Als Sudetendeutscher Cartellverband (SCV) bezeichnet man zwei Initiativen, die katholischen Studentenverbindungen des Sudetenlandes und Prags unter einem Dach zu vereinen – einmal als Arbeitsgruppe innerhalb des Cartellverbandes, das zweite mal als Abspaltung von ebendiesem in Analogie zum Österreichischen Cartellverband.
Geschichte
Das farbentragende katholische Couleurstudentum wuchs schnell im Sudetenland, in Böhmen und in Mähren, und konnte sich am Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts in Prag, Brünn, Tetschen-Liebwerd und Pibrans (auch Freiberg in Böhmen genannt) fest etablieren. 1886 wurde Ferdinandea Prag (heute Heidelberg) gegründet, 1899 Nibelungia Brünn (heute Darmstadt), 1905 Vandalia Prag (heute München), 1907 Saxo-Bavaria Prag (heute Wien), 1921 Nordgau Prag (Stuttgart, heute Koblenz), 1922 Elbmark Tetschen-Liebwerd (heute Duisburg).
Diese Verbindungen schlossen sich im Laufe der Jahre dem Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen an, 1896 Ferdinandea Prag, 1899 Nibelungia Brünn, 1905 Vandalia Prag, 1907 Saxo-Bavaria Prag, 1922 Nordgau Prag und 1923 Elbmark Tetschen-Liebwerd. Sie bildeten ab 1927 eine Arbeitsgemeinschaft innerhalb des Cartellverbandes, Sudetendeutscher Cartellverband (1. SCV) genannt.
Ab 1933 begann im Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen der Prozess der Gleichschaltung mit Einführung des Führerprinzips und der daraus resultierenden Annäherung an den Nationalsozialistischen deutschen Studentenbund. Am 14. Juni 1933 schränkte die Arbeitsgemeinschaft des SCV ihre Beziehungen zum Cartellverband stark ein. Nach der Abtrennung der österreichischen Verbindungen vom Cartellverband schlossen sich die sechs Sudetendeutschen Cartellverbindungen wegen der wenig wohlwollenden Haltung der staatlichen tschechoslowakischen Stellen nicht dem ÖCV an, sondern traten am 5. August 1933 selbständig aus dem Cartellverband aus. So entstand der Sudetendeutsche Cartellverband der farbentragenden katholischen deutschen Studentenverbindungen (2. SCV) als selbstständiger Dachverband am 15. April 1934.
1934 wurde zu Pibrans eine neue Verbindung gegründet, Montana Pribrans, die 1935 den SCV beitrat. Im weiteren Verlauf des Jahres 1934 trat Ferdinandea Prag wieder aus dem SCV aus. Im Sommersemester 1938 wurde mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Prag der SCV sistiert, weil sich auch die sechs verbliebene Teilverbindungen zwangsweise auflösen mussten. Nach dem 2. Weltkrieg war eine Wiederbegründung in Prag, Brünn, Tetschen-Liebwerd oder Pribrans auf Grund der politischen Lage nicht mehr möglich. Alle sudentendeutsche Cartellverbindungen begründeten sich außerhalb des Sudetenlandes wieder, fünf in Deutschland und eine in Österreich. Die Montana Pribrans wurde nicht wiederbegründet, fusionierte aber nach dem 2. Weltkrieg mit K.D.St.V. Ferdinandea Prag, die in Heidelberg ansässig wurde.
Literatur
- Lerch, Emil, Über den sudetendeutschen CV, in Vandalia 1905-1935, Friedland in Böhmen, 1935
- SCV, Mitgliederverzeichnis der farbentragenden katholischen deutschen Studentenverbindungen im SCV, Friedland in Böhmen, 1935
- Stitz, Peter, Der CV 1919 - 1938: der hochschulpolitische Weg des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) vom Ende des 1. Weltkrieges bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus, Gesellschaft für CV-Geschichte, München, 1970
- Popp, Gerhard, CV in Österreich 1864-1938, Hermann Böhlaus, Wien, 1984, ISBN 320508831X
- Schieweck-Mauk S., Lexikon der CV- und ÖCV-Verbindungen, Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte, Würzburg, 1997, ISBN 3894980400
- Hartmann, Gerhard, Der CV in Österreich - Seine Entstehung, Geschichte und Bedeutung, Lahn- Verlag, Wien, 2001, ISBN 378403229X