesel arbeiten können. Duo-Busse können sowohl mit dem Strom aus einer Oberleitung (Fahrleitung), wie auch vom Akkumulator oder von einem Dieselmotor angetrieben fahren (zum Beispiel in Esslingen am Neckar, Deutschland).

Die Busse können auch auf einer von der Straße gesonderten Strecke fahren, und mit einer automatischen Spurführung ausgerüstet sein. Diese Spurbusse werden jedoch nur in wenigen Städten der Welt eingesetzt, unter anderem in Essen, jedoch seit 1996 nicht mehr mit Elektroantrieb.

Die Anschaffungs- und Betriebskosten von Oberleitungsbussen sind, abhängig zum Beispiel von topographischen Bedingungen, etwa ein Drittel teurer als bei einem Dieselantrieb, besonders die Oberleitungen sind ein zusätzlicher Kostenfaktor. Dafür sind die relative Laufruhe und der abgasfreie Betrieb wichtige Argumente für den Trolleybus.

In einem Forschungsbericht der Fachhochschule Köln über die Energie-, Kosten- und Emissionsbilanz von Oberleitungsbussen wurde zusammenfassend festgestellt, dass moderne Oberleitungsbusse „die Atmosphäre mit erheblich geringeren Schadstoffen als eine gleichgelagerte Dieselbusflotte belasten“.

Geschichte

 
O-Bus in Eberswalde 1901
 
O-Bus in Eberswalde 1940

Der erste von Werner von Siemens erbaute Oberleitungsbus der Welt, er trug den Namen "Elektromote", kreuzte am 29. April 1882 als Versuchsfahrzeug den Kurfürstendamm in Halensee bei Berlin. In der Schweiz fuhr am 17. Dezember 1900 in Villeneuve im Kanton Waadt der erste Trolleybus, in Deutschland am 15. März 1901 in Eberswalde (im Linienbetrieb), in Österreich am 16. Juli 1907 in Gmünd im Bundesland Niederösterreich. Im Laufe der Jahrzehnte verbreitete er sich auf allen Kontinenten.

Der Begriff Oberleitungsbus (O-Bus) wird meistens in Deutschland und Österreich verwendet. Außerhalb dieser beiden Länder und den USA ist der Begriff Trolleybus gebräuchlich. Die Amerikaner sagen überwiegend electric bus, da dort ein trolley eher ein Straßenbahnwagen ist. Mit Trolley (von englisch trolley = Laufkatze) wurde das Wägelchen bezeichnet, das bei den ersten Fahrzeugen dieser Art an der Oberleitung hinterhergezogen wurde, bevor die Stromabnahme über Stangen erfolgte. Der Hersteller Siemens-Schuckert bezeichnete die Busse anfangs als Elbus (Elektrobus).

In Deutschland besaßen die Arbeiten von Max Schiemann (1866-1933) und Carl Stoll (1846-1907) für die Entwicklung des Oberleitungsbusses Pionierbedeutung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der elektrische Antrieb besonders attraktiv wegen der im Vergleich geringen Leistungsfähigkeit der Verbrennungsmotoren im Omnibus.

Der Oberleitungsbus besaß bis Ende der 1950er Jahre weltweit und besonders in den englischsprachigen Ländern USA und Großbritannien eine besondere Akzeptanz. Er ersetzte Straßenbahnen, weil die Schienen dann nicht erneuert werden mussten, Linienerweiterungen wesentlich billiger waren, er schneller und leiser fuhr und deshalb an Attraktivität für die Fahrgäste gewann.

Ab Mitte der 1950er Jahre kam die Trendwende. In Deutschland betrieben etwa 70 Städte Oberleitungsbusse, die meisten von ihnen bis in die späten 1960er Jahre. Heute (2005) sind nur in Eberswalde, Esslingen am Neckar und Solingen zusammen ungefähr 100 Busse im täglichen Einsatz. Obwohl der Oberleitungsbus eine bessere Beschleunigung aufweist, abgasfrei und leiser als ein Dieselbus ist, wurde das System vielerorts ohne nennenswerten Protest zugunsten von vom Fahrdraht unabhängig einsetzbaren Dieselbussen aufgegeben.

In der Schweiz hingegen blieben die Trolleybusse, wie sie dort genannt werden, populär, es gibt sie heute in 14 Städten. Die preiswerte und umweltfreundliche Energiegewinnung aus der Wasserkraft und unübertroffene Beschleunigung am Berg haben dies im Alpenstaat unterstützt.

In den 1970er Jahren führte die Preisentwicklung auf dem Energiesektor und das sich verstärkende Umweltbewusstsein zu einer Wiederbelebung der Diskussion um den Oberleitungsbus in verschiedenen europäischen Ländern. Auch die Fortschritte in der Antriebstechnik trugen dazu bei, dass der Oberleitungsbus wieder als Alternative zu anderen Beförderungsmitteln akzeptiert wurde.

Gegenwart

 
Trolleybus in Nancy mit Einschienenführung

Durch die Aufnahme neuer Staaten in die Europäische Union am 1. Mai 2004 hat das System Oberleitungsbus auf deren Gebiet schlagartig eine Vermehrung um circa 4000 auf nun rund 7000 Trolleybusse erfahren, wobei es entscheidend sein wird, das System in vielen Städten der neuen EU-Länder zu erhalten. Die auf Druck der Autobus- und Erdöllobby nach der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 flächendeckende Einstellung von Oberleitungsbusbetrieben im östlichen Teil des Landes ist hier kein gutes Beispiel.

Auf dem amerikanischen Kontinent verkehren gegenwärtig rund 3000 Trolleybusse. Wegen des hohen Grades der Luftverschmutzung ist besonders in den Großstädten Mittel- und Südamerikas ein umweltfreundliches Personentransportmittel erforderlich. Der elektrische Oberleitungsbus bietet hier auf Grund der größeren Flexibilität gegenüber der Straßenbahn und der geringeren Investitionskosten die optimale Lösung, zumal auch, zumindest was das Fahrzeug betrifft, ein nennenswerter lokaler Produktionsanteil möglich ist.

In Asien gibt es überwiegend unter ähnlichen Voraussetzungen etwa 5000 Oberleitungsbusse (ohne den asiatischen Teil Russlands). In der Region Australien und Ozeanien - dort allerdings nur in Neuseeland - sind es rund 60. In Afrika sind nur noch wenige Trolleybusse in Betrieb. Diese werden ausschließlich im Güterverkehr in diversen Bergwerken in der DR Kongo, Namibia und Südafrika eingesetzt. Weltweit verkehren derzeit etwa 40.000 Oberleitungsbusse, fast drei Viertel davon, das sind etwa 25 000, im östlichen Teil Europas und in Russland. Letztere sind im allgemeinen dringend erneuerungsbedürftig, wegen fehlender finanzieller Mittel werden sie jedoch weiterhin betrieben.

Rekorde

 
Historischer Obus in Eberswalde
 
Trolleybus in Donezk

Das Land mit der größten Anzahl an Oberleitungsbussen ist Russland. Es verkehren dort in 89 Städten über 14.000 Fahrzeuge. Die Stadt mit den meisten Trolleybussen ist Moskau. Es sind dort über 2.000 im täglichen Einsatz. Das älteste durchgehend in Betrieb befindliche Oberleitungsbusnetz der Erde ist das in Shanghai, gleichzeitig eines der größten in der Volksrepublik China. Es wurde am 15. November 1914 eröffnet.

In der Schweiz besitzt die Stadt Lausanne das älteste durchgehend in Betrieb befindliche Trolleybusnetz, eröffnet am 2. Oktober 1932, in Österreich die Stadt Salzburg, eröffnet am 1. Oktober 1940. In Deutschland wurde am 3. November 1940 in Eberswalde der älteste durchgehend in Betrieb befindliche Oberleitungsbusbetrieb gegründet. Der Vorgängerbetrieb in der Stadt existierte im Jahre 1901 nur für drei Monate und war nach Berlin 1882 - dort verkehrte der Bus zwei Monate - die zweite Stadt, die in Deutschland mit einem Obus ausgerüstet wurde.

Die weltweit längste Oberleitungsbuslinie fährt gegenwärtig auf der Halbinsel Krim in der Ukraine. Sie verbindet über eine landschaftlich reizvolle Strecke über Gebirgspässe, mit einem höchsten Punkt von 750 Metern, die 86,5 Kilometer voneinander entfernt liegenden Städte Simferopol und Jalta am Schwarzen Meer.

Die Strecke Duisburg - Moers - Rheinberg war mit einer Entfernung von 29,61 Kilometern die längste Oberleitungsbuslinie in Deutschland. Sie war in voller Länge zwischen 18. Dezember 1954 und 22. Mai 1966 in Betrieb. Auf der Strecke verkehrten Fahrzeuge der damaligen Kreis-Moerser-Verkehrsbetriebe und der Duisburger Verkehrsgesellschaft AG (DVAG).

Perspektiven

Der Oberleitungsbus hat in seiner Geschichte seine Position eingenommen und kann diese behaupten. Weltweit stellten einzelne Städte den Oberleitungsbusbetrieb zwar in den letzten Jahren ein, in anderen wird er durch eine Stadtbahn ersetzt, doch andererseits erlebt er vielerorts einen Aufschwung, wird das vorhandene System ausgebaut, beziehungsweise werden neue Strecken eingerichtet. Stillgelegte Systeme wurden wieder aufgebaut und ganz neue werden projektiert.

Neben den bewährten gegenwärtigen Fahrzeugkonzepten richtet sich der Bedarf der Zukunft zusätzlich auf spurgeführte beziehungsweise automatisch gelenkte Oberleitungsbusse mit einer höheren Kapazität als heute, die mit zwei oder noch mehr Gelenken ausgerüstet sind. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, mehrere Achsen oder Radpaare anzutreiben und auch zu lenken.

Wenn es gelingt - auf Basis des Erprobten - die steigenden Erwartungen des Fahrgastes und des Betreibers bei der Weiterentwicklung des Oberleitungsbussystems zu erfüllen, wobei die wichtigsten Aspekte Zuverlässigkeit, Betriebskosten und Wartungsfreundlichkeit bleiben, dann wird der Oberleitungsbus weiterhin dort das ideale elektrische Nahverkehrsmittel bleiben, wo eine Straßenbahn nicht wirtschaftlich oder flexibel genug eingesetzt werden kann oder die topographischen Verhältnisse zu schwierig sind.

Siehe auch

Vorlage:Commons2 Obus allgemein

Verkehrsmuseen und Vereine

Seiten über einzelne Obusbetriebe

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