Freistadt Christiania
Die Freistadt Christiania, dänisch Fristad Christiania, auch Das freie Christiana oder kurz Christiania genannt, ist eine alternative Wohnsiedlung in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, die seit 1971 besteht.

Geographie
Christiania umfasst ein 34 ha großes Gebiet im Kopenhagener Stadtteil Christianshavn. Das ehemalige Militärgelände der Bådsmandsstrædes Kaserne liegt auf den historischen Wallanlagen der Stadt. Geografisch gliedert sich Christiania in insgesamt 15 Gebiete:
- Loppebygningen
- Fredens Ark (Friedensarche)
- Prærien (Prärie)
- Tinghuset (Thinghaus)
- Psyak
- Mælkevejen (Milchstraße)
- Fabriksområdet (Fabrikgelände)
- Løvehuset (Löwenhaus)
- Mælkebøtten (Löwenzahn)
- Nordområdet
- Den Blå Karamel (Der blaue Karamell)
- Bjørnekloen (Bärenklaue)
- Syddyssen
- Midtdyssen
- Norddyssen
Politik
Die Bewohner betrachten sich selbst als in einer Freistadt lebend, die sich unabhängig von den staatlichen Behörden verwaltet. Basisdemokratisch und auf Konsens hin ausgerichtet, setzt man auf Selbstregulierung. Eine Polizei gibt es nicht, verschiedene Formen von Versammlungen intervenieren im Bedarfsfall und können als Strafe den Ausschluss aus der Gemeinschaft beschließen.
Das Plenum (Fællesmøde)
Das Plenum (Fællesmøde) behandelt die Angelegenheiten, welche die gesamte Gemeinschaft betreffen, wie z. B. den Beschluss des jährlichen Haushaltsplanes, Zusammenarbeit und Verhandlungen mit dem dänischen Staat oder Konflikte mit der Kopenhagener Polizei. In diesem Falle kann man das Plenum mit der Regierung im Folketinget vergleichen, als gesetzgebende Macht.
Die Gebietssitzung (Områdemøde)
Die Gebietssitzung (Områdemøde) wird in der Regel einmal im Monat einberufen. Hier werden die lokalen Probleme der 15 Gebiete besprochen.
Flagge
Die Flagge der Freistadt Christiania ist ein rotes Banner mit drei gelben Kreisen. Diese Kreise repräsentieren die "i"-Punkte in "Christiania"[1]. Als die ersten Hausbesetzer die verlassene Militäranlage besetzten, fanden sie eine große Mange roter und gelber Farbe und wählten diese Farben daher für ihre Flagge[2].
Eine weitere Bedeutung der Kreise ist der Wahlspruch der Freistadt: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" oder wie einige auch sagen: "Frieden, Liebe und Harmonie".
Verhältnis zu den dänischen Behörden
Bisherige Versuche dänischer Behörden, die Besetzer vom Gelände zu entfernen, schlugen aufgrund der großen Anzahl der Personen (ca. 900) und der Größe des Areals fehl, sodass man sich 1972 darauf verständigte, die Besetzung als „soziales Experiment“ zu betrachten und zu dulden, bis über die Verwendung des Geländes entschieden würde. Im Gegenzug erklärten sich die Bewohner bereit, die Betriebskosten (Strom, Wasser) zu bezahlen. Aus Sicht der dänischen Behörden handelt es sich um eine staatlich geduldete autonome Kommune.
Die derzeitige dänische Mitte-Rechts-Regierung ist der „Freistadt“ politisch nicht wohlgesinnt. Die Regierung des ehemaligen dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen und die seines Nachfolgers Lars Løkke Rasmussen wollen in Christiania die Anwendung der sonst üblichen Bau- und Vergabebestimmungen für Wohnraum durchsetzen. Bisher entscheiden die Anwohner darüber. Im Mai 2007 wurde auf Anordnung der dänischen Behörden der zwangsweise Abriss des Holzhauses „Zigarrenkiste“ vollstreckt. Die Bewohner sahen darin einen unzulässigen Eingriff in ihre Selbstverwaltung und eine politische Provokation, weshalb sie das Gebäude provisorisch neu errichteten.
Am 26. Mai 2009 entschied das zuständige Gericht (Østre Landsret) zugunsten der dänischen Regierung die Räumung Christianias. Die Entscheidung ist in Berufung vor dem obersten Gerichtshof (Højesteret) gegangen. Die Verhandlung ist für den Januar 2011 angesetzt.[3][4]
Am 14. Dezember 2009 kam es am Rande der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen zu Krawallen am Rande der Siedlung Christiania, in deren Verlauf brennende Barrikaden errichtet wurden.[5] Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Randalierer vor und nahm auf dem Gelände von Christiania etwa 150–200 Personen, nach anderen Angaben 210 Personen[6] fest.
Sozial- und Gesundheitspolitik
Viele sozialstaatliche Dienste wurden im Laufe der Jahre eingeführt: von der Straßenreinigung über die Post bis hin zu Kindergärten, Schulfreizeitangeboten und einem Bade-/ Gesundheitshaus. Es gibt weder Mietvertrag noch Hauseigentum.
Bewohner
Von ehemals einigen Tausend Hippies, Aussteigern, Anarchisten und sonstigen Lebenskünstlern blieben heute rund 900 Menschen, teils nunmehr in der zweiten und dritten Generation. Nach wie vor ist Christiania eine Anlaufstation für Ausreißer, Obdachlose, Inuit (Grönländer) und andere, die am Rand der „normalen“ Gesellschaft stehen. Tagsüber kommen tausende Tagesbesucher um Cafés und andere Geschäfte aufzusuchen oder um sich zu erholen.
Kultur
Die individualistisch-pittoreske Architektur und die Stadtanlage sind Ausdruck der dort vertretenen alternativen Lebensform. Dennoch schottet man sich nicht gänzlich von der Gesellschaft ab, viele Christianitter arbeiten außerhalb der Siedlung, alle bezahlen ihre Steuern an den dänischen Staat – und zugleich einen Anteil an die eigene Verwaltung. Überhaupt ist das Leben in Christiania heute stärker konsumorientiert, als es den ursprünglichen Idealen der Hippie-Bewegung entsprach. Es gibt eine eigene Währung namens LØN (Lohn), die Münzen haben einen Wert von 50 Dänischen Kronen.
Regeln
Es gibt mehrere Regeln in Christiania, die obersten sind:
- Keine harten Drogen
- Keine Rockerwesten mit Klubabzeichen
- Keine Waffen
- Keine Gewalt
Autos und Motorräder sind in Christiania verboten. Der Konsum sogenannter „weicher Drogen“ – zum Beispiel Marihuana und Haschisch – wurde in Christiania von der dänischen Regierung über dreißig Jahre toleriert und der Handel wenig behindert.
Im Frühjahr 2004 rissen die Haschischhändler (Pusher) der Pusherstreet ihre Verkaufsstände auf Druck der rechtsliberalen Regierung ab, wodurch der Haschischhandel zum ersten Mal in Christianias 36-jähriger Geschichte nicht mehr offen, sondern im Verborgenen stattfindet.
Das Fotografieren in der Nähe der Pusherstreet ist verboten. Darauf weisen zahlreiche Verbotsschilder hin. Auf dem Rest des Gebietes ist das Fotografieren erlaubt, solange man die übliche Zurückhaltung beim Fotografieren von Personen einhält.
Impressionen
-
Haupteingang der Freistadt Christiania
-
Von der anderen Seite gesehen
-
Haus in der Freistadt Christiania
-
Pusherstreet, die Straße der Haschischhändler, deutlich zu sehen sind die Fotografie-Verbotsschilder
-
Wohnhaus („Bananenhaus“)
-
Das Badehaus in Christiania mit einem Briefkasten der „Christiania Post“
Weblinks
- Offizielle Homepage der Freistadt Christiania
- Reiseführer Kopenhagen: Christiania
- Eine Utopie kämpft ums Überleben August 2004
- Rheinische Post: Proteste gegen Abriss eines Hauses in Christiania 15. Mai 2007
- "Christiania"- Dokumentation aus der Sendereihe "Orte des Erinnerns" im Rundfunk Berlin-Brandenburg, Februar 2009
Einzelnachweise
- ↑ Christiania, Denmark. Flags of the World
- ↑ Europe: Save Christiania. Rick Steves
- ↑ Basler Zeitung: Hippies müssen Christiania verlassen Basler Zeitung vom 26. Mai 2009
- ↑ Landsretten: Grænser for fristad Politiken vom 26. Mai 2009
- ↑ Militante Umweltschützer setzen Barrikaden in Brand RP-Online, 15. 12. 2009
- ↑ Klimagipfel Kopenhagen – Molotowcocktails und Tränengas Süddeutsche Zeitung Online, 15. 12. 2009
Koordinaten: 55° 40′ 26″ N, 12° 36′ 1″ O