Operation Bagration

Schlacht des Zweiten Weltkriegs
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Operation Bagration (russisch Операция Багратион) war der Deckname einer großen Sommeroffensive der Roten Armee vom 22. Juni bis zum 29. August 1944, die die Eroberung der weißrussischen Hauptstadt Minsk zum Ziel hatte. Abgesehen von der Schlacht an der Somme 1916 verursachte keine andere Schlacht ähnlich hohe Verluste auf deutscher Seite. Sie führte zum Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte und war die schwerste Niederlage der deutschen Militärgeschichte. Für den Untergang der nationalsozialistischen Herrschaft und die Nachkriegsordnung Deutschlands hatte die sowjetische Offensive eine große Bedeutung.

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57.000 während der Operation Bagration gefangen genommene deutsche Soldaten werden durch Moskau geführt (17. Juli 1944)

Im Verlauf der Operation Bagration wurden durch Truppen der Roten Armee elf Einzeloperationen durchgeführt, die in der sowjetischen Militärgeschichtsschreibung wie folgt benannt werden: Witebsk-Orscha-Operation, Mogilewer Operation, Babrujsker Operation, Polazker Operation, Minsker Operation, Vilniuser Operation, Siauliaier Operation, Bialystoker Operation, Lublin-Brester Operation, Kaunasser Operation, Ossowezker Operation.[1]

Während der Offensive wurden erstmals deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager in größerem Ausmaß befreit, wodurch der von den Deutschen verursachte Holocaust der Weltöffentlichkeit bekannt gemacht wurde. In Folge der deutschen Niederlage begann die polnische Untergrundbewegung Armia Krajowa einen Aufstand mit dem Ziel, Polen eigenständig von der deutschen Besatzung zu befreien. Die dramatische Lage der deutschen Wehrmacht löste den Putschversuch vom 20. Juli 1944 aus.

Vorgeschichte

Lage der Heeresgruppe Mitte im Frühsommer 1944

 
Generalfeldmarschall Ernst Busch (links) zusammen mit Befehlshabern der Heeresgruppe Mitte (Mai-Juni 1944)

Die an der Ostfront eingesetzten Truppen der deutschen Wehrmacht mussten im Verlauf des zweiten Halbjahres 1943 bis zum Frühling 1944 wiederholt Niederlagen und einen anhaltenden Rückzug hinnehmen. Für die Befehlshaber der deutschen Heeresgruppe Mitte wurde immer deutlicher, dass auch das Gebiet der Weißrussischen SSR, das dieser Verband verteidigte, auf Dauer nicht zu halten war. Diese Erkenntnis wurde auch an das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und das Oberkommando des Heeres (OKH) durch den Heeresgruppenkommandeur Generalfeldmarschall Ernst Busch weitergegeben.

Die Wehrmachtführung hatte aber seit der Niederlage von Stalingrad keine Strategie mehr, die auf einen Sieg im Krieg gegen die Sowjetunion abzielte; das Ziel sämtlicher Bemühungen bestand letztlich nur noch darin, die sich abzeichnende Niederlage und damit das Ende des NS-Regimes hinauszuzögern und den Krieg in einem Remisfrieden zu beenden. Nachdem Alfred Jodl als Chef des Wehrmachtführungsstabes bereits im Januar 1944 eine radikale Frontbegradigung vorgeschlagen hatte, versuchte auch Busch am 20. Mai 1944, die Genehmigung zur Verkürzung des weißrussischen Frontvorsprungs zu erreichen, deren Durchführung in mehreren Schritten geplant war. Dadurch sollte eine stärkere Besetzung der kürzeren Hauptkampflinie (HKL) ermöglicht und bessere Abwehrmöglichkeiten feindlicher Offensiven geschaffen werden.

Seine Pläne stießen jedoch auf den Widerstand Hitlers, der persönlich die Leitung des OKW übernahm und nicht bereit war, Rückzüge in größerem Umfang zuzulassen. Hitler weigerte sich, die Übermacht der Roten Armee zur Kenntnis zu nehmen und warf Busch vor, dass dieser nun auch zu den Generälen gehöre, „die nach hinten blicken“. Busch gab auf diese Bemerkung hin klein bei und setzte die Frontbegradigung trotz Widerstandes der ihm unterstehenden Armeebefehlshaber nicht um.[2]

Das OKH selbst rechnete mit einer Offensive durch die Rote Armee im Sommer 1944. Man erwartete die Hauptstoßrichtung dieses Angriffs jedoch im Bereich der Heeresgruppe Nordukraine in Richtung der polnischen Hauptstadt Warschau bis zur Weichselmündung. Man befürchtete, dass durch diesen Angriff die Heeresgruppen Nord und Mitte von der Nachschubzufuhr abgeschnitten worden wären, was einen Zusammenbruch der gesamten deutschen Ostfront zur Folge gehabt hätte.[3] Insbesondere Generalfeldmarschall Walter Model verteidigte als Befehlshaber der Heeresgruppe Nordukraine diese These sehr energisch.[4][5] Kurze Zeit nachdem Hitler seinen Willen durchgesetzt hatte, meldete sich der Befehlshaber der 4. deutschen Armee Generaloberst Gotthard Heinrici krank. Heinricis Ansichten über die zukünftige Kriegführung standen dem vom OKH realisierten Vorgehen diametral entgegen. Am 4. Juni übernahm vertretungsweise General Kurt von Tippelskirch das Kommando.

Als Konsequenz aus dieser ambivalenten Befehlslage begannen die deutschen Truppen der Heeresgruppe Mitte, das Gebiet weiter zu befestigen. Die Städte Wizebsk (Witebsk), Orscha, Mahiljou (Mogilew) und Babrujsk (Bobruisk) wurden von Hitler persönlich in einem Befehl vom 8. März 1944 als „feste Plätze“ definiert.

Zur Verteidigung der festen Plätze mit Ausnahme von Wizebsk wurde jeweils eine Frontdivision eingeteilt und sämtliche Ressourcen für den Bau von Defensivstellungen zur Verfügung gestellt. Der feste Platz Wizebsk erhielt als besonders exponierter Ort drei Divisionen, obwohl der Befehlshaber der 3. deutschen Panzerarmee Generaloberst Reinhardt mehrfach dagegen protestierte.[6] Für den Bau der Verteidigungsanlagen wurden beispielsweise im Bereich der 3. deutschen Panzerarmee zwischen 15.000 und 25.000 Einwohner zwangsrekrutiert.[7] Die Befestigungsarbeiten wurden bis zum Beginn der sowjetischen Offensive fortgesetzt.

Zeitgleich wurden viele als arbeitsfähig eingestufte Bewohner des durch die Heeresgruppe Mitte besetzten Gebiets systematisch seit Beginn des Jahres 1944 zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Die 9. deutsche Armee erhielt beispielsweise den Auftrag, bis Ende März 1944 25.000 Zwangsarbeiter für die Kriegswirtschaft bereitzustellen.[8]

Einwohner, die man als arbeitsuntauglich einstufte, waren lästige Mitesser, derer man sich zu entledigen suchte. Dies geschah durch die gezielte Abschiebung der Menschen in die sowjetisch besetzten Gebiete. Im Zuständigkeitsbereich der 9. deutschen Armee wurden bis Mitte März 1944 45.000 Menschen in mit Stacheldraht eingezäunten Grundstücken in der Nähe der Ortschaft Osaritschi interniert, die sich genau an der Frontlinie befanden. Nach dem Abschluss der Transporte wurde ein ca. 5 km breiter Gebietsstreifen um die Lager von den deutschen Truppen geräumt, so dass diese am 19. März von sowjetischen Soldaten übernommen wurden. Von den 45.000 Menschen hatten insgesamt nur 33.000 die Bedingungen in den gebäudelosen Arealen überlebt.[9][10]

Bei der 3. Panzerarmee wurden die nicht arbeitsfähigen Bewohner der Stadt Wizebsk am 22. Mai 1944 in ein ähnliches Lager in Frontnähe gesperrt, wo sie von der erwarteten sowjetischen Sommeroffensive überrollt werden sollten.[11] Orte in einem Abstand von weniger als 100 Kilometern zur Front waren zum Beginn der russischen Offensive bereits vollständig geräumt und teilweise durch Anwendung der Taktik der Verbrannten Erde unbewohnbar gemacht worden.[12]

Die Moral und die körperliche Verfassung der in der Heeresgruppe Mitte eingesetzten Soldaten war aufgrund von allgemeinem Stillstand, schlechten Nachrichten von anderen Kampfplätzen und Versorgungsengpässen schlecht. So hegten viele deutsche Soldaten nach der Landung der Alliierten in der Normandie die Hoffnung, dass diese den Krieg bald beenden würde.[13]

Die Anzahl von Desertationen häufte sich vor allem bei den aus dem Gebiet der Sowjetunion stammenden freiwilligen Hilfskräften der Wehrmacht, weil anhand der zunehmend kritischen Kriegslage des Dritten Reiches dessen bevorstehende Niederlage immer wahrscheinlicher wurde. Die Propaganda des von der Sowjetunion aufgebauten und geförderten Nationalkomitees Freies Deutschland wurde intensiviert, zeigte aber verhältnismäßig wenig Wirkung gegenüber den meist nationalsozialistisch indoktrinierten Soldaten der Wehrmacht.[14] [15][16]

Die deutschen Soldaten waren bereits seit dem Winter 1941 chronisch unterernährt, da die Nahrungsmittelreserven des Deutschen Reiches aufgrund des zu lange dauernden Krieges im wahrsten Sinne des Wortes aufgezehrt wurden und man nicht mehr in der Lage war, die vorgeschriebenen Kostsätze zu liefern. Daraus resultierende dauerhafte Vitaminmangelstörungen führten zusammen mit weiteren Mangelerscheinungen zu geringerer körperlicher Leistungsfähigkeit, sofern die Feldeinheiten nicht in der Lage waren, in den von ihnen besetzten Gebieten die eigenen Bedürfnisse an Nahrungsmitteln selbst durch Plünderung oder eine provisorische (Zwangs-)Landwirtschaft zu ergänzen bzw. zu decken.[17][18] Ein weiteres großes Problem war der starke, durch die Wehrmachtführung geförderte Missbrauch von Alkohol, um die andauernde psychische Belastung abzumildern. Dieser Zustand wurde befehlsgemäß durch das deutsche Offizierskorps kaum wahrgenommen und ignoriert.[13][19][20]

Grobe Verstöße gegen die Vorschriften oder Auflehnung gegen Vorgesetzte waren aber aufgrund nationalsozialistischer Propaganda, der unnachgiebigen Aufrechterhaltung der Disziplin durch das deutsche Offizierskorps sowie wegen des gefürchteten Rufes der deutschen Feldpolizei und der immer härteren Urteile der Militärjustiz bis zum Sommer 1944 die Ausnahme.[21]

Partisanenkrieg in Weißrussland

Große Teile des von der Heeresgruppe Mitte besetzten Gebietes wurden seit 1942 durch sowjetische Partisaneneinheiten kontrolliert, die durch eine spezielle Abteilung des NKWD unter Generalleutnant Panteleimon Kondratjewitsch Ponomarenko koordiniert und überwacht wurden. Das waldreiche, wenig erschlossene Gelände begünstigte die Operation solcher Gruppierungen wesentlich. Diese sowjetischen Partisanen, denen sich auch viele der überlebenden weißrussischen Juden angeschlossen hatten, waren häufig sehr gut organisiert.[23] Im Gegensatz zu einem in Zeiten der Sowjetunion geprägten Mythos[24] war ihr Auftreten gegenüber der weißrussischen Landbevölkerung meist durch das brutale Requirieren von Nahrungsmitteln und sonstigen Gütern gekennzeichnet. [25] Die Haupttätigkeit der sowjetischen Partisanen war neben der Eigenversorgung die Bekämpfung der deutschen Besatzer durch Hinterhalte und Gleissprengungen.

Neben diesen prosowjetischen Gruppierungen existierten vor allem im ehemals polnischen Teil Weißrusslands Partisanen der Polnischen Heimatarmee, die nicht nur die deutschen Besatzer, sondern ab dem Herbst 1943 auch die prosowjetischen Partisanen bekämpften.[26]

Die weißrussische Zivilbevölkerung hatte allen Gruppierungen Nahrungsmittel und Kleidung abzuliefern und befand sich durch die zunehmend anarchischen Zustände in einer immer kritischer werdenden Situation.[27] Diese führte dazu, das immer mehr Weißrussen aus ihrer Not heraus mit den deutschen Besatzern kollaborierten, wenn sie nicht zu den prosowjetischen Partisanen gingen. Den Polen standen die Weißrussen aufgrund von Benachteiligungen während der Zeit der polnischen Herrschaft im westlichen Teil des Landes feindlich gegenüber. Die weißrussischen Nationalisten, die aufgrund ihres Strebens nach einem eigenständigen Staat in der Zeit der sowjetischen und polnischen Besatzung unterdrückt worden waren (→Smizer Schylunowitsch), standen auf der Seite der Deutschen.

Aufgrund der seit Mitte 1942 rapide anwachsenden Zahl von Partisanenüberfällen fanden seit Anfang 1943 unter der Leitung von SS-Obergruppenführer Erich von dem Bach-Zelewski großangelegte Operationen der Wehrmacht, SS sowie ab Herbst 1943 der von Bronislaw Wladislawowitsch Kaminski geführten Brigade russischer Kollaborateure vorgeblich gegen die Partisanen in diesem Gebiet statt.[28] Diese mit unmenschlicher Härte durchgeführten Vergeltungsmaßnahmen führten zu der Ermordung tausender weißrussischer Bewohner sowie der Deportation tausender Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland. Die von den vermeintlichen oder echten Partisanen bewohnten Orte wurden vollständig zerstört. Zum Beispiel wurden im Verlauf von „Partisanenbekämpfungsaktionen“ im Polazker Gebiet während der Monate April und Mai 1944 insgesamt 7.011 Menschen ermordet, 6.928 Gefangene gemacht sowie 11.233 Menschen als Arbeitskräfte nach Deutschland deportiert.[29] Die im Umkreis von Polazk operierenden Partisanen wurden durch dieses Vorgehen sehr geschwächt. Sowjetische Boden- und Luftangriffe, die zur Unterstützung der Partisaneneinheiten durchgeführt wurden, brachten ihnen keine Entlastung.[30]

Die Massenmorde und Deportationen durch die deutschen Besatzer waren aber nur örtlich von Bedeutung für den Kriegsverlauf: Es existierten auch weiterhin im zentralen Weißrussland und westlich von Minsk große, vor allem bewaldete Gebiete, die vollständig durch Partisanenverbände wie beispielsweise die Bielski-Partisanen kontrolliert wurden und die sogar über behelfsmäßige Flugplätze von der Roten Armee versorgt werden konnten.[31][32] Diese Gebiete stellten eine gute Basis für die sowjetische Militäraufklärung dar, die im Hinterland der Heeresgruppe insgesamt 61 Abhörposten betrieb und über die Stützpunkte der Partisanen Agenten in den deutschen Machtbereich schleusen konnte.[33]

Störaktionen der Partisanen, Operation „Konzert“ als Teil der Operation „Eisenbahnkrieg“

 
Transport deutscher Soldaten mit einer getarnten Feldbahn (Juni 1944)

Die sowjetischen Partisanen wurden durch Offiziere des NKWD in ihrer Tätigkeit geleitet, sodass sie in Koordination mit der Roten Armee tätig werden konnten. Nachdem ein ausreichendes Verbindungsnetzwerk geschaffen worden war, begannen direkt von Moskau aus geleitete Sabotageoperationen, von denen eine der wichtigsten die im Sommer 1943 beginnende Operation „Eisenbahnkrieg“ war. Wie deren Name nahelegt, war das Hauptziel die Störung des deutschen Nachschubs durch Sprengung der hierfür genutzten Eisenbahnlinien. Das war ein empfindlicher Eingriff in die Bewegungsfreiheit der Deutschen, da die Bahnlinien die einzigen Transportwege waren, die eine ausreichende Kapazität zur schnellen Verlegung größerer Einheiten in Regiments- oder Divisionstärke boten. [34]

Die Schlussphase der Operation „Eisenbahnkrieg“ erhielt den Decknamen „Konzert“ und fand kurz vor dem Beginn des russischen Angriffs statt. In der Nacht vom 19. auf den 20. Juni begannen die Partisaneneinheiten, die sich in Weißrussland befanden, damit, die Bahnlinien PinskLuninez, Baryssau-Orscha und Maladsetschna-Polazk, welche die einzigen in den Bereich der Armeen der Heeresgruppe Mitte führenden Eisenbahnverbindungen waren, systematisch zu sprengen.[35] Die von 145.000 Freischärlern gelegten 10.500 Sprengladungen unterbrachen den Nachschub der deutschen Truppen für einige Tage, obwohl ca. 3500 der Sprengsätze entschärft werden konnten. Diese Aktion war der größte Sabotageanschlag des zweiten Weltkriegs.[36][37]

Angriffsvorbereitungen der Roten Armee

Auf sowjetischer Seite wurden nach dem Ende der Kesselschlacht von Kamenez-Podolski am 15. April offensive Operationen an der westlichen Frontlinie bis zum Beginn des Juni 1944 durch das Hauptquartier des Kommandos des Obersten Befehlshabers (STAWKA) gestoppt, um Kräfte für große Offensiven zur Vertreibung sämtlicher Besatzungstruppen vom Staatsgebiet der Sowjetunion zu sammeln. Bis in den Mai hinein fanden auf der Halbinsel Krim Kämpfe mit der deutschen 17. Armee statt, die mit der Eroberung der Hafenstadt Sewastopol durch sowjetische Truppen und der Vernichtung dieses Verbandes ihren Abschluss fanden.[38]

Nachdem die Verbände der Heeresgruppe Süd, die das ganze Jahr 1943 bis zum April 1944 die Hauptlast der Kämpfe an der Ostfront getragen hatten, bedeutend geschwächt und weitgehend von sowjetischen Territorien verdrängt waren, stellte die Heeresgruppe Mitte immer noch ein starkes Hindernis für die sowjetischen Truppen dar. Dementsprechend wurde eine große Anzahl von Einheiten konzentriert, um ein für einen Erfolg als notwendig erachtetes personelles und materielles Übergewicht gegenüber den deutschen Truppen zu erreichen.

Die leistungsfähig gewordene sowjetische Rüstungsindustrie ermöglichte der Roten Armee durch einen enormen Ausstoß, der denjenigen der deutschen Industrie übertraf, eine gigantische Menge von Kriegsmaterial anzusammeln. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Waffen erreichte eine bis dahin nicht erreichte Größenordnung. Zusätzlich erhielt die Sowjetunion wirksame Unterstützung durch alliierte Waffenlieferungen, die im Rahmen der Umsetzung des Leih- und Pachtgesetzes durchgeführt wurden.[A 1] Die sowjetischen Truppen waren mit 12.000 Lastkraftwagen vollmotorisiert[39], während die deutschen Truppen häufig Pferdegespanne nutzen mussten, um den Transport von Nachschub, Artillerie und Infanterieeinheiten durchzuführen.[38] Beispielsweise waren bei der 3. deutschen Panzerarmee ungefähr 60000 Pferde im Einsatz.[39] Für sämtliche Fahrzeuge der Roten Armee wurde ein Treibstoffverbrauch von 25.000 Tonnen Dieselkraftstoff pro Tag veranschlagt, der auch problemlos bereitgestellt werden konnte. Im Gegensatz dazu litten die deutschen Einheiten als eine Folge des alliierten Bombenkrieges immer häufiger unter Treibstoffmangel.[40]

Die Moral der sowjetischen Soldaten am weißrussischen Frontabschnitt war bis in den Juni hinein ähnlich wie bei den deutschen Truppen schlecht, was auf allgemeine Kriegsmüdigkeit sowie die Ereignislosigkeit des Geschehens an diesem Frontabschnitt zurückzuführen war.[41] Wie ihre deutschen Gegner waren die Soldaten der Roten Armee alkoholischen Getränken in Form von Samogon[A 2] und Wodka sehr zugetan.[42] Eine Anzahl sowjetischer Offiziere bereicherte sich durch die Plünderung von Hilfslieferungen, die für die Bevölkerung der von der Roten Armee befreiten Gebiete bestimmt waren. [43]Auch als aufgrund verschiedener befohlener Vorbereitungen klar wurde, dass eine große Offensive bevorstand, besserte sich die Stimmung der Soldaten nicht wesentlich. [44]

Die sowjetische Führung nutzte die mehrmonatige Kampfpause, um den Ausbildungsstand der Soldaten zu verbessern. Es wurde ein koordiniertes Vorgehen der angreifenden Infanteristen trainiert, auf das bisher kaum Wert gelegt wurde.[45] Die sowjetischen Soldaten stürmten während der vorangegangenen Kriegsjahre häufig einfach auf die deutschen Stellungen zu und erlitten dabei exorbitant hohe Verluste. Nicht selten wussten sie dabei die Maschinengewehre sogenannter „Sperrabteilungen“ hinter sich, die im Falle einer Panik sofort auf die rückwärts fliehenden Reste einer Angriffswelle schossen.[46] Die Abkehr von dieser ineffizienten Taktik des "Verheizens", die in den Zeiten des Ersten Weltkrieges von General Brussilow zum ersten Mal angewendet worden war (→Brussilow-Offensive), erwies sich im Verlauf der Kämpfe des Sommers 1944 als sinnvoll.[3]

Die Planung der Offensive wurde vom Chef des Operationsstabes der Roten Armee Armeegeneral Alexei Innokentjewitsch Antonow ausgeführt, nachdem ihre Durchführung im April 1944 von der STAWKA beschlossen worden war. Antonows Pläne wurden von den Marschällen Wassilewski und Schukow übernommen und Stalin und den anderen beteiligten Befehlshabern am 20. Mai 1944 vorgelegt. Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Befehlshaber der 1. Weißrussischen Front Rokossowski und Stalin. Der General bestand darauf, im Gegensatz zur ursprünglichen Vorgabe einen Zangenangriff mit zwei Stoßrichtungen auf die Stellungen der 9. deutschen Armee zu führen. Rokossowski setzte sich schließlich durch und die Planungen wurden überarbeitet. Stalin genehmigte daraufhin ihre Ausführung am 31. Mai und benannte die Offensive nach dem georgisch-russischen General Pjotr Iwanowitsch Bagration.

Der Termin für den Beginn sollte gemäß den Vereinbarungen, die auf der Konferenz von Teheran getroffen wurden, mit der unter dem Tarnnamen Operation Overlord geplanten Landung der Alliierten in der Normandie zeitlich koordiniert werden.[47] Einige Historiker nehmen an, das die Vereinbarung nicht eingehalten wurde, weil der 22. Juni 1944 aus sowjetischer Sicht ein weit besserer Termin für einen Angriff war, der klar als Revanche für den deutschen Überfall auf die Sowjetunion betrachtet wurde [48][49] und weil zwischen den Partnern der Anti-Hitler-Koalition bereits Differenzen bestanden.[50][51] Andere Quellen geben logistische Probleme während des sowjetischen Aufmarsches als Grund für den verspäteten Beginn an.[52][53]. Dies ist aufgrund der kapazitiven Überforderung des durch den Krieg stark zerstörten sowjetischen Eisenbahnnetzes, über das in kürzester Zeit Armeen von anderen Frontabschnitten und rückwärtigen Gebieten nach Weißrussland transportiert werden mussten, ebenfalls plausibel.

 
 
Verschleierung der sowjetischen Angriffspläne:
Die obere Abbildung zeigt die der deutschen Aufklärung bekannten Aufstellungen und Angriffsabsichten der Roten Armee im Sektor Witebsk am 21. Juni 1944. Darunter sind die tatsächliche Aufstellung und die geplanten Angriffsrichtungen zu sehen. Violett hervorgehoben sind die 6. Garde-Armee und die 5. Garde-Panzer-Armee, die bis zum Beginn der sowjetischen Offensive unerkannt blieben.[54]

Um das OKW über die beabsichtigte Stoßrichtung des Angriffs im Unklaren zu halten, wurde durch Antonow und Schukow Maskirowka[A 3] am 29. Mai 1944 für die geplante Offensive in Weißrussland initiiert. Das Ziel dieser Militäraktion war die Vortäuschung sowjetischer Truppenkonzentrationen mittels Attrappen vor dem Frontabschnitt der Heeresgruppe Nordukraine und die Verschleierung des tatsächlichen Aufmarsches in Weißrussland. Diese Aufgabe war bei den massiven Truppenbewegungen, die die Operation Bagration erforderte, nicht einfach, konnte aber von der Roten Armee erfolgreich durchgeführt werden. Deutsche Aufklärungsflugzeuge operierten unbehelligt über den Scheinkonzentrationen sowjetischer Truppen in der Ukraine, sodass die dort aufgestellten Attrappen fotografiert und die Aufnahmen an den deutschen Generalstab weitergegeben wurden. Die echten Truppenbewegungen der Roten Armee wurden in der Nacht ausgeführt.[55] Es wurde auf sowjetischer Seite Funkstille befohlen, sodass die deutsche Fernmeldeaufklärung keine Informationen mehr gewinnen konnte. [56] Das Täuschungsmanöver des sowjetischen Oberkommandos war erfolgreich. Im deutschen OKW war man bis zum tatsächlichen Beginn der Offensive nicht über ihre beabsichtigte Stoßrichtung informiert. Obwohl auf Korpsebene die Zusammenballung sowjetischer Kräfte im Bereich der Heeresgruppe Mitte weiterhin beobachtet und weitergemeldet wurde[2] und die Führungsebene der Heeresgruppe sich seit dem 10. Juni[4][57][A 4] im Klaren darüber war, dass eine Offensive in ihrem Sektor der Front stattfinden würde [58], zog das Oberkommando des Heeres (OKH) gemäß den Weisungen des OKW Kräfte aus der Heeresgruppe Mitte ab und verstärkte die Heeresgruppe Nordukraine.[4]

Nachdem am 6. Juni 1944 die Landung der Alliierten in Frankreich begonnen hatte, wurden weitere deutsche Einheiten, die bisher im Bereich der Heeresgruppe Mitte eingesetzt waren, zur Verstärkung der in Frankreich stationierten Truppen abgezogen. An die Front in Italien wurden große Mengen an Munition geliefert, die wiederum den Verbänden der Heeresgruppe Mitte fehlte.[59] Diese Faktoren schwächten die Verteidigungsfähigkeit der Deutschen zusätzlich.

Trotz des massiven sowjetischen Truppenaufmarsches wurden die deutschen Frontverbände vom Ausmaß des Angriffs völlig überrascht. Aufgrund der Täuschungsmanöver der Roten Armee wurden vom deutschen OKW die Anzeichen für einen bevorstehenden Angriff ignoriert.[A 5] Selbst als die sowjetischen Truppen am 20. Juni Hindernisse entfernten, die beim Vordringen zu den deutschen Verteidigungslinien im Weg standen, erfolgte auf deutscher Seite immer noch keine Reaktion.

Im Gegensatz zu den Deutschen hatte die sowjetische Führung mittels ihrer militärischen Aufklärung einen sehr genauen Überblick über die gegenwärtige Aufstellung deutschen Kräfte erhalten und konnten sich daher sicher sein, dass der von ihnen gewünschte Überraschungseffekt der Offensive auch tatsächlich wirksam werden würde. Bei der Gruppierung ihrer Kräfte legten die sowjetischen Befehlshaber besonderes Augenmerk auf die Massierung der Truppen an verhältnismäßig engen Durchbruchsstellen.[60]

Verlauf

 
Übersichtskarte zum Gesamtverlauf der Operation Bagration vom 22. Juni 1944 bis zum 29. August 1944. Die Angriffsoperationen der Roten Armee während der ersten Phase sind in roter Farbe, die nachfolgenden in oranger Farbe dargestellt.

Der sowjetische Angriffsplan sah drei Frontabschnitte vor, an denen ein Durchbruch durch die deutschen Linien erfolgen sollte.

Das erste Hauptziel war die Ausschaltung der 3. deutschen Panzerarmee und die Einnahme der festen Plätze Wizebsk und Orscha. Diese Aufgabe sollte von der 1. Baltischen Front unter dem Kommando des Armeegenerals Hovhannes Baghramjan in Koordination mit der benachbarten 3. Weißrussischen Front unter Armeegeneral Iwan Danilowitsch Tschernjachowski erfüllt werden.

Der zweite Schwerpunkt der sowjetischen Offensive war ein Angriff auf die Stellungen der 4. deutschen Armee unter der Führung von General von Tippelskirch, die der Stadt Mogilew/Mahiljou vorgelagert waren. Den Angriff an diesem Frontabschnitt führte die 2. Weißrussische Front unter dem Kommando von General Georgi Fjodorowitsch Sacharow aus.

Das dritte Angriffsziel war die Stadt Babrujsk, in der sich das Hauptquartier der 9. deutschen Armee unter General Hans Jordan befand. Dieser Armee stand der nördliche Flügel der 1. Weißrussischen Front unter dem Marschall der Sowjetunion Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski gegenüber. Der südliche Flügel von Rokossowskis Truppen befand sich hauptsächlich in der nordwestlichen Ukraine im Frontabschnitt vor der Stadt Kowel und sollte zunächst untätig bleiben. In der Lücke zwischen beiden Flügeln befanden sich die unzugänglichen Pripjetsümpfe.

Die drei Angriffe wurden zeitlich gestaffelt. Am 22. Juni begannen die Kämpfe bei Wizebsk,[64][A 7] am darauffolgenden Tag wurde die 4. deutsche Armee zum ersten Mal attackiert und am 24. Juni griff die 1. Weißrussische Front den Abschnitt der 9. deutschen Armee an.[A 8]

Das taktische Ziel der Offensive war die Ausführung einer Zangenbewegung durch die bei Babrujsk und Wizebsk angreifenden Kräfte, die sich bei Minsk vereinigen und große Teile der Heeresgruppe Mitte in einem riesigen Kessel einschließen sollten. Die Attacke bei Mahiljou sollte sicherstellen, dass die 4. deutsche Armee nicht zur Entlastung der 3. deutschen Panzerarmee oder der 9. deutschen Armee eingesetzt werden konnte. Nach der erfolgreichen Einkreisung der deutschen Armeen sollten möglichst große Teile des nun ungeschützten deutschen Hinterlands besetzt werden. In der sowjetischen und russischen Militärgeschichtsschreibung wird der Verlauf der Operation bis zur kompletten Sicherung des taktischen Zieles Minsk als erste Phase, der weitere Verlauf bis zu ihrem Ende am 29. August 1944 als zweite Phase bezeichnet.

Kräfteverhältnisse

Es besteht in der historischen Literatur ein allgemeiner Konsens darüber, das die sowjetischen Truppen den deutschen Truppen zahlenmäßig und in Bezug auf ihre Kampfkraft überlegen waren.

Wenn es jedoch um die Quantifizierung dieses Unterschiedes in Form von Zahlenangaben geht, sind zwischen verschiedenen Quellen erhebliche Unterschiede feststellbar.

Laut offiziellen sowjetischen Quellen standen vor dem Beginn der sowjetischen Offensive 1400000 Soldaten der Roten Armee mit 31000 Geschützen, Raketenwerfern und Mörsern, 5200 Panzern und Sturmgeschützen und 5300 Flugzeugen 1200000 Soldaten der Heeresgruppe Mitte mit 9500 Geschützen, Raketenwerfern und Mörsern, 900 Panzern und Sturmgeschützen sowie 1350 Flugzeugen gegenüber.[65]

Während die Angaben für die sowjetischen Truppen auch von dem us-amerikanischen Historiker Glantz übernommen wurden, rechnete dieser nur noch mit 850000 deutschen Soldaten[66], was der ungefähren Ist-Stärke der Heeresgruppe Mitte am 1. Juni 1944 entsprach.[67]

Der russische Militärhistoriker Kriwoschejew beziffert die Stärke aller an der Offensive beteiligten sowjetischen Fronten mit 2331700 Soldaten.[68] Diese Zahl ist wahrscheinlich zu hoch, zumal die Glaubwürdigkeit von Kriwoschejew in der Fachliteratur immer mehr angezweifelt wird.

Nach dem deutschen Historiker Frieser wurden insgesamt 1670000 Soldaten der Roten Armee mit 32718 Geschützen, Raketenwerfern und Mörsern, 5818 Panzern und Sturmgeschützen und 7799 Flugzeugen bei der Offensive eingesetzt. Ihnen gegenüber standen 849000 Soldaten der Heeresgruppe Mitte, davon waren nur 486493 tatsächlich im Einsatz an der Front. Die deutschen Truppen waren mit 3236 Geschützen, Raketenwerfern und Mörsern, 570 Panzern und Sturmgeschützen und 602 Flugzeugen deutlich unterlegen.[69] Die für die deutschen Truppen von Frieser angegebenen Zahlen wurden auch von dem russischen Militärhistoriker Alexei Issajew übernommen.[70]

Luftüberlegenheit der sowjetischen Luftstreitkräfte

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Sowjetische Il-2-Besatzung auf einem Feldflugplatz in Weißrussland. [A 9] (PK-Foto, Sommer 1944)

Seit der Schlacht bei Kursk hatte sich die Zahl der an der Ostfront eingesetzten deutschen Kampfflugzeuge ständig verringert. Der Grund dafür war, dass zur Abwehr der alliierten Landungen auf Sizilien und der Normandie Luftstreitkräfte nach Italien beziehungsweise Frankreich verlegt wurden und dort große Verluste durch alliierte Jagdflieger erlitten. Die deutsche Flugzeugindustrie war nicht mehr in der Lage, die steigenden Verluste der Luftwaffe, die vor allem durch die technisch überlegenen Jagdflugzeugtypen der Alliierten hervorgerufen wurden, vollständig auszugleichen.

Das zwischen den deutschen und sowjetischen Luftstreitkräften bestehende Ungleichgewicht vergrößerte sich bis zum Beginn der Operation Bagration. Die deutsche Luftflotte 6 unter Ritter von Greim, die zur Unterstützung der Heeresgruppe Mitte vorgesehen war,hatte aufgrund von Verlusten und technische Ausfällen, die auf die mangelhafte Versorgung mit Ersatzteilen zurückzuführen waren, nur noch 61 einsatzbereite Jagdflugzeuge zur Verfügung.[71] Demgegenüber konnten die sowjetischen Luftstreitkräfte tausende Flugzeuge aller Art aufbieten, die in 4 Luftarmeen organisiert und jeweils einer der an dem Angriff beteiligten sowjetischen Fronten unterstellt waren. Deswegen hatten die sowjetischen Flieger zum Zeitpunkt des Beginns der Offensive die nahezu vollständige Luftüberlegenheit inne. [72]

Unterstützung durch Artillerie

 
Sowjetische Batterie schwerer Haubitzen vom Typ M1931(B-4) (3. Weißrussische Front, Sommer 1944)

Der Angriff der Roten Armee begann am Morgen um 4:00 Uhr mit dem stärksten Artilleriefeuer, das bis dahin auf die Stellungen der Heeresgruppe Mitte gerichtet worden war. Dieses setzte sich aus folgenden Komponenten zusammen:

  1. 15 Minuten Feuer auf deutsche Verteidigungsstellungen bis in eine Tiefe von drei Kilometern.
  2. 90 Minuten Feuer auf aufgeklärte Ziele, sowie bekannte Stellungen von Artillerie und schweren Waffen
  3. 20 Minuten Feuer auf die deutsche Hauptverteidigungslinie und dahinter liegende Stellungen
  4. Feuer auf erkannte Ziele bei Anforderung durch Beobachter für den Rest des Tages

Die Rote Armee hatte in den geplanten Durchbruchszonen Artilleriegeschütze in einer Dichte von 178 Einheiten pro Kilometer aufgestellt. Dieser massiven Feuerkraft konnten die vorher mühsam ausgehobenen deutschen Stellungen nicht standhalten. Wenjamin Fjodorow, ehemaliger Soldat der 26. sowjetischen Garde-Schützen-Division erinnerte sich später:

„Das Verhalten der deutschen Soldaten in ihren befestigten Arealen war dumm […] Unser Beschuss machte sie fertig. Unmengen an Granaten gingen auf sie nieder und man hörte nichts als ein Donnern. Die befestigten Anlagen konnten völlig zerschmettert werden. Es war tödlich […]“

Dokumentation: “Hitlers Krieg im Osten”, Teil 4: “Die Vergeltung”, BBC und NDR 1996

Die überlebenden deutschen Soldaten in den Durchbruchskorridoren waren danach nicht mehr in der Lage, wirksamen Widerstand gegen die ohnehin zahlenmäßig mehrfach überlegenen sowjetischen Panzer- und Infanterieeinheiten zu leisten. Der Mangel an einsatzbereitem schweren Waffenmaterial machte die Lage der deutschen Soldaten noch aussichtsloser.[73]

Witebsk-Orscha-Operation

Der als Witebsk-Orscha-Operation bezeichnete Angriff war der verheerendste der drei initialen sowjetischen Vorstöße, da für die Eroberung der festen Plätze Wizebsk und Orscha insgesamt zwei Fronten (Heeresgruppen) der Roten Armee eingesetzt wurden.

Kesselschlacht bei Wizebsk

 
Lokation des Kampfgebietes der Wizebsk-Orscha-Operation

Nach dem Ende der Artillerievorbereitung griff aus Richtung Nordwesten die sowjetische 1.  Baltische Front unter Armeegeneral Baghramjan mit der 6. Gardearmee und der 43. russischen Armee die deutsche Front bei Wizebsk an. In Koordination dazu attackierte die 3. Belorussische Front unter Generalleutnant Tschernjachowski mit der 39. und der 5. russischen Armee und der 11. Gardearmee die deutschen Stellungen bei der Stadt Wizebsk aus südöstlicher Richtung.

Die Angriffe wurden zuerst von Infanterieeinheiten begonnen, um Durchbrüche in der deutschen Frontlinie zu schaffen. Zunächst stürmten sowjetische Schützen zu Fuß die erste und zweite deutsche Verteidigungslinie. Auf Panzern aufgesessene Soldaten in Gruppen zu jeweils 15 Soldaten führten den Vorstoß auf den dritten und letzten deutschen Verteidigungsgraben.[74] Durch die entstandenen Lücken in der deutschen Frontlinie konnten Panzerverbände, die beispielsweise zur 5. sowjetischen Gardepanzerarmee gehörten, tief in das deutsche Hinterland vorstoßen.

Bis zum 24. Juni gelang es den sowjetischen Truppen, die Einheiten des IX. deutschen Armeekorps bis 30 Kilometer hinter ihre ursprünglichen Stellungen zu verdrängen, da diese hier viel schlechter ausgebaut waren als in der näheren Umgebung der Stadt.[2] Dies lag auch daran, dass die deutsche Aufklärungsabteilung Fremde Heere Ost (FHO) unter Reinhard Gehlen vor dem 22. Juni die komplette 6. Gardearmee im Bereich der 1. Baltischen Front übersehen hatte und dadurch die Führungsebene der Heeresgruppe Mitte diesen Bereich als nicht gefährdet ansah.[75][76] Zwei Divisionen des VI. deutschen. Armeekorps, das den südöstlich von Wizebsk gelegenen Abschnitt verteidigte, wurden fast vollständig aufgerieben. Am Abend des 24. Juni war die deutsche Frontlinie nördlich und südlich von Wizebsk zusammengebrochen. Das aus drei Divisionen bestehende LIII. Armeekorps der deutschen 3. Panzerarmee, das 30.000 Soldaten umfasste und den als Magneten gedachten und gut befestigten Frontvorsprung um den festen Platz Wizebsk verteidigte, wurde aufgrund des schnellen russischen Durchbruchs in diesem bereits am 25. Juni eingeschlossen. Örtliche Gegenangriffe der Deutschen, wie der von Teilen der 290. Infanterie-Division ausgeführte Vorstoß gegen die 6. Gardearmee, blieben ohne Wirkung.

Aufgrund der großen sowjetischen Übermacht war es den nicht eingeschlossenen deutschen Verbänden des IX. deutschen Armeekorps auch nicht mehr möglich, eine westlich der Stadt gelegene Frontlinie zu halten; sie wurden im Verlauf der nächsten Tage weiter nach Westen abgedrängt oder zerschlagen. Die katastrophale Lage führte dazu, dass auch die Einheiten, die vorher zur Partisanenbekämpfung eingesetzt worden waren, zu einer Kampfgruppe zusammengefasst und direkt zum Einsatz gegen die angreifende Rote Armee geführt wurden. Da diese Gruppe, die unter dem Kommando von Gottbergs stand, nicht die Kampfkraft besaß, um sich mit regulären sowjetischen Einheiten Gefechte zu liefern, waren diese verzweifelten Maßnahmen, die angeschlagene Frontlinie der deutschen 3. Panzerarmee zu verstärken, ohne Wirkung.[77]

Die bei Wizebsk eingeschlossenen deutschen Truppen wurden massiv durch die sowjetischen Angreifer unter Druck gesetzt. Generalleutnant Hitter und General Gollwitzer befahlen bereits am 25. Juni als Befehlshaber der eingeschlossenen Truppen entgegen den Weisungen Hitlers den Ausbruch aus Wizebsk.[78] Der Gegenangriff scheiterte jedoch bei der Ortschaft Ostrowno an der Gegenwehr der zahlenmäßig weit überlegenen sowjetischen Truppen. Die Soldaten des LIII. Armeekorps ergaben zu einem großen Teil nach einem sowjetischen Großangriff am 27. Juni im Bereich des Sarro-Sees, nachdem der Abstand des Kessels zu den noch von den Deutschen kontrollierten Gebieten auf über 80 km angewachsen war. Eine Gruppe von etwa 5.000 Soldaten der 4. Luftwaffenfelddivision, die vom LIII. Armeekorps getrennt war, begann auf eigene Faust am 26. Juni einen Ausbruchsversuch.[79] Sie wurde aber am selben Tag gestoppt und am 27. Juni in den Wäldern bei der Ortschaft Jakubowtschina aufgerieben.[80] Im Ergebnis der Kämpfe bei Wizebsk entstand ein etwa 100 Kilometer breiter Korridor zwischen der 16. deutschen Armee der Heeresgruppe Nord und der 4. deutschen Armee, durch den die sowjetischen Truppen der 3. Weißrussischen Front schnell in Richtung Minsk vorstießen. Die Truppen der 1. Baltischen Front begannen das Gebiet um die Stadt Polazk anzugreifen. Eine Komponente der von STAWKA geplanten Zangenbewegung um die gesamte Heeresgruppe Mitte war erfolgreich ausgeführt worden.

Wizebsk war nach dem Ende der Kämpfe fast vollständig zerstört. Von 170.000 Einwohnern, die im Juni 1941 die Stadt bewohnten, waren im Juli 1944 nur 118 übriggeblieben.[81] Die 3. deutsche Panzerarmee hatte über die Hälfte ihrer Einheiten verloren. Ihre Reste zogen sich Richtung Westen zurück, wobei sie durch die sowjetische 1. Baltische Front verfolgt wurden. Da die Deutschen bei der Bekämpfung der Partisanen im Frühjahr 1944 Erfolge erzielt hatten, war der Rückzugsweg für die verbleibenden Einheiten der 3. deutschen Panzerarmee nicht versperrt. [28] Die nördlich von Orscha eingesetzten Teile des VI. Armeekorps unter dem General der Artillerie Georg Pfeiffer wurden der 4. deutschen Armee unterstellt.

Angriff auf Orscha

 
Sd.Kfz. 10 mit Nebelwerfer 42 des Werfer-Regiments 51 durchquert ein Waldgebiet während des Rückzugs aus Orscha (Anfang Juli 1944)

Am nördlichen Rand des Verteidigungsbereiches der 4. deutschen Armee lag die Ortschaft Orscha, durch die mehrere Eisenbahnlinien sowie die von den Deutschen als Rollbahn oder Autobahn bezeichnete Hauptversorgungsstraße der Heeresgruppe Mitte verlief, die in östlicher Richtung direkt nach Smolensk und Moskau und in westlicher Richtung direkt nach Minsk führte (→Europastraße 30). Da die verkehrstechnische Infrastruktur auf dem Gebiet Weißrusslands im Jahr 1944 sehr unterentwickelt war und nur wenige Straßen existierten, die besser befestigt waren als gewöhnliche Feldwege, war die Rückeroberung Orschas für die angreifenden sowjetischen Truppen eine wichtige militärische Aufgabe, mit welcher der südliche Flügel der 3. Weißrussischen Front betraut wurde. Auch der deutschen Führung war die Bedeutung des Ortes bewusst, weshalb er ähnlich wie Wizebsk als „fester Platz“ deklariert und stark befestigt wurde.

Der Angriff der 11. russischen Gardearmee am 23. Juni konnte daher von den Deutschen zunächst abgewehrt werden, die sowjetischen Truppen erzielten nur geringe Geländegewinne. Durch den weiter nördlich erfolgenden Vorstoß auf Wizebsk gelang es jedoch den sowjetischen Einheiten in den folgenden Tagen, die stark befestigten deutschen Verteidigungsbereiche zu umgehen. Am 25. Juni waren die deutschen Verteidiger bereits so geschwächt, dass die Verteidigungsstellungen im Laufe des Tages durchbrochen werden konnten. Ein deutscher Gegenangriff in der Nähe der Ortschaft Orechowsk schlug fehl. Am 26. Juni waren die deutschen Truppen dabei, sich aus dem Gebiet um Orscha vor der Übermacht sowjetischer Truppen und einer drohenden Einkesselung zurückzuziehen, sodass die Ortschaft am Abend desselben Tages von sowjetischen Truppen eingenommen werden konnte. Damit war die deutsche Verteidigung der wichtigen Straße nach Minsk gescheitert. Sowjetische Panzerverbände der 11. russischen Gardearmee stießen auf ihr schnell in Richtung der weißrussischen Hauptstadt vor. Die deutschen Verbände zogen sich im Laufe der folgenden Tage gemeinsam mit der 4. deutschen Armee ebenfalls in Richtung Westen zurück. Das Marschtempo der Deutschen war aber wesentlich geringer als das der motorisierten sowjetischen Verbände.

Angriff auf Mahiljou (Mogilew-Operation)

 
Das Kampfgebiet während der Mogilew-Operation

Im mittleren Sektor des von der Heeresgruppe Mitte gehaltenen Gebietes begannen die Truppen der erst im Frühjahr 1944 neu gebildeten 2. Weißrussischen Front ihre Angriffe gegen die Stellungen der 4. deutschen Armee am 23. Juni. Die Angriffskraft der sowjetischen Truppen war jedoch wesentlich geringer als im Wizebsker Gebiet, da der sowjetische Operationsplan eine Einschließung des Zentrums der Heeresgruppe Mitte durch die im Norden und Süden vorgehenden Angriffsspitzen vorsah. Es sollte daher lediglich ein vorzeitiger Rückzug der 4. deutschen Armee, der diese Einschließung vereitelt hätte, verhindert werden. So stieß allein die sowjetische 49. Armee bis zum Abend des 26. Juni 30 Kilometer in Richtung Mahiljou vor. Diese Armee war zuvor durch die Verkürzung ihres Frontsektors verstärkt worden.

Am 26. und 27. Juni gelang es den Pionieren der sowjetischen 49. Armee nördlich von Mahiljou Pontonbrücken über den Dnepr zu errichten und eine Überquerung des Flusses zu ermöglichen. Adolf Hitler erteilte daraufhin den Befehl, dass die 12. Infanteriedivision die zur Festung erklärte Stadt bis zum letzten Mann zu verteidigen hatte, um den Vormarsch der Sowjets zu verzögern. Alle anderen Teile der 4. deutschen Armee zogen sich weiter Richtung Minsk zurück, sodass diese Division praktisch geopfert wurde. Die sowjetischen Truppen schlossen Mahiljou am 27. Juni ein. Nach erbitterten Kämpfen wurde Mahiljou am 28. Juni zurückerobert. Der Befehlshaber der 12. Infanteriedivision Generalleutnant Bamler und der Stadtkommandant, Generalmajor Gottfried von Erdmannsdorf, ließen den Kampf einstellen, nachdem gemäß sowjetischen Angaben 6.000 deutsche Soldaten bei der Verteidigung der Stadt gefallen waren. 3.400 Überlebende gerieten in sowjetische Gefangenschaft. Versprengte deutsche Soldaten leisteten teilweise noch über mehrere Wochen Widerstand und kämpften sich teilweise erfolgreich zu den deutschen Linien zurück.

Die Rückzugsbewegung der 4. deutschen Armee konnte nur langsam vollzogen werden, da der Weg durch ein weites, unzugängliches Waldgebiet führte, das außerdem zum größten Teil von Partisanenverbänden kontrolliert wurde. Die einzige für den Rückzug verfügbare, jedoch unbefestigte Straße Mahiljou-Berazino-Minsk war mit Fahrzeugen aller Art verstopft. Viele Zivilisten, die mit den Deutschen kooperiert hatten, flohen aus Furcht vor Lynchjustiz zusammen mit den deutschen Soldaten. Der durch das OKH verursachte Mangel an Kraftfahrzeugen bei den deutschen Verbänden rächte sich jetzt sehr. Zusätzlich wurden die Kolonnen durch sowjetische Schlachtflugzeuge vom Typ Iljuschin Il-2 angegriffen, was zu einem allgemeinen Chaos und zum Tod von drei Korps-Kommandeuren der 4. deutschen Armee innerhalb weniger Stunden führte. Der massenhafte Einsatz sowjetischer Schlachtflieger war für die Deutschen neu und beraubte sie ihrer Artillerie, welche die letzte, bis dahin effiziente Verteidigungsmöglichkeit gegen die Angriffe der Roten Armee war.[38] Generell erlitten die deutschen Truppen auch in diesem Sektor sehr hohe Verluste. Laut dem damaligen Befehlshaber der 4. deutschen Armee Kurt von Tippelskirch gelang es nur der Hälfte seiner Soldaten, sich über den Fluss Dnepr zurückzuziehen. [76]

Kessel von Babrujsk (Bobruisker Operation)

 
Lokation des Kampfgebietes während der Bobruisker Operation

Im dem südlichen, von der 9. Armee gehaltenen Frontabschnitt begann der Angriff der sowjetischen 1. Weißrussischen Front unter Marschall Rokossowski am 24. Juni. Auch hier wurde der Angriff durch heftiges Artilleriefeuer sowie durch Schlachtflugzeuge der 16. sowjetischen Luftarmee unterstützt. Gemäß Rokossowskis Plan griffen die sowjetischen Truppen an zwei Abschnitten der deutschen Front an. Am Abend des Tages gelang es den Angreifern der 65. sowjetischen Armee unter Generalleutnant Batow, die Front an der südlichen Flanke des deutschen XXXV. Armeekorps zu durchbrechen. Zeitgleich misslang ein deutscher Versuch, mit Hilfe der 20. Panzerdivision den sowjetischen Angriff an der nördlichen Flanke desselben Armeekorps abzuwehren. Auch dort gelang der Roten Armee der Einbruch in die deutschen Verteidigungsstellungen. Die schnellen sowjetischen motorisierten Verbände im Süden stießen danach sofort in Richtung der Ortschaft Paritschi vor und überquerten dort die Beresina. Die langsameren sowjetischen Infanterieeinheiten drehten nach Norden ein und begannen mit den nördlich angreifenden Teilen das Gros der 9. deutschen Armee einzuschließen. Der Befehlshaber der 9. deutschen Armee beging den Fehler, die 20. Panzerdivision, welche die einzige deutsche Einheit war, die Chancen auf Erfolg bei der Abwehr einer der sowjetischen Angriffsspitzen gehabt hätte, auf beide Schwerpunkte aufzuteilen. Durch diese selbst verursachte Schwächung waren beide Angriffe der 1. Weißrussischen Front erfolgreich.

Im Gegensatz zu den in Wizebsk stationierten Einheiten wurde den deutschen Truppen der 9. Armee ein Rückzug nach Nordwesten in Richtung Minsk genehmigt. Große Teile der relativ unbeweglichen deutschen Einheiten mussten dabei jedoch den Weg über Babrujsk nehmen. Aufgrund der guten Motorisierung der sowjetischen Truppen gelang es diesen, die sich zurückziehenden deutschen Einheiten zu überholen und hinter Babrujsk einen Kessel um große Teile der 9. deutschen Armee zu bilden. In diesem wurden ca. 70.000 Deutsche, darunter auch viele Unterstützungseinheiten eingeschlossen. Die sich im Kessel befindenden deutschen Truppen wurden nun von sowjetischer Artillerie zusammengeschossen.[82]

Der Kommandeur des XXXV. Armeekorps, Generalleutnant von Lützow, erkannte die katastrophale Lage und autorisierte selbstständige Ausbruchsversuche der ihm unterstellten Einheiten. Unter den deutschen Soldaten brach Panik aus, viele versuchten sogar, den Fluss Beresina durchschwimmend, den sowjetischen Einheiten zu entkommen. [80] Obwohl 15.000[83] bis 30.000[84] deutschen Soldaten ein Ausbruch unter Zurücklassung vieler Fahrzeuge und schweren Waffenmaterials gelang, wurde der größere Teil der deutschen Soldaten im Kessel vom Babrujsk gefangen genommen oder getötet. Der ehemalige Wehrmachtssoldat Heinz Fiedler, der der 134. Infanteriedivision angehörte, berichtete:

„Also wir waren eingeschlossen und die die vorne waren, die schrien «Pak und Flak nach vorne ! […]» und die von hinten: «Wir haben keinen Sprit. Wir haben keine Munition mehr. […]» Und so ging das immer während. […] Es war alles Scheiße.“

Dokumentation: “Hitlers Krieg im Osten”, Teil 4: “Die Vergeltung”, BBC und NDR 1996

Wie katastrophal die deutschen Verluste waren, zeigt ein Zitat des sowjetischen Journalisten Grossman[85]:

“Men are walking over German corpses. Corpses, hundreds and thousands of them, pave the road, lie in ditches, under the pines, in the green barley. In some places, vehicles have to drive over the corpses, so densely they lie upon the ground […] A cauldron of death was boiling here, where the revenge was carried out”

„Die Männer laufen über die Leichname deutscher Soldaten. Leichen, hunderte und tausende bedecken die Straße, liegen in Gräben, unter den Kiefern, auf den noch grünen Getreidefeldern. An einigen Stellen müssen Fahrzeuge über die Körper fahren, weil sie so dicht auf dem Boden liegen. […] Ein Kessel des Todes kochte an diesem Ort, an dem Rache [für den deutschen Überfall auf die Sowjetunion] genommen wurde.“

Die in Babrujsk eingeschlossene 383. Infanteriedivision erhielt den Auftrag, den festen Platz zu verteidigen und somit Zeit für den Aufbau einer neuen deutschen Verteidigungslinie vor Minsk zu gewinnen. Die Reste der Division unter dem Befehl des Platzkommandanten Generalleutnant Edmund Hoffmeister ergaben sich schließlich am 29. Juni. Tausende deutscher Soldaten gingen in sowjetische Gefangenschaft oder wurden durch die Russen an Ort und Stelle umgebracht. Dieses Schicksal ereilte beispielsweise viele der in Babruisk verbliebenen schwer verwundeten Deutschen:[86]

„Am 29. besetzten die Russen das Lazarett und filzten uns sogleich gründlich. […] Etwa eine Stunde später erschienen wieder Russen, diesmal in ölverschmierten Uniformen. Systematisch gingen sie von Bett zu Bett, richteten ihre Maschinenpistolen auf die Verwundeten und schossen ihre Magazine leer. […] Mit den Toten lag ich noch drei Tage in diesem Lazarett, ohne jegliche […] Versorgung und Verpflegung. […] Plötzlich erschien ein russischer Zivilarzt […] Der Arzt sorgte dafür, dass die Überlebenden aus den Räumen heraus [in ein ehemaliges Wehrmachtserholungsheim] gefahren wurden.“

nicht namentlich genannter Angehöriger des IR 58 der 6. Infanteriedivision

Besonders Soldaten derjenigen Einheiten der Wehrmacht, die sich aus der örtlichen Bevölkerung oder aus Russen zusammensetzten oder Hilfswillige (kurz Hiwis) und Zivilisten, bei denen eine Kollaboration mit den Deutschen nachweisbar war, hatten keine Gnade von den Soldaten der Roten Armee zu erwarten: Sie wurden nach ihrer Gefangennahme beziehungsweise Verhaftung misshandelt und häufig getötet.[87] [88]

Die Stadt Babrujsk wurde während der Kämpfe fast vollständig zerstört. Nach der Rückeroberung lebten in der Stadt kaum mehr als 28.000 Menschen, die meisten waren obdachlos. Die Mehrzahl der geflohenen Einwohner kehrte erst 1945 zurück. [89]

Die Truppen der 1. Weißrussischen Front stießen nach ihrem Erfolg durch einen breiten Korridor auf Minsk und in westlicher Richtung entlang des Prypjat vor. Damit begann die Rote Armee einen Ring um die noch intakte 4. deutsche Armee, die sich noch weiter östlich gegen die 2. Weißrussische Front verteidigte, sowie um die sich zurückziehenden Reste der 9. deutschen Armee zu schließen.

Rückeroberung von Minsk (Minsker Operation)

 
Geografische Lage des Kampfgebietes während der Minsker Operation

Die bisher erzielten Erfolge der Roten Armee und die daraus resultierenden Meldungen machten auch dem deutschen OKW das Ausmaß der bisher erlittenen Niederlage deutlich, das erst am 26. Juni die Lage richtig erkannte. Sofort wurden alle verfügbaren Reserven, die vorher in Richtung der Heeresgruppe Nordukraine verlegt worden waren, in Richtung der Heeresgruppe Mitte in Marsch gesetzt.[90] Personelle Konsequenzen bezüglich der Besetzung von Führungspositionen der Heeresgruppe folgten. Der Oberbefehlshaber der 9. deutschen Armee, General Jordan, wurde wegen zu zögerlichem Einsatz der 20. Panzerdivision abgelöst und durch General von Vormann ersetzt. Busch wurde als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte unberechtigterweise allein für die Lage der Heeresgruppe verantwortlich gemacht und am Abend des 28. Juni entlassen. Sein Nachfolger wurde Generalfeldmarschall Model. [91]

Wie Busch stand auch Model bedingungslos auf der Seite Adolf Hitlers [92], genoss jedoch bei diesem im Gegensatz zu seinem Vorgänger hohes Ansehen.[93] Model hatte außerdem den Vorteil, dass er das Kommando über die Heeresgruppe Nordukraine behielt und somit ohne Anträge den Transfer von Verstärkungen einleiten konnte. Durch diese Umbesetzungen wurden aber die enormen Probleme, mit denen die Heeresgruppe Mitte konfrontiert war, zunächst nicht gelöst. Deren Front war am Abend des Tages auf einer Breite von etwa 300 Kilometern durchbrochen oder aufgrund der dramatischen Umstände aufgegeben worden.

Model erkannte, dass er die bedrohliche Situation nur dadurch bereinigen konnte, indem er zunächst mit den ihm zur Verfügung stehenden begrenzten Kräften eine neue deutsche Front aufzubauen versuchte. Zeitgleich versuchte er, die Umfassung der 4. deutschen Armee und 9. deutschen Armee durch die 1. Weißrussische Front und 3. Weißrussische Front zu verhindern. Dazu sollte eine ad hoc gebildete Kampfgruppe von Saucken, die die bereits stark angeschlagene Kampfgruppe von Gottberg ersetzte, mit der 5. Panzerdivision den Übergang über den Fluss Beresina bei Baryssau nordöstlich von Minsk sichern. Im südöstlichen Abschnitt konnte die noch weitestgehend unberührt gebliebene 2. deutsche Armee den Vormarsch der Roten Armee bei Sluzk verzögern. Die als Verstärkung von der Heeresgruppe Nordukraine herbeigerufene 4. Panzerdivision konnte per Eisenbahntransport bei Baranawitschy ausgeladen und sofort eingesetzt werden. Ihr Auftrag war, die Verbindung zur 12. Panzerdivision der 9. deutschen Armee bei der Ortschaft Stoubzy (weißrussisch: Стоўбцы) wieder herzustellen.

Im Nordosten waren jedoch die Reste der 3. Panzerarmee nicht mehr in der Lage, Widerstand zu leisten, auch wenn sie inzwischen wieder zu einer Kampfgruppe zusammengefasst waren. Dadurch wurde auch die Frontlinie der 5. Panzerdivision überdehnt, die sich daraufhin ebenfalls zurückziehen musste. Die sowjetische 3. Weißrussische Front konnte mit der von dem Marschall der Panzertruppen Pawel Alexejewitsch Rotmistrow geführten 5. Gardepanzerarmee an der Spitze die Bjaresina überschreiten, am 30. Juni Baryssau einnehmen und weiter in Richtung Minsk vorstoßen. Dieser sehr starke Panzerverband erlitt dabei trotz der relativ schwachen deutschen Abwehr hohe Verluste, war aber durch den rücksichtslosen Einsatz für die Deutschen am gefährlichsten. Als die 5. Gardepanzerarmee am 16. Juli auf nur 50 kampfbereite Panzer des Typs IS-2 geschrumpft war, wurde Rotmistrow schließlich von seinem Frontkommando entbunden. Im Südosten gelang es der 1. Weißrussischen Front am 2. Juli Stoubzy zu erreichen, das von der deutschen 4. und 12. Panzerdivision als Rückzugsweg offen gehalten werden sollte. In und um die Stadt entbrannten heftige Kämpfe zwischen der deutschen 4. Panzerdivision und Einheiten der russischen 65. Armee. Den Deutschen gelang es, im Laufe der folgenden Tage, einen Teil der Stadt und der Umgebung in ihrer Hand zu behalten. Weiter nördlich der Ortschaft befand sich der Wald von Naliboki, der vollständig von Partisanen besetzt und somit für die Wehrmacht unzugänglich war. Die militärische Katastrophe der Heeresgruppe Mitte war nicht mehr aufzuhalten, als es der Roten Armee am 3. Juli gelang, Minsk einzunehmen, das kaum verteidigt werden konnte, weil sich in der Stadt zwar große Mengen an Nachschubgütern, jedoch keine nennenswerten Truppen mehr befanden. Dadurch wurde diese Stadt jedoch auch weniger zerstört als andere Orte in Weißrussland, weil die wenigen deutschen Zerstörungskommandos in der Stadt es nicht wie vorgesehen schafften, einen Großteil der Häuser anzuzünden oder zu sprengen und sich durch den geringen deutschen Widerstand auch der sowjetische Artillerieeinsatz in Grenzen hielt.

Die bis dahin noch auf dem Ostufer der Beresina befindliche 4. deutsche Armee konnte aufgrund ihrer geringen Marschgeschwindigkeit den Flussübergang erst am gleichen Tag beenden und war nun zusammen mit Resten der 9. deutschen Armee in einem Kessel eingeschlossen, der durch die Truppen der 2. Weißrussischen Front bedrängt und eingedrückt wurde. Damit erlitten die Deutschen nun ein ähnliches Schicksal wie die Franzosen knapp 132 Jahre zuvor. (siehe Schlacht an der Beresina) Der 12. deutschen Panzerdivision gelang es zwar, zusammen mit anderen Teilen der 9. deutschen Armee die 4. deutsche Panzerdivision zu erreichen. Dies geschah jedoch erst, nachdem die Division aufgrund nicht mehr vorhandenen Funkkontakts an Stoubzy vorbeimarschiert war. Um die Verbindung herzustellen, gab die 4. Panzerdivision Stoubzy am 4. Juli auf. Damit war jedoch der einzige noch verbleibende Rückzugsweg für die sich noch knapp 100 km östlich befindende 4. deutsche Armee verschlossen worden. [94][A 11] Model konzentrierte nach diesen Misserfolgen seine Bemühungen ganz auf die Bildung einer Frontlinie westlich von Minsk, da er nicht über genügend Mittel verfügte, um den eingeschlossenen Truppen östlich der Stadt zu helfen.

Zerschlagung der 4. deutschen Armee

Das Oberkommando über die 4. deutsche Armee wurde durch von Tippelskirch am 1. Juli dem Generalleutnant Vincenz Müller übertragen. Die an Müller mündlich weitergegebene Zielstellung lautete: „[…] Der nächste Auftrag für die 4. Armee ist: weiter zurückgehen in allgemeiner Richtung etwa 50 bis 60 km südlich Minsk.“ Müller sollte versuchen, nach dem Vorbild des bereits im April bei einem Flugunfall ums Leben gekommenen Generaloberst Hans-Valentin Hube, die ihm unterstellten Truppen, die in absehbarer Zeit eingeschlossen sein würden, in Richtung Westen an Minsk vorbei zu bewegen und wieder den Anschluss an die deutschen Stellungen herzustellen.

Bis zum 3. Juli, als die 4. Armee endgültig von der sowjetischen Armee eingeschlossen wurde, verlief der Rückzug langsam, aber im Großen und Ganzen planmäßig. Es fanden Feuerüberfälle von Partisanen statt, die sich in den Wäldern westlich und südwestlich von Mahiljou aufhielten, und deren Intensität mit fortlaufender Zeit zunahm. Nach der sowjetischen Rückeroberung von Minsk verstärkte sich auch der Druck durch die regulären Truppen der 2. Weißrussischen Front, die mit der Vernichtung der deutschen Armee beauftragt war. Generalleutnant Vincenz Müller, der sich im deutschen Heer zu Recht einen Namen als Steher gemacht hatte, war aber immer noch der Meinung, dass der Ausbruch aus der Umklammerung zu schaffen wäre: „Es wäre ja zum Lachen, wenn wir diese Schweine nicht durch Sonne, Mond und Sterne jagen würden.“ [95] Ob Müller zu diesem Zeitpunkt die aktuelle deutsche Gesamtlage vollständig bekannt war, bleibt dahingestellt.

Die Lage der Reste der 4. Armee dramatisierte sich in den folgenden Tagen nahezu stündlich. Die Ränder des Kessels, der sich in einem unübersichtlichen Gebiet mit vielen Waldstücken befand, zerfaserten immer mehr: Deutsche Einheiten, die vor angreifenden sowjetischen Truppen in Waldstücken Deckung suchten, verloren den Kontakt zum Rest der Armee und waren plötzlich auf sich gestellt. Die Angriffsspitzen der Deutschen, die einen Weg nach Westen bahnen sollten, kamen immer schwerer voran. Ein zusätzliches Hindernis war die Tatsache, dass Müllers Stab keine Karten des Gebietes um Minsk zur Verfügung standen, nach denen sich die Deutschen hätten orientieren können. Die kümmerlichen Reste der deutschen Luftwaffe versuchten, zumindest ansatzweise die eingeschlossenen Truppen mit Nahrung und Munition zu versorgen: Der Großteil dieser wenigen per Fallschirm abgeworfenen Versorgungsgüter, deren Menge sowieso nicht ausgereicht hätte, landete jedoch beim Gegner. Am 5. Juli hatte die deutsche 4. Armee zum letzten Mal Funkkontakt mit den übrigen Verbänden der Heeresgruppe Mitte: Müller forderte dabei von Tippelskirch auf, wenigstens den Abwurf genauer Landkarten über dem Kessel zu organisieren, erhielt aber keine Antwort mehr. [96][97] Am selben Tag brach auch die Versorgung aus der Luft ab, bei Smilawitschy (weißrussisch Сьмілавічы) südostwärts Minsk wurden die letzten Versorgungspakete abgeworfen. Die für die Versorgung notwendigen Feldflugplätze mussten aufgrund des raschen sowjetischen Vordringens weiter nach Westen verlegt werden.[98][A 12]

Am 6. Juli gelang es der sowjetischen 49. und 33. Armee, die Rückzugsstraße Beresino-Minsk zu blockieren und die an der Spitze der 4. deutschen Armee stehende 110. Infanteriedivision vom Rest des Verbandes abzuschneiden. Der Treibstoff und die Munition aller unter Generalleutnant Müllers Befehl stehenden Einheiten gingen zur Neige. Verwundete konnten nicht mehr medizinisch versorgt werden. Trotz der verzweifelten Lage kämpften die deutschen Soldaten aus Furcht vor der sowjetischen Gefangenschaft weiter.

Ausbruchsversuche und Kapitulation

Generalleutnant Vincenz Müller erkannte die Hoffnungslosigkeit der Lage und schlug in einer am 7. Juli stattfindenden Stabsbesprechung vor, „Schluss zu machen“ und den Kampf einzustellen.[97][A 13] Müller verlor auf diese Weise seine Autorität als Führungsperson der deutschen Einheiten. Sein Vorschlag wurde von den meisten der ihm unterstellten Kommandeure abgelehnt, die zu ihren Einheiten gingen und von nun an auf eigene Faust versuchten, doch noch nach Westen durchzustoßen. Die 57. Infanterie-Division, die noch eine Stärke von ungefähr 5000 deutschen Soldaten besaß, versuchte unter dem Befehl von Generalleutnant Adolf Trowitz bei der Ortschaft Michanowitschi den sowjetischen Einschließungsring zu sprengen, scheiterte aber an der sowjetischen Gegenwehr. Ähnliche Versuche kleinerer Gruppen folgten, hatten aber immer dasselbe Ergebnis. Müller beschloss in der Zwischenzeit, nachdem er Gedanken an einen Selbstmord verworfen hatte, sich auf eigene Faust zu den sowjetischen Gegnern zu begeben und zu kapitulieren, da sein Stab inzwischen versprengt war und keine Kommunikationsmöglichkeiten mehr bestanden.

Datei:1944 german pow pocket minsk first quarter of july.jpg
Deutsche Kriegsgefangene auf der Straße Minsk-Smolensk kurz nach dem Ende der Kesselschlacht bei Minsk, im Hintergrund ein aufgegebener Panzer vom Typ Tiger I (um den 9. bis 15. Juli 1944)

Am Morgen des 8. Juli ging Müller in Begleitung eines weiteren Offiziers und eines Hornisten in Richtung schießender sowjetischer Artillerie und wurde von der Sicherung des dazugehörenden Stabes gefangengenommen. Er wurde sofort zu einem sowjetischen Oberst geführt, dem er erklärte, dass er den Befehl zur Einstellung des Kampfes geben wolle, jedoch keine Mittel mehr habe, um diesen zu kommunizieren. Er diktierte daraufhin einen Befehl, der neben der Aufforderung zur Kampfeinstellung auch Zusagen über die korrekte Behandlung der sowjetischen Gefangenen durch die Führung enthielt. Dieser wurde in den folgenden Tagen mit Kleinflugzeugen über dem Gebiet des Restkessels abgeworfen beziehungsweise durch Propagandaeinheiten, denen auch Lew Kopelew angehörte, über Lautsprecher bekannt gegeben.[99]

Da Generalleutnant Müller keine Befehlsgewalt mehr über einen Großteil seiner Streitkräfte hatte und die Flugblätter bei weitem nicht alle deutschen Soldaten erreichten, ging deren verzweifelter Kampf zunächst an diesem Tag bis zum 11. Juli in einer halbwegs organisierten Form weiter, bis sich die letzte größere zusammenhängende Formation in Bataillonstärke ergab.

Gefangennahmen und Kriegsgräuel

Ein größerer Teil der eingekesselten deutschen Soldaten ging nach dem Bekanntwerden der Kapitulation in Gefangenschaft, wie aus den Memoiren Lew Kopelews zu entnehmen ist:

„[…] Ein paar Tage zogen wir über Straßen und Dörfer, hielten an, richteten unsere Lautsprecher auf den Wald und forderten die deutschen Soldaten auf, sich in Gefangenschaft zu begeben. Sie kamen einzeln oder in kleinen Gruppen, und wir schickten sie ohne Bewachung nach hinten mit einem Zettel »so und so viele Überläufer auf dem Weg zum Sammelpunkt«. Später erfuhren wir, daß sich ihnen unterwegs meist noch andere anschlossen; am Sammelpunkt korrigierten sie unseren Zettel, manchmal hatte sich die Zahl verdoppelt. […]“

[100]

Nicht immer verliefen diese Aktionen so reibungslos; versprengte deutsche Einheiten in Kompanie- oder Zugstärke leisteten weiterhin Widerstand und griffen mehrfach die Propagandaeinheit Kopelews an, teilweise, weil ihnen der Aufruf Müllers zur Kapitulation einfach noch nicht bekannt gemacht worden war oder sie nicht aufgeben wollten. Um diese deutschen Rückkämpfer zu stellen, wurden nun in großen Maßstab die ehemaligen Partisanen durch die Rote Armee herangezogen, wie aus der Geschichte der Bielski-Partisanen hervorgeht:

„[…] Begleitet von mehreren Stabsoffizieren, ritt ein sowjetischer General an der Spitze der Versammlung [der Partisanen]. Er blieb auf seinem Pferd sitzen, während er sprach. […] »Die sowjetische Armee hat eine große deutsche Streitmacht bei Minsk eingeschlossen«, rief er, »Wir sind sicher, dass sie versuchen wird, in kleinen Gruppen aus unserer Falle auszubrechen und sich nach Westen zu den Wäldern hin durchzuschlagen. Unsere Pflicht, Genossen und Mitpartisanen, ist es, die Deutschen daran zu hindern, die Wälder zu erreichen! Ich baue darauf, dass ihr diese Mission mit Feuereifer erfüllen werdet.«

Die Partisanen wurden in Verteidigungstruppen eingeteilt und entlang dem Ostrand des [Nalibocki-Waldes] postiert. […] Einige Tage später bemerkten einige jüdische Kämpfer die ersten deutschen Soldaten, die auf die sicheren Wälder zuhielten. Die Juden eröffneten sofort das Feuer. […] Einer der deutschen Soldaten hatte genug: »Ich will keinen Krieg !« rief er verzweifelt und wollte sich ergeben. »Ich will leben !« Aber er durfte nicht kapitulieren: Sein kommandierender Offizier hob seine Waffe und erschoss ihn. Dann richtete er sich selbst.“

Die übrigen Soldaten des deutschen Trupps wurden in dem oben beschriebenen Fall gefangen genommen. Derartige Szenen sollten sich in den folgenden letzten Monaten des Krieges noch häufig wiederholen: Fanatische Vorgesetzte verursachten durch ihr blindes Durchhalten oft zusätzliche Todesopfer unter den deutschen Soldaten.

In der Geschichte der Bielski-Partisanen wird auch erwähnt, dass die deutschen Soldaten, die den Partisanen in die Hände fielen, zumeist erschossen und unter Umständen misshandelt wurden. Im Falle der Bielski-Partisanen nahmen die dieser Gruppe angehörenden überlebenden Juden nun Rache für die Grausamkeiten, die an ihnen während der vergangenen drei Jahre durch die Deutschen begangen worden waren:

„[…] Nach wenigen Tagen bedeckten Tausende von Leichen deutscher Soldaten den Rand des [Nalibocki-Waldes].“

[101]

Die Grausamkeit der weißrussischen Partisanen muss im Verhältnis zu den von den Deutschen betriebenen Zwangsverschleppungen von Arbeitskräften, der von ihnen angewandte Taktik der verbrannten Erde und dem zu diesem Zeitpunkt immer noch stattfindenden Holocaust gesehen werden. Unabhängig von den äußeren Umständen handelt es sich bei der Erschießung oder Misshandlung von Kriegsgefangenen um ein Kriegsverbrechen und einen Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass Lew Kopelew, aus dessen Memoiren hier zitiert wurde, 8 Jahre im sowjetischen Gulag verbrachte, nachdem er gegen die von der Roten Armee einige Monate später in Ostpreußen begangenen Gräueltaten protestiert hatte.

Es gelang trotz der Verfolgung durch Partisanen und die Rote Armee noch bis in den August hinein vereinzelten, völlig heruntergekommenen Soldaten der 4. deutschen Armee, sich wieder bis zu den von der Wehrmacht gehaltenen Linien durchzuschlagen, die sich zu diesem Zeitpunkt schon in der Nähe der Ostpreußischen Grenze befanden. [96]

Versuche einer deutschen Verteidigung und weiteres sowjetisches Vordringen

 
Lage der Kampfzonen während der Polazker Operation, in der Umgebung der Ortschaften Baranawitschy und Maladsetschna sowie um Vilnius

Nach dem Einschluss der 4. deutschen Armee stellte sich die Lage der übrigen Teile der Heeresgruppe Mitte wie folgt dar: Am nördlichen Rand des Zuständigkeitsbereiches befand sich isoliert der Rest der 3. Panzerarmee, der von der Heeresgruppe Nord durch eine ca. 60 km breite Lücke getrennt war. Durch diese Lücke stießen Teile der 1. Baltischen Front weiter nach Westen vor. Auf der südlichen Seite war die 2. deutsche Armee damit beschäftigt, ihren in den Prypyat-Sümpfen gelegenen Frontabschnitt nach Westen hin aufzurollen und die Verteidigungsaufgaben der stark angeschlagenen 9. deutschen Armee zu übernehmen. Deren Reste wurden dazu dieser Armee unterstellt. Im mittleren Abschnitt des Zuständigkeitsbereiches der Heeresgruppe Mitte befand sich überhaupt keine zusammenhängende Front mehr.

Die 5. und 12. deutsche Panzerdivision, die ursprünglich dafür vorgesehen waren, die deutschen Verteidigungslinien östlich Minsk zu verstärken, übernahmen nun die Hauptlast der deutschen Verteidigungsbemühungen in diesem Bereich. Diese wurden durch das waldreiche und schwer zugängliche Gelände westlich Minsk begünstigt. Die beiden Hauptrouten in Richtung Westen verliefen über die Ortschaften Maladsetschna und Baranawitschy, alle anderen Wege waren für motorisierte und gepanzerte Verbände ungeeignet, da das Gelände sehr stark bewaldet war. Daher konzentrierte man sich auf deutscher Seite darauf, diese beiden Ortschaften solange wie möglich zu halten. In der verbleibenden Zeit wurden immer mehr Einheiten aus anderen Frontabschnitten in den Bereich der Heeresgruppe Mitte verlegt.[102][103]

Generalfeldmarschall Model erkannte, dass er mit den wenigen ihm verbleibenden Kräften keine durchgängige und starre Verteidigung des ihm übertragenen Abschnitts durchführen konnte. Statt dessen wurden die beiden verbleibenden Panzerdivisionen zu örtlichen Gegenangriffen auf die Angriffsspitzen der Roten Armee verwendet, sodass deren Vormarsch soweit verzögert werden konnte, das rückwärtige deutsche Truppen in der Lage waren, Verteidigungsstellungen zu errichten. War ein kurzer Gegenstoß der deutschen Truppen erfolgt, lösten sich diese bald darauf wieder vom Gegner, um sich den erwarteten Gegenschlägen der Roten Armee mit schwerer Artillerie und Schlachtflugzeugen zu entziehen. Aufgrund der mehrfachen Überlegenheit der Roten Armee hatten die Deutschen aber keine ernsthafte Chance, den sowjetischen Vormarsch zum Stehen zu bringen. Dies hätte nur durch den Einsatz ganzer Armeen geschehen können, die aber aufgrund der taktischen Fehler des OKW in mehreren Kesseln verloren gegangen waren. Um Kräfte dieser Größenordnung zur Verfügung zu haben, schlug der deutsche Generalstabschef Kurt Zeitzler bereits am 30. Juni vor, die Heeresgruppe Nord aus ihren Stellungen nach Süden hin abzuziehen und diese Kräfte für die Errichtung einer neuen Abwehrstellung zu nutzen. Dieser Plan wurde von Hitler abgelehnt und Zeitzler trat umgehend von seinem Posten als Generalstabschef zurück.

Die folgende Gliederung gibt eine Übersicht über die der Heeresgruppe Mitte zur Verfügung stehenden Einheiten, die auf deutscher Seite die Hauptlast der Kämpfe bis zum Ende der sowjetischen Offensive am 29. August 1944 trugen. Bei der Betrachtung der Gliederung fällt auf, das viele Einheiten ad hoc zusammengestellte Gebilde (Kampfgruppen, Sperrgruppen, Divisionsgruppen und Korpsabteilungen) oder sehr hastig formiert worden waren (Volksgrenadierdivisionen), um die immensen Verluste aus der ersten Phase der sowjetischen Offensive zu ersetzen.

Polazker Operation

Auch die sowjetische Führung hatte das Gefahrenpotential erkannt, das von der immer noch intakten Heeresgruppe Nord für die angreifenden sowjetischen Truppen ausging. Die 1. Baltische Front begann daher kurz nach dem erfolgten Durchbruch bei Wizebsk mit Teilen nach Norden zu schwenken und den "festen Platz" Polazk anzugreifen. Nach heftigen Kämpfen wurde die Stadt am 4. Juli von den Truppen der 1. Baltischen Front befreit. Im Gegensatz zu den befestigten Orten in den südlicheren Frontabschnitten gelang der bereits eingeschlossenen deutschen Besatzung unter Generalleutnant Carl Hilpert der Ausbruch aus dem "festen Platz". In der Folge wurde die deutsche Front nördlich der Stadt immer weiter in Richtung Westen eingedrückt. Es zeichnete sich ab, dass die Heeresgruppe Nord vom Rest der deutsch besetzten Gebiete abgeschnitten werden würde, falls nicht unverzüglich mit dem Rückzug in Richtung Süden begonnen werden würde. Hitler sperrte sich aber immer noch gegen die eindringlich vorgebrachten Rückzugsvorschläge der deutschen Generalität.

Inzwischen konnte die Lücke, die in der deutschen Verteidigung zwischen den Resten der 3. deutschen Panzerarmee und der Polazk verteidigenden 16. deutschen Armee existierte, mangels verfügbarer Truppen nicht geschlossen werden. Ortschaften wurden teilweise durch versprengte deutsche Einheiten verteidigt, die aber gegen die sowjetische Übermacht nicht die geringste Chance hatten. [105]

Kessel von Vilnius und Beginn des polnischen Aufstands (Vilniusser Operation)

Die kastrophale Lage der Deutschen und das rasche Vordringen der Roten Armee riefen zu Beginn des Monats Juli eine dritte Konfliktpartei auf den Plan, die sich bis dahin im Hintergrund gehalten hatte: Die Befehlshaber der Polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa kurz A.K.) befürchteten zu Recht, dass die sowjetische Besetzung Polens im schlimmsten Fall mit der vollständigen Annexion des polnischen Staatsgebiets enden oder zumindest zur Installation einer prosowjetischen Regierung führen würde. Daher wurde hastig die Aktion Gewitter initiiert, deren Ziel die eigenständige Befreiung des polnischen Staatsgebiets durch die A.K. und die Etablierung einer unabhängigen polnischen Regierung war. Die polnische Aufstand begann daraufhin am 1. Juli und hatte einen ersten Höhepunkt während der Schlacht um die heutige litauische Hauptstadt Vilnius.

Nach heftigen Kämpfen gelang es der Roten Armee die Engpässe von Maladsetschna am 5. Juli und Baranawitschy am 8. Juli einzunehmen. Die 5. Gardepanzerarmee und die 11. Gardearmee drangen auf litauisches Gebiet und in Richtung Vilnius vor, dessen Stadtrand am 7. Juli erreicht wurde. Vilnius war zuvor von Hitler zu einem "festen Platz" deklariert worden. In der Stadt, die am 8. Juli von den sowjetischen Truppen unter General Tschernjachowski eingeschlossen wurde, befanden sich 4000 deutsche Soldaten [106][A 14] unter dem Kommando von Generalmajor Reiner Stahel, darunter auch ein Fallschirmjägerbataillon, das erst am Abend des Vortags eingeflogen worden war. Etwa 15 Kilometer westlich der Stadt befand sich eine ad hoc zusammengestellte Kampfgruppe unter dem Kommando von Oberst Theodor Tolsdorff, die die Besatzung von Vilnius verstärken sollte, den Ort aber nicht mehr rechtzeitig erreichte.

Am 7. Juli begann die Armia Krajowa ihrerseits die Operation "Ostra Brama" (deutsch "Tor der Morgenröte" benannt nach einer gleichnamigen Kapelle in Vilnius) unter dem Kommando von Aleksander Krzyżanowski, die die Befreiung der Stadt durch polnische Kräfte zum Ziel hatte.[107] Den im Umland befindlichen polnischen Kräften mit einer Stärke von ungefähr 6000 Kämpfern[107] gelang es, einen Großteil des Stadtzentrums von Vilnius zu besetzen. In den östlichen Stadtteilen kooperierten die A.K.-Einheiten mit sowjetischen Aufklärungseinheiten. Der polnische Aufstand vereitelte die deutschen Bemühungen, Vilnius zu befestigen. Die A.K.-Einheiten konnten erfolgreich den Vormarsch der Kampfgruppe Tolsdorff stoppen, erlitten dabei aber schwere Verluste, bis sich sowjetische Einheiten in das Geschehen einschalteten. Die Kampfgruppe Tolsdorff richtete sich daraufhin in einem Kessel zur Verteidigung ein.

Den deutschen Soldaten in Vilnius, die sich hauptsächlich in den westlichen Teilen der Stadt verschanzt hatten, wurde erst am 11. Juli ein Ausbruch genehmigt, nachdem der neue Generalstabschef Adolf Heusinger Hitler von dieser Maßnahme mit den Worten überzeugt hatte, dass es sich doch leichter bei einem aussichtslosen Ausbruchsversuch sterben lasse als bei einer aussichtslosen Verteidigung. Etwa 3000 von den 4000 in Vilnius eingeschlossenen Wehrmachtssoldaten konnten sich ab dem späten Abend des 12. Juli durch das Flusstal der Neris zur Kampfgruppe Tolsdorff durchschlagen. Gleichzeitig wurde aus Richtung der Stadt Kaunas ein Gegenangriff von Teilen der 6. deutschen Panzerdivision und Teilen der Division Großdeutschland unter der persönlichen Leitung von Generaloberst Georg-Hans Reinhardt vorgetragen. Dessen Spitzen trafen am Mittag des 13. Juli auf den Kessel der Kampfgruppe Tolsdorff. Nach Aufnahme der Überlebenden zogen sich die Deutschen wieder in Richtung Kaunas zurück.

Die letzten deutschen Soldaten verließen Vilnius am 14. Juli. Die A.K.-Angehörigen wurden kurz nach dem Ende der Kämpfe von NKWD-Truppen unter dem Befehl von Iwan Serow am 15. Juli entwaffnet und ihre Offiziere einschließlich des Befehlshabers Krzyżanowski verhaftet. Einheiten der A.K., die sich dem Befehl zur Entwaffnung wiedersetzten, wurden von den sowjetischen Truppen zerschlagen, wobei viele A.K.-Angehörige getötet wurden.[108] In den noch unter deutscher Kontrolle stehenden Teilen litauischen Gebiets wurden mit den Deutschen kollaborierende Litauer (Schutzmannschaftsbataillone unter litauischem und deutschem Kommando) zur Bekämpfung der Armia Krajowa eingesetzt.

Widersprüchliche Historiografie

Die Historiografie des Verlaufs der Kesselschlacht von Vilnius ist besonders widersprüchlich. Im Gegensatz zu der hier gegebenen Darstellung behaupten sowjetische Quellen, dass die Rote Armee Vilnius bereits am 7. Juli erreichte und eigenständig zusammen mit sowjetischen Partisanen zurückeroberte. Dabei sollen 10.000 Deutsche gefangen genommen worden sein. Der Beitrag der Armia Krajowa wird komplett verschwiegen. In der polnischen Geschichtsschreibung wird der Zeitpunkt, an dem Vilnius von den Sowjets erreicht wurde, mit dem 12. Juli 1944 viel später angesetzt und die kämpferische Leistung der A.K.-Einheiten hervorgehoben. Auch die polnischen Historiker äußern, das der größere Teil der deutschen Besatzung gefangengenommen oder getötet worden wäre.[107]

Bialystoker Operation

Nach der vollständigen Einschließung der 4. deutschen Armee bei Minsk erhielt die 2. Weißrussische Front die am 5. Juli 1944 Aufgabe, von Minsk aus nach Westen vorzustoßen und die Ortschaften Waukawysk, Hrodna sowie schließlich Bialystok einzunehmen. In dieser Operation wurden hauptsächlich die 50. sowjetische Armee sowie Teile der 49. sowjetischen Armee eingesetzt. Zur Unterstützung wurde außerdem die 3. sowjetische Armee eingesetzt, die der 1. Weißrussischen Front zugeordnet war.

Die Reste der 4. deutschen Armee mit der Sperrgruppe Weidling und das LV. deutsche Armeekorps der 2. deutschen Armee verzögerten den sowjetischen Vormarsch zunächst nur. Am 16. Juli 1944 gelang den sowjetischen Truppen die Einnahme von Hrodna und Waukawysk. Nachdem Verstärkung in Form der 19. Panzer-Division eingetroffen war, versuchten die Deutschen am 23. Juli den sowjetischen Vormarsch vor dem Augustówer Wald zu stoppen. Der Panzer-Division unter Generalleutnant Hans Källner gelang es, die sowjetischen Truppen zu überraschen und sowjetischen Panzerverbänden bei Grodno schwere Verluste zuzufügen. Die Ortschaft Lipsk konnte kurzzeitig zurückerobert werden. Der Anfangserfolg des deutschen Gegenschlages zeigte, das die sowjetischen Truppen zusehends erschöpft waren und immer größere Nachschubprobleme hatten.

Aufgrund des Mangels an weiteren Reserven scheiterte der deutsche Gegenangriff jedoch und die sowjetischen Truppen setzten die Offensive nach Verstärkung durch das 3. Garde-Kavalleriekorps in Richtung Bialystok fort. Gegen den Widerstand des LV. deutschen Armeekorps gelang es der 3. sowjetischen Armee die Stadt am 27. Juli 1944 nach heftigen Straßenkämpfen zurückzuerobern.

Ausweitung der sowjetischen Angriffe auf benachbarte Frontabschnitte

 
Lage der Kampfgebiete der Lwiw-Sandomierz-Operation sowie der Pskow-Ostrower Operation

Der aus der Schwächung der Heeresgruppe Mitte resultierende Vormarsch der Roten Armee verdeutlichte der sowjetischen Führung, dass das Deutsche Reich am Ende seiner Kräfte angelangt war. Daher wurde von der STAWKA beschlossen, die Offensive auf die angrenzenden Frontabschnitte auszuweiten.

Lwiw-Sandomierz-Operation

Am 13. Juli 1944 begann die sowjetische Offensive auf den von der Heeresgruppe Nordukraine gehaltenen Frontabschnitt. Auch dieser mit weit überlegenen Kräften gegen die inzwischen ausgedünnte deutsche Verteidigung geführte Angriff erzielte rasche Erfolge, die zu der Einkesselung deutscher Einheiten bei der Stadt Brody führten.

In den Woiwodschaften Ternopil und Lemberg begannen Einheiten der Armia Krajowa ab dem 16. Juli mit ihren Aktionen gegen die deutschen Besatzer. Die Stadt Lemberg wurde während der Aktion Gewitter vom 22. Juli bis 27. Juli durch die Kämpfer der A.K. befreit. Nachdem die Rote Armee die Stadt erreicht und gesichert hatte, wurden die A.K.-Angehörigen wie zuvor in Vilnius entwaffnet.

Pskow-Ostrower Operation

Gegen die Flankenbedrohung der 1. Baltischen Front durch die immer noch intakte Heeresgruppe Nord begannen die 2. und 3. baltische Front am 17. Juli 1944 ebenfalls eine Offensive, die zum Vordringen sowjetischer Truppen auf lettisches Gebiet führte. Die 16. und 18. deutsche Armee gerieten in eine kritische Lage und mussten sich weiter nach Westen zurückziehen. Ostrow und Pskow wurden als letzte noch in deutscher Hand verbliebene russische Städte am 21. bzw. 23. Juli 1944 von der Roten Armee befreit.

Letzte sowjetische Angriffsoperationen und Ende der Offensive

Seit Mitte Juli 1944 ließ die Angriffskraft der sowjetischen Truppen im Bereich der Heeresgruppe Mitte aufgrund überdehnter Nachschubwege nach. Die Verluste an gepanzerten Fahrzeugen, die der Roten Armee in den vorangegangenen Phasen der Offensive zugefügt worden waren, konnten deswegen nicht mehr ausgeglichen werden. Daher wurden bei den folgenden Angriffen hauptsächlich Infanterieeinheiten auf sowjetischer Seite eingesetzt. [109]

Šiauliaier Operation und Unternehmen Doppelkopf

 
Lage des Operationsgebietes während der Šiauliaier Operation

Nach der Eroberung der Stadt Polazk erhielt die 1. Baltische Front den Auftrag, mit Teilen in westlicher Richtung vorzustoßen, mit dem Ziel, die litauische Stadt Šiauliai (deutsch: Schaulen) einzunehmen. Šiauliai war ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt zwischen Königsberg und dem lettischen Riga. Der ab dem 5. Juli 1944 beginnende sowjetische Vormarsch wurde dadurch begünstigt, das sich zwischen den Resten der 3. deutschen Panzerarmee und der 16. deutschen Armee der Heeresgruppe Nord eine ungefähr 60 bis 100 Kilometer[110] breite Lücke in der deutschen Front befand, die mangels zur Verfügung stehender Truppen zunächst nicht geschlossen werden konnte.[110] Um einem erwarteten Gegenstoß der Heeresgruppe Nord zuvorzukommen, wurde der Front von Armeegeneral Baghramjan am 14. Juli die 2. sowjetische Gardearmee und die 51. sowjetische Armee aus der Reserve der STAWKA zugewiesen.

Der direkte Vorstoß auf Šiauliai begann am 20. Juli. Am 22. Juli erreichten die sowjetischen Truppen die Stadt Panevėžys, die in der Sowjetliteratur als ein wichtiges Kommunikationszentrum der Heeresgruppe Nord dargestellt wurde. Am 27. Juli wurde das lettische Daugavpils (deutsch Dünaburg) im Zusammenspiel mit Einheiten der 2. Baltischen Front erobert. Šiauliai wurde durch eine ad hoc zusammengestellte Einheit unter dem Kommando von Oberst Hellmuth Mäder zwei Tage lang verteidigt, bis es den Truppen des 3. Garde-mechanisierten Korps der 51. sowjetischen Armee gelang, die Stadt am 28. Juli einzunehmen. Drei Tage später erreichte das 3. Garde-mechanisierte Korps bei Tukums die Bucht von Riga. Gleichzeitig wurde die Stadt Jelgava (deutsch Mitau) zur Hälfte von den sowjetischen Truppen besetzt. Damit war die deutsche Heeresgruppe Nord von allen Landverbindungen nach Süden abgeschnitten.

Mit der Linie über Tukums und Šiauliai war ein vorläufiges Ende des sowjetischen Vormarsches im Baltikum erreicht, da es der 3. deutschen Panzerarmee zu diesem Zeitpunkt gelang, westlich eine geschlossene Front aufzubauen. Von deutscher Seite wurden nun eine Reihe von Gegenangriffen vorgebracht, die die Rückeroberung von Šiauliai, Jelgava und die Wiederherstellung der Landverbindung zur Heeresgruppe Nord zum Ziel hatten. Am 8. August wurden erste Planungen zur Durchführung der Unternehmen Doppelkopf genannten Offensive zweier improvisierter Panzerarmeekorps der Heeresgruppe Nord und Mitte zur Schließung der Lücke zwischen den Heeresgruppe Nord und Mitte vorgelegt. Der deutsche Gegenangriff begann am 16. August 1944. Aufgrund des Mangels an ausreichender Luftunterstützung, Treibstoff und Infanterieverbänden zur Flankensicherung stockte der deutsche Vormarsch bereits am 19. August bei Žagarė und vor Šiauliai, ohne das eines der vorgesehenen Ziele erreicht worden war. Nur durch eine, von der sowjetischen Führung nicht vorhergesehene Attacke einer Ad-hoc-Panzereinheit unter der Führung von Generalmajor Hyazinth Graf Strachwitz (“Gruppe von Strachwitz”) gelang es Deutschen schließlich, eine Landverbindung zur Heeresgruppe Nord am 20. August 1944 wieder herzustellen. Die Rückeroberung von Šiauliai, das von der hauptsächlich aus Litauern bestehenden 16. sowjetischen Schützendivision verteidigt wurde, und Jelgava scheiterte hingegen am Widerstand der sowjetischen Truppen.

Kaunasser Operation

 
General Hasso von Manteuffel mit Offizieren der Panzergrenadier-Division “Großdeutschland” während der Kämpfe bei der litauischen Ortschaft Vilkaviškis (Anfang August 1944)

Nach dem Ende der Schlacht um Vilnius stabilisierte die 3. deutschen Panzerarmee ab dem 15. Juli 1944 den in Litauen befindlichen Frontsektor und wehrte die Angriffe der 3. Weißrussischen Front zunächst ab. [111] Zugute kamen den Deutschen dabei die noch von den Litauern errichteten Befestigungen von Kaunas. Am 28. Juli 1944 begannen die Truppen der 3. Weißrussischen Front erneut konzentrierte Angriffe auf die deutschen Verteidigungslinien, nachdem in den vorangegangenen Tagen Verstärkungen herangeführt worden waren. Am Abend des 29. Juli waren die sowjetischen Soldaten 5 bis 17 Kilometer weit nach Westen vorgestoßen. Am Folgetag brach der deutsche Widerstand an den Zugängen zum Fluss Njemen zusammen. Im Sektor der 33. sowjetischen Armee gelang es dem 2. Garde-Panzer-Korps bis nach Vilkaviškis (deutsch: Wilkowischken) vorzustoßen, das sich wenige Kilometer vor der ostpreußischen Grenze befand. Dadurch gerieten die deutschen Truppen in Kaunas in Gefahr erneut eingeschlossen zu werden. Daraufhin wurde die Stadt am 1. August 1944 aufgegeben. Auf der bis zu 50 Kilometer weiter westlich befindlichen Linie von Vilkaviškis nach Raseiniai (deutsch Raseinen) wurden neue Verteidigungsstellungen errichtet[110], die von den Deutschen gegen die weiteren sowjetischen Angriffe gehalten werden konnten. Bis zum endgültigen Abbruch der Offensive am 29. August 1944 gelang den sowjetischen Truppen in Litauen kein weiterer bedeutender Vorstoß nach Westen.

Lublin-Brester Operation und Panzerschlacht vor Warschau

Am 18. Juli begann der bis dahin passiv gebliebene südliche Flügel der 1. Weißrussischen Front im polnischen Frontabschnitt bei der Stadt Kowel anzugreifen. Da dieser Frontabschnitt von den deutschen Truppen am besten gesichert worden war, setzte die Rote Armee besonders viele Artilleriegeschütze ein. Das Artilleriebombardement übertraf deswegen noch die in Weißrussland durchgeführten Angriffe an Intensität. Zwar hatte Generalfeldmarschall Model die deutschen Truppen aus dem unhaltbaren Frontvorsprung bei Kowel bereits bis zum 8. Juli in vorteilhaftere Stellungen westlich der Stadt abziehen lassen, trotzdem hatten sie aufgrund der massiven Übermacht der Roten Armee keine Möglichkeit, den sowjetischen Angriff aufzuhalten.[112] Die 47. sowjetische Armee und die 8. Gardearmee drangen tiefer in das ehemalige polnische Staatsgebiet ein und erreichten den westlichen Bug am 21. Juli. Lublin wurde am 24. Juli von der Roten Armee eingenommen. Den sowjetischen Truppen folgten Angehörige der Armia Krajowa, die von der Bevölkerung als Befreier begrüßt wurden.[113]

Zeitgleich wurde die 2. deutsche Armee, die sich hauptsächlich in einem vorgeschobenen Frontbogen in den Pripjat-Sümpfen vor der Stadt Brest-Litowsk befand, frontal durch den nördlichen Flügel der 1. Weißrussischen Front angegriffen und auf die zum “festen Platz” erklärte Stadt zurückgedrängt. Die 70. sowjetische Armee stieß aus südlicher Richtung auf den Ort vor. Am 25. Juli wurden zwei deutsche Divisionen in Brest-Litowsk eingeschlossen und sollten den Ort laut einem Befehl von Adolf Hitler „bis zur Vernichtung der Besatzung“ verteidigen.

 
Panzer V der SS-Division “Totenkopf” bei Siedlce (25. bis 29. Juli 1944)

Um den geordneten Rückzug der 2. deutschen Armee zu ermöglichen, wurden auf deutscher Seite zwei Gegenangriffe gestartet. Bei der Ortschaft Kleszcele stoppten die 4. deutsche Panzer-Division und die 5. SS-Panzer-Division „Wiking“ einen Angriff sowjetischer Panzerverbände.[114] Bei Siedlce wurde ein sowjetischer Vorstoß durch die SS-Panzer-Division „Totenkopf“ abgewehrt. Im Oberkommando der Wehrmacht konnte Generalfeldmarschall Model Hitler dazu überreden, einen Ausbruch der eingeschlossenen deutschen Kräfte aus Brest-Litowsk zu genehmigen. Bis zum 29. Juli zogen sich daraufhin die deutschen Einheiten unter erheblichen Verlusten aus Brest-Litowsk zurück.

Der Verlust der Stadt hatte Symbolkraft: Der Ort war zuerst am Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges angegriffen worden. Sämtliche von den deutschen Truppen erzielten Gebietsgewinne waren nach ihrer Rückeroberung durch die Rote Armee verloren gegangen.[115]

An das Ostufer der Weichsel gelangten die sowjetischen Truppen erstmals am 25. Juli. Die 69. sowjetische Armee überquerte den Fluss und errichtete am 29. Juli einen Brückenkopf bei Puławy. Später wurde von der 47. sowjetischen Armee bei dem Dorf Magnuszew ein zweiter Brückenkopf erobert.

Ergebnisse

 
Angehörige des RAD errichten Stellungen in der Nähe der ostpreußischen Grenze. (11. August 1944) Im August 1944 rückte die Ostfront unmittelbar an das Deutsche Reich heran.

Die Operation Bagration wurde auf einer Frontbreite von 1.100 Kilometern vorgetragen, der Vorstoß erreichte eine Tiefe von bis zu 600 Kilometern. Sie öffnete der Roten Armee den Weg zur Bucht von Riga, nach Ostpreußen sowie an die mittlere Weichsel und nach Warschau.

Die Heeresgruppe Nord, ein Drittel des Ostheeres, wurde durch den Durchbruch der sowjetischen Einheiten zur Ostsee zeitweise von allen Landverbindungen abgeschnitten. Aufgrund der Weigerung Hitlers, sie vollständig aus dem Baltikum zurückzuziehen, wurde die Heeresgruppe später endgültig auf die Halbinsel Kurland abgedrängt.

Bedingt durch die katastrophalen Verluste verlor die Wehrmacht ihre operative Handlungsfähigkeit an der Ostfront vollständig und war in der Folgezeit nur noch zu hinhaltendem Widerstand gegenüber der Roten Armee fähig. Somit war es nur eine Frage der Zeit, bis die Rote Armee in das Deutsche Reich eindringen würde. Die strategische Gesamtlage des Zweiten Weltkrieges änderte sich aber nur dahingehend, dass die bereits vorher vorhandene materielle Überlegenheit der Sowjetunion und der Alliierten gegenüber dem Deutschen Reich weiter vergrößert wurde. Daher kann der Operation Bagration keine ähnliche historische Bedeutung beigemessen werden, wie sie den Schlachten bei Moskau, Stalingrad oder Kursk zusteht. Die Operation Bagration steht aber zusammen mit der Operation Overlord am Beginn des endgültigen Zusammenbruchs des Dritten Reiches.

Der Vormarsch der Roten Armee löste bei der deutschen Bevölkerung Ostpreußens Panik aus. Trotz eines durch die NSDAP ausgesprochenen strikten Verbots setzten sich erste Flüchtlingstrecks in Richtung Westen in Bewegung.

Nachdem Ende August 1944 der sowjetische Vormarsch vor Warschau zu einem vorläufigen Stillstand gekommen war, verlagerte das sowjetische Oberkommando den Schwerpunkt seiner Angriffsoperationen nach Süden. Am 20. August begann die Rote Armee auf dem Gebiet der rumänisch-deutschen Front mit einer weiteren, auf sowjetischer Seite mit Operation Jassy-Kischinew bezeichneten Offensive. Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Südukraine ermöglichte der Roten Armee das Vordringen nach Südosteuropa.

Ende des Holocaust auf dem Gebiet der Sowjetunion

Bereits im Vorfeld der sowjetischen Sommeroffensive war ein Großteil der jüdischen Bevölkerung in Weißrussland, Litauen und Ostpolen durch deutsche Einsatzgruppen oder in Vernichtungslagern systematisch ermordet worden. Die Ghettos in den weißrussischen Städten wurden liquidiert. So wurden die letzten 2000 Einwohner des Minsker Ghettos am 21. Oktober 1943 im Vernichtungslager Maly Trostinez umgebracht. Die Juden, die 1944 noch am Leben waren, leisteten entweder als Partisanen in den Wäldern Widerstand oder wurden als Arbeitskräfte in verschiedenen Lagern der Wehrmacht und SS ausgebeutet.

Auflösung der deutschen Konzentrationslager auf sowjetischem Boden

Der Vormarsch der Roten Armee beendete die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung durch die Deutschen. Er bedeutete aber meist für die noch in den Lagern gefangenen Juden den Tod oder die Verschleppung in das westwärts gelegene Reichsgebiet, da die Lager durch die abziehenden Wachmannschaften und Sonderkommandos der SS vor dem Eintreffen der sowjetischen Soldaten hastig zerstört wurden.[116] Teilweise wurden die Lager auch irrtümlich durch die Sowjets angegriffen, was zu weiteren Opfern führte. Das Lager Maly Trostinez wurde zum Beispiel am 28. Juni 1944 durch sowjetische Schlachtflugzeuge beschossen.

Aufgrund der Gründlichkeit der SS hatten die Soldaten der Roten Armee keine Chance, die Lager rechtzeitig erreichen und ihre Insassen zu befreien. Meist fanden die Soldaten der Roten Armee wie in Maly Trostinez nur noch verbrannte Gebäude und die verkohlten Leichen der letzten Häftlinge vor.[117] Lagerinsassen konnten nur dann durch die Sowjets gerettet werden, wenn es ihnen gelang, sich in Verstecken vor dem Zugriff durch die Deutschen in Sicherheit zu bringen, oder sie im letzten Moment fliehen konnten. In nennenswerter Zahl konnten auf diese Weise und durch die Hilfe des deutschen Majors Karl Plagge Häftlinge im Lager Heeres-Kraftfahr-Park (HKP) 562 Ost in Vilnius überleben.[116]

Schicksal der überlebenden Juden

Die Befreiung durch die Rote Armee bedeutete für die traumatisierten Überlebenden, dass sie sich zum ersten Mal seit dem Sommer 1941 frei bewegen konnten. Die jüdischen Partisanen kehrten aus den Wäldern in ihre Heimatorte zurück. Dabei kam es zu Fällen von Selbstjustiz gegenüber ehemaligen Nachbarn, die mit den Deutschen kollaboriert und Verwandte oder Bekannte an die SS ausgeliefert hatten. Viele der ehemaligen Partisanen meldeten sich wenig später freiwillig zum Dienst in der Roten Armee oder wurden eingezogen.[118] In einigen Fällen wurden jüdische Häftlinge von den Sowjets als Kollaborateure behandelt und wiederum eingesperrt. Dies geschah beispielsweise mit eine Gruppe von etwa 20 Häftlingen, denen es gelungen war, am 28. Juni 1944 aus Maly Trostinez zu fliehen und die am 4. Juli durch Soldaten der Roten Armee entdeckt wurden. Sie wurden in Lager nach Sibirien verschleppt und von dort erst 1946 entlassen.[119]

Beginn der Aufarbeitung des Holocaust

 
Sowjetische Soldaten bei den Verbrennungsöfen im Vernichtungslager Majdanek (Juli oder August 1944)

Das ganze Ausmaß nationalsozialistischer Gräueltaten kam in Folge der Operation Bagration erstmals an das Licht der Weltöffentlichkeit, da Gebiete befreit wurden, in denen sich deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager hauptsächlich befanden. Durch die Häufung von Berichten über die Hinrichtungsstätten richtete die Sowjetunion Sonderkommissionen ein, die mit der Untersuchung der deutschen Verbrechen befasst waren. Trotz der Bemühungen der SS, die Existenz der Lager zu vertuschen, gelang es den im August und September 1944 tätigen Kommissionen aufgrund der Aussagen Überlebender auch bereits unkenntlich gemachte Orte wie das Vernichtungslager Sobibor aufzufinden. Sowjetische Journalisten wie Wassili Grossman berichteten erstmals in den sowjetischen Medien über die ehemaligen deutschen Lager.[120] Die Nachrichten und Untersuchungsergebnisse wurden auch an die westlichen Alliierten weitergeleitet. Dies hatte zur Folge, dass die Alliierten auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 neben der Entmilitarisierung auch die durchgehende „Entnazifizierung“ Deutschlands für die Zeit nach ihrem Sieg vereinbarten.

Öffentliche Zurschaustellung gefangener deutscher Soldaten in Moskau

Um das Ausmaß des sowjetischen Sieges in Weißrussland der Weltöffentlichkeit zu präsentieren, befahl Stalin, dass die während der Vernichtung der 4. deutschen Armee gefangengenommenen deutschen Soldaten in einer Parade durch Moskau geführt werden sollten. Der Grund hierfür war, die noch mit dem Deutschen Reich verbündeten Regierungen Finnlands, Rumäniens und Ungarns zu einem Seitenwechsel zu veranlassen und den verbündeten Briten und Amerikanern die Stärke der Roten Armee vor Augen zu führen.[121][122] Die von Stalin befohlene Parade fand am 17. Juli 1944 statt. 57.000 gefangene deutsche Soldaten wurden in zwei voneinander getrennten Kolonnen durch Moskau getrieben.[123] An der Spitze der größeren Kolonne marschierten die gefangengenommenen Befehlshaber der Heeresgruppe Mitte zusammen mit weiteren Offizieren und Unteroffizieren. Die Gefangenen wurden beschimpft und zum Teil mit Gegenständen beworfen.[124] Die zur Bewachung abkommandierten sowjetischen Soldaten hatten jedoch strikten Befehl, keine Übergriffe der aufgebrachten Menge zuzulassen. Da die Gefangenen, die zuvor oft tagelang nicht versorgt worden waren, am Abend des 16. Juli reichlich Kascha und mit Schmalz bestrichene Brote zu essen bekommen hatten, litten viele von ihnen während des Marsches an Durchfall. Entsprechend wurden die Straßen, nachdem der Zug der Gefangenen die Stadt passiert hatte, mit Reinigungsmaschinen gesäubert.[125]

Von Moskau aus wurden große Teile der Deutschen in Arbeitslager bei Karaganda, Kuibyschew, Stalingrad, in der Ukraine sowie bei Tscherepowez verschickt. [126] (→Liste sowjetischer Kriegsgefangenenlager des Zweiten Weltkriegs) Die deutschen Generale wurden nach dem Marsch durch die Stadt vom Rest der Gefangenen getrennt und in das Moskauer Butyrka-Gefängnis gebracht.[127]

Operation Bagration und das Attentat vom 20. Juli 1944

Der rasche Vormarsch der Roten Armee und die immer ungünstiger werdende Lage der deutschen Truppen in der Normandie waren für die Mitglieder der Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg schockierend. Der Oberleutnant der Reserve Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort richtete im Auftrag von Stauffenbergs die Frage an Henning von Tresckow, ob ein militärischer Umschwung überhaupt noch einen praktischen Zweck habe.[128] Von Tresckow, der als Stabschef der 2. deutschen Armee besser als alle anderen Widerständler über die tatsächliche Lage an der deutschen Ostfront Bescheid wusste, antwortete jedoch hierauf:

„Das Attentat muss erfolgen, coûte que coûte. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht nur auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“

Von Tresckow plante sofort nach dem Gelingen des Putsches die deutsche Westfront den Truppen der Alliierten zu öffnen. Die dadurch freigewordenen deutschen Einheiten sollten dann umgehend an die deutsche Ostfront verlegt werden, um ein weiteres sowjetisches Vordringen nach Westen und somit eine sowjetische Besatzung Deutschlands zu verhindern. Zeitgleich sollten auch mit der Sowjetunion Verhandlungen über einen Waffenstillstand begonnen werden. Aber nach der katastrophalen Niederlage in Weißrussland hatte Deutschland gegenüber der Sowjetunion keinen Verhandlungsspielraum mehr, wenn die von Tresckow vorgeschlagenen Maßnahmen nicht wirksam wurden.

Nicht alle Widerständler teilten von Tresckows Meinung. Der Generalfeldmarschall Günther von Kluge hatte als Oberbefehlshaber West bereits resigniert und unterstützte nicht mehr die Bestrebungen Tresckows und Georg Boeselagers mit den Alliierten Verhandlungen aufzunehmen. [A 15]

Die Mehrheit der Offiziere des militärischen Widerstands setzte ihre Bemühungen fort und die Vorbereitungen eines Attentats auf Hitler erreichten einen letzten Höhepunkt. Am 18. Juli 1944 begann Philipp Freiherr von Boeselager auf Weisung seines Bruders Georg mit der Verlegung von sechs Schwadronen des Kavallerie-Regiments 31 von der deutschen Front im östlichen Teil Polens in Richtung Berlin.[A 16] Die sechs Schwadronen erreichten Brest-Litowsk, das soeben zu einem "Festen Platz" erklärt worden war und durchquerten ohne Pause die Stadt. Sie ritten auch die Nacht über weiter und erreichten nach einer Strecke von über 200 Kilometern das polnische Dorf Lachówka (Powiat Siemiatycki). [129] Dort erhielten die Schwadronchefs einen Hinweis auf „einen möglichen Einsatz im Reich in unter Umständen bürgerkriegsähnlicher Lage“.[130][A 17] Die Einheit sollte nach Berlin-Tempelhof geflogen werden. Von dort aus sollte sie unverzüglich in das Reichssicherheitshauptamt und das Propagandaministerium vordringen, um dort Heinrich Himmler und Joseph Goebbels festzunehmen und zu liquidieren. [129]

Die Schwadronen bereiteten gerade die Verladung auf LKW und einen späteren Lufttransport vor, als die Nachricht vom Misslingen des Attentats auf Hitler am späten Nachmittag über Radio bekannt wurde. Georg von Boeselager und sein Bruder verlegten daraufhin die Schwadronen umgehend an die deutsche Ostfront zurück. Diese Bewegungen fielen allerdings niemandem auf, sodass allen Beteiligten aus dem Kreis des deutschen Kavallerie-Regiments 31 eine Untersuchung und Verhaftung durch die Geheime Staatspolizei erspart blieb.

Henning von Tresckow selbst nahm sich, nachdem er vom Scheitern des Attentats auf Hitler erfahren hatte, am Morgen des 21. Juli an der Front bei Brest das Leben.

Im Gegensatz zu den wenigen direkt Beteiligten empfand die Mehrheit der noch kämpfenden Soldaten der Heeresgruppe Mitte das Attentat auf Hitler als Verrat, da man den Zeitpunkt aufgrund der überaus kritischen Frontlage als denkbar ungünstig ansah.[131] So äußerte sich Peter von Butler, zum Zeitpunkt des Attentats Verbindungsoffizier für eine Panzerdivision der Heeresgruppe Mitte im Generalstab, in einem später gegebenen Interview wie folgt: „[…] Meine erste Reaktion war:« Um Himmels Willen, jetzt in dieser Lage ein Chaos hervorrufen, das geht nicht.»“[132] Das Attentat wurde als „Dolchstoß in den Rücken der kämpfenden Soldaten“ betrachtet und führte in keiner Weise zu einer Auflehnung der Deutschen gegenüber ihren Vorgesetzten.[131] Die Befehlshaber der Wehrmacht begannen damit zu rechnen, dass es zu Kämpfen mit Einheiten der Waffen-SS kommen würde, bis schließlich Nachrichten vom endgültigen Scheitern des Putschversuches eintrafen.[132]

Die Nachricht von dem Putschversuch entfachte auch neue Aktivitäten des NKFD und des BdO. 17 von der Roten Armee gefangengenommene deutsche Generäle der Heeresgruppe Mitte wandten sich unter der Federführung des durch die Ereignisse im Minsker Kessel verbitterten Vincenz Müller in einem Aufruf an jeden „deutschen General und Offizier“, der später auch von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus unterzeichnet wurde. In diesem Aufruf wurde gefordert, das Regime der NSDAP mit Gewalt zu stürzen. Tatsächlich wurde dieser Aufruf aber vom deutschen Offizierskorps als ein opportunistischer Versuch der daran beteiligten Generäle betrachtet, ihrer eigene Haut zu retten. Die Wirkung dieses und späterer Aufrufe war aus diesem Grund äußerst gering.[133]

Spätfolgen

Die durch die von den Deutschen angewandte Taktik der Verbrannten Erde und sowjetischen Artilleriebeschuss verursachten Zerstörungen in Weißrussland waren umfassend. In nahezu allen während der Operation Bagration umkämpften Städten waren über 70 Prozent der Häuser unbewohnbar oder dem Erdboden gleichgemacht worden. Teilweise mussten Städte komplett wieder aufgebaut werden. Dies traf insbesondere auf Babruisk, Mahiljou, Wizebsk, Minsk, Brest-Litowsk, Šiauliai und Jelgava zu. Eine Ausnahme hiervon ist die litauische Hauptstadt Vilnius, deren Altstadt bedingt durch den polnischen Aufstand am 7. Juli 1944 weitgehend intakt blieb.

Während der Wiederaufbaumaßnahmen der ersten Nachkriegsjahre wurden die Städte in Weißrussland bevorzugt behandelt. Dies bedeutete, das die weißrussische Landbevölkerung teilweise noch bis in die 1950er Jahre hinein in provisorischen Erdbehausungen leben mußte, die noch während des Krieges entstanden waren.[134]

Bedingt durch den massiven Einsatz von Landminen durch die Wehrmacht wie auch durch die Rote Armee wird Weißrussland bis heute (2007) mit der Räumung undokumentierter Minenfelder aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges belastet.[135] Besonders in den Regionen um Minsk, Wizebsk und Gomel, die lange Zeit Frontgebiet waren, besteht bis heute Minengefahr.[136] Zwischen 1944 und Februar 2006 wurden 6.171 Minenunfälle dokumentiert. Dabei verloren 2.665 Menschen das Leben. [135]

Sonstiges

Die Operation wurde vom sowjetischen Oberkommando STAWKA nach dem Namen des Generals Pjotr Iwanowitsch Bagration benannt, der in der Schlacht von Borodino 1812 gegen die napoleonischen Truppen gefallen war.

Der die Operation Bagration umfassende Zeitraum wird im Kriegstagebuch des OKW mit der Begründung ausgespart, dass die Kriegsführung auf diesem Schauplatz unter der alleinigen Verantwortung von Adolf Hitler gelegen habe.

Literatur

Bei der Verwendung sowjetischer Quellen mit Ausnahme von Samisdat- und Tamisdat-Literatur, die bis 1987 veröffentlicht wurden, muss die Tätigkeit der sowjetischen Zensurbehörden (Glawlit, Militärzensur) bei der Revision diverser Inhalte im Sinne der sowjetischen Ideologie berücksichtigt werden. (→Zensur in der Sowjetunion)

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  • Antony Beevor, Luba Vinogradova (Hrsg.): A Writer at War: Vasily Grossman with the Red Army Pimlico, 2006, ISBN 978-1-84595-015-6
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  • A. I. Jeremenko: Als Fälscher entlarvt - Eine Auseinandersetzung mit Darstellungen ehemaliger Hitlergenerale; Militärverlag der DDR Berlin, 1960
  • А.А. Сидоренко: На могилевском направлении: Наступательная операция 49-й армиии 2-го Белорусского фронта в июне 1944 г, Воениздат Москва 1959 (A. A. Sidorenko: In Richtung Mogilew: Die Offensive der 49. Armee der 2. Weißrussischen Front im Juni 1944, Militärverlag der UdSSR Moskau 1959)
  • Kurt von Tippelskirch: Geschichte des 2. Weltkrieges; 2. verbesserte Auflage Bonn 1956
  • К.А. Маланьин, Разгром фашистских войск в Белоруссии, Москва, 1956 (Konstantin A. Malanin: Die Zerschlagung der faschistischen Truppen in Weißrussland; Moskau 1956)
  • Otto Heidkämper: Witebsk. Kampf und Untergang der 3. Panzer-Armee; Heidelberg 1954
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  • Augustin Guillaume: La guerre germano-soviétique 1941-1945; Paris 1949
  • П. С. Болдырев, А. Г. Афанасьев, Военно-исторический отдел генерального штаба Красной Армии: Бобруйская операция, Воениздат Москва 1945 (P. S. Boldyrew, A.G. Afanasew, Militärhistorischer Dienst des Generalstabs der Roten Armee: Bobruisker Operation, Militärverlag der UdSSR Moskau 1945)
  • Hermann Gackenholz; Denkschrift über den Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte; vom August 1944 (veröffentlicht in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 1955, 3. Heft, S.317 ff.) ( Online-Version des Heftes veröffentlicht vom Institut für Zeitgeschichte)

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Einzelnachweise

Schwer auffindbare Textpassagen (beispielsweise aus Solschenizyns umfangreichem Werk "Der Archipel GULag") sind vollständig wiedergegeben worden, um dem Leser die Suche danach zu ersparen.

  1. Kriwoschejew: Soviet Casualities and Combat Losses, S.144
  2. a b c von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkriegs, S. 462
  3. a b Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S. 424 - 431
  4. a b c von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkriegs, S. 460
  5. Ziemke: From Stalingrad to Berlin, S.???
  6. Gackenholz; Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte 1944, S.451
  7. Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges (Katalog der Wehrmachtausstellung), S.398
  8. Rass: Menschenmaterial, S. 370:
  9. Rass: Menschenmaterial, S.386-402
  10. Е. Морозов (Ed.): Преступления немецко-фашистских оккупантов в Белоруссии. 1941-1944, S.142-161
  11. http://shtetle.co.il/Shtetls/vitebsk/vitebsk_eng.html (aufgerufen am 15. August 2009)
  12. Ausstellungskatalog Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 1944 S. 397-428
  13. a b Willy Peter Reese, Stefan Schmitz (Hrsg.): „Mir selber seltsam fremd“ - die Unmenschlichkeit des Krieges, Russland 1941 - 1944. Claasen-Verlag, 2003, ISBN 3-546-00345-4:
    a) siehe S. 248
    b) Seit dem Sommer 1943 betrank sich Reese nach seiner eigenen Schilderung immer häufiger, sodass er schließlich nicht mehr in der Lage war zu schreiben. Sein autobiografisches Buch bricht zur Jahreswende 1943/1944 ab.
  14. Brief eines Schneidermeisters aus Oppeln vom 21. November 1945: „[…] Als ich das letzte Mal [im März 1944] in Urlaub war, wusste ich, wohin ich fahren werde. […] Milek Hans, der mit dem amputierten Arm, war der Einzige dem ich gesagt habe, das ich zu den Partisanen fahren werde, denn sonst müsste ich zum Militär und für einen Hitler habe ich und werde ich nie kämpfen. Ich bin nach Kalus gefahren und habe mich von den Kameraden verabschiedet. Auch den Oppelner Kameraden habe ich mein Anliegen gesagt. Ich sollte damals in einer stockfinsteren Nacht nach Lojevze gehen, und benutzte diese Gelegenheit zur Flucht. Ich ging zu meinem russischen Genossen Kulitzki, da war alles schon vorbereitet und nach einigen Tagen gingen wir mit 5 Mann zu den Partisanen. Hier wurde ich ganz groß gefeiert. Hier habe ich versucht, deutsche Kameraden vor dem Tod für den wahnsinnigen Hitler zu retten, aber meine Aktion scheiterte an der Doofheit der Soldaten.“
  15. Rass: Menschenmaterial, S.307-330
  16. von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisionsgeschichte, Bd. 2, S.354,355: Eintrag vom 27. Mai 1944: „[…] Erstmals wird im Abschnitt der Division durch das berüchtigte “Nationalkomitee Freies Deutschland” Lautsprecherpropaganda betrieben. Sie bleibt ohne Wirkung, und die Division bezeichnet die Stimmung und Haltung der Truppe, für deren Entspannung und Betreuung das Möglichste getan wird, als sehr erfreulich. Ab 5.5. ist ein Frontkino in Betrieb. Die Einheiten bauen sich Badebunker und Saunas. Gelegentlich spielt sogar die Musik.“
  17. Hans-Georg Gerhardt; Ernährungssituation des deutschen Heeres im 2. Weltkrieg; Inaugural-Diss. Univ. Greifswald 1969
  18. Rass: Menschenmaterial, S.354-358
  19. Mühe: Schlussakkord - Leben in bewegter Zeit, S.198-199: „[…] Da unsere Versorgung mit Alkohol überreichlich war, sprachen viele diesem abnormal zu. An manchen Tagen waren alle älteren Kameraden betrunken, um ihre großen Sorgen und ihren Kummer zu betäuben. […] Die Hauptlast der Daseinsbewältigung lag in diesen Tagen sowohl bei unseren hervorragenden Offizieren, die angesichts der Betrunkenen beide Augen zudrückten, als auch bei uns jungen Leuten.“
  20. [1] Andreas Ulrich: Hitler's Drugged Soldiers, Spiegel Online vom 5. Juni 2005 (englisch)
  21. Rass: Menschenmaterial, S.169ff, S.276ff
  22. nach Lannoy: La ruée de l'Armée Rouge, S.60 ff.
  23. Duffy: Die Bielski Brüder
  24. Musial: Sowjetische Partisanen in Weißrussland, S. 151
  25. Musial: Sowjetische Partisanen in Weißrussland, S. 151ff.
  26. Musial: Sowjetische Partisanen in Weißrussland, S. 221ff.
  27. Musial: Sowjetische Partisanen in Weißrussland, S. 155
  28. a b John A. Armstrong (ed.): „Soviet Partisans in World War II“, S. 543-546
  29. Ausstellungskatalog Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 1944, S.429-460
  30. PzAOK 3, Ic/AO, „Entwicklung der Bandenlage im Bereich der 3. Pz.-Armee während des Monats Mai 1944“, 27. Mai 1944, S.1 (GMDS, PzAOK 3, 62587/12)
  31. Duffy: Die Bielski-Brüder, S.???
  32. Hinze: Ostfrontdrama, Karte S. 182-183
  33. Glantz: The role of intelligence in soviet Military Strategy in World War II, S.???
  34. Heinz Bergschicker: Deutsche Chronik 1933–1945; Verlag der Nation, Berlin (Ost), 1981: Es finden sich verschiedene Hinweise auf Phasen einer Operation „Schienenkrieg“, was eine mögliche Übersetzung von „Рельсовая война“ ist. Daraus ergibt sich, dass „Eisenbahnkrieg“ ein Oberbegriff für „Konzert“ sein muss.
  35. von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkriegs, S.462
  36. Pawel Anatoljewitsch Sudoplatow; Spezialoperationen: Lubjanka und Kreml 1930 bis 1950; Мoskau 1997 ;ISBN 5-94849-202-8, Kapitel 6: Aufklärung in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges; „Operationen, die von den Kampfgruppen der Partisanen ausgeführt wurden, gewannen manchmal eine strategische Bedeutung und spielten eine wichtige vorbereitende Rolle durch die Desorganisation rückwärtiger Verbindungen [der deutschen Wehrmacht], beispielsweise bei Beginn unserer Offensive in Weißrussland. Diese Operationen sind unter den Bezeichnungen ‚Eisenbahnkrieg‘ oder ‚Konzert‘ bekannt geworden. Am Vorabend des Angriffs auf Weißrussland traten wir hervor und unterbrachen die Eisenbahnlinien der deutschen Armee, über die diese hauptsächlich ihren Nachschub erhielt.“; orig. Text: «Операции, проведенные боевыми группами партизан, порой приобретали стратегическое значение и сыграли важную роль в дезорганизации тыловых коммуникаций, когда в 1944 году развернулось наше наступление в Белоруссии. Эти операции известны как ‹Рельсовая война›, или ‹Концерт›. В канун нашего наступления в Белоруссии мы вывели из строя основные железнодорожные линии снабжения немецкой армии.», Online Version
  37. Piekałkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, S.???
  38. a b c François de Lannoy: La ruée de l'Armée Rouge, Heimdal-Verlag Bayeux 2002, ISBN 2-84048-155-3:
    a) siehe Seite 2-3
    c) Die Zahlenangabe stammt aus diesem Buch.
  39. a b Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S.532
  40. von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisionsgeschichte, Bd. 2, S.354, S.362
  41. Merridale: Ivan's War, S.267
  42. Merridale: Ivan's War, S.191, S.237, S.271
  43. Merridale: Ivan's War, S.272-273
  44. Merridale: Ivan's War, S.275
  45. Merridale: Ivan's War, S.264
  46. A. A. Maslow: “Wie wurden die sowjetischen Sperrabteilungen eingesetzt ?”, englische Übersetzung von David M. Glantz (online)
  47. Gackenholz: Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte, S.445
  48. Werth: Rußland im Krieg 1941 - 1945, S. ???
  49. [2] Operation Bagration, Artikel der russischen Zeitung Nesawissimaja Gaseta zum 60. Jahrestag der sowjetischen Offensive vom 23. Juli 2004 (abgerufen am 23.12.2009, russisch)
  50. Falin: Zweite Front: Die Interessenskonflikte der Anti-Hitler-Koalition, S.???
  51. Churchill: The Second World War, Bd. ??, S. ???
  52. Merridale: Ivan's War, S.264
  53. Glantz: Soviet Military Deception, S.362
  54. Glantz: Soviet Military Deception, S.372-375
  55. Glantz: Soviet Military Deception, S.364,366
  56. Tschuikow: Das Ende des Dritten Reiches, S. 15
  57. Erickson: The Road to Berlin, S.???
  58. von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisionsgeschichte, Bd.2, S.363
  59. Rolf Hinze: Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte in Kriegsjahr 1944 - Im Großen und im Kleinen; Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH Stuttgart
  60. Kruptschenko: Lehrbuch Militärgeschichte, S.237
  61. http://victory.mil.ru/rkka/units/02/index.html
  62. Glantz: Soviet Military Deception; S.360-379
  63. Baxter: Operation Bagration, S.119 ff.
  64. Mehner: Die geheimen Tagesberichte der Deutschen Wehrmachtsführung im Zweiten Weltkrieg, Bd. 10, S.284 ff.
  65. Kruptschenko et. al.: Lehrbuch Militärgeschichte, S.236
  66. Glantz: Soviet Military Deception, S.362
  67. Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, S.529
  68. Kriwoschejew: Soviet Casualities and Combat Losses, S.145
  69. Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S.532
  70. Interview des russischen Militärhistorikers Alexei Issajew zum 65. Jahrestag der Offensive bei Radio Echo Moskau vom 17.08.2009 Цена Победы (russisch)
  71. Frieser: Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S.533
  72. Groehler: Geschichte des Luftkriegs 1910 bis 1980, S.???
  73. Dr. Samuel J. Lewis: German Counterartillery Measures on the Eastern Front in 1944-45: Operation Bagration https://cgsc.leavenworth.army.mil/carl/download/csipubs/tactical.pdf
  74. Kruptschenko: Lehrbuch Militärgeschichte, S.237-238
  75. Glantz: Soviet Military Deception, Karten S.372,373
  76. a b von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkriegs, S. 463
  77. Dunn: Soviet Blitzkrieg: The Battle for White Russia, 1944, S.???
  78. Mehner: Die geheimen Tagesberichte der Deutschen Wehrmachtsführung im Zweiten Weltkrieg, Bd. 10, S. 295
  79. Mehner: Die geheimen Tagesberichte der Deutschen Wehrmachtsführung im Zweiten Weltkrieg, Bd. 10, S. 300
  80. a b Glantz, Orenstein: Belorussia 1944 - The Soviet General Staff Study, S. 85 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „GlantzOrenstein“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  81. siehe Wladimir Karpow: Russland im Krieg 1941-1945. Weltbild, ISBN 3-8289-0578-1
  82. Hinze: Ostfrontdrama, S.420-423
  83. Christian Zentner; „Der Zweite Weltkrieg“; S.???
  84. Janusz Piekałkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, S.???
  85. Beevor, Vinogradova (Hrsg.): A Writer at War: Vasily Grossman with the Red Army, S.???
  86. Hinze: Ostfrontdrama, S.418,419
  87. Alexander Solschenizyn: Der Archipel GuLAG, ISBN 3-499-14196-5:
    Bd. I, Kap. 6., S. 239–240: „Ich schäme mich, wenn ich mich daran erinnere, wie ich damals, während der Erschließung (lies Plünderung) des Kessels von Bobruisk, als ich zwischen den zerschossenen und umgekippten deutschen Kraftwagen, den herrenlosen deutschen Lastgäulen und dem rundherum verstreuten erbeuteten Luxus einherschlenderte, plötzlich jemanden rufen hörte: «Herr Hauptmann! Herr Hauptmann!» und in einer Niederung, in der deutsche Troßwagen und Autos steckengeblieben waren und das eben erbeutete in Brand gesteckt wurde, den Mann sah, der mich da in reinstem Russisch um Hilfe anflehte, einen Mann in deutschen Uniformhosen, aber nacktem Oberkörper, überall Blut an ihm, im Gesicht, auf der Brust, auf den Schultern, am Rücken – und den Sergeanten vom Sonderdienst hoch zu Rosse, der ihn mit Peitschenhieben und mit der Kruppe seines Pferdes vor sich hertrieb. Er ließ die Knute auf den nackten Leib des Opfers sausen, daß es sich nicht umsah, nicht um Hilfe rief; er trieb den Mann vorwärts und schlug auf ihn ein, immer neue blutige Striemen in seine Haut prügelnd.
    Es war nicht der Punische, nicht der Griechisch-Persische Krieg! Jeder machtbefugte Offizier einer jeden beliebigen Armee hätte der mutwilligen Mißhandlung Einhalt gebieten müssen. Einer jeden beliebigen – ja, bloß auch der unseren? … Bei der Erbarmungslosigkeit und Absolutheit unseres zweipoligen Klassifizierungssystems? (Wer nicht mit uns ist, folglich gegen uns, der falle der Verachtung und Vernichtung anheim.) Kurz gesagt: Ich war ZU FEIGE, den Wlassow-Mann vor dem Sonderdienstler in Schutz zu nehmen, ICH HABE NICHTS GESAGT UND NICHTS GETAN, ICH GING VORBEI, ALS OB ICH NICHT GEHÖRT HÄTTE – damit die allseits geduldete Pest nur ja nicht auf mich übergreife (was, wenn der Mann ein Superbösewicht ist? Was wenn der Sergeant glaubt, ich sei … ? Was wenn … ?). Ja, einfacher noch: Wer die damalige Atmosphäre in unserer Armee kennt – ob sich der Sonderdienstler von einem simplen Hauptmann auch etwas hätte befehlen lassen ?
    Und so wurde ein wehrloser Mensch wie ein Stück Vieh weitergetrieben, und der Mann vom Sonderdienst hörte nicht auf, mit wutverzerrtem Gesicht auf ihn einzupeitschen.
    Dieses Bild ist mir für immer geblieben. Denn es ist beinahe ein Symbol des Archipels und würde bestens auf den Buchumschlag passen.“
  88. Kopelew; Aufbewahren für alle Zeit, S.44: „Die ersten Hiwis hatte ich im Sommer 1944 in Bjelorussland gesehen. Unsere Soldaten rechneten manchmal eigenmächtig mit ihnen ab, gleich an Ort und Stelle ihrer Gefangennahme: »A-a-a-h, Landsleute, Verräter, zum Teufel mit euch, verfluchte Wlassow-Bande, Hunde !« Sie hatten noch Glück, wenn sie sofort erschossen oder aufgehängt wurden. Es kam auch vor, daß sie lange gequält und schließlich zu Tode getrampelt wurden.“
  89. Deutsche Wikipedia – Artikel über die Stadt Babrujsk; Version vom 23. November 2007
  90. von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisionsgeschichte, Bd. 2, S.363
  91. von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisionsgeschichte, Bd. 2, S.366
  92. siehe http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/18/0,1872,7121810,00.html
  93. Gackenholz: Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte, S.467: „[…] Mit dem Wechsel im Oberbefehl verband sich ein Wandel nicht nur im „Stil“ der Operationsführung, sondern auch im Verhältnis zur obersten Führung. Das Ansehen, das der neue Oberbefehlshaber bei Hitler besaß, machte sich sofort geltend, […] was im Führungstabe der Heeresgruppe mit einer gewissen Verblüffung bewerkt wurde.“
  94. von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisiongeschichte, Bd. 2, S.378
  95. Lapp; General bei Hitler und Ulbricht - Vincenz Müller, eine deutsche Karriere, S.138
  96. a b von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkriegs, S.468
  97. a b Lapp: General bei Hitler und Ulbricht, Vincenz Müller - Eine deutsche Karriere, S.139
  98. Gackenholz: Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte 1944, S.471
  99. Lapp: General bei Hitler und Ulbricht, Vincenz Müller - eine deutsche Karriere, S. 140
  100. Kopelew: Aufbewahren für alle Zeit, S.66
  101. Duffy: Die Bielski-Brüder, S.???
  102. von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisionsgeschichte, Bd. 2, S.363-375
  103. Hinze: Ostfrontdrama, S.31
  104. nach Hinze: Ostfrontdrama, S.434 ff.
  105. Michail Trofmimowitsch Tschwenjawskij, Naratsch, ehemaliger Partisan - in Hinrich Herbert Rüßmeyer - Spurensuche: „Am 4. Juli [1944] kam die sowjetische Armee Richtung Mjadel (weißrussisch: Мядзел). Die Soldaten der Wehrmacht wollten Mjadel in einem Ring verteidigen. Sie kämpften, bis die Rote Armee kam, mussten dann aber kapitulieren. Nach der Kapitulation mussten sich die Soldaten der Wehrmacht und der Ordnungspolizei in je eine Reihe stellen. Die Soldaten wurden der Roten Armee als Kriegsgefangene übergeben, die Polizisten den Partisanen. [Die Polizisten wurden erschossen.]“
  106. Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S.563
  107. a b c Borodziej: The Warsaw Uprising of 1944, S.56
  108. Borodziej: The Warsaw Uprising of 1944, S.57
  109. Frieser: Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd.8, S.567
  110. a b c Frieser: Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd.8, S.587
  111. Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S.565
  112. Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S.567
  113. Klukowski: Red Shadow, S.3
  114. von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisionsgeschichte, Bd. 2, S. 408-430
  115. Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S.569
  116. a b Benz, Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors-Geschichte der Nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 8, S.68, 202-203, 227-228, 231
  117. Морозов (Ed.): Преступления немецко-фашистских оккупантов в Белоруссии. 1941-1944, S. 208-211
  118. Duffy: Die Bielski-Brüder, S.???
  119. http://www.deathcamps.org/occupation/maly%20trostinec_de.html
  120. Василий Семенович Гроссман: Треблинский ад, September 1944, (online)
  121. Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, S. 557
  122. Erickson: The Road to Berlin, S. 229
  123. Proskouriakov: Das soziale Bewusstsein und die Wahrnehmung des Krieges der deutschen und russischen Soldaten, Anhang V: Bericht von Lawrenti Berija an Stalin vom 17. Juli 1944
  124. Werth: Russland im Krieg, S.574
  125. Sergej Lipatow, Walerij Jaremenko: Der Marsch durch Moskau. In: Nesawissimaja Gaseta, 16. Juli 2004
  126. Böhme: Die deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Hand - Eine Bilanz, S.27-29
  127. Lapp: General bei Hitler und Ulbricht, Vincenz Müller - Eine deutsche Karriere, S.143
  128. Achmann: Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand, S.92
  129. a b http://www.spiegel.de/jahreschronik/0,1518,331476-2,00.html:
    Philipp von Boeselager dazu: „Das war eine wahnsinnige Anstrengung, die Leute pennten im Sattel ein.“
  130. Achmann: Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand, S.94
  131. a b Hinze: Ostfrontdrama, S. 16
  132. a b Der Spiegel vom 12. November 2007 S. 180: Malte Herwig, Philipp Oehmke: "Mir hätte der Mut gefehlt"
  133. Scheurig: Verräter oder Patrioten. Das Nationalkomitee »Freies Deutschland« und der Bund Deutscher Offiziere in der Sowjetunion 1943-1945, S.155 - 157
  134. Heim-Statt Tschernobyl e.V., Spurensuche und Zeitzeugenbefragung 2004 [3]
  135. a b http://www.icbl.org/lm/2006/belarus.html#Heading77
  136. http://www.icbl.org/lm/1999/belarus.html#Heading13072

Anmerkungen

  1. Dieser Fakt wurde wenig später nach dem Beginn des Kalten Krieges von den sowjetischen Historikern geleugnet. Angeblich entsprachen die von den Alliierten an die Sowjetunion abgegebenen Güter nur 4 Prozent der sowjetischen Industrieproduktion. (Jeremenko: Als Fälscher entlarvt, S.102) Tatsächlich lassen sich gerade aus der Zeit der Operation Bagration sehr viele Fotos sowjetischer Infanteristen auf Matilda- und Sherman-Panzern britischer und us-amerikanischer Produktion finden.
  2. Das russische Pseudonym 'Samogon' bedeutet etwa 'selbstgebrannter Schnaps'.
  3. Maskirowka ist das russische Wort für den deutschen Begriff Tarnung. Im Gegensatz zu anderen Armeen der damaligen Zeit wurden die Verfahren zur Tarnung in Roten Armee aufgrund der negativen Erfahrungen der Kriegsjahre 1941 und 1942 perfektioniert. Die Tarnung wurde als ein eigenständiger operativer Vorgang betrachtet. Um die deutsche Aufklärung in die Irre zu führen, wurden eigenständige Pionierabteilungen eingerichtet, die einen sowjetischen Truppenaufmarsch vortäuschen oder die Spuren von großen Truppenbewegungen verbergen konnten. (siehe Glantz: Soviet Military Deception)
  4. von Tippelskirch: „An der Front der Heeresgruppe Mitte begann sich der Schleier, der über den zukünftigen Absichten der russischen Führung lag, um den 10. Juni zu lichten. […]“ Gemeint ist damit eine Agentenmeldung dieses Datums, in der von einer Großoffensive im Raum Witebsk und Orscha in Richtung Minsk die Rede ist. Diese wird in Erickson erwähnt.
  5. Laut von Tippelskirch waren sich jedoch auch die deutschen Armee- und Korpskommandeure des tatsächlichen Kräfteverhältnisses nicht bewusst und überschätzten deswegen die Verteidigungsfähigkeit ihrer Einheiten.
  6. In die Gliederung ist nur der nördliche Flügel der 1. Weißrussischen Front einbezogen. Die 1. Weißrussische Front umfasste wesentlich mehr Armeen als die übrigen Fronten, weil sie für den gesamten Frontbogen vom südostlichen Weißrussland über die Pripjaz-Sümpfe bis hin zum nordwestukrainischen Kowel zuständig war. Die von der Front zu verteidigende Kampflinie hatte eine Gesamtlänge von über 600 Kilometern. Der südliche Flügel der 1. Weißrussischen Front kam erst während der Lublin-Brester-Operation ab dem 18. Juli 1944 zum Einsatz.
  7. Erste Angriffe fanden bereits am 21. Juni im Bereich der 299. Infanteriedivision statt und waren ein Test der deutschen Widerstandsfähigkeit durch die Rote Armee.
  8. Von Tippelskirch als auch Gackenholz gehen davon aus, dass diese Staffelung vorgenommen wurde, um eine maximale Anzahl von Luftangriffen in dem jeweils attackierten Abschnitt zu ermöglichen.
  9. Die Maschine trägt den Namen des russischen Generals Alexander Suworow. Die Motivation durch den Bezug auf Helden aus der Zeit des Kriegs gegen Napoleon wurde in der Roten Armee ab 1942 praktiziert, da sich die kommunistische Agitation nicht bewährt hatte.
  10. Öffentliche Vernehmung von Generalleutnant Hitter und General der Infanterie Gollwitzer durch den Befehlshaber der 3. Weißrussischen Front Tschernjachowski und den Marschall der Sowjetunion Wassilewski (von rechts nach links) nach der Gefangennahme der Deutschen im Kessel von Wizebsk. Der sowjetische Offizier links im Vordergrund ist Generalleutnant Makarow. (28. Juni 1944)
  11. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde den Offizieren der 4. deutschen Panzerdivision von General Gerd Niepold, dem damaligen Ia der 12. deutschen Panzerdivision, der Vorwurf gemacht, das es falsch gewesen war, die 4. Panzerdivision schon bei Baranawitschy auszuladen. Es wäre besser gewesen, die 4. Panzerdivision bis Stoubzy zu transportieren, weil dadurch möglicherweise noch die Passage bei Stoubzy für die sich zurückziehende 4. deutsche Armee hätte offen gehalten werden können. (von Saucken, Neumann: 4. Panzer-Division. Divisionsgeschichte, Bd. 2, S. 378,379)
  12. Im Buch von Tippelskirch fehlt die Beschreibung der nachfolgenden Ereignisse, obwohl ihm diese spätestens dann bekannt geworden sein müssen, als er zu Beginn der 1950er Jahre mit der Erstellung seines Buches begann. Auf Vincenz Müller geht er gar nicht ein.
  13. Die Darstellung orientiert sich an der von Peter Joachim Lapp in der Biografie Vincenz Müllers gegebenen Version. Nach der Darstellung Karl-Heinz Friesers in Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Band 8 S. 554, Fußnote 100, die auf dem Inhalt der Berichte von Rückkämpfern der 4. Armee basiert, hat sich Müller am 5. Juli 1944 „mit seinem Stab von der Armee getrennt mit der Absicht sich allein durchzuschlagen. Er legt damit die Führung des Korps nieder.“
  14. Andere Quellen wie der englische Wikipedia-Artikel zur Operation Ostra Brama vom 24. Mai 2008 nennen 30.000 deutsche Soldaten.
  15. Generalfeldmarschall Günther von Kluge behinderte diese Bestrebungen aber auch nicht. Er beteiligte sich nur ganz einfach nicht mehr daran.
  16. Die Bezeichnung Schwadron bezieht sich auf eine Einheit in Kompaniestärke. Es sind also Einheiten in der ungefähren Größenordnung eines Bataillons mit einer Stärke 1200 Mann aus der Front genommen worden, was unter den katastrophalen Bedingungen in denen sich die ausgedünnte Heeresgruppe Mitte befand, ein sehr riskanter Schritt war, der ohne die Deckung durch Henning von Tresckow kaum möglich gewesen wäre.
  17. Basierend auf dem in Achmann wiedergegebenen Bericht des damaligen Rittmeisters und späteren Generalmajors Alexander Frevert-Niedermein, der während eines Gesprächs zwischen H. Bühl und Frevert-Niedermein im Juni 1989 in Buschhoven aufgezeichnet wurde.
  18. Es handelt sich um die revidierte Fassung der Ausstellung nach der Beseitigung der im Artikel Wehrmachtsausstellung beschriebenen historischen Fehler.
  19. Referenziert wird im Artikel die englische Übersetzung Soviet casualties and combat losses in the twentieth century, Greenhill Books, London 1997, ISBN 1-85367-280-7