In der Algebra ist der projektive Limes (oder inverse Limes oder einfach Limes) eine Konstruktion, mit der man verschiedene in gewisser Weise zusammengehörende Strukturen verbinden kann. Das Ergebnis dieses Verbindungsvorgangs wird vor allem bestimmt von Abbildungen zwischen diesen Strukturen. Projektive Limites kann man in jeder Kategorie definieren, aber wir wollen uns zunächst auf Gruppen beschränken.
Gegeben sei folgende Situation: Wir haben eine halbgeordnete Menge I, für jedes i in I eine Gruppe Ai, und für jedes Paar i,j aus I mit i>j haben wir einen Gruppenhomomorphismus fi,j: Ai -> Aj (einen so genannten Morphismus). Diese Homomorphismen sollen verträglich sein in dem Sinne, dass für i>j>k gilt fi,k = fj,k o fi,j ("um von i nach k zu kommen, kann man auch einen Umweg über j machen").
Wir definieren den projektiven Limes A als die Menge aller Familien (ai) mit ai aus Ai für alle i aus I, mit der Eigenschaft dass für i>j gilt fi,j(ai) = aj. mit komponentenweiser Multiplikation wird A zu einer Gruppe.
Der projektive Limes A zusammen mit den Homomorphismen pi: A -> Ai, pi( (ak)k ) = ai (den natürlichen Projektionen) hat die folgende universelle Eigenschaft: Für jede Gruppe B und Homomorphismen gi: B -> Ai mit gj=fi,j o gi für alle i>j existiert ein eindeutig bestimmter Homomorphismus g: B -> A so dass gi=pi o g für alle i.
Dieselbe Konstruktion kann man auch durchführen, wenn die Ai z.B. Mengen, Ringe, Körper, Module über demselben Grundring, Algebren oder Vektorräume über demselben Grundkörper sind. Die Morphismen müssen dann Morphismen der zugehörigen Kategorie sein, und der projektive Limes liegt dann in derselben Kategorie. (Sind die Ai z.B. Ringe, dann müssen die fi,j Ringhomomorphismen sein.) Die universelle Eigenschaft gilt auch in diesen Situationen, und kann sogar benutzt werden, um projektive Limites in jeder Kategorie zu definieren. In manchen Kategorien allerdings existiert nicht immer ein projektiver Limes.
Ist jede Struktur Ai ein topologischer Raum, dann ist A ein topologischer Teilraum des kartesischen Produkts der Ai mit der Produkttopologie. Die universelle Eigenschaft ist erfüllt, wenn die Morphismen alle stetig sind. Sind alle Ai kompakt und hausdorffsch, dann ist der projektive Limes A ebenfalls kompakt und hausdorffsch.
Beispiele:
- Der Ring Zp der p-adischen ganzen Zahlen ist der projektive Limes der Restklassenringe Ai=Z/pi, wobei die halbgeordnete Indexmenge I=N mit der natürlichen Ordnung ist und die Morphismen die Restklassenabbildungen sind. Die natürliche Topologie auf Zp ist die von der diskreten Topologie auf den Ai induzierte Produkttopologie.
- Für eine beliebige galoissche Körpererweiterung E/K ist die Galoisgruppe G(E/K) isomorph zum projektiven Limes der Galoisgruppen G(L/K), wobei L alle endlichen und galoisschen Zwischenerweiterungen von E/K durchläuft, die halbgeordnete Indexmenge die Menge dieser Zwischenkörper mit der Inklusionsordnung ist, und der Morphismus für L Teilmenge L1 gegeben ist durch fL1,L: G(L1/K) -> G(L/K), s -> s|L (also die Einschränkung eines Automorphismus auf den kleineren Körper). Betrachtet man alle G(L/K) als diskrete topologische Gruppen, dann wird auf G(E/K) eine Produkttopologie induziert, die Krulltopologie genannt wird.